DER ERZENGEL GABRIEL

[204] Ich sah von glorie einen solchen regen

Auf ihr: ihn trugen heilige gesandte

Die auf und ab durchflogen diesen segen.


Wohin auch vorher schon mein blick sich wandte –

Nichts konnte grösser staunen mir bereiten ·

Nie zeigte sich so nah das Gott-verwandte.[204]


Und jener Eifer der entstieg vor zeiten

Und sang: ›Gegrüsset seist du voll der gnaden‹

Trat vor sie seine schwingen auszubreiten.


Und von des seligen hofes allen graden

Kam antwort zu dem göttlichen gesange.

Er schien zur höhern freude sie zu laden.


›O heiliger vater der zum untern range

Entstiegst für mich und dem nun fehlt der frohe

Worauf du thronst nach ewigem ergange:


Wer ist der engel dort der unsre hohe

Gebieterin beschaut mit solchen wonnen

Und solcher glut als sei er ganz aus lohe?‹


So hab ich zu belehren mich begonnen

Bei ihm der an Marien sich verklärte

Wie das gestirn des morgens an den sonnen.


Und er dagegen: Alle pracht und zärte

Die einen menschen zieret oder engel

Ist in ihm und gerecht ist das gewährte.[205]


Er ist es der herab den palmenstengel

Trug zu Marien als dem Gottessohne

Genehm war einzugehn in unsre mängel.


Himmel · XXXII. Gesang · 88–114.

Quelle:
George, Stefan: Dante. Die göttliche Komödie. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 10/11, Berlin 1932, S. 204-206.
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Dante. Die göttliche Komödie
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