Bacchus und Amor

[39] An jungen misgerathnen Stöcken,

Und noch von keiner Traube schwer,

Geht Bacchus wirthschaftlich daher,

Sucht itzt ein Auge zu verstecken,

Itzt eins den Stralen aufzudecken,

Arbeitet, knickt, zerreißt und bricht,

Und keicht, und schont der Hände nicht.


Amor, der ein Mädchen, das selbst seinen Pfeilen zu schnell war, durch Rosengebüsche jagte, sah, indem er dem Mädchen nachlief, den arbeitsamen Bacchus beym Weinstocke schwitzen. Nie hatte Amor den Bacchus so emsig gesehen. Armer Gott, sprach er leise, ich muß dir Muße verschaffen, und gleich flog der Pfeil in des Weingotts Herz, der dem schüchternen Mädchen bestimmt war.


Der kleine Gott, der sonst nur trank,

Sonst nur vom Rausch zu Boden sank,

Sinkt itzt vor Amors Pfeil zu Boden,

Und geistig Blut trieft in den Boden;[40]

Und Bacchus weint, da er die Wunde fühlt,

Daß Amor ihm so mitgespielt.


Auf! unbezwingbarer Weingott, rief Amor spöttisch, Bändiger der lybischen Löwen und Tieger, auf! und huldige itzt dem stärkern Amor. Die Wunde ist tief: laß eine Schöne sie heilen. – Amor lachte und floh. – Aber das Blut des Bacchus drang in die Wurzeln der Weinstöcke, und die Trauben schwollen seit dieser Zeit von edlem Burgundermost auf, der das Herz zu den zärtsten Trieben erhebt. –


Von diesem Most, den ich noch keinem zugebracht,

Daß er ihn nicht gleich fühlbarer gemacht,

Von diesem Moste will ich trinken.

O Phillis! siehst du ihn nicht winken?

O liebe Phillis, laß uns trinken!

Quelle:
Heinrich Wilhelm von Gerstenberg: Tändeleyen. Stuttgart 1966, S. 39-41.
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