DER FRIEDENSENGEL

[99] So wie der schlummer wenn mit jähem rucke

Ein licht erschüttert die geschlossnen lider ·

Bevor er ganz erstirbt gebrochen zucke:


So fuhr auch ich aus meinem sinnen wieder

Als wir uns einem starken glanze nahten ..

Nie scheint ein gleicher auf die erde nieder.


Ich drehte mich und sah wohin wir traten

Als eine stimme zu mir drang: Hier steige!

Sie liess mich jedes andren plans entraten.


Und meinem wunsche gab sie solche neige

Zu schauen was sich redend zu mir wende

Dass er nicht ruhte bis es sich ihm zeige.


Wie uns die sonne · unsrer augen blende ·

Durch überhelle deckt ihr angesichte:

So hier – ich war mit meiner kraft zu ende.[99]


›Dies ist ein geist des himmels der die richte

Nach oben gibt · und bitten lässt er keinen.

Er ist verhüllt von seinem eignen lichte.


Er meint es wie wir mit uns selbst es meinen:

Wer not erblickend bitten erst begehre

Der lege sich böswillig aufs verneinen.


Auf! lenken wir den fuss nach seiner lehre

Und klimmen wir hinan bevor es nachte ·

Dann gehts nicht weiter eh der tag nicht kehre.‹


So sprach zu mir mein führer und er brachte

Mich vor die treppe zu den höheren hügeln.

Als ich den ersten schritt nach oben machte


Da fühlt ich um mich wie geräusch von flügeln

Die mir ums antlitz wehten lispelnd: Selig

Die friedlichen die böses zürnen zügeln.


Fegefeuer · XVII. Gesang · 40–69.[100]

Quelle:
George, Stefan: Dante. Die göttliche Komödie. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 10/11, Berlin 1932, S. 99-101.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Dante. Die göttliche Komödie
Sämtliche Werke in 18 Bänden. Bd. 10/11: Dante - Die göttliche Komödie. Übertragungen