[67] Wo aber überflüssiger · denn lautere quellen
Das gold und ernst geworden ist der zorn an dem himmel ·
Muss zwischen tag und nacht
Einstmals ein wahres erscheinen.
Dreifach umschreibe du es ·
Doch ungesprochen auch · wie es da ist
Unschuldige · muss es bleiben.
Noch ehe bäche rauschten von den bergen
Und hain und städte blüheten an den strömen ·
So hat ER donnernd schon
Geschaffen ein reines gesetz ·
Und reine laute gegründet.
Die natur ist jezt mit waffenklang erwacht ·
Und hoch vom äther bis zum abgrund nieder
Nach festem gesetze · wie einst · aus heiligem chaos gezeugt ·
Fühlt neu die begeisterung sich ·
Die allerschaffende wieder.
Die tempelsäulen stehn
Verlassen in tagen der not ... namlos aber ist
In ihnen der gott · und die schale des danks
Und opfergefäss und alle heiligtümer
Begraben dem feind in verschwiegener erde.
Beim kampfspiel · wo sonst unsichtbar der heros
Geheim bei dichtern sass · die ringer schaut und lächelnd
Pries · der gepriesene · die müssigernsten kinder.
Ein unaufhörlich lieben wars und ists.
[68] Denn manches mag ein weiser oder
Treuanblickender freunde einer erhellen · wenn aber
Ein gott erscheint · auf himmel und erd und meer
Kömmt allerneuende klarheit.
Immer stehet irgend eins zwischen menschen und Ihm.
Und treppen-weise steiget
Der himmlische nieder.
Wenn aber alltäglich die himmlischen und gemein
Das wunder scheinen will · wenn nämlich
Wie raub titanenfürsten die gaben
Der mutter greifen · hilft ein höherer ihr.
Uns heisst es ein greifbares wunder wenn durch menschenalter nicht beachtet oder nur als zarter erträumer von vergangenheiten plötzlich der grosse Seher für sein volk ins licht tritt. Das sibyllinische buch lang in den truhen verschlossen weil niemand es lesen konnte wird nun der allgemeinheit zugeführt und den erstaunten blicken eröffnet sich eine unbekannte welt des geheimnisses und der verkündung. Mag dies gefahr sein so bleibt doch der trost dass auch fürder unfassbar was nicht erfühlbar ist und dass beim nahen des schicksalaugenblicks das fromme schweigen gebrochen werden darf. Mit seinen anfängen gehört Hölderlin in das jahrhundert Goethes · in seinen späteren zumeist jezt erst zugänglichen oder verständlichen gebilden ist er der[69] stifter einer weiteren ahnenreihe. Die meister der klassik die sein bestes nicht würdigen konnten hatten die schwere aufgabe sich selbst und ihre stammgenossen aus barbarischer wirrnis und triebhaftem gestürme zur hellenischen klarheit hinaufzuläutern. In den bildenden künsten erkannten sie nur den Apollo · vielmehr mussten sie ihn erahnen aus geglätteten nachschöpfungen: an der Flötenspielerin und dem waagehaltenden Jüngling des sogenannten Throns wären sie noch stumm vorübergegangen. Wol waren die Tragiker erschaut · Pindar aber nur eine weile lang und halbwegs und vor einem anderen Plato scheute man sich als dem der begriffe. Dionysos und Orpheus waren noch verschüttet und Er allein war der entdecker. Er bedurfte keines äusserlichen hinweises: ihm half das innere gesicht. Er riss wie ein blitz den himmel auf und zeigte uns erschütternde gegenbilder wie Herakles-Christos: vor seinen weitesten einigungen und ausblicken aber stehen wir noch verhüllten hauptes und verhüllter hände ... Viel war die rede vom liebenswürdigen schwärmer und klangreichen lautenschläger · nicht aber vom unerschrocknen künder der eine andre volkheit als die gemeindeutliche ins bewusstsein rief · noch vom unbeirrten finder der zum quell der sprache hinabtauchte · ihm nicht bildungs-sondern urstoff · und heraushob zwischen tatsächlicher beschreibung und dem zerlösenden ton[70] das lebengebende Wort. Die natur- und vernunfterben des Grossen Umsturzes die ihn den erdfremden hiessen vergassen dass ihre gepriesene erfahrung hinfällig und überflüssig ist für den der mit göttern und mächten im bunde steht. Uns kümmern wenig die berufsmühen des mannes und der krankheitsablauf des greisen: wir sind heil genug um wissen zu dürfen dass jenseits von vernünftig und gesund der dämon seine wirkung tut. Nicht dass sein schmerzhaftes und zerrissenes dasein ein vorbild werde für neue sitte .. denn es gilt höheres. Er ist der er sich selber genannt hat: gruft und tempel zu denen er die künftigen mit kränzen zu wallen lädt. Nicht dass seine dunklen und gesprengten silbenmaasse ein muster werden für suchende vers-schüler .. denn es gilt höheres. Durch aufbrechung und zusammenballung ist er der verjünger der sprache und damit der verjünger der seele .. mit seinen eindeutig unzerlegbaren wahrsagungen der eckstein der nächsten deutschen zukunft und der rufer des Neuen Gottes.[71]
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