An Johann Heinrich Merck

[196] Schicke dir hier in altem Kleid

Ein neues Kindlein wohl bereit,

Und ist's nichts weiters auf der Bahn,

Hat's immer alte Hosen an.

Wir Neuen sind ja solche Hasen,

Sehn immer nach den alten Nasen,

Und hast ja auch, wie's jeder schaut,

Dir Neuen ein altes Haus gebaut.

Darum, wie's steht sodann geschrieben

Im Evangelium da drüben,

Daß sich der neu Most so erweist,

Daß er die alten Schläuch zerreißt. –

Ist fast das Gegenteil so wahr,

Das Alt' die jungen Schläuch reißt gar.

Und können wir nicht tragen mehr

Krebs, Panzerhemd, Helm, Schwert und Speer

Und erliegen darunter tot

Wie Ameis unterm Schollenkot,

So ist doch immer unser Mut

Wahrhaftig wahr und bieder gut.

Und allen Perrückeurs und Fratzen

Und allen literar'schen Katzen

Und Räten, Schreibern, Mädels, Kindern

Und wissenschaftlich schönen Sündern

Sei Trotz und Hohn gesprochen hier

Und Haß und Ärger für und für.[196]

Weisen wir so diesen Philistern,

Kritikastern und ihren Geschwistern

Wohl ein jeder aus seinem Haus

Seinen Arsch zum Fenster hinaus.
[197]

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 2, Berlin 1960 ff, S. 196-198.
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