LXVI
HERBST-SONETT

[88] Dein auge klar kristallen birgt die frage:

Weshalb · seltsamer freund · bin ich dir lieb?

Sei schön und schweig! in meinem gram ertrage

Ich nur des tieres unumhüllten trieb.


Die du in lange schlummer senkst · ich sage

Vom höllischen geheimnis nichts das blieb ·

Von unheilsworten die die flamme schrieb:

Gift ist mir leidenschaft und geist mir plage.


Liebe mich sanft! aus dunklem heiligtume

Spannt Amor listig des verderbens stahl ·

Ich kenne seiner marterkammern qual:


Schreck wahn und schmach .. o bleiche wiesenblume!

Bist du wie ich nicht auch ein herbstes-strahl ·

O meine weisse meine kalte Blume?

Quelle:
George, Stefan: Baudelaire. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 13/14, Berlin 1930, S. 88-89.
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