Auf Sr. Hochreichsgräfl. Excellenz, des Herrn Conferenz-Ministers Herrn Reichsgrafen von Hennigke Hohes Geburtsfest

[220] 1749.


I.f.N.


Die Welt stund noch in erster Jugend,

Die Weisheit ward noch nicht gelehrt;

Als schon Verstand und wahre Tugend

Von allen Menschen ward verehrt.

Als schon die Sterblichen empfanden:

Verstand und Geist sey ehrenwerth;

Als man für Götter die erklärt,

Die was zum Nutz der Welt erfanden;

Sie oft der Tempel werth geschätzt,

Ja gar den Sternen eingeätzt.


So prangen an des Himmels Bühnen

Die Helden der verstrichnen Zeit;

Die bloß den Menschen recht zu dienen,

Ihr Leben und ihr Thun geweiht.

Der Sieger vieler Ungeheuer,

Die er der Welt zu gut erschlug;

Das Schiff, das Argonauten trug;

Und selbst des Orpheus goldne Leyer,

Und Ceres, die das Feld gebaut,

Wird noch bey heller Nacht geschaut.[221]


So ward dieß blaue Feld der Sterne

Mit hundert Bildern angefüllt;

Wo noch in der gewölbten Ferne

Der Nachruhm alter Tugend gilt.

Den spätern Helden neuer Zeiten

Ward zwar des Himmels Raum zu schmal:

Doch fand die Tugend überall

Ein Denkmaal ihrer Seltenheiten:

Denn Seulen, Gräber, Erz und Stein

Die mußten ihnen dienstbar seyn.


Aegypten baute Pyramiden,

Athen hub Seulen in die Höh;

Damit, wenn wo ein Held verschieden,

Sein Bildniß noch vor Augen steh.

Auch Rom entwarf verdiente Männer,

In Erz und Marmor und Porphyr;

Ihr Ruhm ist noch der Münzen Zier,

Und lebt im Urtheil aller Kenner;

Die, was die Ehrfurcht sonst geprägt,

Mit Einsicht zu erklären pflegt.


So ehrt die Welt erhabne Leute,

Nach mehr als tausend Jahren noch.

Allein womit belohnt man heute

Verdienste, Werth und Tugend doch?

Die treue Feder der Geschichte

Erhebt verdienter Männer Preis:

Und selbst der Musen Lorberreis

Bekrönt sie oft durch Lobgedichte;

So sieht die Nachwelt später Zeit

Das Zeugniß großer Würdigkeit.[222]


O Graf! den Friedrich Augusts Güte

Zum Diener Seines Staats bestimmt;

Und der mit redlichem Gemüthe

Stets Theil an beyder Wohlfahrt nimmt:

Verdienste sieht man Dich erheben,

Kein blindes Glück hat Dich im Schooß:

Des Königs Weisheit macht Dich groß,

Und wird Dir noch ein mehrers geben;

Denn Deine Treue kann allein

Des fernern Wachsthums Bürge seyn.


Ersteigst Du nicht die jähen Stufen

Der sonst so steilen Ehrenbahn?

Die Tugend selbst hat Dich gerufen

Auf ihres Tempels hohen Plan.

Kein fremder Glanz hat Dich bestralet,

Erlauchter Graf, der manchen schmückt:

Was man an Deinem Schild erblickt,

Hat Dein Verdienst hinein gemalet:

Das einst durch das, was Du erstrebt,

Auch Deinen Stamm nach Dir erhebt.


Dein theurer Sohn betritt mit Freuden

Des großen Vaters edle Spur;

Des Pöbels Trägheit zu vermeiden,

Dazu erschuff Ihn die Natur.

Mit Deinen neuverjüngten Kräften

Dient Er bereits, mit Rath und That,

Dem Könige, so wie dem Staat,

Mit ruhmerfüllten Landsgeschäfften:

Und wird dereinst, auf späte Zeit,

Das Nachbild Deiner Trefflichkeit.[223]


Der Höchste laß in hohen Jahren

Dich, theurer Graf! die Freude sehn.

Er schenke Deinen Silberhaaren

Ein unverbrüchlich Wohlergehn!

Es wachse, durch des Himmels Fügen,

Dein festes wohlerworbnes Glück;

Und dieser Tag kehr oft zurück,

In unverwelklichem Vergnügen:

So wird auch Deines Dieners Brust

Ein Aufenthalt der treusten Lust.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 220-224.
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