Weihnachtsgedicht, an der Frau Gräfinn von Bentinck, gebohrnen Reichsgräfinn von Aldenburg Excellenz

[247] Wo glänzt ein Weibsbild in Geschichten,

So blendend als Semiramis?

Die zwar den Sohn, das Volk zu richten,

Doch Feinden nur zum Spotte ließ.

Ein Zweig, aus Jessens Stamm entsprossen,

Beschämt hier Babels Stifterinn:

Sein Reis erwirbt sich Reichsgenossen,

Und stürzt der Höllen Schaaren hin.


Mandane macht der Perser Waffen,

Durch ihren Cyrus fürchterlich:

So wird ein neues Reich geschaffen,

Vor dem das stolze Babel wich.[248]

Vom Indus bis zum Mittelmeere,

Stund dieses Siegers Thron erhöht.

Wie klein wird seiner Herrschaft Ehre,

Bey deinem Glanz, o Nazareth!


Dianens Tempel steht in Flammen,

Olympias gebiehrt den Sohn,

Von dem der Griechen Ruhm soll stammen;

Wie aller Asiater Hohn.

Doch, Pella! sey nicht zu verwegen!

Du zwingst die Welt mit bloßer Macht:

Dem trägt man Gold und Herz entgegen,

Den Bethlehem ans Licht gebracht.


Zum großen Rom den Grund zu legen,

War dort der Rhea Sohn bestimmt:

Doch Wuth und Mord leiht ihm den Degen;

Da er auf Bruderblut ergrimmt.

Rom hat der Völker Fall geschworen:

Es ruht nicht, bis es alles hat.

Hier wird ein Friedensfürst gebohren:

Sein weites Reich ist Gottes Stadt.


Du, großer Karl, bezwingst durch Kriege

Der Sachsen nie besiegtes Land.

Dein Eifer nennt es Glaubenssiege:

Der Christen Gott bleibt unbekannt.

Bekehre nur mit Mord und Rauben!

Im Herzen haßt dich Wittekind.

Immanuel pflanzt hier den Glauben,

Wenn Er Herodens Wuth entrinnt.[249]

Du Zweig aus Wittekinds Geschlechte,

Aspasia, an Geist und Witz!

Hier ehrt Dich einer Deiner Knechte,

So wie der Meißner Musensitz.

Bloß Deine Gnade zu gewinnen,

Ahmt er der Seyne Liedern nach.

O schütz auch Deutschlands Pierinnen,

Denn sonder Dich sind sie zu schwach.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 247-250.
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