ERSCHEINUNG

[35] Der mond war in trauer und weinende engel im traum ·

Den bogen in ihren händen im blumigen raum ·

Im hauchenden · liessen aus den sterbenden saiten

Wie weisse seufzer auf azurne kelche gleiten.

Es war deines ersten kusses gesegneter tag.

Mein schwärmen quälte mich mit geisselndem schlag

Und tauchte mich weise unter im dufte der trauer

Der ohne nachgeschmack lässt und ohne bedauern

Das pflücken eines traums fürs herz das ihn pflückt.

Ich irrte das auge aufs alternde pflaster entrückt –

Da kamst du mit der sonne im haar auf den wegen

Und in dem abend auf einmal mir lächelnd entgegen.

Ich glaubte ich sähe die fee im strahlenhut

Die einst überm schlaf des verwöhnten kindes geruht

Mit halbverschlossenen händen vorübergleiten

Draus weisse sträusse von duftenden sternen schneiten.

Quelle:
George, Stefan: Zeitgenössische Dichter. Übertragungen, Zweiter Teil, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 16, Berlin 1929, S. 35-36.
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