Aristoteles

[261] Anzunehmen, daß die blauen Augen feuerhaft sind, wie Empedokles sagt, die schwarzen aber mehr Wasser als Feuer haben und dieserwegen am Tage nicht scharf sehen aus Mangel des Wassers, die andern aber des Nachts aus Mangel des Feuers, ist irrig, sintemal nicht des Feuers das Auge ist, sondern des Wassers. Außerdem läßt sich die Ursache der Farben noch auf eine andre Weise angeben.

Wäre das Auge Feuer, wie Empedokles behauptet, und im Timäus geschrieben steht, und geschähe das Sehen, indem das Licht wie aus einer Laterne (aus den Augen) herausgehe, warum in der Finsternis sieht nicht das Auge? Daß es ausgelöscht werde im Finstern, wenn es herauskomme, wie der Timäus sagt, ist durchaus nichtig. Denn was heißt Auslöschung des Lichtes? Gelöscht wird im Nassen oder im Kalten das Warme (Heiße) und Trockne, dergleichen in dem Kohlichten das Feuer zu sein scheint und die Flamme. Keins von beiden aber scheint dem Augenlicht zugrunde zu liegen. Lägen sie aber auch, und nur, wegen der Wenigkeit, auf eine uns verborgne Weise, so müßte täglich auch vom Wasser das Augenlicht ausgelöscht werden, und im Frost zumeist müßte Finsternis entstehen, wie wenigstens mit der Flamme und[261] brennenden Körpern geschieht. Nun aber geschieht nichts dergleichen. Empedokles nun scheint einmal zu behaupten, indem das Licht herausgehe, sähen wir, ein andermal wieder durch Aus- oder Abflüsse von den gesehenen Gegenständen.

Demokritus hingegen, sofern er behauptet, das Auge sei Wasser, hat recht; sofern er aber meint, das Sehen sei eine Emphasis (Spiegelung), hat er unrecht. Denn dies geschieht, weil das Auge glatt ist, und eine Emphasis findet nicht statt im Gegenstande, sondern im Sehenden: denn der Zustand ist eine Zurückwerfung. Doch über die Emphänomena und über die Zurückwerfung hatte er, wie es scheint, keine deutlichen Begriffe. Sonderbar ist es auch, daß ihm nicht die Frage aufstieß: warum das Auge allein sieht, die andern Dinge, worin die Bilder sich spiegeln, aber nicht. Daß nun das Auge Wasser sei, darin hat er recht. Das Sehen aber geschieht nicht, insofern das Auge Wasser ist, sondern insofern das Wasser durchsichtig ist, welche Eigenschaft es mit der Luft gemein hat.

Demokritus aber und die meisten Physiologen, die von der Wahrnehmung des Sinnes handeln, behaupten etwas ganz Unstatthaftes. Denn alles Empfindbare machen sie zu etwas Fühlbarem, da doch, wenn dem so wäre, in die Augen fällt, daß auch alle übrigen Empfindungen ein Fühlen sein müßten; welches, wie leicht einzusehen, unmöglich. Ferner machen sie, was allen Wahrnehmungen der Sinne gemeinschaftlich ist, zu einem Eigentümlichen. Denn Größe und Gestalt, Rauhes und Glattes, Scharfes und Stumpfes an den Massen sind etwas allen Sinneswahrnehmungen Gemeines, oder wenn nicht allen, doch dem Gesichte und Gefühl. Darum täuschen diese beiden Sinne sich zwar hierüber, nicht aber über das jedem Eigentümliche, zum Exempel das Gesicht nicht über die Farbe, das Gehör nicht über den Schall. Jene Physiologen aber werfen das Eigentümliche mit dem Gemeinschaftlichen zusammen, wie Demokritus. Vom Weißen nämlich und Schwarzen behauptet er, dieses sei rauh und jenes[262] glatt. Auch die Geschmäcke bringt er auf Gestalten zurück. Wiewohl es des Gesichtes mehr als jedes andern Sinnes Eigenschaft ist, das Gemeinsame zu erkennen. Sollte es nun mehr des Geschmackes Sache sein, so müßte, da das Kleinste in jeglicher Art zu unterscheiden, dem schärfsten Sinne angehört, der Geschmack zumeist das übrige Gemeinsame empfinden und über die Gestalt der vollkommenste Richter sein. Ferner alles Empfindbare hat Gegensätze, zum Exempel in der Farbe ist dem Schwarzen das Weiße, im Geschmack das Süße dem Bittern entgegen; Gestalt aber scheint kein Gegensatz von Gestalt zu sein. Denn welchem Eck steht der Zirkel entgegen? Ferner da die Gestalten unendlich sind, müßten auch die Geschmäcke unendlich sein: denn warum sollte man von den schmeckbaren Dingen einige empfinden, andre aber nicht? –

Sichtbar ist, wessen allein das Gesicht ist. Sichtbar ist aber die Farbe und etwas das sich zwar beschreiben läßt, aber keinen eigenen Namen hat. Was wir meinen, soll weiterhin klar werden. Das Sichtbare nun, von dem wir reden, ist einmal die Farbe. Diese aber ist das, was an dem an sich Sichtbaren sich befindet. An sich sichtbar ist, was es nicht (τω λογω) durch Bezug auf ein anderes ist, sondern den Grund des Sichtbarseins in sich hat. Alle Farbe aber ist ein Erregendes des actu Durchsichtigen. Und dies ist seine Natur. Daher ist ohne Licht Farbe nicht sichtbar, sondern jede Farbe ist durchaus nur im Lichte sichtbar. Daher müssen wir zuerst sagen, was das Licht ist.

Es gibt ein Durchsichtiges (διαφανες). Durchsichtig nenn ich, was zwar sichtbar ist, aber nicht sichtbar an sich, sondern durch eine andre Farbe. Von der Art ist die Luft, das Wasser und mehrere feste Körper. Denn nicht insofern sie Wasser und insofern sie Luft, sind sie durchsichtig, sondern weil eine solche Natur in ihnen ist.

Licht nun ist der actus dieses Durchsichtigen als Durchsichtigen. Worin es sich nur potentia befindet, das kann auch Finsternis sein. Licht ist aber gleichsam die Farbe des Durchsichtigen,[263] wann es actu durchsichtig ist, es sei durchs Feuer oder durch das höchste und letzte Element.

Was nun das Durchsichtige und was das Licht sei, ist gesagt, daß es nicht Feuer sei, noch überhaupt ein Körper, noch der Ausfluß irgendeines Körpers: denn auch so würde es ein Körper sein; sondern Feuers oder eines andern dergleichen Anwesenheit in dem Durchsichtigen. Denn zwei Körper können nicht zugleich in einem sein. Das Licht ferner scheint der Gegensatz von Finsternis. Finsternis scheint der Mangel einer dergleichen έξις in dem Durchsichtigen. Wie daraus erhellt, daß die Anwesenheit desselben das Licht ist. Daher Empedokles, und wer sonst, nicht recht hat zu behaupten, das Licht verbreite sich und komme zwischen die Erde und ihre Umgebung, ohne daß wir es merkten. Denn dies ist gegen alle Prinzipien und gegen die Erscheinung. In einem kleinen Raume könnte es unbemerkt bleiben, aber vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang ist die Foderung zu groß.

Der Farbe nun empfänglich ist das Farblose, wie des Schalls das Schallose. Farblos ist das Durchsichtige und Unsichtliche, oder das kaum Sichtbare, dergleichen das Finstere zu sein scheint. Dergleichen also ist das Durchsichtige, aber nicht wenn es actu durchsichtig ist, sondern, wenn es potentia. Denn das ist seine Natur, daß es bald Licht, bald Finsternis ist. Nicht alles aber ist sichtbar im Licht: sondern nur eines jeden eigentümliche Farbe. Denn einiges wird nicht gesehen im Licht, aber in der Finsternis gibt es Empfindung, zum Exempel das Feurige und Leuchtende. Diese Dinge lassen sich mit einem Worte nicht benennen, zum Exempel die Schnuppe am Licht, Horn, die Köpfe der Fische und Schuppen und Augen. An keinem von diesen Dingen wird die eigentümliche Farbe geschaut; wodurch sie aber nun sichtbar werden, ist eine andre Untersuchung.

Soviel ist allbereits klar, daß das im Licht Gesehene Farbe ist; daher wird sie nicht ohne Licht gesehen. Denn das ist das Wesen der Farbe, daß es das Erregende des actu Durchsichtigen ist. Der actus des Durchsichtigen aber ist das Licht. Ein[264] offenbarer Beweis davon ist: wenn jemand etwas Farbiges auf das Auge selbst legt, so sieht er es nicht, sondern die Farbe erregt das Durchsichtige, die Luft; von dieser aber, die ein continuum ist, wird das Gesichtsorgan erregt. Daher hat Demokritus unrecht zu glauben, wenn der Zwischenraum leer wäre, so würde man auch eine Ameise am Himmel genau sehen können. Denn dies ist unmöglich. Denn nur dadurch, daß das Gesichtsorgan etwas erleidet, geschieht das Sehen. Von der gesehenen Farbe selbst kann jenes nicht erfolgen; es bleibt also nur übrig, daß es von dem, was zwischen ist (dem Medium), geschehe. Darum muß notwendig etwas zwischen sein. Wäre der Zwischenraum leer, so würde die Ameise nicht nur nicht genau, sondern ganz und gar nicht gesehen werden können.

Warum nun die Farbe notwendig im Licht gesehen werden muß, ist gesagt. Das Feuer aber wird in beiden gesehen, im Licht und in der Finsternis, und dies notwendigerweise. Denn das Durchsichtige wird dadurch durchsichtig. Dieselbe Bewandtnis hat es mit dem Schall und mit dem Geruch.

Denn keins von beiden, wenn es unmittelbar das Organ berührt, bringt eine Empfindung hervor, sondern von Geruch und Schall muß zuvor das Medium bewegt werden, und durch dieses erst das Organ für beide. Wenn jemand unmittelbar an das Organ ein Schallendes oder Riechendes bringt, so entsteht durchaus keine Empfindung. Auf gleiche Weise verhält es sich mit dem Gefühl (tactus) und Geschmack, nur fällt es da nicht so in die Augen. Das Medium für den Schall ist die Luft, für das Riechende etwas, das keinen Namen hat. Denn so wie das Durchsichtige für die Farbe eine gemeinschaftliche Affektion des Wassers und der Luft ist, so gibt es eine andre gemeinschaftliche Affektion in beiden, dem Wasser und der Luft, für das Riechende. Es scheinen nämlich die im Wasser lebenden Tiere eine Empfindung des Geruchs zu haben; aber der Mensch und andre Landtiere, welche atmen, können nicht riechen ohne zu atmen.[265]

Licht ist des Durchsichtigen Farbe per accidens: denn die Gegenwart eines Feuerartigen im Durchsichtigen ist Licht, die Abwesenheit Finsternis.

Was wir durchsichtig nennen, ist weder der Luft, noch dem Wasser, noch einem der Elemente besonders eigen, sondern es ist eine gemeinsame Natur und Eigenschaft, die abgesondert zwar nicht ist, aber in ihnen befindet sie sich und wohnt einem Körper mehr, andern weniger bei. So wie nun der Körper ein Äußerstes haben muß, so auch das Durchsichtige. Die Natur des Lichts ist nun in einem unbegrenzten (αοριστω) Durchsichtigen. Daß nun das Durchsichtige in den Körpern ein Äußerstes haben muß, ist allen einleuchtend; daß dieses aber die Farbe sei, ist aus den Vordersätzen ergeblich. Denn die Farbe ist entweder in der Grenze, oder selbst die Grenze. Daher nannten auch die Pythagoreer die Oberfläche Farbe. Nun ist aber die Farbe in der Grenze des Körpers und nicht selbst die Grenze; sondern dieselbe färbende Natur, die man außen annimmt, muß man auch innerhalb annehmen.

Luft und Wasser erscheinen gefärbt: denn ihr Aussehen (αυγη) ist ein solches. Aber weil dort die Farbe in einem Unbegrenzten ist, zeigen beide in der Nähe und in der Ferne nicht einerlei Farbe. In (festen) Körnern aber ist die Erscheinung der Farbe eine bestimmte, wenn nicht etwa das, was den Körper einschließt, eine Veränderung hervorbringt. Es ist also klar, daß ein und dasselbe der Farbe Empfängliche sowohl dort als hier stattfindet. Das Durchsichtige also, insofern es den Körpern inwohnt, und das ist mehr oder weniger der Fall, macht sie alle der Farbe fähig oder teilhaft. Da nun die Farbe in der Grenze des Körpers ist, so ist sie auch in der Grenze des Durchsichtigen, so daß also Farbe die Grenze des Durchsichtigen an dem begrenzten Körper wäre. Den durchsichtigen Körpern selbst, als dem Wasser und was sonst der Art ist, und was eine eigene Farbe hat, diesen allen wohnt sie bei im Äußersten.

In dem Durchsichtigen nun ist dasjenige, wodurch auch in der Luft das Licht hervorgebracht wird, bald wirklich vorhanden,[266] bald nicht, sondern entnommen. So wie nun dort bald Licht, bald Finsternis stattfindet, so ist auch in den Körpern Weiß und Schwarz.

Von den andern Farben ist nun zu handeln, auf wie vielerlei Art sie entstehen. Einmal können sie so entstehen, daß wenn Schwarz und Weiß nebeneinander liegen, eins wie das andre aber wegen ihrer Kleinheit unsichtbar sind, dennoch etwas aus ihnen entspringe, welches sichtbar wird. Dieses kann nun weder schwarz, noch auch weiß sein; da es aber doch eine Farbe sein muß, so muß sie eine gemischte sein und einen andern Anblick gewähren.

Auf diese Weise können nun sehr viele Farben außer dem Weißen und Schwarzen, entstehen. Einige durch Verhältnisse, indem sie wie drei zu zwei, drei zu viere und so fort in andern Portionen nebeneinander liegen. Andre hingegen nicht durch Zahlenverhältnisse, sondern durch ein inkommensurables Plus oder Minus. So können sie sich verhalten zum Exempel wie die Konsonanzen in der Musik, daß nämlich die Farben von den leichtesten Zahlenverhältnissen, gerade wie die Konsonanzen, als die angenehmsten erschienen, zum Beispiel Violett und Rot und einige andre dergleichen. Daher auch nur wenige Konsonanzen sind. Andre ferner, die nicht in solchen Verhältnissen bestehen, würden die übrigen Farben ausmachen. Oder auch, alle Farben, sowohl die in einer Ordnung als die in keiner bestehen, beruhten auf Zahlenverhältnissen, und selbst diese, wenn sie nicht rein sind weil sie auf keinem Zahlenverhältnis beruhen, müßten es dennoch werden.

Dies ist nun eine Art der Farbenentstehung. Eine andre Art ist, wenn sie durcheinander erscheinen; wie zum Beispiel die Maler tun, daß sie eine Farbe über eine andre mehr energische herstreichen, wenn sie etwas als in Luft oder Wasser befindlich vorstellen wollen; oder wie die Sonne, die an sich weiß erscheint, durch Nebel und Rauch gesehen aber rot. Auf diese Weise können viele Farben entstehen, daß nämlich eine gegenseitige Bedingung der oben und der unten[267] befindlichen Farbe stattfindet. Andre können gänzlich ohne dieselbe entstehen.

Zu behaupten, wie die Alten sagen, die Farben seien Ausflüsse und das Sehen geschähe aus dieser Ursache, ist ganz unstatthaft. Denn alsdann müssen sie die Empfindung von allem andern durch Berühren entstehen lassen. Viel besser ist es daher zu sagen, durch die Bewegung des Mediums zwischen dem Organ und dem Empfindbaren geschehe die Empfindung, als durch Ausflüsse und Berühren.

Bei Nebeneinanderliegendem muß man, wie man eine unsichtliche Größe annimmt, auch eine unmerkliche Zeit annehmen, damit wir die ankommenden Bewegungen nicht bemerken, und der Gegenstand eins scheine, weil er zugleich erscheint. Aber bei der Farbe ist das nicht notwendig. Denn die über einer andern liegende Farbe, sie mag von der untern bewegt werden oder nicht, bringt doch keine gleichen Eindrücke hervor. Darum erscheint sie als eine andre Farbe und nicht weder als weiß noch als schwarz. Daher, wenn auch keine unsichtliche Größe, sondern alles in einer gewissen Entfernung sichtbar wäre, würde auch so noch eine Mischung der Farbe stattfinden und nichts uns hindern, auch in der Entfernung eine gemeinschaftliche Farbe wahrzunehmen.

Wenn nun eine Mischung der Körper stattfindet, so geschieht es nicht bloß auf die Weise, wie einige sich die Sache vorstellen, daß nämlich kleinste Teile nebeneinander liegen, die uns unbemerklich sind, sondern auch so, daß die Mischung überall und durchweg sei. Denn auf jene Weise mischt sich nur, was sich in die kleinsten Teile zerlegen läßt, wie Menschen, Pferde, Samenkörner. Denn von einer Menge Menschen ist ein Mensch der kleinste Teil, von Pferden ein Pferd, so daß aus Zusammenstellung beider die Menge beider gemischt ist. Von einem Menschen und einem Pferde kann man nicht sagen, daß sie gemischt sind. Was sich nun nicht in die kleinsten Teile zerlegen läßt, bei dem findet keine Mischung auf diese Art statt, sondern auf die Art, daß alles[268] durchaus und aller Orten gemischt sei, was sich besonders zu einer solchen Mischung eignet.

Daß nun wie jenes sich mischt, auch die Farben sich mischen, ist klar, und daß dieses die Hauptursache der Verschiedenheit der Farben sei und nicht das Über- und Nebeneinanderliegen derselben. Denn nicht etwa in der Ferne bloß und in der Nähe nicht zeigen vermischte Dinge einerlei Farbe, sondern in jedem Standpunkt.

Viele Farben werden sich ergeben, weil viele Verhältnisse möglich sind, in denen das Gemischte sich mischt. Einige beruhen auf Zahlen, andere bloß auf einem Übermaß; andere endlich auf derselben Weise, wie bei über- oder nebeneinander liegenden Farben geschieht.

Wie die Farben aus der Mischung des Weißen und Schwarzen entstehen, so auch die Geschmäcke aus der des Süßen und Bittern; und zwar nach Verhältnis des Mehr oder Weniger, es sei der Zahl nach, oder der Bewegung, oder unbestimmt. Die angenehmen Geschmäcke beruhen auf dem Zahlenverhältnis. Der fette Geschmack gehört zu dem süßen; der salzige und bittre sind beinahe eins. Der beißende, herbe, zusammenziehende und saure fallen dazwischen. Schier wie die Arten des Geschmacks verhalten sich auch die Spezies der Farben. Denn beider sind sieben; wenn man, wie billig, das φαιον zum Schwarzen rechnet. Daraus folgt, daß das Gelbe zum Weißen gehöre wie das Fette zum Süßen. Das Rote, Violette, Grüne und Blaue liegt zwischen dem Weißen und Schwarzen. Die übrigen sind aus diesen gemischt. Und wie das Schwarze eine Beraubung des Weißen im Durchsichtigen, so ist das Salzige und Bittre eine Beraubung des Süßen in dem nährenden Feuchten. Darum ist die Asche aller verbrannten Körper bitter: denn das Trinkbare ist ihr entzogen.

Die empfindbaren Dinge geben uns durch einen jeglichen Sinn ein Empfindung, und dieser durch dieselben in uns entstehende Zustand dauert nicht bloß, solange die Sinne eben tätig sind, sondern auch, wenn sie aufhören. Wenn wir anhaltend einer Sinnesempfindung uns hingeben und nun den[269] Sinn auf einen andern Gegenstand übertragen, so begleitet ihn der erste Zustand mit hinüber, zum Exempel wenn man aus der Sonne ins Dunkle geht. Dann sieht man nichts wegen des in den Augen fortdauernden Lichteindrucks. Auch wenn wir auf eine Farbe, weiß oder grün, lange hingeschaut haben, so erscheint uns etwas dergleichen, wohin wir auch den Blick wenden mögen. Auch sobald wir in die Sonne, oder auf einen andern hellen Gegenstand gesehen haben und die Augen schließen, erscheint, wenn wir in der geraden Richtung, worin wir sehen, beobachten, zuvörderst etwas dergleichen an Farbe: dann verwandelt es sich in Rot, dann in Purpur, bis es zuletzt ins Schwarze übergeht und verschwindet.

Quelle:
Johann Wolfgang Goethe. Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche. Band 1–24 und Erg.-Bände 1–3, Band 16, Zürich 1948 ff, S. 261-270.
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