Der 116. Psalm
Das ist mir lieb, daß Gott, mein Hort, so treulich bei mir stehet

[311] 1.

Das ist mir lieb, daß Gott, mein Hort

So treulich bei mir stehet;

Wann ich ihn bitte, wird kein Wort

In meiner Bitt verschmähet.

Des schwarzen Todes Hand

Samt der Höllen Band

Umfingen überall

Mein Herz mit Angst und Qual;

Doch hat mir Gott geholfen.


2.

Ich kam in Jammer und in Not

Und sank fast gar zugrunde,

Und da ich sank, rief ich zu Gott

Mit Herzen und mit Munde:[311]

O Herr, ich weiß, du wirst

Als des Lebens Fürst

Schon führen meine Sach!

Und wie ich bat und sprach,

So ists auch nun geschehen.


3.

Sei wieder froh und gutes Muts,

Mein Herze, sei zufrieden,

Der Herr, der tut dir alles Guts,

Durch ihn ist nun geschieden

Und ferne weggebracht,

Was mich traurig macht;

Er hat mich aus dem Loch

Und schwarzen Todesjoch

Mit seiner Hand gerissen.


4.

Mein Aug ist nun von Tränen frei,

Mein Fuß von seinem Gleiten;

Das will ich sagen ohne Scheu

Und rühmen bei den Leuten.

Was gar kein Mensch nicht kann,

Das hat Gott getan.

Der Mensch ist Lügen voll,

Gott aber weiß gar wohl,

Wie er sein Wort soll halten.


5.

Ich glaube fest in meinem Sinn,

Und was mein Herze glaubet,

Das redt mein Mund in Einfalt hin:

Wer Gott vertraut, der bleibet.

Die Welt und böse Rott

Lacht des, mir zum Spott,

Ja plagt mich noch dazu;

Ich aber steh und ruh

Auf dir, mein Gott und Helfer.
[312]

6.

Du stürzest meiner Feinde Rat

Und segnest, wenn sie schelten,

Wie soll ich doch die große Gnad

Dir immer mehr vergelten?

Ich will, Herr, meines Teils

Den Kelch deines Heils,

Der voller Bitterkeit,

Doch mir zu Nutz gedeiht,

Gehorsamlich annehmen.


7.

Was du mir zugemessen hast,

Das will ich gerne leiden;

Wer fröhlich trägt des Kreuzes Last,

Dem hilfst du aus mit Freuden.

Du weißt der Deinen Not

Und hältst ihren Tod

Sehr hoch, sehr lieb und wert,

Auch läßt du auf der Erd

Ihr Blut nicht ungerochen.


8.

So zürne nun gleich alle Welt

Mit mir, Herr, deinem Knechte:

Du, du deckst mich in deinem Zelt

Und reichst mir deine Rechte.

Darüber will ich dich

Allstets inniglich,

So gut ich immer kann,

Mit Dank vor jedermann

In deinem Hause preisen.

Quelle:
Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften, München 1957, S. 311-313.
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