INSCHRIFT DES HÖLLENTORS · DIE LAUEN

[21] ›Durch mich geht man hinein zur stadt der trauer

Durch mich geht man in der Verlornen zelle

Durch mich geht man zum leiden ewiger dauer.


Aus recht gab mir der Schöpfer meine stelle

Die göttliche Gewalt hat mich geweitet

Die erste Liebe und die höchste Helle.


Vor mir war kein geschaffnes ding bereitet

Nur ewige – wie auch ich ewig stehe.

Lasst jede hoffnung die ihr mich durchschreitet.‹[21]


Dies wort in einer dunklen farbe sehe

Ich aufgeschrieben über einer türe ..

Ich sprach: der sinn · o meister · macht mir wehe.


Drauf er · als kundiger dessen was gebühre:

Hier ziemt dass jeder zweifel sei gebrochen ·

Nicht ziemt hier dass sich irgend feigheit rühre.


Wir sind am ort von dem ich dir gesprochen

Wo ich dich zum verlornen volke bringe

Das seiner güter höchstes hat verbrochen ...


Er legt' um meine seine hand als schlinge

Mit heitrem blick · worob ich trost empfangen

Und liess mich ein in die geheimen dinge.


Dort in der sternenlosen luft erklangen

Seufzer und schluchzen und ein laut gestöhne

Worüber ich mit weinen angefangen.


Seltsame sprachen · fürchterliche töne ·

Worte der qual · geschrei des zornes · volle

Und dumpfe stimmen · dazu handgedröhne:[22]


Sie machten ein getöse als ob rolle

In ewig dicker luft ununterbrochen

Das von den fröschen in des sturmes grolle.


Ich sprach · das haupt voll zweifelhaftem pochen:

Meister · was höre ich in diesem kreise

Für volk das so vom schmerze scheint durchstochen?


Und er zu mir: Solch jammervolle weise

Muss die elende seele der erfahren

Die lebten ohne schmach und ohne preise.


Sie sind gemischt mit jenen schlechten scharen

Mit jenen engeln welche nicht rebellen

Noch treu dem Herren sondern für sich waren.


Der himmel jagt sie dass er nichts vom hellen

Einbüsst noch birgt man sie im höllischen schlunde

Dass nicht die sünder drob sich höher stellen.


Ich sagte: Meister · was für eine wunde

Ist es in ihnen die sie so macht leiden?

Und er: Ich gebe davon kurz dir kunde:[23]


Diesen ist hoffnung nie: ganz zu verscheiden –

Und nichts ist wie ihr leben niedrer trüber

So dass sie jedes andre los beneiden.


Von ihnen dringt kein ruhm der welt hinüber ·

Von Gnade wie von Recht sind sie verachtet ·

Sprich nicht von ihnen · schau und geh vorüber!


Hölle · III. Gesang · 1–51.

Quelle:
George, Stefan: Dante. Die göttliche Komödie. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 10/11, Berlin 1932, S. 21-24.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Dante. Die göttliche Komödie
Sämtliche Werke in 18 Bänden. Bd. 10/11: Dante - Die göttliche Komödie. Übertragungen

Buchempfehlung

Angelus Silesius

Cherubinischer Wandersmann

Cherubinischer Wandersmann

Nach dem Vorbild von Abraham von Franckenberg und Daniel Czepko schreibt Angelus Silesius seine berühmten Epigramme, die er unter dem Titel »Cherubinischer Wandersmann« zusammenfasst und 1657 veröffentlicht. Das Unsagbare, den mystischen Weg zu Gott, in Worte zu fassen, ist das Anliegen seiner antithetisch pointierten Alexandriner Dichtung. »Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein. Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.«

242 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon