Nun, du lebest, unsre Krone

[346] Auf den Tod des Hofkammergerichtsrats Petrus Fritzen (1650)


1.

Nun, du lebest, unsre Krone,

In der süßen sanften Ruh,

Bringst die Zeit bei Gottes Throne

Ohne Zeit und Ende zu!

Du hast ewge Freud und Zier,

Und wir sollten für und für

Uns mit unsern Tränen kränken?

Auf! Und laßt uns recht bedenken!


2.

Freunden soll man Freuden gönnen

Lachen, wenn sie fröhlich sein!

Tränen laß zu der Zeit rinnen,

Wenn sie liegen in der Pein;

Aber wenn der Sieg erlangt

Und der Held im Kranze prangt,

Wenn das Herzleid weggeschlagen,

Legt sich billig Schmerz und Klagen.


3.

Edles Herz, du hast bezwungen

Alles, was dir widrig war:

Alle Schmerzen, die sich drungen

In dein Herz mit großer Schar;[346]

Allen Jammer, alle Müh,

Alle Sorgen, die dich früh,

Auch oft bei den späten Nachten

Voller Angst und Wehmut machten.


4.

Gott weiß wohl, was wir vermögen

Und wie stark die Schulter sei,

Da er will sein Kreuz hinlegen;

Dessen Huld und Vatertreu

Hat auch dir die schwere Last,

Die du ausgestanden hast,

Über dein Haupt lassen gehen.

Wer viel kann, muß viel ausstehen.


5.

Wärst du einer aus dem Orden,

Denen Herz und Mund entfällt,

Wenn sie nur berühret worden

Von des rauhen Unglücks Kält,

Ei, so würde nimmermehr

Ein so großes Jammerheer

Gott, der Geber aller Gaben,

Über dich verhänget haben.


6.

Freue dich, Du hast gewonnen

Durch des Höchsten Stärk und Kraft;

Jetzo gehst du, gleich der Sonnen,

Mitten in der Bürgerschaft

Der sehr schönen neuen Stadt,

Die uns Gott gebauet hat,

Springst und singst und holest wieder

Mit den Engeln süße Lieder.


7.

Christus wischet selbst die Tränen

Dir von deinem Angesicht;

Dein Herz hört auf, sich zu sehnen,[347]

Weiß von keinem Mangel nicht,

Ohne daß du, die du hier

Hast gelassen hinter dir,

Auch in solchem Freudenleben

Balde möchtest sehen schweben.


8.

Nun, wir werden balde kommen

Aus dem Leide zu der Freud

Und dich mit viel tausend Frommen

Schauen in der Seligkeit!

O wie herrlich! O wie schön

Wirst du und wir mit dir gehn,

Wenn uns wird, anstatt der Erden,

Gottes Reich zu Teile werden.

Quelle:
Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften, München 1957, S. 346-348.
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