Fortsetzung des zwölften Briefes.

[86] Oder wenn er in allzuunerwarteten, allzureizenden Wendungen schimmert, um einem mittelmäßigen Dichter bey seinen Lesern den Dienst eines Ceremonienmeisters zu thun, und ihnen z.E. die seichten Nachahmungen vom Tibull (nicht Ovid, wie der Kunstrichter meynt), Catull und Martial, die ein gewisser Schilling unterm Rock hervorzieht, oder die nur wenig bessern Nachahmungen des theuren H. Klotzius zu empfehlen: nachgeahmte Straußbündel von römischen Blümchen und Spezereyen, denen ein besseres Schicksal vorbehalten war, als unter der Hand allmannischer Freybeuter zu verdorren. Wer kan sich wol des Lachens – des unboshaften, das sich an den Humeurs seiner Freunde ergetzt – enthalten, wenn er den Kunstrichter, so eben da wir auf den Punkt waren, den Raub zu entdecken, einen Seitensprung machen, diesen Raub ein Empfehlungsschreiben ehrwürdiger Alten nennen, und die Seltenheit der Erscheinung mit einem Seufzer bedauren sieht? – wenn er ihn, uneingedenk der Youngischen Ermahnung, die er selbst einschärfte, von der Noth gedrungen sieht, die wenigen noch glimmenden Funken mit einigem Lobe aufzublasen, und den Contrast damit vergleicht, den ihm sein böser Dämon machte, da er die Erscheinung einer Nymphe –
[86]

regium vultu decus

Gerens, et alto vertice attollens caput;

Ni languido candore pallerent genae,

Staretque recta squallor incultus coma,

En, ipsa Clio reddita terris adest!


in übeln Ruf bringen, und Helden, die er dafür erkannt hatte, ein Zettelchen mit einem Fratzengesicht auf den Rücken heften wollte.

Es ist anstößig, daß wir mittelmäßigen Köpfen die Ehre einräumen, die wir bessern versagen – anstößiger, daß wir ausländische Genies beneiden, und zugleich unsere einheimischen zu Boden drücken, – am alleranstößigsten, daß wir jene verkleinern, um sie Parodisten und Nachahmern zum Piedestal hinzuwerfen. Wie könnte ich es nun wol dem kurzweiligen Manne des Grandison II. zum Verdienste anrechnen, daß er muthig genug ist, am Richardson Fehler zu ahnden – als ob es nicht kleinstädtische Advokaten und großstädtische Hof-Damen im Ueberfluß gäbe, deren Muth in diesem Punkte wir schon längst mit Stillschweigen bewundert haben! Erst, dächte ich, sollten wir Richardsons hervorbringen, und dann den Ekel nicht länger bergen, den –


Das unaufhörliche ins Angesicht loben,

Das Posaunen des Dr. Bartlett,

Der Triumph über den abgeschlagnen Zweykampf,

Das Naseweise des Dorf-Fräuleins,

Das Unwahrscheinliche der langen Briefe etc.

quis talia fando

Temperet a lacrymis!


zum unersetzlichen Nachtheil des Ausländers in uns erregt.

Einer unserer besten Schriftsteller hat sogar, ich weiß nicht, ob aus Höflichkeit gegen die Berliner Sitten? einer gebohrnen Engländerinn, der Miß Grandison, Dragoner-Sitten aufbürden wollen, und das gute Herz – nicht in dem zarten Herzen der Aemilia finden können. Dieß scheint mir, wenn ichs sagen darf, eine kleine Untreue seines sonst so vortreflichen Empfindnisses zu seyn, ohngefähr wie[87] jene, da er Fielding, den ich übrigens ungemein hochachte, Fielding, der für Leser schrieb, wie Congreve für Zuschauer, dem rührendsten Maler des menschlichen Herzens, den je ein Zeitalter hervorgebracht, an die Seite setzte.

Sie sehen wol, mein lieber B., daß ich Ihnen meine Anmerkungen ohne Wahl und Ordnung vortrage. – Ich schreibe an keinen Briefsteller von der neuesten Litteratur; ich befürchte nicht, daß Sie die Fehler meines Plans zu hoch empfinden werden.

Dieser vorausgeschickten Erklärung zuwider will ich gleich bey Gelegenheit des Grandison erinnern, daß er unsern Freunden, so oft sie ihn nennen, zum Anstoß werde. An einem andern Orte mögten sie diesen Charakter lieber gar aus der Nachahmung verbannet wissen. Warum das? Fragen Sie begierig. »Das sittliche Ideal kann keine Ideal-Schönheit in der Nachahmung seyn; die Tugend ist zu ruhig, um Leidenschaften zu erregen.«

»Welche Verdrehung! antworten Sie. Hat die Würde des menschlichen Geistes nicht allen empfindlichen Lesern eine frohe bewundernde Zähre entlockt? Ist nicht Jedem das Herz mit einem edlen Klopfen über den Triumph der Tugend empor gestiegen? Gesetzt, die Tugend wäre zu ruhig, wäre zu unwirksam, um durch sich selbst das Trauerspiel zu beseelen: (und wie kann der Kunstrichter davon überzeugt seyn, wenn er mit Diderot den tugendhaften Sokrates zum Heros eines eignen Trauerspiels erwählte?) Giebt es nicht Contraste, giebt es nicht Stellungen, die sie wirksam machen? Und hat nicht Richardson allen diesen Fragen vorgebauet, da er dem Edelmuthe seines Grandison Stolz und Irrascibilität zugesellte, um ihn unsern Empfindungen zwey Schritte näher zu bringen? Wir wissen endlich doch wol, daß war dieß nicht der Geschmack der Alten war: aber wehe dem Engländer, der diesen aus zu blinder Ehrfurcht in Charaktern nachahmen wollte; wehe ihm, wenn er das Genie der heidnischen Dichter mehr in der Sittlichkeit, als in der Fruchtbarkeit und Mannigfaltigkeit der Ideale sucht!«[88]

Wehe Ihnen selbst! Sie sind zu ernsthaft! Ich werde mich hüten, Sie wieder ans Wort kommen zu lassen.

Ich muß Sie mit etwas Lustigerm aufheitern; und keine Recension scheint mir dazu bessern Stoff darzubiethen, als die über die Gedichte der Karschinn, die in einem besondern Tone abgefaßt ist.

Sie wissen, mein Freund, wie ich über dieses ausserordentliche Genie denke, und wie oft ich mit Ihnen gefürchtet habe, daß unsere modischen Kunstrichter, die selten durch das Stroh der Fehler hindurch sehen, es einiger schlechten Gedichte wegen (denn großen Genies sind Auswüchse wesentlich: erinnern Sie sich des Dante und Shakespear?) verschreyen und am Ende gar unterdrücken würden. Ich war voreilig genug, zu wünschen, daß die Dichterinn den großen Vorrath ihrer Rhapsodien ohne Zurückhaltung ans Licht hervorziehen mögte, weil ich mir einbildete, daß den Beobachtern der Natur durch die Feile zu viel entzogen werden, und sie diese Mühe allenfalls dem Ehrenmanne, der Lichtwehrs Fabeln ausbesserte, überlassen dürfte. Was ich fürchtete, ist eingetroffen; die Dichterinn schweigt, und der Geschmack triumphirt.

Es ist unmöglich, sich etwas drolligters vorzustellen, als den Kunstrichter, der mit einem finstern Gesichte vor die armselige Schneidersfrau hintritt, sich einmal übers andere den Schweiß von der Stirne abwischt, und nachdem er sie lange genug apostrophirt hat, sie in Gnaden entläßt, und die Thüre hinter ihr abschließt. Ihnen werden gewiß die beyden Löwen am Throne Ihres Maroccaners dabey einfallen, die dem armen L-k-s einst so viel Angst machten; ich denke mir nur den Autor, das Meß-Verzeichniß, und die Rangordnung hinzu.

»Glaube Sie nur nicht (fängt sich die Schnurre an), glaube Sie nur nicht, ehrliche Karschinn, weil Sie


von viel herzugestürmtem Volke

bewundert und gelobt


wird, daß Sie deswegen


mit stolzem Nacken an die lufterfüllte Wolke
[89]

streift. Sie muß bedenken, daß Sie durch die Herausgabe Ihrer Werke einen so wichtigen als mißlichen Schritt gethan hat, der so wichtig als mißlich ist. (Was sagen Sie zu dieser poßirlichen Tautologie? Ich lege den gerügten Nonsense des unaussprechlich na menlos auf die andere Schale, und das Zünglein schwebt in der Mitte). Sie ist vorher in Gesellschaften, von Leuten gelobt worden, die theils Ihre Gedichte eben nicht mit kritischen Augen angesehen, theils auf Ihre äußerliche Umstände, auf Ihr Geschlecht, auf Ihre schlechte Erziehung, auf Ihre Geschwindigkeit zu dichten – (merken Sie sich diesen Umstand; er ist die Basis der Demonstration, daß die Oden der Karschinn nur Impromptus, und ihre Gedichte Leber-Reime sind) – beständige Rücksicht gehabt haben. Wenn Sie einmal wird eingesehen haben, wie ungemein viel zu einem vollkommenen Gedichte erfordert wird, wie viel Ihr noch in der Dichtungsart, wozu Sie Ihr Genie getrieben hat, fehlt, und wie sehr viel andre vortrefliche Dichtungsarten es giebt, an die sie sich nicht wagen könnte; wenn Sie dieses alles, und noch mehrere Wahrheiten, bedenkt, die Ihre verständige Freunde Ihr gewiß nicht verhelen werden: so wird Sie thun, was alle große Dichter gethan haben; Sie wird zittern, so oft Sie dem Publico ein neues Werk vorlegt.«

Erwägen Sie den Anstand dieses Kunstrichter-Tons; werfen Sie dabey einen flüchtigen Blick auf die Figur, die folgende Kritik macht; und prüfen Sie sich, ob Sie noch ernsthaft bleiben können. Doch erst muß ich Ihnen das Lied selbst hinschreiben, das unserm Califen so schlecht scheint.


An Gott,

als sie bey hellem Mondschein erwachte.


Wenn ich erwache, denk ich dein,

Du Gott, der Tag und Nacht entscheidet,

Und in der Nacht mit Sonnenschein

Den finstern Mond bekleidet.
[90]

Er leuchtet königlich daher

Aus hoher ungemeßner Ferne,

Und ungezählt, wie Sand am Meer,

Stehn um ihn her die Sterne.


Welch eine Pracht verbreitet sich!

Die Dunkelheit, geschmückt mit Lichte,

Sieht auf uns nieder, nennet dich

Mit Glanz im Angesichte.


Du Sonnenschöpfer! wie so groß

Bist du im kleinsten Stern dort oben!

Wie unaussprechlich namenlos!

Die Morgensterne loben


Dich mit einander in ein Chor

Geschlossen, wie zu jener Stunde,

Da aus dem Chaos tief hervor

Ein Wort aus deinem Munde


Allmächtig diese Welten rief,

Am Firmament herum gesetzet.

Du sprachst, das Rad der Dinge lief,

Und läuft noch unverletzet.


Noch voller Jugend glänzen sie,

Da schon Jahrtausende vergangen!

Der Zeiten Wechsel raubet nie

Das Licht von ihren Wangen.


Hier aber, unter ihrem Blick

Vergeht, verfliegt, veraltet alles.

Dem Thronenpomp, dem Kronenglück

Droht eine Zeit des Falles.


Der Mensch verblüht wie prächtig Gras,

Sein Ansehn wird der Zeit zum Raube,

Der Weise, der in Sternen las,

Liegt schon gestreckt im Staube!


Ich lese, großer Schöpfer, dich

Des Nachts, in Büchern, aufgeschlagen

Von deiner Hand. O lehre mich

Nach deinem Lichte fragen.
[91]

Sey meiner Seele Klarheit, du,

Regierer der entstandnen Sterne!

Und blicke meinem Herzen zu,

Daß es dich kennen lerne.


Wahrhaftig lyrische Empfindungen! Ein richtiger und feiner Plan in dem Zwecke des Ganzen! Keine einzige Digression, die nicht aus der natürlichsten Verbindung der Sentiments entspringt, und wieder in dieselbe einfließt! Große Gemälde! Ein correcter dichterischer Ausdruck! Was giebts hier zu tadeln? Wir wollen sehen!

»Die Dunkelheit geschmückt mit Lichte, läßt sich vertheidigen. Aber was heißt das: Nennet Dich mit Glanz im Angesichte?«

Sie fragen? Können Sie sich die Nacht nicht als Person vorstellen, die die Größe des Schöpfers predigt, und deren bestirntes Antlitz über die Größe dieses Schöpfers zu glühen scheint?

»Im kleinsten Stern dort oben ist sehr unpoetisch.«

Als ob alles unpoetisch wäre, was nicht geschmückt ist. Die Idee ist groß; der Begrif des Sonnenschöpfers mit dem Begrif des kleinsten Sterns verbunden, ist groß. Dort oben heißt, in der höchsten Ferne, und macht die Kleinheit malerischer und fühlbarer.

»Unaussprechlich namenlos ist offenbarer Nonsense.« Wir haben diesen Nonsense schon erwogen.

»Ueberhaupt ist dieses Gedicht schlecht, hat aber einige Strophen, nämlich die siebente, achte und neunte, die es retten

O! Sie sind zu strenge, retten Sie es immer. –

Nach erhabnen Ausdrücken hat Herr Z. lange vergebens gesucht; sie sind doch, denke ich, eben nicht selten.

Von der Allmacht singt sie:


Von deinem Munde, der mit einem Hauche

Gebirge bläset tief herunter in das Meer,

Nahm ich dieß Leben –
[92]

Du hast des Berges Grund gelegt,

Der hoch herauf mit Riesenstärke

Sein Haupt erhub, und Wolken trägt –


Hoch über meinem Haupte leuchten prächtig

Die Sonnen, hingestellt durch dich. –


In ihre Angeln hängest du die Erde! –

Du treibst die Wolken, gleich der Heerde,

Die ihren Hirten muß verstehn. –

Dein Arm umuferte das Meer. –


Von der furchtbaren Herrlichkeit Gottes im Gewitter:


Er kömmt, der Sturmwind heult, ihn anzusagen,

Verhüllt in dicker Mitternacht,

Und auf dreytausend Feuerwagen

Zu uns herabgebracht.


Von der Würde der menschlichen Seele:


Er hieß mich leben, hieß dich bleiben,

Dich, die vom Himmel niederfuhr,

Sey Funken oder Hauch, ich kann dich nicht beschreiben;

Empfinden kann ich dich nur.


Du denkst in mir, du kannst dich schwingen,

Dem unsichtbaren Winde gleich,

In einem Augenblick dahin, wo Engel singen,

Und singst mit ihnen zugleich.


Du übersteigest Mond und Sterne,

Fliehst schnell zurück, du schweifst umher,

Wie Gottes Blitz, und schwebst in ungemeßner Ferne,

Hoch über Hügel und Meer.


Dein namenloser Geiz begehret

Mehr, als die Welt zu geben weiß,

Von Wollust oder Gold und Ehre nicht genähret,

Bleibt stets dein Hunger noch heiß,


Bis du zum Seraph wirst erhoben.

O fühle deine Würde ganz!

Unsterbliche! Dir gab der, den die Sterne loben,

Ein Theil vom himmlischen Glanz.
[93]

Dagegen hat er eine andre seines Beyfalls gewürdiget:


Itzt stürzen ganze Ströhme Kugeln nieder;

Gott schlägt den Weinstock, schlägt die Frucht

Des Baums, der seine Glieder,

Zerrißne Aeste, sucht.


»Solche Züge, sagt er, sind es, die ein Genie charakterisiren, und deren ich mir eine weit grössere Anzahl bey dieser Dichterinn zu finden vermuthet hätte.«

Ey ja doch! fiat consensus cogitationum inter se ad unum, qui phaenomenon sit, §. 14. Metaph. §. 662. –

Nächst der Fähigkeit, zu zittern, so oft ein Kunstrichter eine neue Recension dem Publicum vorlegt, sollten verständige Freunde, dergleichen z.E. Herr Abbt ist, ihm diejenige integritatem docendi anpreisen, die sorgfältig erwägt, ob eine gute Kritik bey einem bestimmten Gegenstande nicht vielleicht mehr schädlich als nützlich seyn könne. Diese Aufmerksamkeit ist ihm unter andern nöthig, wenn er mit Leuten zu thun hat, die in geistlichen oder andern Lehr-Aemtern stehen, und noch viel nöthiger, wenn mit Leuten von großen Talenten, die bey ihren Schriften etwas ganz anders, als Ehre, zur Absicht haben – eine flüchtige Anmerkung, die mir bey der Kritik des N. Aufsehers, der Cramerschen Predigten und Andachten etc. einfällt, die ich aber ganz kurz abfertige, weil sie den Fehler hat, Langeweile zu machen1. Nur eine einzige Frage, und dann genug davon. Was dachten die Herren Verfasser der Briefe, die neueste Litteratur betreffend, da sie den Einfluß merkten, den ihr Beyspiel auf die Treschos und andre Ketzermacher hatte? – Zwar warum thue ich diese Frage Ihnen, der Sie mir sie unmöglich beantworten können?[94]

Eine ähnliche Frage könnte ich bey Gelegenheit des Herrn Dusch aufwerfen; ich überhüpfe sie aus dem nämlichen Grunde2.

Gleichgültiger ist es mir, was sie von Klopstocks geistlichen Liedern schreiben. Diese sind nur für Wenige gemacht, und wer wollte wol mit demjenigen zanken, der zu der Zahl dieser Wenigen nicht gerechnet seyn will? Unsere beaux esprits werden mit dem, was groß und feyerlich ist, allzubald vertraut; sie empfinden so viel dabey, daß sie zuletzt gar nichts mehr empfinden. Vielleicht sind Hrn. Schlegels Gesänge ihnen angemessener.

Bey der Beurtheilung des deutschen Milton finde ich anzumerken, daß die Schuld, warum er sich nicht lesen lasse, nicht blos in den Hexametern des Herrn Zachariä liege. Es ist freylich unbegreiflich, wie derjenige, dem es an einer praktischen Kenntniß des musikalischen Rhythmus nicht mangelt, zugleich ein so abominables Ohr für den Hexameter haben könne, daß er seine Kunstrichter, so oft sie davon reden, niemals versteht, und beständig über den nämlichen Strohhalm stolpert: Dennoch aber glaube ich, daß unsere Widerspenstigkeit, seinen Milton zu lesen, eine ganz andere Ursache habe. Es giebt keine Uebersetzungen von Original-Poeten, die sich lesen lassen. Weder die Franzosen, noch die Engländer haben dergleichen, und was sie Uebersetzungen nennen, ist bald mehr, bald weniger, als das Original. Cowley sagt ganz recht, »daß der Unterschied in der innern Bearbeitung zweyer Sprachen der Grund sey, warum alle Uebersetzungen, die er jemals gesehen, so weit unter ihren Originalen wären«; und zeigt an den Davidischen Psalmen, die man zu seiner Zeit ins Englische übersetzt hatte, daß sie gegen ihre Originale nothwendig zu kurz fallen müßten, weil die Uebersetzer sich nicht bemüht hätten, die verlohrnen Züge einer fremden Sprache durch eben so gute Züge ihrer eignen zu ersetzen. »Das[95] Gleiche, fügt er hinzu, trifft auch bey Gemälden ein, und stammt aus der Aengstlichkeit der Nachahmung her, welche eine niedrige, eine unwürdige Sklaverey ist, und daher unmöglich etwas Vortrefliches hervorbringen kann. Ich habe in der Poesie und in der Malerey Originale gesehen, die weit schöner waren, als ihre Gegenstände in der Natur: aber nie ist mir eine Copie zu Gesichte gekommen, die besser als das Original gewesen wäre. Es kann auch nicht anders seyn; wer sich Einmal vorgesetzt hat, schlechterdings nicht über das Ziel hinaus zu schiessen, der wird, ich wette Tausend gegen Eins, ganz gewiß, das Ziel auch nicht erreichen

Ein Franzos ist in den Schriften der Académie des Inscriptions der eigentlichen Spur noch näher gekommen. Die Stelle ist schön; ich will sie Ihnen ganz hersetzen.

»Uebersetzungen bringen der gemeinen Gattung von Lesern eine mäßige Achtung gegen die Originale bey. Es giebt wenig gute Uebersetzungen, und es ist unmöglich, daß auch die besten den ganzen Detail von kleinen Zügen sollten beybehalten haben, welche die Urschrift so lesbar machte. Wer sich in Stand gesetzt hat, die Quellen selbst zu besuchen, der versetzt sich eben dadurch in die Bekanntschaft mit allen ihren einheimischen Vorzügen und Mängeln; er kennt die Sitten seiner Schriftsteller, ihre Religion, ihre Geschichte, alle ihre Arten zu denken; er ist unter ihnen naturalisirt. Wer sie nur aus Uebersetzungen kennt, findet alles fremde, mißfällig, beschwerlich; jeden Augenblick bleibt er stecken; er weiß nicht, was sein Autor will, er kann ihm nicht folgen; seine Begriffe stoßen sich an allem, und der Mangel des Geistes, der gemeiniglich von einer Uebersetzung unzertrennlich ist, macht ihm die Lectüre noch ekelhafter. Statt der Grazie, des Edlen, der Stärke der Urschrift, sieht er nichts als ein seltsames Gemisch von Fremden und Einheimischen. Er wird geneigt, dasjenige zu verachten, was ihm so schlecht gefällt; und ohne zu bedenken, wie viel ihm zu einem richtigen Urtheile fehle, verdammet er den Verfasser, weil er das nicht bey ihm findet, was er bey[96] ihm gesucht hatte, und weil er das, was er wirklich findet, nicht begreift. Wenn er nachher diese Meisterstücke der Ausländer mit seinen einheimischen Werken vergleicht, die für uns geschrieben, nach unsern Begriffen, nach unserm Geschmack geschrieben sind, und an denen wir die unmerklichsten Schönheiten bemerken; so hält er die Letztern allein für bewundernswürdig, und betrachtet die Erstern mit Gleichgültigkeit, oder gar mit Verachtung.

Ein Dichter ist überdem zum Theil auch durch den Ausdruck, was er ist, vortreflich oder mittelmäßig, und je originaler, je vortreflicher dieser Ausdruck ist, desto schwerer wird er dem Uebersetzer. Ein Dichter ist ein Maler, und seine Zeichnungen sind mit seinen Ausdrücken so wesentlich verbunden, daß man dem Dichter fast alles nimmt, wenn man ihm diese nimmt. Man verändre die Wahl, die Wendung, den Schwung des Ausdrucks; sogleich hat man ein andres Werk. Wird der Uebersetzer wol diese Wahl, diese Wendung, diesen Schwung völlig so in seiner Sprache antreffen, wie in seinem fremden Originale? Unsre Sprache ist so genau mit unsern Sitten und mit unserer eigenen Art zu denken verbunden, daß es fast unmöglich fallen würde, sie einem Ausländer durch lange Umschreibungen nach ihrer ganzen Stärke, nach allen ihren Nuancen bekannt zu machen, da sogar die Synonymen nicht einmal zu reichen u.s.w.«

Daß diese Betrachtung ziemlich ihre Richtigkeit haben müsse, könnten uns allenfalls auch die Schwierigkeiten beweisen, die Herr Gleim bey der Uebersetzung des so oft übersetzten Anakreon findet, den er schon ein dutzendmale verdeutschet hat, ohne sich selbst ein einzigsmal Genüge zu thun.

Dem sey wie ihm wolle, Herrn Zachariä sind diese Schwierigkeiten ein desto leichteres Spiel gewesen. Ich will Ihnen aus einer einzigen Stelle, wo er sie am besten abgefertigt zu haben glaubt, ein artiges Pröbchen davon vorlegen. Herr Zachariä war anfänglich willens gewesen, Miltons eignes Sylbenmaaß zu wählen; der Einfall war gut; aber seine miltonischen Verse wären um nichts besser geworden, als seine Hexameter. Ich vermuthe, daß[97] er uns nicht das Schlechteste aus diesem ersten Versuche wird vorgelegt haben, da er mit keiner geringen Zufriedenheit davon spricht. Aber betrachten Sie sie nur selbst, diese vortrefliche Probe:


Alls diese Welt noch nicht geschaffen war,

Und wüst und wild das Chaos da regierte,

Wo itzt voll Pracht sich diese Himmel rollen,

Und wo die Erd auf ihrem Mittelpunkt

Gegründet ruht; da wars an einem Tage,

(Denn auch die Zeit mißt in der Ewigkeit

Durch die Bewegung alles, was geschieht,

Mit dem Vergangnen, Gegenwärtigen

Und dem Zukünft'gen) an solch einem Tage,

Wie ihn das große Jahr des Himmels zeugt,

Erschien, gefodert durch Befehl von Gott,

Das ganze Heer der Engel vor dem Throne

Des Ewigen; unzählbar eingetheilt

In ihre Hierarchien und Ordnungen.

Zehntausend tausend Fahnen und Standarten

Und stralende Paniere, hoch erhöht,

Durchschimmerten im Vor- und Nachtrapp weit

Die Luft; und dieneten zum Unterschied

Für Hierarchien und Ordnungen und Stufen etc.


As yet this World was not, and Chaos wild

Reign'd where these Heav'ns now roll, where Earth now rests

Upon her centre pois'd; when on a day

(For time; though in eternity, apply'd

To motion, measures all things durable

By present, past and future) on such day

As heavn's great year brings forth, th'empyreal host

Of Angels by imperial summons call'd,

Innumerable before th' Almighty's throne

Forthwith from all the ends of heav'n appear'd

Under their Hierarchs in order bright;

Ten thousand thousand ensigns high advanc'd.

Standards aud gonfalons 'twixt van and rear

Stream in the air and for distinction serve

Of Hierarchies, of orders, and degrees etc.


[98] As yet this World was not – Als diese Welt noch nicht geschaffen war – and Chaos wild – und wüst und wild das Chaoswhere these heav'ns now roll, wo itzt voll Pracht sich diese Himmel rollen – when on a day, da wars an einem Tage – for time; though in eternity, apply'd to motion, measures all things durable by present, part and future, denn auch die Zeit misst in der Ewigkeit durch die Bewegung alles, was geschieht, mit dem Vergangnen, Gegenwärtigen und dem Zukünft'gen – (Verstehn Sie das? Nach einer Umschreibung will Milton sagen: Die Zeit, auch vor ihrer Schöpfung, als ein Stück der Ewigkeit betrachtet, mißt, wenn man sich eine Bewegung hinzudenkt, die Dauer eines Dinges durch die Unterscheidung des Gegenwärtigen von dem Vergangnen und Zukünftigen) – by imperial summons call'd, gefodert durch Befehl von Gottforthwith from all the ends of heav'n, unzählbarunder their hierarchs, eingetheilt in ihre Hierarchien und Ordnungen'twixt van and rear stream in the air, durchschimmerten im Vor- und Nachtrapp weit die Luft

Genug! Genug! Vergleichen Sie das übrige selbst, wenn Sie Muth haben. Ist das Milton? Es ist kaum Miltons Gespenst.

Von der hieher gehörigen Berlinischen Untersuchung der Hexameter soll ich Ihnen doch wol nichts sagen? Es ist ein Schimmer der Wahrheit darinn: allein die tiefere Erforschung der Natur des deutschen Hexameters war einem Kenner vorbehalten, der sich damit vertraut gemacht hatte, und der unsere Begriffe über diesen Gegenstand auf immer befestigen wird. Ich gebe Ihnen die Hoffnung, Sie mit dieser angenehmen Neuigkeit recht bald in Fetz zu überraschen.

Mein Brief neigt sich zum Ende. Ich empfehle Ihnen die Kritik der Wielandischen Clementina, der Rousseauschen Heloise, der letzten Gespräche Sokrates und seiner Freunde, und vor allem die Zweifel [99] nebst dem Orakel über die Bestimmung des Menschen, die nicht nur das schönste Stück in den Berlinischen Briefen, sondern eine der feinsten Compositionen sind, die ich je bey einem Alten oder Neuern gefunden. Zwar wird Ihnen das Resultat des Orakels nicht sehr neu scheinen; auch werden Sie vielleicht wünschen, daß die Allegorie der heidnischen Götter in einer Schrift, die von christlichen Grundsätzen handelt, weggeblieben wäre: aber die Manier eines Abbt, die sich nirgends verkennen läßt, wird Sie schadlos halten.

Auch den Ton, den die Verfasser dieser Briefe nebst dem Verfasser der Briefe über die Empfindungen zuerst in die Philosophie zu legen gewußt, empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit, wenn Ihnen etwa der philosophische Cant in Schriften, die vor den Richtstuhl des Geschmacks gehören, nicht zuwider seyn sollte. Ich fürchte freylich, daß unsere Deutschen, so wie in vielen andern Dingen, auch hierinn zu weit gehen.

Bey allem dem hätte ich vermuthet, daß unsere liebenswürdige Philosophen eine ausgebreitetere Kenntniß der wichtigsten Systeme besäßen, und sich nicht z.E. durch das alberne Latein des Hrn. Daries in Frankfurt hätten abhalten lassen, sich mit hundert neuen Aussichten zum täglichen Gebrauch zu bereichern; wenigstens hätten sie den Vortheil gehabt, die Lächerlichkeiten der Schadischen Monadologie, den Qualitäten-Calcül des Hrn. Ploucquet, über die ein gewisser Cramer schon lange eine ziemlich starke Abhandlung geschrieben hat, womit ich Ihnen aufwarten kann, den Kantischen Beweis der Existenz Gottes und so weiter, nicht für so gar neu zu halten.

Meine Ehrerbietung der philosophischen Facultät zu Fetz. Leben Sie wohl!




Zusatz der Sammler.

1) Der Leichtsinn, mit dem der Freund, dem wir den vorstehenden Brief zu danken haben, über eine der härtesten[100] Kritiken in den Briefen, die neueste Litteratur betreffend, hinwegsetzt, ist für ihn zu entschuldigen, da er an Jemanden schrieb, der keiner weitern Erläuterung darüber bedurfte: an uns hingegen würden wir es für unverzeihlich halten, wenn wir dem Kitzel, dem deutschen Publico die vortreflichsten Schriften aus den Händen zu winden, und es gegen die besten Köpfe gleichgültig zu machen, nicht künftiger Folgen wegen vorzubeugen suchten.

Der Nordische Aufseher, dessen der Hr. Verf. zuerst erwähnt, ist ohne Zweifel die wichtigste Wochenschrift, die wir im Deutschen haben; enthält die vortreflichsten Wahrheiten; ist schöner geschrieben, als irgend ein anderes deutsches Werk von dieser Art; und dem guten Geschmack nicht weniger beförderlich, als den guten Sitten. Dieß war der Zweck des Buchs, und diesen Zweck haben die Verfasser erreicht. Wer sollte sich auch wol vom Gegentheil überreden können, dem es nicht unbekannt ist, daß Männer, wie Klopstock und Cramer, die Hauptverfasser des N.A. sind?

Daß diese Verfasser sich weniger um das amüsante Gewand, als um den innern festen und nervigten Bau der Wahrheit bekümmern würden, war leicht zu vermuthen, da schon der mit Recht bewunderte Verf. des Rambler und Idler es gewagt hatte, einem Aufputze zu entsagen, den seine Vorgänger, der Tatler und Spectator sich zueignen durften, und der selbst in dem Vaterlande des Humors zu ermüden anfing.

Die Einwürfe wider einzelne Blätter sind in der Vorrede zum dritten Bande beantwortet worden. Es ist ein Räthsel für uns, wie die Herren Recensenten sich entschliessen konnten, einem Manne, wie Cramer, durch eine Wortverfälschung den Verdacht der Ketzerey zuzuziehen, und zugleich feyerlich zu protestiren, daß ihre Absicht nicht sey, ihn der Heterodoxie zu beschuldigen. Herr Cramer sagt nicht, man solle den Kindern Christum als einen bloßen Menschen, (ein Wort, das der Kunstrichter wider alle Billigkeit hinzusetzt) begreiflich machen; sondern er verlangt, man[101] solle ihnen erst von der erhabnen Natur der Menschheit, die in Christo wohnt (und diese gehört doch wol auch zu der Person Christi?) einen deutlichen Begriff beybringen, ehe man ihnen das Geheimniß von der Vereinigung der Gottheit und Menschheit in Einer Person zu erklären suchte. Er verlangt nicht, daß die Kinder in der Unwissenheit bleiben sollen, daß diese beiden Naturen, Gott und Mensch, in Christo vereinigt waren; er konnte dieß voraussetzen; er verlangt blos, daß man beym Unterricht, das heißt, bey einer praktischen Zergliederung dieses Glaubens-Artikels, die Ordnung beobachten sollte, ihnen erst von der Würde, deren die menschliche Natur in Christo fähig seyn konnte, eine hohe, und auf ihr ganzes Leben einfließende Idee zu verschaffen, und dann zu den beiden in schwereren Punkten, der göttlichen Natur und der Vereinigung der zwo Naturen, so viel es der Umfang menschlicher Kenntnisse erlaubt, überzugehen. Es ist offenbar, daß der Verf. hier nicht von der bloßen Theorie des Glaubens, sondern von der Anwendung dieser Theorie auf die sittliche Bildung redet. Das Kind, das sich Christum schlechtweg als Gottmensch denkt, irrt nicht; das Kind, das sich Christum als Gottmensch denkt, sich itzt aber Rechenschaft von seinem Gedanken ablegen will, sich die Menschheit in Christo nach ihrem höchsten Ideale vorbildet, und sich dadurch in Stand setzet, auch die Gottheit zu dieser Menschheit mit einer desto feyerlichern Würde hinzuzudenken, ist der künftigen Gefahr zu irren, oder, wie der Hr. Recensent sich ausdrückt, die sich sträubende Vernunft unter das Joch des Glaubens zu schmiegen, weit weniger ausgesetzt, da es von der Göttlichkeit der Offenbarung schon überzeugt war. Diesen Satz, der freylich sehr leicht misverstanden werden konnte, sucht der Herr Verf. durch Schriftstellen zu verstärken, von denen er wußte, daß viele Exegeten sie nach seinem Sinne erklärten, welches bey einem solchen Anlasse für ihn zureichend war. Niemand wird wol an der exegetischen Gelehrsamkeit des Verfassers zweifeln können, der seine Erklärung des Briefes an die Ebräer gesehen hat,[102] wovon selbst der sel. D. Baumgarten in Halle urtheilte, daß sie die beste wäre, die man in Deutschland hätte. Doch wir verweisen unsere Leser lieber auf die oberwähnte Vorrede, wo sie auch die übrigen Einwürfe völlig widerlegt finden werden.

Daß Cramer sich ins Predigtschreiben vertieft, könnten wir vielleicht mit seinen Kunstrichtern bedauren, wenn wir eigennützig genug wären, zu wünschen, er möge blos für uns und für ein Häufchen Dilettanti schreiben. Predigten müssen aus einem andern Gesichtspunkte beurtheilt werden, als die Reden der Alten. Die Letztern wollen überreden, hinreissen, bestürmen, die Erstern mit anhaltender Wirkung rühren und überzeugen. Daher jene öftern veränderten Wiederholungen der Hauptsätze, die der Prediger in der Seele seiner Zuhörer gern unvergeßlich und bis zur Lebhaftigkeit gegenwärtig machen wollte; nöthige, oder doch nützliche Wiederholungen, wenn sie auch anderwärts, z.E. in gedrungnen, obgleich nicht trocknen, philosophischen Abhandlungen unnöthig oder gar verdrießlich seyn sollten, da sie dienen, Leute von so verschiednen und ungleichen Fähigkeiten, als die Zuhörer oder Leser einer Predigt sind, von denen sich viele leicht zerstreuen und aus dem Gesichtspunkt bringen lassen, worinn sie, nach dem Wunsch des Redners, unbeweglich seyn sollten, in der Aufmerksamkeit auf die ganze Kette des Vortrags zu erhalten; welches auch besonders, wie wir aus mündlichen Zeugnissen wissen, Herrn Cramern so gut gelungen ist, daß sein durchlauchtigster Zuhörer, ehemals als Kronprinz, bey der Repetition und Zergliederung seiner Predigten die ganze Verbindung derselben mit der größten Richtigkeit und Leichtigkeit hat wiederholen können. Wenn nun der Verfasser von seinen Zuhörern sowohl, als von andern Lesern in allen Gegenden Deutschlands, mündlich und schriftlich ermuntert wird, diese Predigten drucken zu lassen, sollte er sich dessen weigern? –

Noch ein paar Worte von den Andachten dieses unwidersprechlich nützlichen Mannes. Die Kunstrichter bedenken nicht, wie unrecht sie verfahren, wenn sie ihm ihre Ideale[103] unterschieben, und ihn nach diesen verurtheilen. Jeder folge seinem Wege, und sey zufrieden, wenn er Nutzen schafft. Herr Spalding schreibe als Herr Spalding, Herr Sack als Herr Sack, Herr Schlegel als Herr Schlegel, und Herr Cra mer als Herr Cramer. Es würde eben so unnöthig, als vergeblich seyn, hierinn eine Aenderung machen zu wollen. Uebrigens kann man sich von der Kritik in der allgem. deutschen Bibl. einen ohngefähren Begriff machen, wenn man weiß, daß das Lied in der fünf und zwanzigsten Nummer des ersten Theils, das so unglücklich ist, dem Kunstrichter am wenigsten zu gefallen, nichts weiter, als eine Uebersetzung des 148sten Psalmes sey; ein kleiner Umstand, der doch einem Theologen, wie der Recensent hoffentlich ist, nicht hätte unbekannt seyn sollen.

2) Herr Dusch ist so sehr und in so mancherley Absicht ein Märtyrer der grausamen Berl. Kritik geworden, daß wir nicht umhin können, ihm hier Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen. Herr Dusch ist ein schlechter Uebersetzer; er ist der Verfasser von einigen mittelmäßigen Schriften; das wissen wir; und der größte Nachtheil, den wir davon hatten, war, daß wir diese schlechte Uebersetzungen und diese mittelmäßige Schriften aus der Hand legten; andern können sie noch immer sehr brauchbar seyn: Warum sollten wir einer so geringen Veranlassung wegen ein Geschrey machen, als ob es um die Ehre Popens und Virgils gethan, oder als ob Dusch der abscheulichste Schriftsteller sey? Pfuy! der Spaaß geht zu weit. Kein Zungendrescher hätte mit größerem Grimm über einen Delinquenten herfahren können, der wegen eines Capital-Verbrechens vor dem Richter stünde, als der Berl. Recensent über Duschen, weil er es ihm in einigen Kleinigkeiten nicht recht macht. Und Dusch wird doch, aller seiner Kunstrichter ungeachtet, beständig einer der besten Köpfe in Deutschland bleiben, wenn ihn auch, wie wir nicht wünschen, seine Umstände nöthigen sollten, noch künftig mittelmäßige Bücher zu schreiben, die er in vielerley Absicht, nur nicht vor seinem eigenen Genie, wird rechtfertigen können.

1

Man sehe die Anm. hinter diesem Briefe.

Die Sammler.

2

Man sehe die Anm. hinter diesem Briefe.

Die Sammler.

Quelle:
Heinrich Wilhelm Gerstenberg: Briefe über die Merkwürdigkeiten der Litteratur, Stuttgart 1890, S. 86-104.
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