1800

[63] Dieses Jahr brachte ich halb in Weimar, halb in Jena zu. Den 30. Januar ward »Mahomet« aufgeführt zu großem Vorteil für die Bildung unserer Schauspieler. Sie mußten sich aus ihrem Naturalisieren in eine gewisse Beschränktheit zurückziehen, deren Manieriertes aber sich gar leicht in ein Natürliches verwandeln ließ. Wir gewannen eine Vorübung in jedem Sinne zu den schwierigeren, reicheren Stücken, welche bald darauf erschienen. Von Opern will ich nur »Tarare« nennen.

Späterhin, am 24. Oktober, als am Geburtstag der Herzogin Amalia, ward im engeren Kreise »Paläophron und Neoterpe« gegeben. Die Aufführung des kleinen Stücks durch junge Kunstfreunde war musterhaft zu nennen. Fünf Figuren spielten in Masken, der Dame allein war vergönnt, uns in der eigensten Anmut ihrer Gesichtszüge zu ergötzen.

Diese Darstellung bereitete jene Maskenkomödien vor, die in der Folge eine ganz neue Unterhaltung jahrelang gewährten.

Die Bearbeitung verschiedener Stücke, gemeinschaftlich mit Schiller, ward fortgesetzt und zu diesem Zweck »Das Geheimnis der Mutter« von Horace Walpole studiert und behandelt, bei näherer Betrachtung jedoch unterlassen. Die neueren[63] kleinen Gedichte wurden an Unger abgeliefert, »Die guten Frauen«, ein geselliger Scherz, geschrieben.

Nun sollte zum nächsten, immer gefeierten 30. Januar ganz am Ende des Jahrs »Tancred« übersetzt werden, und so geschah es auch, ungeachtet einer sich anmeldenden krankhaften Unbehaglichkeit.

Als wir im August dieses Jahrs die zweite Ausstellung vorbereiteten, fanden wir uns schon von vielseitiger Teilnahme begünstigt. Die Aufgabe: Der Tod des Rhesus und Hektors Abschied von Andromache, hatten viele wackere Künstler gelockt. Den ersten Preis erhielt Hoffmann zu Köln, den zweiten Nahl zu Kassel. Der »Propyläen« drittes und letztes Stück ward, bei erschwerter Fortsetzung, aufgegeben. Wie sich bösartige Menschen diesem Unternehmen entgegengestellt, sollte wohl zum Trost unserer Enkel, denen es auch nicht besser gehen wird, gelegentlich näher bezeichnet werden.

Die Naturforschung verfolgte still ihren Gang. Ein sechsfüßiger Herschel war für unsere wissenschaftlichen Anstalten angeschafft. Ich beobachtete nun einzeln mehrere Mondwechsel und machte mich mit den bedeutendsten Lichtgrenzen bekannt, wodurch ich denn einen guten Begriff von dem Relief der Mondoberfläche erhielt. Auch war mir die Haupteinteilung der »Farbenlehre« in die drei Hauptmassen, die didaktische, polemische und historische, zuerst ganz klar geworden und hatte sich entschieden.

Um mir im Botanischen das Jussieusche System recht anschaulich zu machen, brachte ich die sämtlichen Kupfer mehrerer botanischen Oktavwerke in jene Ordnung; ich erhielt dadurch eine Anschauung der einzelnen Gestalt und eine Übersicht des Ganzen, welches sonst nicht zu erlangen gewesen wäre.

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 16, Berlin 1960 ff, S. 63-64.
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