Auf den Geburtstag seiner verlobten Braut, Jungfer L.A.V. Kulmus

[307] Den 11ten April 1735.


Fidamor.


Schönster Tag von allen Tagen,

Brichst du endlich doch herein!

Endigt dein erwünschter Schein

Alle Plagen,

Die ich bis daher ertragen?

Soll ich endlich glücklich seyn?

Schönster Tag etc.


Ein Schäfer.


So jauchzte jüngst der frohe Fidamor,

Als seiner Schönen Fest erschienen.

Er war bemüht, sie eifrigst zu bedienen:

Drum lud er mit vergnügter Bitte,

Ein edles Schäferchor,

In Damons, seines Freundes, Hütte.[307]

Kommt! sprach er, denn die edle Schäferinn,

Die sich mein Herz zu lieben auserkohren,

Begeht den Tag, der sie gebohren.

Die Schöne selbst, die durch den klugen Sinn

Minerven oft den Vorzug streitig machte,

Der Witz und Geist aus allen Blicken lachte,

War auch dabey; und nach besiegtem Leiden,

Ganz voller Freuden:

Weil der, den sie entfernt geliebt,

Sie nicht durch Wankelmuth betrübt.


Die Schäfer.


Edle Seelen lieben treu.

Ihre Glut brennt, wie die Sterne,

In der Ferne

Immer hell und immer neu.

Neider, Feinde, Lästerungen

Haben sie noch nie bezwungen:

Denn es bleibet wohl dabey,

Edle Seelen lieben treu.


Ein Schäfer.


Von diesen Tönen klang der Wald,

So sungen die erfreuten Hirten;

So rühmten sie den Schäfer Fidamor,

Der sie nur suchte zu bewirthen.

Jedoch alsbald

Vernahm man auch das Chor

Der holden Schäferinnen:

Das war bemüht, den Preis verliebter Treue

Für die Gespielinn zu gewinnen.[308]

Seht! unsre Schwester, sprachen sie,

Brennt gleichfalls von so treuen Flammen:

Wer kann denn ihre Glut verdammen?


Die Schäferinnen.


Phyllis liebt nach edler Art,

Phyllis, unsrer Nymphen Zierde,

Denn ihr Herz blieb treu und zart.

Selbst die Großmuth nährt die Triebe

Ihrer oft bestürmten Liebe.

Da die sehnlichste Begierde

Nun so lieblich eingetroffen;

Labt sie billig, nach dem Hoffen,

Des Geliebten Gegenwart.

Phyllis liebt etc.


Ein Schäfer.


Als Fidamor nun deutlich sah,

Daß heimlich schon so mancher Wunsch geschah,

Das Fest der Phyllis zu verehren:

So hub er selbst den frohen Glückwunsch an;

Und jedermann

Ließ sich nebst ihm mit Freuden hören:


Alle.


Lebe sehr lange, du Zierde der Schönen!

Liebe doch ewig den, der dich verehrt!

Himmel! dafern uns dein Schicksal erhört,

Laß sie das Alter mit Silber bekrönen,

Eh es ihr Neigung und Zärtlichkeit stört.

Lebe recht lange, du Zierde etc.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 307-309.
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