Auf Sr. Hochgebohrnen Excellenz, des Reichsgrafen und Cabinets-Ministers, Herrn Grafen von Manteufel glückliche Ankunft in Leipzig

[309] 1738.


Nil dulcius est, bene quam munita tenere

Edita Doctrina Sapientum Templa serena,

Despicere unde queas alios, passimque videre

Errare, atque Viam palantes quærere Vitæ.

Lucret.


Aria.


Erlauchtes Haupt, sey uns willkommen!

Willkommen gnädigster Mäcen!

Du Gönner der Vernunft und Wahrheit,

Du Schrecken frecher Unvernunft!

Dich nennt der Philosophen Zunft

Ihr Schutzgestirn, voll Licht und Klarheit,

Und kann Dich nie genug erhöhn.

Erlauchtes Haupt, sey uns willkommen!

Willkommen gnädigster Mäcen!


Wie glücklich ist der Tag,

Daran wir Dich, gepriesner Mäcenat!

In unsrer Philuris erblicken,

Die längst nach Dir geseufzet hat.

Sie sieht noch mit Entzücken

Zurück, auf die vergangne Zeit,

Da Du mit Witz und Munterkeit[310]

In ihrer Musen Zahl gesessen,

Die oft, bey Deiner Seyten Ton,

Sich selbst, wie Kastalis den eignen Lauf, vergessen.

Sie schmäuchelt sich und jeder freyen Kunst,

Noch allezeit mit Deiner Hohen Gunst.

Und half Dein Arm bishero schon

Das Ruder großer Staaten lenken:

So war doch Deines Geistes Kraft

Dadurch unmöglich einzuschränken.

Er gönnte stets der armen Wissenschaft

Ein unverrücktes Angedenken.


Aria.


Steh uns bey mit Deiner Huld,

Heldengeist von seltner Stärke!

Denn man drückt uns sonder Schuld.

Fahre fort!

Störe durch Dein mächtig Wort,

Durch der Feder Meisterstücke,

Aller unsrer Lästrer Tücke,

Der Verfolger schnöde Werke,

Daß man unser Wachsthum merke.

Steh uns bey mit Deiner Huld.

Heldengeist von seltner Stärke:

Denn man drückt uns sonder Schuld.


So seufzt das Chor der Wahrheit-Freunde,

Erlauchter Graf! und nennet Dich sein Haupt.

Wird dieses ihm von Dir erlaubt:

So lacht es aller Feinde.

Es mache nur die blinde Barbarey,

Die stets im Finstern pflegt zu schleichen,

Ein noch so kläglich Angstgeschrey:

Das Licht der Wahrheit wird nicht weichen.[311]

Die Weisheit schwingt ihr stolzes Siegeszeichen,

Durch Deinen weisen Arm empor.


Arioso.


Und Klio selbst, die Heroldinn der Helden,

Wird der, von Dir geschätzten Weisheit Flor

Den spätsten Enkeln melden.


Aria.


Erscheinet doch endlich, ihr güldenen Zeiten!

Da Weisheit und Tugend die Menschen regiert.

Verhängniß! erhalte den deutschen Mäcen.

Den Wissenschaft, Einsicht und Gnade begleiten;

Hilf selber die Waffen der Thorheit bestreiten,

Und Gründlichkeit, Ordnung und Wahrheit erhöhn.

O! wohl dem, der dieses in kurzem verspürt!

Erscheinet doch endlich, ihr güldenen Zeiten!

Da Weisheit und Tugend die Menschen regiert.


Si occupati profuimus aliquid civibus nostris, prosimus etiam, si possumus, otiosi.

Cicero Tusc. Quæst.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 309-312.
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