LEO XIII

[19] Heut da sich schranzen auf den thronen brüsten

Mit wechslermienen und unedlem klirren:

Dreht unser geist begierig nach verehrung

Und schauernd vor der wahren majestät

Zum ernsten väterlichen angesicht

Des Dreigekrönten wirklichen Gesalbten

Der hundertjährig von der ewigen burg

Hinabsieht: schatten schön erfüllten daseins.


Nach seinem sorgenwerk für alle welten

Freut ihn sein rebengarten: freundlich greifen

In volle trauben seine weissen hände ·

Sein mahl ist brot und wein und leichte malve

Und seine schlummerlosen nächte füllt

Kein wahn der ehrsucht · denn er sinnt auf hymnen

An die holdselige Frau · der schöpfung wonne ·

Und an ihr strahlendes allmächtiges kind.[20]


»Komm heiliger knabe! hilf der welt die birst

Dass sie nicht elend falle! einziger retter!

In deinem schutze blühe mildre zeit

Die rein aus diesen freveln sich erhebe ..

Es kehre lang erwünschter friede heim

Und brüderliche bande schlinge liebe!«

So singt der dichter und der seher weiss:

Das neue heil kommt nur aus neuer liebe.


Wenn angetan mit allen würdezeichen

Getragen mit dem baldachin – ein vorbild

Erhabnen prunks und göttlicher verwaltung –

ER eingehüllt von weihrauch und von lichtern

Dem ganzen erdball seinen segen spendet:

So sinken wir als gläubige zu boden

Verschmolzen mit der tausendköpfigen menge

Die schön wird wenn das wunder sie ergreift.

Quelle:
Stefan George: Der siebente Ring. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 6 / 7, Berlin 1931, S. 19-21.
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