Siegeslied nach der Schlacht bei Lissa

[45] den 5. Dezember 1757.


Im allerhöchsten Siegeston,

Mehr Psalm als Siegeslied;

Stolz, wie der Feind, eh' er geflohn,

Bescheiden, wie er flieht;


Stolz, aber minder stolz als er,

Beim Glück in seinem Krieg;

Fürtrefflich, nicht fürtrefflicher,

Als der erfochtne Sieg.


Stark, wie der Krieger, welcher schlug;

Sanft, wie der Friede doch;

Hoch, wie des Adlers Sonnenflug,

Voll Gottes Wunder, hoch!


Erhaben, wie des Helden Geist,

Der Überwinder ist;

Wahr, daß selbst Feind den Sänger preist;

Gott dankend, wie ein Christ;
[45]

Kühn, wie ein Löwe um sich schaut,

Im königlichen Gang;

Wie kriegrische Trompete laut,

Erschalle mein Gesang!


Denn überwunden ist der Feind,

In Staub ist er gelegt,

Verherrlicht steht der Menschenfreund,

Der Gottes Rache trägt;


Gebändiget das stolze Wien,

Gestürzt in dunkle Nacht;

Und, Brüder! Gott hat Sieg verliehn,

Dem Rechte, nicht der Macht.


Drum singet herrlichen Gesang;

Wien zittere darob!

Triumph! dem großen Gott sei Dank,

Dem großen Friedrich Lob!


Ein Starker, ein Allmächtiger

Gewann für ihn die Schlacht.

»Als Rächer will ich, sprach der Herr,

Zertreten ihre Macht.


Mein Donner soll auf ihren Kopf

Hart treffen; fressend Schwert

Soll ihn zerspalten, daß der Zopf

Des Haars zurücke fährt!


Vernichten will ich ihren Bund;

Würgengel, steig herauf!

Nimm, Hölle, nimm in deinen Schlund

Die Scharen Toten auf!


Warum verschmäh'n in stolzer Pracht,

Der Erde Fürsten mich?

Verlassen sich auf ihre Macht,

Stehn wider Friederich?
[46]

Sind seiner großen Seele feind,

Die ich in ihn gelegt?

Und machen, daß der Menschenfreund

Gezwungen Waffen trägt?


So trag er meine Rache dann,

Und strafe sie!« – So sprach

Der Herr; sein Himmel hört es an,

Sein Donner sprach es nach.


Und Friederich ward neuen Muts,

Und neuer Weisheit voll,

Betrübt, daß er des Menschenbluts

Nicht schonen kann, nicht soll.


Was, Brüder, that er in der Nacht,

Indem er dem Genuß

Der Ruh' entsagte, nach der Schlacht?

Er faßte weisen Schluß.


Den Feind bei Roßbach, den sein Arm

Berührte mehr, als schlug,

Fast zu barmherzig; und den Schwarm

Der Hofrats-Waffen trug;


Der, armes Sachsen, dein Barbar,

(Verwüstung zeichnet ihn,)

Nicht aber dein Erretter war – –

Den, Brüder, ließ er fliehn!


Vor uns ging er von Roßbach ab,

Vor ihm ging Schrecken her!

Den Tag, den er uns Ruhe gab,

Den hatten wir, nicht er!


Er geht auf seiner Heldenbahn

Unaufhaltsam; er geht

So fort, als hätt' er nichts gethan,

Bis er am Ende steht.
[47]

Wir trafen ihn bei Großenhain,

Und hörten, vor ihm her,

Den Flüchtigen um Leben schrein.

Er gab ihm Leben; Er!


Der Haddick, welcher nach Berlin

Des Krieges Greuel trug,

Den, Brüder, sahn wir alle fliehn,

Daß ihm das Herze schlug.


Auch war mit seiner Heldenschar,

Held Marschall nicht zu sehn:

Er kam davon, die Ursach war,

Er lief, wir mußten gehn.


Wir kamen ohne kleinen Krieg,

Denn Friedrich war voran!

Wir kamen, singend unsern Sieg,

Bei unsern Brüdern an!


Da wallete der Helden Blut,

Zu sehn den Menschenfreund!

Da war ihr Auge lauter Glut,

Und suchte seinen Feind!


Den fanden wir sonst allezeit

Auf hohem Felsensitz,

In Lagern blöder Sicherheit,

Umschanzet mit Geschütz!


Was half, Collin! dem Grenadier

Sieghafter Helden Mut?

Zu mutig, Brüder, gaben wir

Gebirgen unser Blut!


Jetzt aber wurden wir verlacht,

Und, stolz auf ihre Zahl,

Beschlossen sie zum Feld der Schlacht,

Blachfeld das erste Mal.
[48]

Zu feiern großes Siegesfest,

Zu Wien beschlossen sie;

Hum! sagte Carl, der kleine Rest

Ist unser, morgenfrüh!


Brach auf mit seinem großen Heer,

Das in Gedanken schlug;

Schwarz zog es drohender einher,

Als Donnerwolkenzug;


Bis es mit Sonnenuntergang

Sich ruhig niederließ,

Und Carl den Abendfeldgesang

Die Pfeifer blasen hieß.


Da stützte mit der Rechten sich,

In stolzer Siegesruh,

Die ungeheure Last auf dich,

Du kleines Niepern du!


Du aber, Golau! zittertest

An ihrer linken Hand,

Als, Tages drauf, der kleine Rest

Dir gegenüber stand!


Denn fortgebracht durch Kriegesschritt,

Eh, als sie sichs versah,

Stand er, er stand mit starkem Tritt,

In langer Mauer da!


Welch hoher wunderbarer Glanz,

Uns allen wunderbar,

Erfüllte da die Gegend ganz,

Wo der Gesalbte war!


Wo Er, der Geist von unserm Heer,

Anordnete die Schlacht,

Sah, wo zu überwinden wär',

Mit kleiner, große Macht.
[49]

Starr mit den Augen stand der Feind,

Als er ihn sah, wie wir;

Was war es? Schwebte, Menschenfreund,

Ein Engel über dir?


War er im Wetter des Gefechts

Dein Engel? Schützt er dich?

Dich, Lust des menschlichen Geschlechts!

Dich, unsern Friederich!


Hat er dein großes Herz erfüllt,

Mit weiser Tapferkeit?

Wie? oder war, im Glanz gehüllt,

Gott selbst mit dir im Streit?


Ein Wunder aller Augen war,

Als wir dich wieder sahn,

Daß tausend schreckliche Gefahr,

Dir, Vater! nichts gethan.


Zehntausend Donner brachen los,

Zehntausend folgten nach;

Groß war des Todes Ernte, groß!

Laut, tausend Weh und Ach!


Uns schreckte fürchterlich Geschütz;

Du führtest uns darauf!

Nicht Donnerschlag, nicht roter Blitz,

Hielt deine Helden auf.


Auch folgt' uns in Gefahr und Streit,

Dein tapfrer Ferdinand,

Zu sterben, Held! mit dir bereit,

Den Tod fürs Vaterland!


Wie schwarzer Todesengel Schar,

Flohn Helden, deren Amt

Befehl an uns zu bringen war,

Die Augen, wie geflammt.
[50]

Ein Wort, so thaten Roß und Mann,

Das ganze Todeswort!

Griff donnervolle Schanzen an,

Schlug deine Feinde fort!


Grausame kriegerische Lust,

Zu töten, war noch nicht

Gekommen sonst in unsre Brust,

Getreten ins Gesicht.


Jetzt aber, Vater! hatten wir

Nicht Herz, wir hatten Wut;

Wir sahn den Feind mit Mordbegier,

Und dürsteten sein Blut!


Wir stampften Totenvolles Feld,

Zu haben blutgen Sieg!

Warum empört die ganze Welt,

Sich wider dich in Krieg?


Wir brannten alle Feuerrot,

Hoch hob sich unser Herz!

Wir waren alle lauter Tod,

Und Tod war unser Scherz.


Zu rächen jeden Tropfen Blut,

Der unter Bevern floß,

War alles Feuer, schäumte Wut,

Schnob Rache Mann und Roß!


Unmenschlich gaben wir nicht mehr

Dem Bitten und dem Flehn

Der Knieenden vor uns Gehör,

So schnell es sonst geschehn!


Wir holten auf der schnellen Flucht

Des Feindes Fersen ein!

Warum war er voll Siegessucht?

Gestrafet mußt er sein!
[51]

Nicht Tiger, menschliches Geschlecht,

Glühn wider sich, wie du!

Wir, Menschen, riefen im Gefecht:

Sterbt Hunde! Menschen zu.


Doch Kriegesmuse! singe nicht

Die ganze Menschenschlacht;

Brich ab das schreckliche Gedicht,

Und sag: Es wurde Nacht!


Und sage: Friederich, der Held,

Dacht einsam: »Großer Sieg,

Berede doch die ganze Welt,

Zu endigen den Krieg;


Weil Gott mir sichtbar hilft, mein Heer

Durch ihn die Schlacht gewinnt,

Und Völker, wie der Sand am Meer,

Ihm Spreu im Winde sind!«

Quelle:
Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Ausgewählte Werke, Leipzig 1885, S. 45-52.
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