LVIII
EINER MADONNE
(GELÖBNIS-TAFEL IN SPANISCHEM GESCHMACK)

[80] Madonna · meine gebieterin · dir will ich bauen

Verborgenen altar aus meiner nöten tiefe

Und in meines herzens finsterstem winkel graben

Weit von der weltlichen lust und dem spöttischen blick

Eine nische ganz mit azur und gold überzogen

Wo du dich · verwundertes standbild · erheben sollst.

Aus meiner geglätteten verse reinem metall

Verständnisvoll übersät mit kristallenen reimen

Will ich für dein haupt eine mächtige krone bereiten.[81]

Aus meiner eifersucht · sterbliche madonna ·

Will ich einen mantel dir schneiden barbarischer art

Schwer und starr und ausgefüttert mit argwohn

Und der wie ein schützendes zelt deine reize umschliesst

Mit perlen nicht sondern mit all meinen tränen bestickt.

Dein kleid soll mein verlangen werden das zittert

Und wogt · mein verlangen das steigt und sich senkt ·

Auf höhen sich schaukelt und in den tälern sich ausruht ·

Mit küssen den weissen und rosigen leib dir umhüllt.

Mit meiner verehrung bereit ich dir schöne schuhe

Aus atlas · gedemütigt durch deinen göttlichen fuss ·

Die ihn umschliessend in einer weichen umschlingung

Wie eine getreue form dem eindruck sich schmiegen.

Wenn ich es nicht trotz meiner emsigen künste vermag

Als schemel dir einen silbernen mond zu schneiden

So setz ich die schlange die in den geweiden mir nagt

(Dies ungeheuer mit hass und geifer geschwollen)

Dir unter die füsse damit du es trittst und verhöhnst ·

O siegreiche königin und an erlösungen grosse!

Dann siehst du meine gedanken · geordnet wie kerzen

Vorm blumigen altar der jungfrauenkönigin

Mit widerscheinen die blaue decke bestirnend

Und immerfort dich mit feurigen augen betrachtend ·

Und weil dich alles in mir bewundert und liebt[82]

Wird alles zu benzoë weihrauch oliban mirre

Und unaufhörlich · o weisser und schneeiger gipfel ·

Erhebt sich in dämpfen zu dir mein stürmischer geist.


Zum schluss · um ganz dich zu einer maria zu machen

Und um mit der liebe die grausamkeit zu vermischen –

O schwarze lust! aus den sieben entsetzlichsten sünden

Verfertig ich reuvoller henkersknecht sieben schwerter ·

Wolgeschliffene · und wie ein gefühlloser gaukler

Erwähl ich mir deiner liebe Tiefstes als scheibe:

Ich pflanze sie alle in dein zuckendes herz

In dein schluchzendes herz in dein rieselndes herz.

Quelle:
George, Stefan: Baudelaire. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 13/14, Berlin 1930, S. 80-83.
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