DIE GRAEBER IN SPEIER

[21] Uns zuckt die hand im aufgescharrten chore

Der leichenschändung frische trümmer streifend.

Wir müssen mit den tränen unsres zornes

Den raum entsühnen und mit unserm blut

Das alte blut besprechen dass es hafte ·

Dass nicht der Spätre schleicht um tote steine

Beraubte tempel ausgesognen boden ..

Und der Erlauchten schar entsteigt beim bann:


Des weihtums gründer · strenge kronenstirnen ·

Im missglück fest · in busse gross: nach Konrad

Der dritte Heinrich mit dem stärksten zepter –

In wälschen wirren · in des sohnes aufruhr

Der Vierte reichsten schicksals: haft und flucht ·

Doch wer ihn wegen sack und asche höhnte

Den schweigt er stolz: der orte sind für euch

Von schmählicherem klange als Kanossa.[22]


Urvater Rudolf steigt herauf mit sippe ·

Er sah in seinem haus des Reiches pracht

Bis zu dem edlen Max dem lezten ritter ·

Sah tiefste schmach noch heut nicht heiler wunde

Durch mönchezank empörung fremdengeissel ·

Sah der jahrtausendalten herrschaft ende

Und nun die grausigen blitze um die reste

Des stamms dem unsre treue klage gilt.


Vor allen aber strahlte von der Staufischen

Ahnmutter aus dem süden her zu gast

Gerufen an dem arm des schönen Enzio

Der Grösste Friedrich · wahren volkes sehnen ·

Zum Karlen- und Ottonen-plan im blick

Des Morgenlandes ungeheuren traum ·

Weisheit der Kabbala und Römerwürde

Feste von Agrigent und Selinunt.

Quelle:
Stefan George: Der siebente Ring. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 6 / 7, Berlin 1931, S. 21-23.
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