IV. Von künstlichen Farben

[277] 38. Übrigens, was gefärbt wird (vorausgesetzt, daß es ganz weiß sei), empfängt seine Farbe von dem Färbenden. So wird vieles durch Blumen, Wurzeln, Rinden, Hölzer, Blätter und Früchte gefärbt, sodann vieles mit Erde, Schaum und metallischen Tinten, auch mit tierischen Säften, wie das Blaurote durch die Purpurschnecke. Einiges wird mit Wein, einiges mit Rauch, mit Lauge, ja sogar durch das Meer gefärbt, wie die Haare der Seeleute, denn diese werden rot, und überhaupt mit allen Körpern, welche eigene Farben enthalten.

Denn verbunden mit dem Feuchten und Warmen, dringen solche Farben in die Gänge der Körper ein, und wenn diese trocken sind, so haben sie die Farben sich zugeeignet, ja man kann öfters die Farbe auswaschen, indem sie aus den Poren wieder ausfließt.

Auch macht der Gebrauch zusammenziehender Ingredienzien beim Färben großen Unterschied, sowohl der Mischung als auch überhaupt dessen, was die Körper dabei erleiden.

Man färbt auch schwarze Felle; an diesen wird aber die Farbe nicht sonderlich scheinbar, indem sich zwar sowohl die Farbe als die innern Gänge der Wolle einander wechselsweise aufnehmen, aber das Gewebe der Haare selbst die Farbe nicht annimmt.

Das Weiße hat zu den Farben ein reines Verhältnis und bewirkt eine glänzendere Erscheinung der Blüte; das Schwarze hingegen macht sie dunkel, obgleich die Farbe, welche sie Orphninos nennen, sich blühender auf Schwarz als auf Weiß[277] ausnimmt, weil ihre Blüte durch die Strahlen des Schwarzen gehoben wird.

Die Zwischenräume der Gänge sieht man aber an sich selbst nicht, wegen ihrer Kleinheit, so wie man die Teile des Zinnes und des Kupfers nicht unterscheiden kann, wenn beide Metalle gemischt sind.

Und so werden aus vorgemeldeten Ursachen die Farben der gefärbten Dinge verändert.

Quelle:
Johann Wolfgang Goethe. Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche. Band 1–24 und Erg.-Bände 1–3, Band 16, Zürich 1948 ff, S. 277-278.
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