An die berühmte Königl. Hofmalerinn Frau A.M. Wernerinn in Dresden

[139] Nach so viel trefflichen Geschenken,

Verwundre dich nur nicht, gepriesne Wernerinn,

Daß, ob ich gleich entfernet bin,

Doch Herz und Sinne sich noch eifrigst nach dir lenken.

Ich kann mir, auch hier an der Pleißen,

Dein witzerfüllt und gütig Haus

Noch nicht aus den Gedanken reißen,

Und drücke meinen Dank durch diese Zeilen aus.


Du hast mich gar zu sehr verbunden;

Denn was bewog doch wohl die werthe Meisterhand,

Daß sie so viel auf mich verwandt?

Wie hab ich so viel Theil an deiner Huld gefunden?[139]

Dein Pinsel soll nur Königskronen,

Nur hohen Häuptern heilig seyn;

Nicht Schäfern, die in Hütten wohnen:

Wie stimmt nun deine Kunst mit deiner Demuth ein?


Ich kann es wahrlich nicht ermessen:

Ich bin von dir beschämt, und steh in tiefster Schuld.

Doch habe nur mit mir Geduld:

Mein Herz soll nichts von dem, was du gethan, vergessen.

Ach! klängen meine Cyther Seyten

So lieblich, als dein Pinsel malt:

So würde bis auf späte Zeiten

Mein Dank durch manches Lob von deiner Kunst bezahlt.


Vieleicht verstärken sich die Lieder,

Wenn ein so würdig Lob den matten Kiel belebt;

Vielleicht, wenn dich mein Reim erhebt,

Schallt selbst der Helikon von meinen Tönen wieder.

Die Musen werdens leicht vergönnen,

Daß mich ein frischer Lorber krönt,

Weil sie nichts schönes fodern können,

Als daß ein Dichter sich an deinen Ruhm gewöhnt.


Dein redlich Herz, dein frommes Wesen,

Ist so, wie deine Kunst, das ist ganz ungemein;

Von jedem Stücke ganz allein

Soll billig einst die Welt ganz eigne Lieder lesen.

Auch die, der ich ganz eigen lebe,

Vereinigt ihren Kiel mit mir:

Wenn ich dich nun nicht gnug erhebe,

So hoffe doch das Lob, das dir gebührt, von ihr.[140]

Sie schreibet, wie dein Pinsel malet,

Ihr beyde ziert zugleich die große Weichselstadt;

Dein Danzig, das zwo Töchter hat,

Mit welchen es fürwahr aus gutem Grunde pralet.

Wird sie nun durch der Musen Künste

Dereinst der späten Welt bekannt:

So hast du Theil an dem Gewinnste,

Denn so verewigt sie auch deine Meisterhand.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 139-141.
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