[Wenn dich meine wünsche umschwärmen]

[66] Wenn dich meine wünsche umschwärmen

Mein leidender hauch dich umschwimmt –

Ein tasten und hungern und härmen:

So scheint es im tag der verglimmt

Als dränge ein rauher umschlinger

Den jugendlich biegsamen baum ·

Als glitten erkaltete finger

Auf wangen von sonnigem flaum.[66]


Doch schliessen die schatten sich dichter

So lenkt der gedanke dich zart.

Dann gelten die klänge und lichter ·

Dann ist uns auf unserer fahrt:

Es schüttle die nacht ihre locken

Wo wirbel von sternen entfliegt ·

Wir wären von klingenden flocken

Umglänzt und geführt und gewiegt.


Mich hoben die träume und mären

So hoch dass die schwere mir wich –

Dir brachten die träume die zähren

Um andre um dich und um mich ...

Nun wird diese seele dir lieber

Die bleiche von duldungen wund ·

Nun löscht sein verzehrendes fieber

Mein mund in dem blühenden mund.

Quelle:
Stefan George: Der siebente Ring. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 6 / 7, Berlin 1931, S. 66-67.
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Sämtliche Werke in 18 Bänden. Bd. 6/7: Der siebente Ring
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