PFINGSTEN

[25] Wie wir in unsern glücklichsten tagen in freudiger und schmerzlicher spannung den festen entgegensahen so hab ich deiner ankunft geharrt. Im zusammenläuten der glocken hallten einer ganzen jugend träume vom unsäglichen glück. Zutrauliche vögel aber verkürzten im gartenhaus die schleichenden stunden.


Deine nähe und deine ferne sind mir in gleicher weise verhängnis. Ich darf nicht denken dass zwei glühende wangen sich berühren und unsre blicke gegenseitig in unsre abgründe leuchten könnten. Qualen und verzückungen sind die scheinbar so stillen wanderungen durch büsche und reben und oft sehe ich erstaunt auf wie es möglich sei dass in dieser reichen gefälligen landschaft die verzweiflung reife.


Wie nach einem begräbnis kehre ich zu dem verödeten hause und sehe auf den bergen den lezten rauch des scheiterhaufens vom tag der noch mit seinem ganzen leben in mir brennt. Öde sind alle wege und gärten · blutstropfen aber wurden die mohnblumen am rain.


Ich werde dich und alle verlassen müssen sobald das wort gefallen ist das nur im angesicht des todes erträglich wird. Ich erhebe keinen vorwurf. Denn die[26] schönheit fordert wie alle grossen begriffe ihre opfer. Im wirbel der begeisterung werde ich scheiden aus dem strahlenden leben.


Törichte hoffnungen und erwünschte qualen gebieten mir schweigen. Lächelnd wirst du heute gehen · lächelnd wirst du wieder kommen unwissend an welchen schluchten wir gegangen waren. Für den abschied aber fehlt mir die kraft. Ich steige im schon dunkelnden pfad zum hügel hinauf als die wahnsinnigen räder die dich entführen werden heranrollen und während die feurigen augen in die berghöhle eintauchen klingt es wie ein menschlicher hilfeschrei in der nacht.

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Stefan George: Tage und Taten. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 17, Berlin 1933, S. 25-27.
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Tage und Taten. Aufzeichnungen und Skizzen
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