Die Nektartropfen

[389] Als Minerva, jenen Liebling,

Den Prometheus, zu begünst'gen,

Eine volle Nektarschale

Von dem Himmel niederbrachte,

Seine Menschen zu beglücken

Und den Trieb zu holden Künsten

Ihrem Busen einzuflößen,

Eilte sie mit schnellen Füßen,

Daß sie Jupiter nicht sähe;

Und die goldne Schale schwankte,

Und es fielen wenig Tropfen

Auf den grünen Boden nieder.


Emsig waren drauf die Bienen

Hinterher und saugten fleißig;

Kam der Schmetterling geschäftig,

Auch ein Tröpfchen zu erhaschen;

Selbst die ungestalte Spinne

Kroch herbei und sog gewaltig.


Glücklich haben sie gekostet,

Sie und andre zarte Tierchen!

Denn sie teilen mit dem Menschen

Nun das schönste Glück, die Kunst.[389]

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 1, Berlin 1960 ff, S. 389-390.
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