I

[60] Am weiher wo die rehe huschen

Da war's wo wir von kampfes schweiss

Zum erstenmal die stirnen wuschen

Nach unsren fahrten hart und heiss.


Nun ist mein bruder eingeschlafen

– Die schwerter klangen heute scharf –

Und ich bin froh dass ich den braven

Dieweil er ruht behüten darf.


Er stüzte sich mit seinem schilde ·

Ich nahm sein haupt in meinen schoss ·

Auf seiner wange zuckt es milde ·

Um seinen bart erbarmungslos.[60]


Er zog mich heut aus manchen fesseln ·

Im schwarzen wald wo unheil haust

War ich verstrickt in tiefen nesseln ·

Er hieb mich aus mit rascher faust.


Ich wollte zu den süssen stimmen

Des widerrates nicht gedenk

Dem sündeschloss entgegenklimmen ·

Er hielt mich fest am handgelenk.


Er kennt kein sinnen und kein wanken ·

Die bösen fühlten seine wut ·

Die armen die zu fuss ihm sanken

Verteilten sich sein ganzes gut.


Er wird mich immer unterweisen

Im graden wandel vor dem Herrn ·

Mein bruder ist aus wachs und eisen ·

In seinem schutze weil ich gern.

Quelle:
Stefan George: Die Bücher der Hirten- und Preisgedichte, der Sagen und Sänge und der hängenden Gärten. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 3, Berlin 1930, S. 60-61.
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