Kommt, ihr traurigen Gemüter (Hosea 6)

[196] 1.

Kommt, ihr traurigen Gemüter,

Kommt, wir wollen wiederkehrn

Zu dem Herren, dessen Güter

Kein Verderben kann verzehrn;

Dessen Macht kein Unglück fällt,

Dessen Gnade wieder stellt,

Was sein Eifer umgestürzet:

Seine Gnad bleibt unverkürzet.


2.

Zwar er hat uns ja zerrissen

Mit ergrimmtem Angesicht

Und uns, da er uns geschmissen,

Sehr erbärmlich zugericht't.

Doch deswegen unverzagt!

Eben der uns schlägt und plagt,

Wird die Wunden unsrer Sünden

Wieder heilen und verbinden.


3.

Alle Not, die uns umfangen,

Springt vor seinem Arm entzwei;

Wenn zwei Tage sind vergangen,

Macht er uns vom Tode frei,

Daß wir, wenn des dritten Licht

Durch des Himmels Fenster bricht,

Fröhlich auf erneurter Erden

Vor ihm stehn und leben werden.
[196]

4.

Alsdann wird man acht drauf haben

Und mit großem Fleiße sehn,

Was für Wundergnad und Gaben

Uns von obenher geschehn.

Da wird dieses nur allein

Unsers Herzens Sorge sein,

Daß wir Gott, des wir uns nennen,

Mögen recht und wohl erkennen.


5.

Denn er wird sich zu uns machen

Wie die schöne Morgenröt,

Über welche Lust und Lachen

Bei der ganzen Welt entsteht.

Er wird kommen uns zur Freud

Eben zu der rechten Zeit,

Voller süßen Kraft und Segen,

Wie die früh und spaten Regen.


6.

Ach, wie will ich dich ergötzen,

O mein hochgeliebtes Volk!

Meine Gnade soll dich netzen

Wie ein ausgespannte Wolk,

Eine Wolke, die das Feld,

Wann der Morgen weckt die Welt

Und die Sonne noch nicht leuchtet,

Mit dem frischen Tau befeuchtet.

Quelle:
Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften, München 1957, S. 196-197.
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