Jubelode auf das dritte Jahrhundert der edlen Buchdruckerkunst, als solches im 1740 Jahre zu Königsberg gefeyert worden

[167] Abstulerat mutlos Latio Germania libros,

Nunc multo plures reddidit ingenio.

Et Quod vix toto quisquam perscriberet anno,

Munere Germano conficit una dies.

Lavr. Válla.[168]


Thuiskon, Mannus und Askan!

Auch du, o Hermann, Schutz der Deinen!

Laßt von der Sterne blauen Bahn,

Wohin der Dank euch hob, mir eure Gunst erscheinen.

Belebt den blöden Dichter hier,

Verleiht ihm Kraft, der Deutschen Zier,

Den Ruhm der alten Zeit der neuen vorzusingen;

Was ihr gepflanzt, genährt, beschützt,

Das deutsche Reich vergißt sich itzt,

Verzagt an seiner Kraft, sich mehr empor zu schwingen.


Man kennt den Muth, womit ihr bald,

Durch die noch wüste Welt gedrungen,

Euch Land gesucht, und Thier und Wald,

Und Fels und Strom gezähmt, ja die Natur bezwungen.

Man ehrt die Faust, die Rom geschwächt:

Nur euch war jenes Joch zu schlecht,

Das alle Völker schon mit feiger Ehrfurcht küßten.

Man weis, wie Varus und August

Die Herrschbegier der stolzen Brust,

Bey der vereinten Macht der deutschen Sieger, büßten.


Jedoch, was soll der große Muth?

Bedarf denn auch der Pindus Waffen?

Kann hier kein minder heißes Blut

Den Musen Trieb und Lust zu hohen Liedern schaffen?

So scheints: allein, ein kühner Flug,

Zum Ruhm der Deutschen, braucht den Zug,

Den du, o Heldenchor, zu Deiner Zeit empfunden.

Der Deutsche ringt nach eigner Schmach:

Drum kämpft ein Dichter Helden nach,

Der sich ein Lob erkühnt, das aus der Welt verschwunden.[169]

Itzt, schlaue Nachbarn, hört mich nicht!

Dieß Lied soll bis zu euch nicht dringen;

Mein höchst gerechtes Klaggedicht

Soll euch nicht neuen Stoff zu Spott und Tadel bringen.

Ihr Alpen, werft den Schall zurück,

Damit kein Wälscher einen Blick

Auf unsers Volkes Schimpf und schnöde Kleinmuth werfe;

Und du, uns noch getreuer Rhein,

Laß deine Wirbel rauschend seyn,

Daß Gallien kein Ohr auf unsre Schande schärfe.


Die weite See beraubt das Land,

An allen Küsten und Gestaden,

Ihr Reichthum bleibt ihr unbekannt,

Sie sucht sich nur mit Koth und Steinen zu beladen.

Was achtet sie der Perlen Gut,

Der theuren Schnecken Purpurblut,

Der Muscheln Wunderreich, und Stauden von Corallen?

Dieß alles speyt sie an den Strand,

Und geizt um den unfruchtbarn Sand,

Vergnügt, wenn Berg und Fels in ihre Tiefen fallen.


So, Deutschland! irrt dein Vorwitz sich,

Ganz blind bey eignen Trefflichkeiten:

Ein toller Dünkel reizet dich,

Nach fremder Völker Tracht, und Witz und Kunst zu streiten.

Die Güter, so der Allmacht Hand

Dir überflüßig zugewandt,

In deiner Berge Mark, in Land und Strom geleget;

Was Luft und Teich und Garten beut,

Das ekelt deiner Lüsternheit,

Die nur ein fernes Land mit fremdem Pracht erreget.[170]

So weit die Schranken der Natur

Sich über Erd und Meer erstrecken,

Erblickt man nie die mindste Spur,

Von Thieren, die den Rumpf mit fremden Häuten decken.

Kein Schuppenheer legt Federn an,

Kein Volk in Wäldern hegt den Wahn,

Den reichbehaarten Balg mit Schuppen zu vertauschen.

Kein Löwe wünscht ein Tygerkleid,

Kein Straus begeht die Eitelkeit,

Dem bunten Pfauenschweif den Zierath abzulauschen.


Verführtes Deutschland! du allein

Veränderst täglich die Gestalten;

Die deutsche Tracht schien dir zu klein,

Dem Tagus äffst du nach, mit Mänteln voller Falten.

Du schnittest Wamms und Hosen auf,

Als hätte Titans hoher Lauf

Dein kühles Land so stark, als Granada, entzündet.

Bald schien dir Frankreichs Thorheit schön,

Wo niemand noch den Tag gesehn,

Da nicht der Schneiderwitz ein neu Geschöpf erfindet.


So thöricht sind doch nicht Madrit,

Nicht Stambols Reich, nicht die Sarmaten;

Venedig macht kein Spielwerk mit,

So bunt es in Paris der Stutzerzunft gerathen.

Nur du schämst dich der deutschen Tracht,

Und hast dir eine Kunst erdacht,

Wie Proteus, tausendfach dein Ansehn zu verwandeln.

Auch deutsche Nahrung schmeckt dir nicht;

Du mußt manch ekelhaft Gerücht

Mit lüsternem Geschmack nach fremdem Gaum erhandeln.[171]

Wo pflegt die laute Nachtigall

Des Guckucks Sylben nachzuäffen?

Wo sucht durch ihrer Kehle Schall

Die Lerche das Geplerr des Wachtelvolks zu treffen?

Die Schwalbe singt, die Taube girrt:

Und beyder Ton wird nie verwirrt,

Wenn gleich der Frösche Heer in lauen Sümpfen kröchzet.

Das deutsche Volk vergeht sich nur;

Indem es wider die Natur

Die eigne Mundart haßt, nach fremden Sprachen lechzet.


Kein Wunder, daß die Zunge stockt,

Wie kann sie deutsch und redlich sprechen:

Seit Frankreichs List das Ohr gelockt,

Und alle Welt gelehrt, so Sylb als Eide brechen?

Der Sprache von vermischter Art,

Die damals erst gebohren ward,

Als Deutschland Gallien und Rom gehorchen lehrte;

Dem Bastart alter Barbarey

Legt man der Schönheit Gipfel bey,

Die unsrer Mundart doch mit besserm Recht gehörte.


So reizend hat kein Honigseim

Verzognen Kindern noch geschmecket,

Als uns ein halbverstandner Reim,

Wo aller Witz und Geist in fremden Sylben stecket.

Toscaniens beruffner Dunst,

Der wälschen Töne Zauberkunst,

Die ein geschwollnes Nichts in langen Trillern zerret;

Der niedern Bühne freche Zunft,[172]

Der tollsten Gaukler Unvernunft

Hat aller Alten Kunst den Eingang längst versperret.


Als noch der Barden hartes Lied

Die alten Teutonen vergnügte,

Hat kein Gesang ihr Ohr bemüht,

Der nicht gesundern Witz zum Ruhm der Tugend fügte.

Und hätt uns noch kein Opitz gleich,

An Geist, Geschmack und Einsicht reich,

Zum wahren Helikon die sichre Bahn gewiesen;

So hätten wir, mit besserm Recht,

Ein itzt verächtliches Geschlecht,

Von Sängern alter Zucht, nach Nürnbergs Art, gepriesen.


Auch ihr, ihr Grübler! geht zu weit,

Die nur Athen und Rom geblendet,

Daß ihr die kurze Lebenszeit

Bey fremder Wörter Zier und dunkler Kunst verschwendet.

Ja! forscht der Alten Regeln aus;

Nur lehrt uns nicht in Staub und Graus

Der freyen Geister Kraft, zu eigner Schmach, begraben.

Singt deutsch so edel, als Homer!

Ein Hermann kann euch wohl so sehr,

Als Hektor und Achill, mit hohem Witz begaben.


Singt Gustav Adolphs Glaubenskrieg,

Und blutbespritzte Lorberkronen.

Was gilts! der hier erfochtne Sieg

Wird euch die Arbeit mehr, als Trojens Schutt belohnen.

Laßt uns die Weisen aus Athen

In deutschverfaßten Schriften sehn,

Und lehret unsre Zeit ein attisch Salz im Sprechen.

Bringt uns der Römer Großmuth bey;[173]

So folgt ein ewig Lobgeschrey,

Und eures Namens Ruhm wird Gruft und Zeit nicht schwächen.


Singt eurer Ahnen Fleiß und Witz

Daran kein Volk sie noch bezwungen;

Seit sie durch Pulver und Geschütz

Der donnernden Gewalt des Himmels nachgerungen.

Singt, wie der Minen Wunderkraft,

Durch des Salpeters Eigenschaft,

Dem Aetna und Vesuv an schneller Macht nicht weichet.

Erzählt, was Deutschland sonst erfand,

Wenn es durch forschenden Verstand

Die Wunder der Natur vor fremdem Witz erreichet.


Vor andern singt das Lob der Kunst,

Dadurch die Todten ewig leben;

Die des geneigten Himmels Gunst

Vor allen Völkern, nur der deutschen Welt gegeben.

Erhebt das künstliche Metall,

Dem ein mit Ruß geschwärzter Ball

Die edle Kraft verleiht, die Tugend auszubreiten.

Erhebt die Presse, deren Druck

Verstand und Witz, mit neuem Schmuck

Und reicher Fruchtbarkeit, kann in die Welt begleiten.


Verewigt jener Künstler Preis,

Die Müh und Zeit und Geld nicht reute:

Bis sie ein klugverwandter Fleiß

Mit dieser Wunderkunst und vielem Ruhm erfreute.

Was Guttenberg und Faust erdacht,

Was Schöffer vollends hoch gebracht,[174]

Das macht die Künstler noch bey aller Welt zum Wunder.

Du edles Kleeblatt! würde nur,

Auf der so loberfüllten Spur,

Dein großes Beyspiel noch der trägen Deutschen Zunder!


Wie Weiß, der Orpheus unsrer Zeit,

Eh er die Zauberlaute rühret,

Mit ungemeiner Achtsamkeit

Der Seyten Klänge prüft, und durch die Töne führet;

Er faßt die Wirbel, horcht und stimmt,

Bis er den Mishall nicht vernimmt,

Der anfangs sein Gehör durch falschen Laut verletzet;

Die Rechte läuft durch manchen Gang,

Bis ihm ein fehlerfreyer Klang,

Das zarte Meisterohr mit reinem Ton ergetzet.


So, dünkt mich, seh ich euch, entbrannt,

Ihr ewig werthen Künstler! sitzen,

Und durch den Stahl in kluger Hand

Viel Seiten voller Schrift in glatte Tafeln schnitzen.

Die Müh ist groß, der Vortheil schwach:

Drum sinnt und denkt ihr eifrig nach,

Ihr bessert, putzt, vergleicht und ziert die festen Zeilen.

Bald trennt ihr Wort und Sylben ab;

Zuletzt muß ein gevierter Stab

Aus starrendem Metall metallne Lettern feilen.


Nun folgt ein Stämpel, dessen Schlag

In Kupfer seinen Abdruck leget;

So kömmt die Mutter an den Tag,

Die ihr vertieftes Bley in tausend Söhne präget.

Ein Zeug, aus Eisen, Bley und Zinn,

Läuft durch den schnellen Guß dahin,

Wo sich des Vaters Kraft in schönen Zügen weiset.[175]

So tritt der Lettern Heer ans Licht,

Durch deren Erzt man lauter spricht,

Als uns das Alterthum von Stentors Stimme preiset.


Wie war dir, starrendes Paris,

Du stolze Pflegerinn der Künste,

Als Faust dich Bibeln kaufen ließ,

An Schönheit wunderbar, mit mäßigem Gewinnste?

Die Gleichheit machte dich verwirrt:

Kein Punct ist falsch, kein Buchstab irrt;

Und ein so leichter Preis kann solch ein Werk bezahlen!

Wie geht es zu? Wer schreibt so schön?

Ein Zaubrer scheint ihm beyzustehn:

Unmöglich kann ein Mensch so gleich, so schleunig malen!


So dachtest du, betrogne Stadt;

Doch List und Argwohn ward beschämet.

Die Kunst, die Maynz erfunden hat,

Hat Deutschlands Witz gezeigt, und deinen Stolz gelähmet.

Nun geh, und forsch, o eitles Land!

Was deines Volkes Fleiß erkannt,

Und komm, die seltne Kunst mit unsrer zu vergleichen.

Umsonst! der Seidenweber Fleiß,

Der Orgeln Bau, dein ganzer Preis,

Wird nimmermehr das Lob der Druckerkunst erreichen.


Ihr Deutschen! folgt dem Beyspiel nach,

Euch lockt der Ahnen Fleiß und Glücke:

Erweist, zu eurer Lästrer Schmach,

Daß Witz und Einfall noch die Allemannen schmücke.

Nur kühn gewagt! wer zaghaft bebt,[176]

Hat nie was Treffliches erstrebt:

Beherzter Streiter Haupt erlangt nur Siegeskronen.

Wo nicht, so putzt der Alten Kunst,

Auch dieß erwirbt so Ruhm als Gunst,

Und wird den Fleiß weit mehr, als fremde Thorheit lohnen.


Wie ist mir? sing ich tauber Luft?

Will mich Germanien nicht hören?

Kann nichts, womit man Träge ruft,

Die lang gewohnte Ruh des faulen Schlummers stören?

Auf! edles Preußen! schönes Land!

Auf! mache du der Welt bekannt,

Daß wahres deutsches Blut in deinen Adern walle;

Daß dir der Deutschen Eigenthum

Weit mehr, als fremder Völker Ruhm,

Dein eignes Vaterland mehr, als die Welt, gefalle.


Du hast auch Grund! Natur und Zeit,

Und Glück und Kunst hat dich erhoben;

Daß deinen Werth schon weit und breit,

So weit Europa reicht, entlegne Völker loben.

Des Himmels Vorsicht ist dir hold,

Und läßt der Zeiten altes Gold,

Durch Friedrichs Weisheit, dir erwünscht zurücke kehren.

Was sonst dein erster König war,

Stellt itzt sein Enkel zwiefach dar,

Und dieses Glück soll dir auf späte Zeiten währen.


Er liebt den treuen Unterthan,

Und haßt nicht seiner Länder Freude:

Dem Handel schafft Er freye Bahn,

Schützt Pallas und Apoll, und kennt und liebt sie beyde.

Auch selbst im Strafen zeigt Er Huld,[177]

Kann zitternder Verbrecher Schuld,

Mit Großmuth übersehn und Feind und Neid besiegen.

O König! Wem vergleicht man Dich?

Wo hat ein Prinz so königlich,

Als Du bereits gethan, den neuen Thron bestiegen?


O Vaterland! wie dringt dein Heil

Mir jetzt durch Sinnen und Geäder!

Mein Herz nimmt selbst an allem Theil,

Drum stockt vor reger Lust auch Einfall, Hand und Feder.

Was sag ich viel? Dein Wohlseyn steigt,

Da sich dieß Glücksgestirn gezeigt,

Das seinen holden Stral schon Land und Stadt gewiesen.

Sein Einfluß wirkt mit schneller Kraft:

Ist hier das Schweigen fehlerhaft;

So wird doch, was Er thut, noch viel zu schwach gepriesen.


Genug, erfreute Pregelstadt!

Laß deine Musen besser singen,

Und durch ein unzerstörlich Blatt,

Dem deutschen Antonin ein würdig Opfer bringen.

O lebte Pietsch, dein Maro, noch!

Wie froh würd seine Clio doch

Das Wachsthum deines Glücks durch hohe Lieder ehren:

Vorjetzt laß nur mit froher Brust,

Auch außer Deutschland, deine Lust,

Von der erfundnen Kunst der Druckerpressen hören.


Dein Reußner selbst kann jetzt zugleich,

Ein hundertjährig Fest begehen,[178]

Seit sein Geschlecht das Musenreich

Bemüht und eifrig war durchs Drucken zu erhöhen.

Freund! der Du Gott und Menschen dienst,

Und selbst an Kunst und Wissen grünst,

Nach alter Drucker Art, die selbst den Pindus kannten;

Blüh stets auf Kind und Kindes Kind!

Bis einst die Wesen Menschen sind,

Die unsre Tage nur die späte Nachwelt nannten.


Auf! eifre Sachsens Künstlern nach,

Die sich der Barbarey entrissen;

In deren Joch, der Zeit zur Schmach,

Die edle Kunst sich jüngst verächtlich schmiegen müssen.

Sieh unsers Breitkopfs Schriften an;

Der öffnete zuerst die Bahn,

Und trotzet itzt bereits der Elzevirer Pressen.

O folg ihm nach! so wird die Welt,

Die einst auf schöne Bücher hält,

So wenig Dich, als Ihn, aus Dankbarkeit vergessen.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 167-179.
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