DER ADLER ÜBER GLAUBE UND HEIL

[182] Wie sich die lerche aufschwingt in die weiten

Erst singend und dann schweigend · zur genüge

Ersättigt mit den lezten süssigkeiten


So deuchte mir das abbild vom gefüge

Des Ewigen Beliebens dessen waltung

So wie sie ist sich jede sache füge.


Und wusst ich auch dass meine innre spaltung

Wie farbe hinter glas man hier durchdringe:

Trug ich nicht länger schweigende verhaltung.


Aus meinem munde: ›was sind diese dinge?‹

Brach es hervor als ob ich dran ersticke.

Drauf mehrte sich das strahlende geschwinge.


Dann kam mit einem leuchtenderen blicke

Die antwort des gebenedeiten Aares

Damit ich nicht in staunen mich verstricke:[182]


Ich sehe wol du hältst dies all für wahres

Weil ichs gesagt – doch weisst du nichts vom grunde ·

So ist es dir wenn auch geglaubt nichts klares.


Du tust es jenem gleich · der führt im munde

Der dinge namen · doch was sie enthalten

Kann er nicht sehn · bringt nicht ein Andrer kunde.


REGNUM COELORUM lässt sich vergewalten

Von heisser liebe und von gläubigem drange

Die sieger bleiben übers ewige schalten


Nicht so wie mensch vor mensch erliegt dem zwange ·

Es siegt indem es wünscht besiegt zu werden –

Besiegt siegt es im gnadenüberschwange.


Himmel · XX. Gesang · 73–99.[183]

Quelle:
George, Stefan: Dante. Die göttliche Komödie. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 10/11, Berlin 1932, S. 182-184.
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