(Auf das Beylager Herrn Christians, Fürsten zu Schwarzburg, mit einer Prinzeßinn von Anhalt-Bernburg)

[23] (Im 1728 Jahre den 10. November.)


I.f.N.


Auf! schmücke dich mit Lust und Pracht,

Du glückerfülltes Sondershausen!

Wenn anderwärts, bey dick gewölkter Nacht,

Des Trübsals rauhe Stürme brausen.[23]

Dir stralt ein heitres Freudenlicht,

Mit täglich neuem Glanz entgegen,

Und hindert dich, den Flor aufs Angesicht,

Den trüben Trauerboy auf Brust und Arm zu legen.


Prinz Christians erhabne Brust

Empfindet Hymens heiße Triebe,

Entschließet sich zu einer Hochzeitlust,

Und folgt den Brüdern in der Liebe.

In Anhalt brennt der Angelstern,

Der sein entzücktes Auge leitet:

Von diesem Stral ist Schwarzburg nicht zu fern,

Da sich sein holder Glanz wohl weiter ausgebreitet.


So krönt der Eintracht wahrer Preis

Das Fürstenkleeblatt dreyer Brüder!

Was sonst ein Land nicht leicht zu rühmen weis,

Sieht Sondershausen täglich wieder.

Quält sonst ein ungezähmter Neid

Die Erben väterlicher Thronen:

Sieht Schwarzburg doch den Sitz der Einigkeit,

Wo seines Oberhaupts durchlauchte Brüder wohnen.


Seht! Amor selber leitet sie

Nicht in verschiedne Fürstenhäuser:

Er selber knüpft das Band der Eintracht hie,

Durch dreyer Fürsten Myrthenreiser.

Gepriesnes Anhalt! dich allein

Beglücken solche Prinzeßinnen,

Die an Verstand und Schönheit ungemein,

An seltner Tugend reich, der Prinzen Herz gewinnen.


Wie sonst ein Gärtner Arm und Hand

Am liebsten nach dem Baume strecket,[24]

Wo ihm die Frucht, die er so köstlich fand,

Fast stündlich neue Lust erwecket!

Wie sich des Winzers Lüsternheit

Beständig nach den Reben sehnet,

Zu welchen sonst der Trauben Süßigkeit,

Seit vielen Jahren schon den Leckermund gewöhnet.


Sie blicken beyde ganz verliebt,

Auf ihren Zweig, auf ihre Reben,

Und wissens schon, was der für Aepfel giebt;

Was dieser pflegt für Most zu geben.

Wie bebt ihr Arm! Wie fährt er gleich

Mit Macht nach den gewohnten Aesten;

Und fragt man sie: Was lockt, was reizet euch?

So ist die Antwort da: Hier schmeckt die Frucht am besten.


So, theurer Fürst, Prinz Christian!

So gieng es dir in deinem Lieben;

Du sahst das Glück der beyden Brüder an,

Und bist bey Anhalts Stamm geblieben.

Ganz recht! So darf dein Freudenfest

Der werthen Brüder Lust nicht weichen;

So zeigt das Glück, das Schwarzburg nicht verläßt,

In dreyer Brüder Wohl ein dreyfach Gnadenzeichen.


Geneuß, durchlauchtes Fürstenpaar!

Geneuß des Schicksals süße Blicke:

Nimm deiner Lust bey frohen Stunden wahr,

Und stirb dereinst in vollem Glücke.

Dein Haus und dessen alter Ruhm

Erneure sich in hundert Erben:

So bleibt das Land des Segens Eigenthum,

So wird dein Stamm nicht ehr, als Mond und Sonne sterben.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 23-25.
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