LANDSCHAFT I

[129] Des jahres wilde glorie durchläuft

Der trübe sinn der mittags sich verlor

In einem walde wo aus spätem flor

Von safran rost und purpur leiden träuft.


Und blatt um blatt in breiten flecken fällt

Auf schwarze glätte eines trägen bronns

Wo schon des dunkels grausamer gespons

Ein knabe kühlen auges wache hält ..


Und durch die einsamkeiten stumm und taub

Senkt langsam flammend sich von ast zu ast

Ins schwere gelb des abends goldner glast –

Dann legt sich finstrer dunst in finstres laub.[130]


Nachtschatten ranken · flaumiges gebräm ·

Um einen wall von nacktem blutigen dorn ·

Gerizte hände dringen matt nach vorn ..

Dass in das dickicht nun der schlummer käm!..


Da bricht durch wirres grau ein blinken scheu

Und neue helle kommt aus dämmerung.

Ein anger dehnt auf einem felsensprung

Weithin .. nur zieht durch der violen streu


Die reihe schlanker stämme · speer an speer ·

Von silber flimmert das gewölbte blau ·

Ein feuchter wind erhebt sich duftend lau ...

Es fallen blüten auf ein offen meer.

Quelle:
Stefan George: Der siebente Ring. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 6 / 7, Berlin 1931, S. 129-131.
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Sämtliche Werke in 18 Bänden. Bd. 6/7: Der siebente Ring
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