Das I Hauptstück.
Von den deutschen Buchstaben, und ihrem Laute.

[67] 1 §.


Die Deutschen haben itzt alle die Buchstaben, die von den Lateinern, theils in ihren eigenen Wörtern, theils in denen, die sie aus dem Griechischen angenommen hatten, gebrauchet worden sind. Denn obgleich Ulfila, der gothische Bischof, im IV Jahrhunderte, bey Übersetzung der IV Evangelisten, seinem Volke zu gut, eigene gothische Buchstaben erfunden1 hat; ob wohl die alten Marcomannen auch ihre eigenen Buchstaben2; ja auch die Angelsachsen ihr sächsisches3, so wie die alten Schweden und Isländer ihr runisches Alphabeth gehabt4; welche man die ursprünglichen Buchstaben der Deutschen nennen könnte5: so haben doch, vermöge der Ausbreitung des Christenthums, die lateinischen endlich die Oberhand behalten; und allmählich durch die Mönchschrift, eine neue Forme und Gestalt bekommen6. Zwar bey Erfindung der Buchdruckerey wurde noch das Deutsche und Latein mit einerley Art der Buchstaben gedrucket. Allmählich aber sonderte man die eine runde Art derselben, ganz zum Lateinischen aus: die Fractur aber, oder die gebrochene und eckigte Schrift, blieb der deutschen Sprache eigen7.[67]

2 §. Die Holländer und Engländer, als ursprüngliche Deutschen, hatten8 anfänglich einerley Schrift mit uns; nachdem diese letztern die alte angelsächsische hatten fahren lassen. Allein, da sie seit Wilhelms des Eroberers Zeiten, so eine Menge lateinischer und französischer Wörter in ihre Sprachen aufnahmen, welche sie allgemach mit dem runden lateinischen Charakter schrieben und druckten: so ward ihre Schrift so buntscheckigt, daß sie sich dieses Mischmasches bald zu schämen anfiengen. An statt aber, daß sie, nach dem Exempel der alten Griechen und Lateiner, die fremden Wörter mit ihren eigenen, d.i. deutschen Buchstaben hätten schreiben sollen: so nahmen sie am Ende des vorigen Jahrhunderts, zu ihren ursprünglich deutschen Wörtern, durchgehends die lateinische Schrift. Einige haben gemeynet, daß wir Hochdeutschen das auch thun sollten: allein, sie haben aus vielen Ursachen kein Gehör gefunden9. Wir bleiben also lieber mit den Dänen und Schweden bey unserer deutschen Schrift.[69]

3 §. Diese sieht nun, wie bekannt ist, so aus: die ersten Figuren werden im Anfange, die andern in der Mitte gebrauchet.


Aa, Bb, Cc, Dd, Ee, Ff, Gg, Hh, Ii, j, Kk, Ll,

be, ce, de, – eff, ge. ha, – jod, ka, ell,

Mm, Nn, Oo, Pp, Qq, Rr, Ss, Tt, Uu, Vv,

emm, enn, – pe, ku, err, eß, te, – vau,

Ww, Xx, Yy, Zz10.

we, icks, zett.


Man lese aber auch folgende Erläuterungen:


A a, klingt wie das lateinische, italienische und französische a, nicht aber wie das engländische. Es hat bald einen langen Laut, wie in laben, bald einen scharfen, wie in raffen.

B b, be, wie das lat. B, weicher, als p, und harter als w. Bauer, Baum, muß nicht so hart, wie Pauer, Paum, auch nicht so gelinde, wie Wauer, Waum, klingen.[70]

C c, ce, ist eigentlich ein bloß lateinischer Buchstab, und klingt vor e, i, ö und y wie z: Cepheus wie Zepheus, Cicero wie Zizero, Cölius wie Zölius, Cypern wie Zypern; vor a, o und u aber wie k: Calender, College, Culm, wie Kalender, Kollege, Kulm. Die Angelsachsen hatten diesem c bey sich den völligen Klang der alten Lateiner gelassen, und brauchten es allemal für k, welches ihnen unbekannt war. Z.E. Coning, für König. Wir behalten es billig in lateinischen Namen und Wörtern, die noch kein deutsches Ansehen gewonnen haben: als Cajus, Cäsar, Cicero, Cotta, Curtius.

D d, de, wie das lat. D, und viel weicher, als T, fast wie TH: daher auch in vielen Wörtern, die von den Alten, und heutigen Engländern mit TH geschrieben werden, heutiges Tages ein D steht: als THER, THIU, THAZ, THING, THIOB, THEGAN, THEOTISC; Der, die, das, Ding, Dieb, Degen, Deutsch etc. Aus dem alten Döringen haben wir Thüringen, aus DOMUS, Thum gemachet.

E e, wie das lateinische, italienische und französische E; nicht aber nach Art der Engländer, die es als ein i aussprechen: auch nicht wie ei oder i, wie es einige Bauern fälschlich hören lassen, wenn sie z.E. sagen: gey mir dahin, für geh mir; oder gihen für gehen. Es hat aber gleichwohl vielerley Klang; 1) einen zarten, wie in stehen, See, Weh, mehr; 2) einen völlern, wie in Besen, lesen, Wesen, her, der, fast wie ein ä; 3) einen scharfen, oder kurzen Ton, wie in denn, weg, brechen, nennen, zerren.

Ff, ef, wie das lateinische, italienische und französische f, d.i. viel schärfer, als das w, und ausländische v. Fassen, nicht wie Wassen; wie einige Landschaften sprechen. Das deutsche v klingt ihm gleich.

G g, ge, wie das lateinische G, oder italienische GHE und französische GUE. Gehen, nicht wie kehen, aber auch nicht jehen; nämlich viel gelinder, als ein k, und härter, als ein j: wie manche es fälschlich in legen, hergegen[71] hören lassen. Gar, nicht wie kar, auch nicht wie Jahr; Gott, nicht wie Jott; gut, nicht wie jut, oder kut.

H h, ha, ein deutlicher Hauch, wie das lateinische H: doch weit gelinder, als ch, welches viel rauher aus der Gurgel fährt: ziehen, nicht wie ziechen11. In der Mitte, nach einem Selbstlauter, und vor einem Mitlauter, wird es bisweilen nicht gehöret, als in fahren, mehr, Mohr, Uhr, etc.

I i, wie das lateinische I: doch ist es auch theils lang, wie in Thier, Liebe, niemand, Biber, Bibel; theils kurz, wie in Sinn, hin, bin, wirken etc. Es wird aber auch als ein Mitlauter gebrauchet, als

j, jod, wie das hebräische jod in Josua, Jojada, Jehu etc. Und dieses ist viel gelinder, als g und k. Sie steigen stufenweise, Jahr, Gabe, Kahn; nicht Gahr, Jabe, Gahn: wie einige fälschlich reden.

K k, ka, ist das griechische Kappa, an dessen Stelle die Lateiner das C gebrauchet haben. Es muß aus dem hintersten Gaume gestoßen werden, damit es schärfer laute, als das j und g; jähnen, gönnen, können; Gaum, Kaum.

L l, ell, wie das lateinische, italienische und französische L, oder das polnische einfache L, lachen, leben, lieben, loben, Luft.

M m, emm, wie das M der Lateiner und Ausländer; nur nicht wie die Franzosen es am Ende der Syllben sprechen. Mann, mein, Mond, Mund.

N n, enn, gleichfalls wie das N der Lateiner, aber nicht der Franzosen ihres, die es am Ende der Syllben, in AN, ON, etc. ANG, ONG, wie NG aussprechen; ausgenommen,[72] wann wirklich ein g oder k darauf folget: als hangen, kranken, mengen, bringen, Zungen.

O o, wie das lateinische und italienische o, oder das französische AU: doch ist es auch bald lang, wie in schon, loben, Ofen; bald kurz, wie in von, Post, Kost. Nur hüte man sich, daß man nicht, wie einige, das lange o in au, und das kurze in u verwandle, wenn sie sprechen: der Taud, für Tod: Saun, für Sohn; oder die Pust, anstatt Post.

P p, pe, wie das lateinische, italienische und französische P, d.i. mit viel schärfer geschlossenen Lippen, als das b. Es steigt stufenweise, die Wahrheit, ich fahre, die Bahre, das Paradies.

Q q, ku, wie ein k. Dieser Buchstab ist schon im gothischen, und in allen nordischen Sprachen: daher ihn einige ganz unrecht aus dem Deutschen verbannen wollen. Es folget aber allemal ein u und kein v darauf, und dann klingt es wie Kw, als Qual.

R r, err, wie das R der Lateiner und Ausländer: es wird aber nicht in der Gurgel, sondern mit einer zitternden Zungenspitze ausgesprochen, Rabe, Rebe, Ribbe, Rübe.

S s, , wie ein gelindes Zischen, nicht wie ein sch, obgleich einige Landschaften sprechen ischt für ist. Dieses geschieht nun zwar in Meißen nicht, wenn ein Selbstlauter vorhergeht: aber wenn es im Anfange der Syllbe steht, und die Mitlauter t, p, k, oder c darauf folgen, so spricht man spalten, spielen, Spulen, stehen, sterben, sprechen, Sclaven, Scapular, wie schpalten, schpielen, schprechen, schtehen, schterben, Schclaven, Schcapular u.s.w. Es wäre denn, daß diese Verdoppelung mitten im Worte, oder vor der letzten Syllbe vorkäme: z.E. in Gäste, Haspel, Vesper, Lispeln, Wispel, befestigen, Masken, Pascal: wo das s, als zur ersten Syllbe gehörig gesprochen wird. In dem Worte Gespenster, wird das erste sp,[73] wie schp, das st aber, wie ein zartes s, ohne ch gesprochen. In Gestirn, Bestand, ist es ganz anders; es lautet wie Geschtirn, Beschtand.

T t, te, wie das lateinische, italienische und französische T, d.i. viel härter als das d. David, Dom, dumm, muß viel gelinder lauten, als Tafel, Ton, Turnier.

U u, wie das lateinische und italienische U, oder wie das französische OU. Auch dieser Selbstlaut ist bisweilen lang und gezogen; wie in Blut, Gut, Muth, thun, ruhen; bisweilen kurz, wie in Lust, Mund, Schurz, husten. Hier fehlen auch diejenigen, die das kurze u wie o aussprechen: z.E. Butter wie Botter. Sonst wird es auch ein Mitlauter, und wird geschrieben

V v, vau, und klingt fast so scharf wie ein f; als Vater wie Fater, von wie fon. Die Alten haben zwar diese beyden Figuren in der Aussprache nicht unterschieden. Sie schrieben z.E. vnnd, dauon, für und, davon. Die heutige Art ist aber besser: weil jeder Figur ihr Recht wiederfährt. Die nordischen Völker, als Dänen, Schweden, Norweger und Isländer, sprechen es so gelinde, wie die Griechen ihr υ in ἐυαγγελιον, EVERGETA, und wie wir selbst die fremden Wörter Vasall, Valet, Venedig, Violine, aussprechen; d.i. wie w. S. unten die Ausführung vom y.

W w, wee, lautet wie das lateinische, italienische und französische V, das ist, noch viel gelinder, als b und f, und als das deutsche v: z.E. Wolle, nicht volle12.[74]

X x, icks, ist eigentlich ein griechischer Buchstab: den die Gothen nicht angenommen, sondern dafür das ks gebrauchet. Aber da ihn die Lateiner auch angenommen hatten: so können wir ihn, wenigstens der ausländischen Wörter wegen, nicht entbehren. Denn wenn wir ihn gleich bisweilen mit chs ersetzen können, wie in Achse, AXIS, Luchs, von LYNX, sechs, SEX, u.a.m. zu geschehen pflegt: so können wir ihn doch in den Namen der Griechen, Xanthus, Xerxes, Anaxagoras, Praxiteles, u.s.w. nicht entbehren. Ja wir haben deutsche Wörter, als Hexe, Kuxe, und einige andere mehr, die das X behalten: wiewohl jenes nach der Ableitung von Hug, Haug, welches in den nordischen Sprachen noch klug, weise, heißt; eigentlich eine Hägse oder Häckse heißen sollte. Doch die Gewohnheit behält hier eben sowohl Platz, als sie im Lateine und im Griechischen, bisweilen auch wider die Etymologie, gegolten hat.

Y y, Ji oder ij, ist wiederum, wie einige Sprachlehrer glauben, griechischer Ankunft: und wenn dem also ist; so können wir es so wenig entbehren, als die Lateiner, die es um der griechischen Wörter halben, beybehalten haben: als in Lysander, Lykurgus, Pythagoras, u.d.gl.


Weitere Erklärung und Vertheidigung des deutschen Y.

[75] Allein wenn wir etwas genauer in unser Alterthum gehen: so finden wir, daß schon Ottfried in der Vorrede zu seinen Evangelien gedenket: daß er sich dieses Buchstabs zuerst bedienet habe, einen ganz andern deutschen Ton auszudrucken. Er schreibt: INTERDUM VERO, UBI NEC a, NEC e, NEC i, NEC u, VOCALIUM, NB. SONOS PRÆCAUERE POTUI, IBI y GRÆCUM MIHI VIDEBATUR ADSCRIBI. ET ETIAM HOC ELEMENTUM LINGUA HÆC HORRESCIT INTERDUM, NULLI SE CHARACTERI, ALIQUOTIES IN QUODAM SONO, NISI DIFFICILE JUNGENS. Wollen wir nun richtig urtheilen, so müssen wir unser y gar nicht für ein griechisches Υ υ ausgeben, sondern es für einen ursprünglich deutschen Buchstab halten, der seinen eigenen Laut hat. Was das nun für einer sey, können uns theils die alten Gothen im Evangelio des Ulfila, theils unsere altfränkischen deutschen Handschriften, theils unsere Nachbarn, die Holländer und Engländer, lehren.

Die Gothen schrieben die meisten Wörter, die wir itzo mit y schreiben, mit einem gedoppelten i, so daß das letzte ein j war. Z.E. Freyen, oder Lieben, hieß bey ihnen Frijan; wie man noch plattdeutsch spricht: sijuth, seyd, Fijand, Feind. Was ist also ein y? Es ist ein verdoppelt i, oder ein ij; eine Art eines Diphthongs oder Doppellauts: so wie auch, nach dem obigen, das deutsche w ein u und v zugleich ist. Daher spricht nun, nicht nur Holland und England, das y wie ein ei aus; sondern selbst in Schwaben lehret man die Schulknaben, x, ey, zett, sagen. Ja zuweilen bekömmt es gar die Kraft eines bloßen j, wie in YOUNG, YOKE, YEAR, u.d.gl. anzuzeigen, daß es aus einem j mit entstanden ist: wie es denn auch bey uns, in Bayern, aus den Bojis, Bajoaria, entstanden ist. Wir müssen also diesen eigentlich deutschen Buchstab nicht wegwerfen, auch ihn nicht für ein υ ansehen; sondern ihn für ein ij halten: wie in den meisten Leseschulen die alten Lehrmeister ihn zu nennen pflegen.

Und selbst die Art, wie man diesen Buchstab in alten Handschriften geschrieben findet, und wornach der erste Druck sich auch gerichtet hat, zeiget diesen Ursprung zur Genüge. Denn er besteht ausdrücklich aus einem kurzen i, und langen j; welches nur ein wenig umgebogen ist. Eben dieses bestätigen die beyden Puncte, die von den Schreibmeistern, seit undenklichen Jahren, über das deutsche y gemachet worden, ja welche man auch in alten gedruckten Büchern findet. Und was wollen die Franzosen sonst damit sagen, wenn sie in der neuern Orthographie, anstatt des ausgelassenen Y, in FUYONS, ROYALES, u.d. ein[76] doppelt punctirtes i zu schreiben lehren, FUÏONS, ROÏALES; als daß ein Y ein doppeltes I sey?

Wir schreiben es also ferner billig, theils zum Unterschiede vieler Wörter, als z.E. freuen, von freyen; meinen, von meynen, (PUTARE) u.d.gl. theils zum Schlusse in der Syllbe ey, als z.E. Ey, bey, zwey, drey, allerley; wo auch der Holl- und der Engländer allemal y schreibt, wenn er diesen Ton aussprechen will; theils in allen, die davon herstammen, auch in der Mitte. Die Zesianer haben nur ihre Unwissenheit verrathen, wenn sie ihn im Deutschen, als einen Fremdling, haben abschaffen wollen.

Das griechische υ könnte auch bey uns weit besser durch ein Ü ausgedrücket werden. Denn wie dem η, als e CRASSO, das ε ψιλον, oder e TENUE entgegen gesetzet wird; also wird auch dem Das I Hauptstück, oder ου CRASSO, ein υ ψιλον, oder TENUE entgegen gestellet. Daher haben die alten Lateiner aus dem αυ und ευ, nicht AI, und EI, sondern AU und EU, oder EV gemachet, wie aus AULA, AULETES, EVERGETA, EUCHARISTIA, und EVANGELIUM erhellet. Eben das bezeugen die Wörter Φυγη, κυβος, τυμβη, ὑς, μυς, κυμινον, κυρια, κυριος, κυρητες, u.d.m. daraus FUGA, CUBUS, TUMBA, SUS, MUS, CUMINUM, CURIA, CURIUS, CURETES geworden.

Nach eben der Art haben die alten Gothen ihr Y niemals als i, sondern immer, als ein gelindes ν, gebrauchet: z.E. in dem Geschlechtregister Christi, wird Levi so geschrieben LEYYI. Wie wir also aus πυξις, eine Büchse, aus κυσαι, küssen, aus κυμινον, Kümmel, aus κυκκυκ, Kuckuck, aus ρυτωρ, ein Reuter, aus κυρετες, Kürisser, oder Kürassirer, aus θυρα, Thüre, aus θυγατηρ, Tochter, aus πυρ, Feuer, plattd. Für, von ὑπερ, über, von τυκτον, die Tücke, und aus ÆS CYPRIUM, Kupfer, gemachet haben: ja wie die Σκυθαι, nichts anders als Schützen, oder Scythen geheißen und gewesen: so sollten wir billig überall, wo ein griechisches υ vorkömmt, ein Ü brauchen. Z.E. von κυριακη, Kürche, wie von θυρα, Thüre u.d.gl.

Wenn man das aber, aus Nachsicht gegen die eingeführte Gewohnheit, ja nicht überall thun will; sondern unser deutsches y gleichsam dazu herleihet, die Stelle des Y zu vertreten; so muß man doch daraus keinen Beweis ziehen wollen, daß selbiges nichts anders, als ein Y sey; sondern ihm in deutschen Wörtern die Kraft eines doppelten i, oder ij, welches in einigen Landschaften wohl gar als ei klinget, ja als ein j gebrauchet wird, ungekränket lassen. Siehe den Bonaventura Vulcanius in s. Tractate: DE LITTERIS & LINGUA GETARUM, SIVE GOTHORUM, p. 2, 3, 4.

Weil dieß Büchlein aber sehr selten ist, so will ich einen Theil seiner Worte hieher setzen. Er handelt auf der 2, 3. u. 4. S. DE VERA PRONUNCIATIONE[77] Y ET H folgender Gestalt. YPSILON IN OMNIBUS LINGUIS, NON i, SED u TENUE EST, QUOD PARVUM ET GALLICUM VOCANT, AD DISTANTIAM u GERMANICI, QUOD EBRÆI vau, GRÆCI ου VEL Das I Hauptstück VOCANT. SIC ENIM AD DIFFERENTIAM ω μεγαλον, ο μικρον, , DICUNT; ET AD DIFFERENTIAM ητα, QUOD e CRASSUM EST, ε ψιλον, I.E. TENUE. SOLI LATINI HIC CETERIS GENTIBUS SUNT INFELICIORES, UT QUI UTRAQUE SIMILITER SIGNANT. NON QUOD IN PRONUNTIANDO NON SERVARINT DISCRIMEN, SED SCRIBENDO. ANNOTAVIT ENIM Diomedes, LATINOS ETIAM TUNC TEMPORIS ALITER PRONUNCIASSE O LONGUM, QUAM o BREVE. IDEM DE u PARVO ET V MAGNO CENSENDUM. OMNINO ENIM ALITER PRONUNTIABANT salutem, QUAM CUTEM, QUUM NUNC NIHIL INTERSIT. QUOD AUTEM VULGO DICITUR: LATINI y NON HABENT: SCIENDUM, QUOD LITTERAM QUEDEM NON HABENT, SED SONUM NIHILOMINUS HABENT, SED CUM NON SIGNANT PECULIARI NOTA, HOC barbari sunt, ET MAGNAM IN PRONUNTIATIONE CORRUPTELAM PEPERERUNT, QUAM Germani quoque imitantur. IAM ENIM EO DEVENTUM EST, UT NUSQUAM GENTIUM y DICATUR u: SED η NON e, SED I. QUO FIT, UT LATINIS ET TEUTONIBUS DESINT LITTERÆ, QUIBUS u PARVUM ET e LONGUM A PARVO ET LONGO DISTINGUANT. (Mit des Verf. Erlaubniß, so ist das ü unser kleines u; und unser langes e, theils das ee, theils das ä).

AT GETHÆ HIC FELICISSIMI SUNT, UT ET IN DIPHTHONGIS. NAM GRÆCIS ET LATINIS DIPHTHONGI QUOQUE, PRÆTER au & eu, OMNES VITIATÆ SUNT; QUUM αι SONET e, οι, ει, η, SONENT i. SED BARBARI OMNES HIC VALENT: Soli Latini, qui ceteros præ se barbaros jaetant, barbarissimi sunt. INVALUIT TAMEN USQUE ADEO ERROR, UT OMNES SCHOLÆ GRÆCANICÆ & LATINÆ Y, I DICANT, NON u; ητα NON ε, SED i. (NB. Dieß gilt nur von Oberdeutschland: in Preußen, Niedersachsen, Holland, England und Frankreich, wo die erasmische Aussprache im Schwange geht, spricht man das Griechische recht: ja selbst in Obersachsen, und in Italien haben gelehrte Männer den Vorzug dieser Aussprache schon eingesehen, und in Schriften vertheidiget.)

QUUM AUTEM VESTER CODEX (SCIL. ARGENTEUS) ISTIS LITTERIS vere, I.E. MULTO ALITER UTATUR, VERITAS DETEGENDA FUTT. ADEO AUTEM NUNQUAM ISTI INTERPRETI (ULFILÆ) VENIT IN MENTEM, UT Y PRO i UTERETUR: UT PLERUMQUE NB. pro gemino UTATUR, QUASI SIMPLUM PARUM ESSET; NEQUE ALIUD GEMI NUM υ HABENT. HINC WERPER, WEIN, WEIHEN, WERDEN, SCRIBIT Yerper, Yein etc. UBI, NISI LECTOR MONEATUR, Y, U ESSE, NON I jerpen, jein, jeihen, jerden LEGAT: QUÆ OMNIA TEUTONUM SERMO REPUDIARET.

AD GERMANAM IGITUR VETEREMQUE PRONUNTIATIONEM PROVOCAT PRÆSENS CODEX, magnique solæcismi Collegia & Scholas redarguit; SEQUE AB ITALORUM CONVICIO, QUI GETHICUM SERMONEM IRRIDENT, VINDICAT,[78] IPSISQUE CONVICIUM HÆRERE DEMONSTRAT. CETERUM PRISCOS LATINOS υ GRÆCUM u SONUISSE, INFINITA DOCUMENTA SUNT. PRIMUM QUOD αυ & ευ, NON ai & ei, SED au & eu VERTUNT, UT VOCES aula & evangelion, euge, Eugenius, & SIMILES MONSTRANT. ITA PRO βοτρυς, BOTRUS, PRO Φυγη FUGA, κυβος CUBUS, πυξις BUCKS, ῥυτωρ. RUTER. GRÆCIS ENIM ῥυτωρ A ῥυω, SOLVO, PROTEGOQUE DEDUCITUR, QUOD PEREGRINOS A GRASSATORIBUS VINDICARENT. – – SED LEGE riter, NON CONGRUET; UT NEC SI PRO κυσαι KISAI, κυσαι ENIM EST kussen, OSCULARI; CUI CUM κισαι NIHIL EST COMMUNE. – – ITA ὑπερ SUPER, ὑπο SUB, κυρετες curetzer DICUNT. ITEM κυρια, CURIA, PRÆTORIUM, ein HerrenHAUS, A κυριος DOMINUS; UNDE & κυριακη Kürche ETIAMNUM DICITUR. UNDE HESYCHIUS HABET, κυριου εσιν εκκλησια. – – HINC PRO LUD, LYDIAM HABENT, PRO Assur, ASSYRIA, PRO TZUR, TYRUS; LEGE Tirus, NIHIL CONGRUET. etc.


Z z, zett, ist wie das lateinische und italienische z, aber härter, als das französische. Es klingt also wie das C vor i und e, oder wie ts. Vor Alters aber klang es auch in Deutschland, wie im Polnischen und Französischen, als ein gelindes s. Denn sie schrieben daz, waz, für das und was. Wollten sie aber einen härtern Ton haben, so setzeten sie das c vor, z.E. czu, Czorn; woraus hernach das tz entstanden ist. Daher kömmt es auch, daß ein ß oder sz nichts anders, als ein doppeltes ss bedeutet. Überhaupt sieh von den doppelten Buchstaben am Ende das Gespräch, so davon handelt.


I. Von den Selbstlautern.

4 §. Diese Buchstaben nun werden in zwo Classen getheilet. Einige davon haben für sich einen Laut, ohne Beyhülfe der andern, und diese heißen Selbstlauter, und sind sechs an der Zahl, A a, E e, I i, O o, U u, und Y y. Die übrigen alle werden Mitlauter genennet, weil sie für sich selbst keinen hellen Laut haben, sondern nur vermittelst der Selbstlauter gehöret werden können. Als in laben, höret[79] man das a und e für sich schon; das l, b und n aber, nur mit Hülfe derselben Lautbuchstaben. Man theilet aber auch diese Mitlauter noch in härtere und gelindere ein. Zu diesen rechneten die Lateiner das l, m, n und r, und nannten sie so gar SEMIVOCALES oder Halblauter; welches denn in ihrer Prosodie seinen Nutzen hatte. Wir können solches aus gleicher Ursache merken.

5 §. Wir müssen aber dieselben auch nach denen Werkzeugen unterscheiden, womit sie ausgesprochen werden. Denn Sechs davon spricht man mit den Lippen, als: B, F, M, P, V, W. Andere


Fünf mit der Zunge, als: D, L, N, R, T; noch andere

Fünf mit dem Halse, als: Jod, G, H, K, Q. Und endlich die übrigen

Vier mit den Zähnen, als: C, S, X, Z; wozu hernach noch einige zusammengesetzte kommen.

Auf diesen Unterschied wird nachmals bey Verwandlung der Buchstaben viel ankommen: weil es oft geschieht, daß Buchstaben von einerley Art mit einander verwechselt werden13.


II. Von der Länge und Kürze der Selbstlauter.

6 §. Man muß aber bey den Selbstlautern sonderlich anmerken, daß sie im Deutschen eben sowohl, als in andern Sprachen, bey einerley Gestalt, einen verschiedenen Laut haben. Wir wollen denselben nur zwiefach abtheilen, und ihn bald kurz, oder scharf; bald lang, oder gezogen nennen: ungeachtet man noch genauer gehen könnte; wie die Hebräer[80] thun. Wir haben also ein langes A, E, I, O und U; wenn man in der Aussprache eine längere Zeit darauf aushält: wie die ersten Syllben in Gaben, leben, Bibel, loben, Spuren, lauten. Wir haben auch alle diese Selbstlauter kurz; wie die ersten Syllben in Palast, Patron, Gewand, begeben, Pilatus, Bononien, Tulpen, oder auch in raffen, treffen, kirren, hoffen, murren. Man stoße sich hier nicht daran, daß gleichwohl die ersten Syllben dieser letzten sechs Wörter den längsten Ton in der Aussprache haben; und also als ganze Syllben, dem Tonmaße nach, lang sind. Denn ein anders ist ein langer gezogener Vocal; ein anders, eine lange Syllbe: als die oft durch die mehrern Mitlauter lang wird. Es wird davon in dem vierten Theile vom Tonmaße ausführlicher gehandelt werden.

7 §. Will man aber eine nähere Vorschrift haben, wenn die Selbstlauter lang oder kurz ausgesprochen werden; so merke man folgende Fälle:


I. Lang sind die Vocalen,

1. Wenn sie in einsyllbigen Wörtern ganz am Ende stehen; als: in ja, da, he, so, du, zu, u.d.gl. dahin auch gehöret, wenn ein bloßes h darauf folget, als: sah, weh, geh, roh, froh, Schuh, ausgenommen, in Ha, ha! Sa, sa! wo die erstern Wörter allemal kurz klingen.

2. Wenn in solchen Wörtern, die einer Verlängerung fähig sind, nur ein Mitlauter darauf folget; als: Schwan, That, den, der, Marcasit, Tod, Ton, vor, Glut, Mus: ausgenommen, wenn vor einer solchen Syllbe schon eine lange vorhergeht; z.E. in gehen, die gehenden, Reuter, derer, welches: wo in beyden ersten nur die ersten e lang sind, die übrigen e aber ganz kurz wegfallen14.[81]

3. Wenn in der Syllbe nach dem Selbstlauter ein h folget; als: Wahl, Zahlen, Mehl, sehr, mehr, gehen, Kohl, Rohr, Uhr, ruhen.

4. Wenn ein th darauf folget, welches nämlich wie ein einzelnes t anzusehen ist; als Rath, Gebeth, Noth, ein Both, muthig. Hier wird von einigen fälschlich das h zum Selbstlauter gezogen, Raht, Gebeht etc. Es kömmt vielmehr daher, daß diese Wörter im Plattdeutschen nur ein d haben: raden, bäden, Bade, moodig, u.d.m. welches im Hochdeutschen zum th wird, so wie aus Deer (θηριον) ein Thier geworden ist.

5. Wenn eine Verdoppelung des Vocals geschieht; wie in Maal, Saal, Meer, See, Klee, u.d.gl. gewöhnlich ist.

6. Wenn Doppellaute vorkommen, die gemeiniglich lang sind, obgleich auch doppelte Mitlauter folgen; als Haus, rauschen, Preis, Meißen, Preußen, Vlies, schießen, büßen, Gemüs, u.d.gl.


II. Kurz hergegen sind die Selbstlauter in der Aussprache:

1. Wenn sie am Ende vielsyllbiger Wörter ganz bloß stehen; als: in Abba, Bassa, Liebe, gebe, Ali, Sophi, Dero, Uhu, u.s.w.

2. In den einsyllbigen Wörtern, die niemals am Ende wachsen, und doch nur einen Mitlauter daselbst haben; als an, was, das, des, bin:15, hin, bis, mit, von, um, ausgenommen nur, nun, thun.

3. Am Ende vielsyllbiger Wörter, deren erste Syllben lang sind; ob sie gleich mit einem Mitlauter schließen, als: Haran, Japan, aber, Haber, beben, Emir, Salomon, warum?[82]

4. Vor einem doppelten, oder vor vielen Mitlautern; als: fast, hassen, lassen, schaffen, bannen, Fest, nennen. Griff, Blick, Tonne, geronnen, Hund, krumm, Brunn, u.s.w.16.


III. Die Verdoppelung der Selbstlauter.

8 §. Alle diese Buchstaben bleiben entweder einzeln stehen, wenn man sie spricht; oder sie werden verdoppelt, und mit andern ihrer Art verstärket, so daß sie einen ganz veränderten Laut von sich geben. Von den Selbstlautern den Anfang zu machen, so entstehen aus ihrer Verdoppelung oder Verbindung unter einander, die Doppellaute, weil sie gleichsam einen doppelten Laut hören lassen17. Diese sind nun:


A a, ein langes gezogenes A, wie Aal, die Aar, Baare, Haar, Maal, ein Zeichen, Paar, Schaar, Quaal, Staar, Saal, die Saale. Es würde wider die allgemeine Gewohnheit laufen, wenn man die Verdoppelung hier auslassen wollte18.

[83] Ä, oder ä, wie ein halbes a und halbes e, wie träge, wäre; nicht wie ee, in See, obgleich einige das wäre wie weere sprechen. Man schreibe aber das ä nicht getrennt ae, wie einige diese Neuerung haben anfangen wollen; weil wir ja das ä in Druckereyen haben; und z.E. in Danae, Pasiphae, Phaeton u.d.gl. gewohnt sind, beydes besonders hören zu lassen.

Ai, wie Kaiser, von καισαρ, weswegen Keyser und Kayser falsch sind. Nun möchte man zwar sagen, es wäre dieses ein lateinisches Wort; warum man sich denn nach dem Griechischen richten sollte? Allein, nach dem Lateine[84] müßte man Käsar sagen. Da nun aber ganz Deutschland das i in der ersten Syllbe hören läßt; so haben wir es unfehlbar in altern Zeiten von den Griechen bekommen. Die Griechen aber hörtens wohl, wie die Römer ihr CÆSAR aussprachen.

Au, wie in Brauch, glauben, taub, welches also nicht wie globen, toob lauten soll. Die Alten schrieben es mit aw, Frawen, und sprachen es, wie Frauven; aber itzo klingt das widerlich.

A y, wie aij, Mayn, Sayn, Hayn; welches letzte viele in Großenhayn, Lichten hayn, wie Hahn aussprechen, aber unrecht.

E e, wie ein langes e, als Beere, Heer, Klee, leer, Meer, Meet, Scheere, See, Seele, etc. Auch hier thut man übel, wenn man die Verdoppelung ausläßt.

E i, muß weder wie ai gesprochen werden, wie es von einigen Oberdeutschen geschieht, die mein, Bein, wie main, Bain, hören lassen; noch wie ee klingen, wie man in Meißen thut, da viele Stein, wie Steen, Bein, wie Been, Kleider, wie Kleeder sprechen. Noch ärger ist es mit den Schwaben und Bayern, Bein wie Boan, und Stein wie Stoan auszusprechen. Man muß beyde einfache Vocalen zugleich ausdrücken.

E u, muß mit etwas hohlerm Munde ausgesprochen werden, als ei; z.E. Freude, nicht wie Freide, vielweniger wie Fraide; aber auch nicht wie Froide, wie einige Niedersachsen thun. Die Alten schrieben auch ew, und sprechen es wie euv, Scheuv.

E y, muß auch nicht mit dem ai oder ay vermischet werden; ist aber im Tone von dem ei nicht sehr unterschieden: außer daß es sich in der Verlängerung des Wortes doppelt hören läßt: Eya, lautet wie Eija, freyen, wie freijen.

I e, klingt eigentlich nur wie ein langes i, als die, wie, hie, nie, Geographie, Poesie. Zuweilen aber wird es auch getrennet, als in Histori-e, Komedi-e, Tragödi-e, Poesi-en,[85] oder Geographi-en; dieß sind viersyllbige Wörter: wie man in den besten Landschaften spricht. Butschky in seiner Rechtschreibung, hat das erste ie gar abschaffen, und nur di, wi, hi, mit einem Strichlein überm i, behalten wollen. Allein, ganz Deutschland hat das e hier zur Verlängerung des i, erwählet.

Ö, als: hören, König, halb o, halb e; nicht wie hären, Känig, auch nicht wie ein schlecht e. Mögen, nicht wie mägen; Vögel, mit einem spitzrunden Munde; nicht wie Vegel, oder Vägel.

O i, nicht wie ai, oder ei; sondern so, daß man beyde Selbstlauter höre, wie in Boizenburg, Groitsch.

O o, wie ein gezogenes o, nicht nach Art der Engländer wie u; Boot, Mooß, Room, zum Unterschiede von Rom: und Schooß von Schoß zu unterscheiden.

O y, nicht wie ey, oder ai, sondern recht deutlich; noch stärker, als das vorige O i, daß außer dem i noch das j gehöret werde, als: Boy, Hoya, Hoyerswerda, u.d.gl. wie Boij, Hoija, Hoijerswerda.

O u, oder ow, ist vorzeiten in Deutschland auch gewöhnlich gewesen, aber mehr und mehr ins Vergessen gekommen. Man hat z.E. gesprochen der Gou, oder Gow, als Sundgou, Brisgou, wofür man itzo lieber au schreibt und spricht. Bützow, und etliche andere sind noch gewöhnlich.

U e, war vorzeiten ein Doppellaut, den man im obern Deutschlande gesprochen und geschrieben; als in Muetter, Fueß, Geruech, Wuest; und das e hat nur das u verlängern sollen. Er ist aber itzo in dem größten und besten Theile von Deutschland abgeschaffet, und klingt in zarten Ohren sehr barbarisch.

U i, oder Ü, in der kleinern Schrift ü, hat den mittlern Ton zwischen dem U und i, wie das französische U, oder das wahre griechische υ. Z.E. blühen, nicht wie blihen, oder bliehen19.

[86] Uy, klingt wie uij, in Huy, Pfuy! Es kommt aber selten vor; außer in einigen schlechten Provinzialmundarten20.


Außer diesen giebt es noch einige dreyfache Selbstlaute, z.E.

äu, als Dräuen, häufen, Käufer, Läufer.

äy, wie in Bäyern, von Bajoaria, und

öy, wie in Höym, ein gräfliches Stammhaus.


Frage: Ob man die Doppellaute Ae, Oe, Ue, einzeln, oder zusammen gezogen, oder übereinander gesetzt, schreiben solle?


Zu dieser Einschaltung verbindet mich eine neue orthographische Kätzerey, da einige sonst wackere Männer seit kurzem angefangen, der lateinischen Art vieler Gelehrten auch im Deutschen nachzuahmen, die kein æ und œ leiden können; sondern allemal, ae, oe, schreiben. Zwar in den lateinischen großen, oder Versalbuchstaben; läßt man den Liebhabern des Alterthumes gar gern, daß sie nach Art der alten Römer schreiben mögen, die kein Æ, und Œ, in einer einzigen Figur hatten.

[87] Ob sie aber dadurch auch berechtiget sind, in der kleinen barbarischen Schrift, die von den dummen Mönchen in den Zeiten der Unwissenheit erfunden worden, jener alten Gewohnheit nach zu ahmen? das ist eine andere Frage: die Cellarius, in seiner Orthographie, mit nein beantwortet hat. Hier reden wir nur vom Deutschen. Wir sind nämlich an Figuren der Doppellaute so arm nicht, daß wir sie beyde besonders schreiben müßten. Schon vor tausend Jahren haben die Angelsachsen das ä in ihrer Schrift æ geschrieben, und eben so hat man nachmals das ö und ü hinzugesetzet, auch in Druckereyen gemachet. Selbst in der großen Schrift hat man es vielfältig gehabt; und es ist nur die Armuth einiger neuem Schriftgießer, die keinen solchen Stämpel von diesen Doppellauten gehabt, Schuld daran gewesen, daß man seit einiger Zeit Egypten, für Ägypten, Ol für Öl, und Ubel für Übel, gedrucket. Weil aber diese Art zu drucken, Ausländern und Kindern eine Schwierigkeit in der Aussprache gemachet: so hat man seit einigen Jahren, den ausgelassenen Buchstab dieser Doppellaute darneben zu setzen angefangen; und Aegypten, Oel und Uebel geschrieben.

Was man nun hier gleichsam aus Noth gethan, das haben andere, die nach Neuerungen begierig sind, zu einer Tugend machen wollen; und auch in der kleinen Schrift, alle Doppellaute ohne Noth zu trennen angefangen. Sie schreiben also waere, Vaeter, moeglich, Toechter, groeßer, Buibereyen, Muitter, Uibel, u.s.w. Was das nun 1) für einen seltsamen Anblick gebe, und wie fremd einem gebohrnen Deutschen seine eigene Sprache dadurch werde; das sieht ein jeder. 2) Wird die Schwierigkeit denen, die lesen lernen, dadurch nicht vermindert, sondern ungemein vergrößert. Denn wie soll man nun diese Wörter aussprechen? Die getrennten Buchstaben scheinen auch die Syllben zu trennen; ganz anders, als es in ai, au, ei, ey, oi, oy, geschieht: wo man sie nur etwas geschwinder hintereinander sprechen darf, um den Doppellaut zu finden. Wer das aber in Vaeter, Toechter, und Muitter thun will, der wird doch immer Va-eter, To-echter, Mu-itter herausbringen. Es ist also falsch, daß diese Schreibart mit der gewöhnlichen gleichgültig sey, weil ä, ö, und ü gewisse Mitteltöne machen, die eigentlich keinen doppelten Selbstlaut, sondern ganz andere Töne ausdrücken, die zwischen beyden inne stehen. 3) Und wie will man hernach das Wort Poeten von Noethen in der Aussprache unterscheiden, so daß jenes drey, dieses aber nur zwo Syllben bekomme? Wie will man Phaeton, von Phaedrus, Kostoes, von Roeslein; Aetius, Laertius, Boethius, Hoe von Hoeneck, Arsinoe, Chloe, u.d.m. anzeigen? Endlich 4) Was haben die ehrlichen Figuren ä, ö, ü, gesündiget, daß man sie verbannen will? Sie haben allemal gute Dienste gethan; und werden sie noch[88] künftig thun. Ist es also nicht vernünftiger, verschiedene Töne mit verschiedenen Zeichen auszudrücken; als gute Zeichen abzuschaffen, damit die Verwirrung in der Aussprache größer werde? S. den neuen Büchers. der schönen Wissenschaften und fr. K. im IX B.a.d. 244 S.


8 §. Die Mittlauter werden auch verdoppelt, und zwar insgemein nach einem kurzen Selbstlaute, um dadurch der Syllbe die gehörige Länge zu geben. Z.E.


B wird selten verdoppelt, außer in Ebbe, Krabbe, Ribbe, und in etlichen fremden Wörtern, als in Abba, Rabbi, Sabbath. Es steht daher einfach nach einem langen Vocale, wie Babel, Bibel, Haber, Nabel, Zwiebel; daher sprechen diejenigen falsch, die da sprechen: Habber, Zwibbeln, und dergleichen.

C wird auch niemals verdoppelt, außer bey dem k, da es nach einem kurzen Selbstlaute klingt, als wenn es ein doppelt c, oder besser, ein doppelt k geworden wäre; als hacken, Hecken. Nach dem Griechischen sollte es auch in Bacchus und Eccho verdoppelt werden. Allein, unser ch klingt in machen, stechen, schon gedoppelt. Die Alten setzeten es auch zum z, wie die Pohlen, als in Wicz, seczen u.d.gl. dadurch es auch verdoppelt schien: allein, itzo setzet man ein t dafür zum z. Und, da thun diejenigen unrecht, die es hier weglassen wollen, wenn gleich ein kurzer Selbstlaut vorhergeht: z.E. in Kazen, sezen, Rizen, trozen, puzen; wo überall das tz stehen sollte. Indessen ist es ein bloß fremder Buchstab, weil sich keine einzige ursprüngliche deutsche Syllbe damit anfängt. Canzel, Cammer, Closter, Cörper, stammen zwar auch aus dem Lateine; werden aber schon längst, weil sie eine ganz deutsche Gestalt angenommen haben, viel besser Kanzel, Kammer, Kloster, Körper geschrieben. Eben so schreibt man schon längst, Kaiser von CÆSAR, und Kerker von CARCER. In den lateinischen Namen aber muß man es behalten, Cato, Cethegus, Cicero, College, Coriolan, Curius, Cyrus. Köthen[89] wird ganz unrecht Cöthen geschrieben, weil es von Kathe herkömmt; dieses aber, wie in Cölius, als Zö then klingen würde.

D wird fast niemals verdoppelt, außer in Widder, Riddagshausen, und steht also auch immer nach einem langen Vocale; als Faden, Boden, reden: daher denn die Aussprache des hiesigen Pöbels falsch ist, welcher Boden und Faden, oft wie Bodden und Faden hören läßt.

F wird häufig verdoppelt, aber gleichfalls nur nach kurzen Vocalen: z.E. raffen, gaffen, treffen, schiffen, hoffen, Stuffen. Falsch aber würde es nach langen Vocalen geschrieben; in Graf, Hafen, Schlaf, Schaf, Strafe, Hof; denn diese klingen ganz anders, als schaffen, schlaff, straff, soff. Diejenigen, welche allen doppelten Buchstaben gram sind, mögen uns erst belehren, wie sie diese Töne unterscheiden wollen.

G wird in wenigen verdoppelt, als: in Dogge, Egge, Roggen; in allen übrigen steht es einfach, und nach langen Vocalen, als: schlagen, legen, siegen, Bogen, Hugo, Lügen.

H wird eigentlich nicht verdoppelt, außer in ch: für welches die Alten ein hh schrieben, als Lachen, für Lachen. Bellin, hat sogar das ch verdoppeln wollen, als machen; welches aber ungereimt ist, und soviel heißen würde, als vier h hintereinander gesetzt, Lahhhhen. Das ch ist, nach alter Art das h auszusprechen, schon ein doppelter Buchstab; weil das c die Stelle das einen h vertritt. Ein geweichter Herr, heißt nach der alten Aussprache nur ein geweihter.

K wird zwar in der That oft verdoppelt, wenn es nämlich nach einem kurzen Vocale steht. Allein, man schreibt alsdann nicht kk, wie Zesen mit seinem Anhange einführen wollte, als Bakken, Gekken, Lokken, Mukken, Brükken; welches ein lächerliches Ansehen giebt; sondern[90] mit einem ck, welches aber eben den Klang hat: weil das c, welches im Lateine ein wirkliches k war, ganz gut die Stelle des einen k vertritt. Es fehlen also sowohl die, welche das ck, ohne Noth nach einem Mitlauter setzen, wie in starck, Werck, Türck, wo man es nicht hören und aussprechen kann; als diejenigen, welche das ck, wie andere doppelte Buchstaben, ganz verwerfen wollen. Denn ein Haken, klingt gar nicht wie hacken: ein Laken, lautet anders, als backen.

L wird häufig verdoppelt, aber allemal nach kurzen Vocalen; als Fallen, Stellen, Willen, Stolle, Nulle. Nach langen hergegen, und Doppellauten, bleibt es einfach: als malen, wählen, Mehl, zielen, Holen, Kohlen, Schulen21.

M wird oft verdoppelt, aber wiederum nach kurzen Selbstlautern, wie Kamm, kämmen, (welcher Doppellaut vor dem doppelten m kurz wird) hemmen, nimm, fromm, krumm. Einfach aber bleibt es nach den langen Selbstlauten; als Namen, grämen, nehmen, geziemen, Römer, Blumen, blümen22.

N steht doppelt nach den kurzen Vocalen; als: wann, dann, denn, drinnen, gewonnen, Brunnen: ausgenommen in den kleinen Wörterchen an, man23, den24, in, bin, hin, von, u.d.gl. deren Selbstlauter kurz und scharf gesprochen werden, obgleich nur ein n folget25[91] Einzeln aber steht es nach langen Vocalen, als gethan, die Bahn, wen, Thron, nun, thun, u.d.gl.

P wird in vielen verdoppelt; als: Kappen, Knappen, Lappen, Mappen, Quappen, Rappen, schnappen, schleppen, Treppen, kippen, wippen, doppelt, Kuppe etc doch immer nach kurzen Selbstlautern. Nach langen aber bleibt es einfach: wiewohl es so noch seltner vorkömmt; indem es mehrentheils im Anfange der Wörter und Syllben steht26.

Q wird niemals verdoppelt, aber auch nicht einzeln gesetzet, sondern allezeit in Gesellschaft des u, gebrauchet, als: Quaal, Quitten, u.s.f. dafür Zesen und einige andere Kw schreiben wollten; als: Kwal, Kwitten etc.27.

[92] R wird häufig verdoppelt, aber wiederum nur nach kurzen Selbstlautern; als: Pfarre, sperren, verwirren, verworren, murren. Sonst bleibt es einfach vor langen Selbstlautern; als: in gar, her, mir, dir, vor, nur; imgleichen nach doppelten Vocalen und Doppellauten; wie auch nach dem h, welches manche Vocalen verlängert; Haar, Heer, Meer, fahren, wehren, Ohren, rühren. Doch steht es auch nach kurzen Selbstlautern einfach, wenn noch ein Mitlauter gleich darauf folget; als in Garn, Garten, Stern, Birne, Stirne, wird, Hirt, Dorn, Horn, Born, Gurt, gürten, zürnen.

S wird sehr häufig verdoppelt, und zwar nach den kurzen Selbstlautern und Doppellauten, als: hassen, dessen, vermissen, geschlossen, Schlösser, des Schlusses, die Schlüsse, müssen. Von diesem ss ist das ß in etwas unterschieden: ob es gleich auch, nach den Alten, die am Ende das z für ein s brauchten, nichts anders, als ein doppeltes s ist. Denn dieses dienet erstlich am Ende der Wörter, die einen kurzen Vocal haben, und in der Verlängerung behalten; als Faß, naß, Haß, Fluß. Hernach zweytens, wenn ein solch Wort verlängert, oder mit andern zusammengesetzet wird: als z.E. häßlich, gräßlich, Flußwasser, Fußsole. Denn weil hier das ß ganz bey der vorigen Syllbe bleibt, indem die folgende mit einem Mitlauter anfängt: so kann man nicht schreiben hässlich, Flusswasser, u.s.w.


So wie also diese Gestalt ß des doppelten s, zum Schlusse der Syllben dienet, wenn der vorhergehende Vocal kurz ist, auch die folgenden Syllben mit Mitlautern anheben; und also das ss mit den erstern nicht theilen können: so wird sie auch nach langen Vocalen und Doppellauten gesetzet, die im Wachsthume des Wortes lang bleiben sollen; z.E. [93] groß, Stoß, Fuß, welche nicht anders klingen, als grooß, Stooß, Fuuß: wie auch vormals einige haben schreiben wollen. Wenn nun diese Wörter wachsen, so wird das ß ganz zur folgenden Syllbe gezogen, und als ein schärferes Zischen gehöret: als grö-ßer, sto-ßen, Fü-ße. Dieses erfordert die gute Aussprache also: wollte man aber nur ein ss schreiben, welches sich zwischen zween Vocalen allemal theilet: so würde man den vorhergehenden Vocal kurz machen: grös-ser, stos-sen, Füs-se; und so würden diese Wörter klingen, wie besser, verdrossen, und Schlüsse, welches doch, nach der guten Aussprache nicht recht ist. Man schreibe also sü-ße, nicht süse, auch nicht süsse; flie- ßen, nicht fliesen, auch nicht fliessen: denn jenes klingt zu gelinde, und dieses zu scharf28.


[94] T wird oft verdoppelt, als in hatten, retten, mitten, rotten, Butten: aber allemal nach einem kurzen oder scharfen Selbstlauter. Eben so steht es auch am Ende, in matt, satt, Blatt; aber nur in denen, die eine Verlängerung zu hoffen haben, wie diese in matter, satter, Blattes. Wo aber keine Verlängerung zu besorgen ist, da bleibt das t einfach, als hat29, mit30. Endlich wo der Vocal lang ist, als in Gut, Blut, thut, that, da bleibt es auch in den einsyllbigen Wörtern einfach: weil es selbst in der Verlängerung so bleiben soll31.

[95] V als ein Mitlauter, kann nicht verdoppelt werden. Denn ungeachtet die Alten das w als ein doppelt v geschrieben, so hat es doch niemals die Kraft und Bedeutung eines doppelten v, sondern eines u und v gehabt. Es ist also noch einmal so weich in der Aussprache; wie viel und will, voll und wolle, sattsam zeigen. Im alten Fränkischen und Gothischen findet man auch viele Wörter mit einem F geschrieben, die wir itzo mit V schreiben. Z.E. Father, Vater, fullatojai, vollkommen.

X wird nicht verdoppelt; es ist vielmehr an sich schon aus k und s zusammengesetzet.

Z wird zwar nicht derselben Figur nach verdoppelt, aber doch der Kraft nach, wenn man das tz brauchet, dafür die Alten cz schrieben. Wir schreiben also Schatz, setzen, ritzen, strotzen, schützen, putzen; nicht aber Schazz, sezzen, rizzen, ob es wohl in der Aussprache eben so klingt. Man kann aber auch nicht immer ein einfaches z schreiben, wie einige, als Zesen und Tscherning, wollten; wenn sie Plaz, sezen, trozen, blizen, puzen schrieben. Denn dadurch würde der vorhergehende Vocal lang zu lauten anfangen; als wenn man Plaaz, seezen, bliezen, u.s.w. geschrieben hätte. Man darf auch nicht denken, als ob das z schon ein doppelter Buchstab,[96] nämlich aus t und s zusammengesetzet, wäre. Dieses kömmt nämlich hier und in allen neuern Sprachen in keine Betrachtung; ob es gleich im Griechischen seinen Nutzen hatte. Das alte z der Deutschen war nur ein gelindes s, wie noch itzo bey Pohlen und Franzosen. Die Wälschen hergegen verdoppeln das z auch, als in SPREZZARE, u.d.gl. und sehen es also, eben sowohl als wir, für einen einfachen Buchstab an.


4 §. Hier hätten sich noch verschiedene Anmerkungen anbringen lassen, welche die Buchstaben betreffen. Z.E. woher der Namen derselben komme? So saget Grüwel, auf der 35 S. seiner Rechtschreibung, »er käme von Buch, ein Werk, darinn die Reden geschrieben, oder gedrucket sind; und Stab, weil die Bücher gleichsam aus den Buchstaben, als aus Stäben bestehen«. Allein, andere meynen richtiger, die alten Deutschen hätten ihre erste Schrift, nämlich die alten Runen, auf büchenen Stäben eingeschnitten. Andere leiten es von biegen her, weil sich die alten Pergamentrollen um den Stab bogen. Andere wollen mit Gewalt das Wort Lettern zu einem deutschen Worte machen, und es von Let, oder Glied, aus dem Plattdeutschen herholen: gerade als ob es nicht aus dem lateinischen LITERA, und dieses von LINERE näher herzuleiten stünde. Allein, in allen solchen Dingen besteht die Vortrefflichkeit unserer Sprache nicht. Noch weniger darf man mit Jakob Brückern, der 1620 eine deutsche Grammatik geschrieben, die Buchstaben in folgende neue Ordnung setzen. A, e, i, y, o, u, w, l, r, n, m, x, z, s, h, f, b, d, k, q, g, c, p, t. Denn wenn einmal eine andere Ordnung, als die eingeführte, angenommen werden sollte: so würden sich so viele Meynungen als Köpfe finden; und diese vorgeschlagene möchte schwerlich die Probe aushalten32.[97]

5 §. Das älteste orthographische Büchlein, welches mir vorgekommen, ist 1531 in 8 zu Erfurt herausgekommen, und durch Matthes Malern im schwarzen Horne gedrucket. Sein Titel heißt: »Ein nützlich Büchlein etlicher gleichstymender worther, Aber vngleichs Verstandes, den angenden deutschen schreyb schülern, zu gut mitgeteylt, durch Meister Hanssen Fabritium, Rechenmeister und deutschen schreyber zu Erffurth.« Dieser eifert an einem Orte recht sehr, über die Unbeständigkeit im Schreiben, die zu seiner Zeit unter den Schreibmeistern geherrschet: »Ich wais schier nicht, heißt es, was daraus werden wil zu letzt, ich zu meinen theyl wais schier nicht, wie ich meine Schulers leren sol, der vrsachen halben, das yetzunder, wo vnser drey oder vier Deutsche schreibers zusammen koment, hat yeder ein sonderlichen gebrauch, der ein schreibet ch, der ander c, der dritte k, wollte Gott, daß es darhyn komen möchte, das die Kunst des Schreibens einmal wieder in ein rechten prauch komen möchte, es muß doch zuletzt dahin komen, es ist nit damit ausgericht, das wir sagent; er kans schon wol, er kan vf schwartz, roth bappeyer schreiben. Nein, nit also, es gehört mher dazu, wyss, das ich dir das gesagt hab«. So schlecht es aber mit dieser Rechtschreibung aussieht, so steht doch schon, nach Beschaffenheit dieser alten Zeiten, sehr viel gutes darinn. Das Stück ist selten, und auf der Zwickauischen Bibliothek befindlich33.

Fußnoten

1 S. den sogenannten CODICEM ARGENTEUM, den FRANC. IUNIUS 1665 mit gothischer Schrift in Dordrecht, Stiernhielm aber 1671. zu Stockholm, mit lateinischen Buchstaben drucken lassen; oder HICKESII GRAMMATICAM LINGUAR. SEPTENTR. imgl. der kritischen Beytr. I B.a.d. 445 S. Bonav. Vulcanius hatte schon vorher DE LITTERIS GETARUM eine kleine Abhandlung drucken lassen. Und 1750 ist der CODEX ARG. ZU London neu gedrucket worden.


2 S. HRABANI MAURI, ABB. FULD. DE INVENT. LINGUAR. AB HEBR. USQUE AD THEODISCAM, IN GOLDASTI RER. ALLEM. SCRIPT. T. II, p. 69, wo man noch mehr alte Alphabethe findet.


3 S. Franc. Junii GLOSS. GOTH. oder auch der krit Beytr. III B.a.d. 685 S. Allein, diese kommen unstreitig aus der kleinern latein. Mönchsschrift, die ziemlich spät aufgekommen ist.


4 S. die Tabelle vor Stiernhielms GLOSSARIO ULFILA-GOTHICO, das zu Stockholm 1671, in 4, mit den EVANGELIIS ULFILÆ herausgekommen; imgleichen Worms MONUMENTA DANICA, oder LITTERATURAM RUNICAM.


5 Viele gelehrte Männer gehen in ihrem Eifer, für die Ehre der alten Deutschen, so weit, daß sie behaupten: Die ältesten Deutschen hätten schon ihre eigenen Schriften gehabt, die sie weder von Griechen noch von Römern gelernet, sondern selbst erfunden. Ja, Rudbek behauptet in s. ATLANTICA: die XVI Buchstaben, die Kadmus aus Phönicien nach Griechenland gebracht, wären unfehlbar die runischen Buchstaben gewesen. S. die MEMOIRES DE LA REPUBL. DES LETTRES, A. 1685, a.d. 49. S. Allein, so gern ich dieses zur Ehre unserer Vorfahren glaubte, so wenig überreden mich seine Gründe. Vielmehr zeigen die gothischen Buchstaben nur gar zu deutlich die Nachahmung der griechischen; wie die angelsächsischen die Ähnlichkeit der lateinischen Buchstaben: zumal wenn man die Urkunden aller Jahrhunderte dagegen hält, die der gelehrte Bessel in dem CHRONICO GOTTWICENSI, nach Handschriften in Kupfer hat stechen lassen. Ja selbst die Runen, die manchen weit älter dünken, als die Stadt Rom, geben keine undeutliche Spur: daß sie nur übel nachgeschnittene oder verhunzete lateinische LITTERÆ QUADRATÆ sind. Das höchste Alter, das man ihnen wahrscheinlich geben kann, wird sich kaum bis ins X Jahrhundert erstrecken: wie ich selbst aus Stiernhielms Vorrede zum N.T. des Ulfila, und aus Verels Schriften mir zu behaupten getraue.


6 Wer die Schriften alter Urkunden in Kupfer gestochen, oder sonst viel alte Handschriften gesehen hat, wird dieses wissen. Das CHRONICON GOTTWICENSE, und des gelehrten P. Herrgotts Schriften legen verschiedenes davon vor Augen. Auch die Historie des berühmten Münchhausischen Geschlechtes liefert eine gute Anzahl davon, aus sehr alten Jahrhunderten. S. auch Walthers LEXICON DIPLOMATICUM, in der neuen Ausgabe.


7 Ehe sich diese verschiedenen Charaktere noch recht abtheileten, hatte man auch einen gewissen Mittelcharakter, der nicht recht lateinisch, nicht recht deutsch aussieht. So habe ich Wolframs von Eschenbach Parcifall, und Meister Albrechts Tschyonatulander von 1477 in Fol. ohne Benennung des Ortes; ja auch AUGUSTINI NYPHI DE INTELLECTU L. VI. erstlich zu Venedig 1492 und 1503, hernach 1527 zu Modena gedruckt.


8 S.D. JOHN FREE'S ESSAY TOWARDS AN HISTORY OF THE ENGLISH TONGUE P. I, wo er fast durch und durch behauptet, daß die heutigen Engländer sich aus einer wunderlichen Einbildung lieber Britten, als Engländer, nennen: da doch fast alle ihre Bevölkerungen aus Deutschland gekommen. Denn sowohl die Scotten, oder Schützen, als die Picten, oder Fechter; sowohl die Beiger, als die Angelsachsen; sowohl die Normannen, als Dänen, sind ursprünglich deutsche Völker gewesen: die alle große Züge nach Brittanien gethan, die alten Britten und Wälschen, das ist Gallier, entweder ganz ausgerottet, oder doch so in die Enge getrieben, daß sie ganz ihre Stellen eingenommen. Ja, Wallisius zeiget in seiner Grammatik eben das; indem das rechte alte Engländische z.E. im Vater unser, aus lauter deutschen Worten besteht, nur drey oder vier Wörter ausgenommen. Auch in den alten angelsächsischen Büchern derselben zeiget sich dieses noch deutlicher, die vor der Zeit Wilhelm Conquestors geschrieben worden. Dieser nämlich überschwemmete mit seiner alten französischen Sprache England, und machete aus dessen kerndeutscher Mundart ein seltsames Mischmasch, welches noch bis auf diese Stunde so geblieben ist.


9 Noch neulich haben auch die Zürcher diese Neuerung durch ihr Exempel bestärken wollen. Wofern sie aber mit dieser Seltsamkeit nicht glücklicher sind, als mit andern Grillen: so wird es wohl keine Noth haben; zumal ihre seltsame Buchstabirerey mit dem y sie vollends lächerlich machet. Wie weit man es in Schweden mit der Aenderung der Buchstaben bringen werde, die ihnen unlängst anbefohlen worden, das muß die Zeit lehren. Wenigstens wird das Schwedische dadurch keinem Ausländer leichter zu lernen werden. Das Pohlnische hat man längst so gedrucket: aber wer hat es deswegen lieb gewonnen? Unser Deutsches würde gewiß dadurch nichts gewinnen, als daß unsere Neulinge eine Menge fremde Wörter ungestraft in dasselbe würden einflicken können; wodurch unsere Sprache dem Engländischen ähnlich werden würde.


10 Ich sage mit Bedachte nicht, wieviel wir Buchstaben haben, Es kommt dieß auf die Art zu zählen an, da man entweder bloß die einfachen, oder auch die doppelten, oder zusammengesetzten Buchstaben mit zählen will.


11 Obgleich die Alten weihen, wie weichen, in Weichbild in Gottwich, Brunswich u.d.gl. für Weihbild, Gottweih, Brunsweih, d.i. das h. Bruno Geweih, oder Stift gesprochen, und geschrieben haben.


12 Da dieser Buchstab uns Deutschen eigen ist, so fraget sichs, woher er entstanden sey? Ich finde seinen Ursprung in der ältesten Aussprache, schon um Karls des Großen Zeiten. Denn Ottfried in der Vorrede zu seinem Evangel. schreibt so: HUJUS ENIM LINGUÆ BARBARIES; UT EST INCULTA ET INDISCIPLINABILIS, ATQUE INSUETA CAPI REGULARI FRENO GRAMMATIÆ ARTIS, SIC ETIAM IN MULTIS DICTIS, SCRIPTU EST, PROPTER LITTERARUM AUT CONGERIEM, AUT INCOGNITAM SONORITATEM, DIFFICILIS. NAM INTERDOM TRIA U U U, UT UÜTO, QUÆRIT IN SONO; PRIORES DUO CONSONANTES, UT MIHI VIDETUR, TERTIUM VOCALI SONO MANENTE. Ein Exempel davon giebt das 1 Cap. in UBARUUUNNAN, d.i. überwunden. Hier sehen wir, daß das w aus zweyen u entstanden ist, die Ottfried für Mitlauter hielt. Allein in folgender Zeit hat man das erste davon, noch für einen Selbstlauter gehalten: wenn man schawen, Frawen, Häwser schrieb, und doch schauven, Frauven, Häuvser sprach, wie die Schweizer noch itzo thun. So sprechen auch die Engländer ihr DUBBELYU, noch itzo aus. Denn WHITE, heißt bey ihnen gleichsam UVEIT; WHILE, heißt UVEIL, u.s.w. Es bleibt also das w ein aus u und v zusammengesetzter Buchstab, wie auch die alten Handschriften lehren; dessen Ton also gelinder als v seyn soll.


13 Z.E. wenn aus bringen brachte, aus mögen mochte, aus tragen Tracht, aus prangen Pracht, aus Raben Rappen, aus Knaben Knappen, aus schreiben Schrift, aus geben Gift geworden ist.


14 Imgleichen werden hier hin, und des, ausgenommen: obgleich das erste in von hinnen, und das letzte in dessen verlängert werden kann.


15 Wenn gleich einige Landschaften das an und bin, so lang ziehen, als ob ahn oder bihn, da stünde: wie in Schlesien.


16 Doch werden hier die meisten ausgenommen, darinnen gleich nach dem Vocal ein einfaches r folget; als: Art, Bart, zart, Erde, werden, Pferd, Schwert, Bort, mir, dir, u.s.w. Man saget mit Heiß, die meisten, denn es giebt auch etliche, die man dessen ungeachtet, nach der obigen vierten Regel, scharf spricht; als: Garten, warten, scharf, Herr, Birn, Hirt, wird, Born, Mord, Zorn, Gurt, Bürde, Würde, u.a.m. die ein Fremder aus dem Umgange lernen muß.


17 Ich weis wohl, daß einige nur da Doppellaute sehen, wo zween verschiedene Vocalen in eine Syllbe zusammen fließen; als ai, ei, au, u.s.w. Allein, was hinderts, daß auch ein zwiefaches aa, ee, u.d.gl. ein Doppellaut heiße, da es ja doppelt so lange klingt?


18 Ein gelehrter Mann, machet hier den Einwurf, daß die Verdoppelung der Selbstlauter nicht nöthig sey; 1) weil Bödicker saget, daß sie etlichen nicht gefalle. 2) Weil sie in der Verlängerung des Wortes wegfalle; z.E. aus Maal, wird Mäler, aus Quaal quälen. 3) Weil die alten Sprachen solche Verdoppelung nicht gehabt; 4) sonst dieselbe noch in vielen Wörtern, z.E. in Trübsal, statt finden mußte; und 5) das aa, auch oft zwo Syllben machet. etc. Allein ich antworte: 1) Einiger Misfallen ist kein genugsamer Grund, nur ein altes Herkommen abzuschaffen; geschweige denn, wenn es noch auf Ursachen gegründet ist. 2) In der Verlängerung des Wortes entsteht ein Doppellaut ä, daraus; daher es natürlicher Weise weicht: von Saal, Säle; von Staal, stälen. 3) Es ist vieleicht eine Unvollkommenheit des Griechischen, daß es kein langes A anzeigen können, da es solches beym E, O, und Y, durch H, Ω und ου gekonnt. Im Latein hätte man auch besser gethan, MAALUM der Apfel, von MALUM böse also zu unterscheiden: wie man, nach Quintilians Berichte, wirklich vor Alters gethan. Unsere Vorfahren aber sind die richtigsten Rechtschreiber nicht gewesen: wenn sie z.E. die Veter, Hewser, Mewse, Stedte, geschrieben. 4) Das sal in Labsal, Trübsal, Scheusal, ist unstreitig eine kurze Syllbe, und brauchet also kein doppelt a. 5) Nur in ausländischen Wörtern machet das aa zwo Syllben, als Baal, Aaron. Haben aber endlich die Deutschen vorzeiten die Verdoppelung auch in etlichen Wörtern gemachet, wo wir sie nicht mehr ma chen: so sind das nur die Zesianer gewesen, die z.E. Fluur, Spuur, Guut, Tood, u.d.gl. schreiben wollten. Allein, was würde man nicht für Zeug einführen müssen, wenn man diesen Leuten folgen wollte? Z.E. Butschky in seiner hochdeutschen Kanzelley, setzet über alle lange Syllben einen Accent; und zwar nicht nur über Selbstlauter, sondern auch über Mitlauter, wenn sie irgend etwas anders ausgesprochen werden; wie das S, wenn es wie ein sch klinget.


19 Die Alten scheinen das u, ohne den Strich darüber, nur wie das ü gesprochen zu haben. Wenn sie nun das volle u wollten hören lassen- so setzeten sie das o, welches die Franzosen vorhersetzen, oben drüber. Man sehe einige alte gedruckte Bücher aus dem XVten Jahrhunderte, imgleichen Goldasts Paräneses vom Könige Tyrol, und von Winsbeken. Und daher ist im Oberdeutschlande der Doppellaut uo, in Buoch, thuot, u.d.gl. ja in der kleinen Handschrift die Gewohnheit, über allen u einen krummen Strich zu machen, gekommen. Heute zu Tage aber ist es umgekehret.


20 Ein neuer Sprachlehrer zu Rom hat in seiner Sprachkunst noch aw, ew, unter die Doppellaute gezählet; und es ist nicht zu läugnen, daß die lieben Alten das w, nach seinem Ursprunge, halb wie ein u, halb wie ein v ausgesprochen. Wenn sie also schrieben Awe, Fraw, Ewer, thewer; so klang es als Auve, Frauv, Euver, theuver: und also möchte man diese Art fast zu den TRIPHTHONGIS rechnen. Allein, da diese harte Aussprache sich in den besten Landschaften ganz verloren hat: so sind diese beyden Doppellaute ganz abgekommen, und nur in alten Büchern noch zu finden. Diese also, und einige Kanzleyschreiber, die bey solchem Schlendriane noch bleiben, und auch das Ewer, Ewre Majestät etc. noch beybehalten, lesen zu können, muß man sie zwar kennen; aber doch nicht nachahmen.


21 Auch hier möchte man wohl fragen, wie die Feinde der Verdoppelung, zumal sie auch das h hassen, Stahl von Stall, stehlen von stellen, Höle von Hölle, u.d.m. unterscheiden wollen?


22 Die Herren Schlesier sprechen zwar nihm, und meynen, es müßte so seyn, weil es von nehmen kömmt. Allein, wenn dieser Grund gilt: so müßten sie auch sagen, genohmen; nicht aber genommen. Die Bayern sagen, ich nimm, du nimmst; ich sprich, du sprichst etc. Wer hat nun recht?


23 Dieß kömmt zwar von Mann, oder vielmehr ward auch dieses vor Alters mit einem N geschrieben, wie die Engländer noch thun, A MAN. Allein zum Unterschiede eines Fürwortes vom Hauptworte, ist die neue Art besser.


24 Wenn dieß Wort der Artikel, oder das Geschlechtswort ist, als: an den Mann bringen. Ist es aber ein anzeigendes oder beziehendes Fürwort, so wird der Selbstlaut lang; als: den Freund, den ich suche etc.


25 Die Schlesier sprechen die drey letzten Wörter auch zwar lang: allein wider den Gebrauch aller übrigen Landschaften, kann dieses keine Regel geben.


26 Es ist merkwürdig, daß die beyden Wörter Knappen und Rappen, von Knaben und Raben ihren Ursprung haben; wie man in alten Schriften die Spuren davon findet: da auch ein Mühlknab, und ein Rapp, für einen Vogel vorkömmt. Hier ist sonder Zweifel der Namen des Vogels, um der Farbe willen, dem Pferde gegeben worden.


27 Es sieht aber seltsam aus. Und warum sollte Qu nicht sowohl ein deutscher als lateinischer Buchstab seyn, wie u.a.G. Barenius in s. Sprachk. von 1707 a.d. 5ten S. lehret: da so viel ursprünglich deutsche Wörter damit anfangen, als Quarz, Qual, Quappe, Quelle, Quirle, Quitten, Quittung, Queiß, u.d.gl. Die alten Gothen hatten 360 Jahre nach Christi Geb. diesen Buchstab schon; wo Quinoeine Frau hieß, davon das englische Queen, die Königinn, kömmt. Imgleichen quithan, sagen, quath, sprich, davon quittiren, die Quittung, entstanden ist.


28 Ein gelehrter Mann machet mir den Einwurf: es wäre besser Mas, gros, Stos, Fus, zu schreiben: 1) weil die Selbstlauter lang sind;2) weil viele auch im Sprechen nur einen Mitlauter hören lassen;3) weil andere Sprachen, und die abgeleiteten Wörter nur ein s hören lassen: z.E. πους, mäsigen; 4) weil viele auch nur ein s schreiben; 5) weil das Mas, von ich mas, wie die That, von ich that, herkömmt, dergleichen Zeitworte aber nur einen einfachen Buchstab fordern; als: ich bat, ich as, ich mas. Allein, ich antworte: 1) wenn alle Selbstlauter lang wären, so würden wir das, was, des, bis, von, um, u.d.m. ganz anders aussprechen müssen, als wir thun. 2) Die Aussprache weniger Leute machet keinen Grund wider eine dagegen streitende allgemeine Gewohnheit. 3) Das Wort πους verliert in allen Abänderungen sein s am Ende; folglich kann man nicht sehen, ob es von den Griechen einfach, oder doppelt ausgesprochen worden. Mäsigen aber, saget unsers Erachtens niemand, der gut spricht, sondern mäßigen. Masern, klingt ganz anders, als gedachter maßen. 4) Die böse Schreiberey einiger wenigen machet auch keinen tüchtigen Grund wider die herrschende Gewohnheit. Doch weis ich noch keinen, der mit dem blosen Fuse stosen, geschrieben hätte. Am wenigsten wird jemand setzen, sie masen ihm derbe Stöse zu. Losen klingt immer anders, als stoßen; böse, anders als Stöße.5) Die Regel von den unrichtigen Zeitwörtern ist nicht allgemein. Von stehen kömmt z.E. ich stund, von finden, ich fand; von brechen, ich brach; von leiden, schneiden, ich litt, und schnitt; von essen, messen, ich aß, ich maß; von sitzen ich saß, gesessen. Und wer wird wohl sagen, ich as, du asest, sie asen? dieß geschieht zwar bey ich las, du lasest, sie lasen: allein, da hat auch das lesen, schon ein einfaches s; essen aber ein doppeltes, wie vergessen.


29 Eben der vorerwähnte Gegner will, man solle hatt setzen; weil es aus dem Lateinischen HABET käme. Allein, die Ostgothen die vom schwarzen Meere im 4ten Jahrhunderte längst der Donau heraufkamen, und denen Vulfila das Evangelium übersetzete, hatten das Wort habet, habaith, habandan, u.d.m. bereits in Ländern, wo die Römer niemals gewesen waren: folglich ist es nicht gewiß, daß es aus dem Lateine komme. Hernach ist es auch nicht sicher, daß aus habt, hatt werden müsse, wenn es verkürzet wird. Wir hören ja alle Tage, daß der Pöbel, aus gebet, oder gebt, schlechtweg gät, nicht aber gett, machet. Auch darinne irret sich der Herr Gegner, wenn er glaubet: die fast vergangene Zeit, würde aus der dritten Person der gegenwärtigen in der einzelnen Zahl gemachet. Aus liebe, wird liebete, aus lebe, lebete; und so müßte auch aus ich habe, ich habete werden, wenn sich das Wort, richtig abwandelte. Allein da das nicht ist, so sieht man wohl, daß es auch wie liebet, lebet, in der dritten Person nur ein t haben darf. Denn niemand schreibt liebett, lebett.


30 Ich weis wohl, daß einige das hat so lang aussprechen, als ob es haat hieße; aber zum Unglücke sprechen eben dieselben das mit so kurz und scharf, als mitt, ja wohl gar mitte aus. Ihr Provinzialton ist also keine Regel, die andern Zeitwörter, als er schnitt, er glitt, er ritt, auch mit einem einfachen t zu schreiben. Die Schlesier sprechen auch Blutt, Gutt, Mutt, und in der Verlängerung, des Bluttes, Guttes, Muttes, wie in der mehrern Zahl Gütter, Gemütter; ob sie gleich nicht allezeit so schreiben. Doch keine andere Landschaft thut es ihnen nach; und also giebt ihr besonderer Gebrauch keine allgemeine Regel.


31 Das T pflegt zuweilen mit dem d, zuweilen mit dem h beysammen zu stehen: und zwar in folgenden Wörtern. Mit dem d in Stadt, todt; das erste, um es von statt zu unterscheiden: das andere, weil es von Tod herkömmt. Aber Brod, Schwert, gescheid, u.d.gl. brauchen kein dt, sondern nur eins von beyden; wie künftig erhellen wird. Mit dem h aber wird es theils im Anfange der Syllben, theils am Ende zusammen gesetzet, als in That, Rath; theilen, rieth; Thon, (ARGILLA) roth, thun, Fluth. Die Ursachen davon werden weiter unten vorkommen.


32 Mich dünket, nach den Selbstlautem wäre es am natürlichsten die LABIALES, hernach die DENTALES, so dann die LINGUALES, und endlich die GUTTURALES, so zu stellen, daß die härtesten zuletzt kämen. Dergestalt würde das Alphabeth so zu stehen kommen: A, e, i, o, u, y, w, m, b, v, f, s, ß, ss, seh, x, z, tz, n, l, d, th, t, r, j, g, ch, k, ck. Wollte aber jemand die Selbstlauter zwischen die verschiedenen Classen einschalten; die doppelten Buchstaben wegthun, und die zischenden Buchstaben zuletzt lassen; so daß das Zett u und y am Ende bliebe: so würden sie so lauten; A, m, w, b, v, f, e, n, d, th, t, r, i, j, g, h, ch, k, o, f, s, ss, ß, x, z, u, y. Doch, wie man leicht denken wird, so will ich diese Ordnung niemanden aufbürden: indem es völlig einerley ist, in welcher Ordnung man sie lernet und lehret. S. den Herm. Hugo, DE PRIM. SCRIB. ORIGINE, C. V, P. M. 39 SEQ.


33 Mehrere sehe man in Hrn. Prof. Reichards Geschichte der deutschen Sprachkunst nach. Allein, ein neueres Beyspiel einer orthographischen, oder vielmehr kakographischen Seltsamkeit, ist vor kurzem hier in Leipzig, in der Uebersetzung von des Thucidides Reden zum Vorscheine gekommen. Der Verfasser davon hat uns vermuthlich darinnen zeigen wollen, daß auch unser Jahrhundert noch fruchtbar genug sey, einen Zesen, Bellin, oder Butschky hervorzubringen. Ich würde gern eine Probe von dieser sonderbaren Schreiberey hier anführen; da sie gewiß sonst sehr unbekannt bleiben dörfte: wenn es nicht besser wäre, der Nachwelt solche Misgeburten zu entziehen, als auch nur das Andenken davon zu erhalten, was unsern Zeiten zu einigem Vorwurfe gereichen kann.[98]


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 67-100.
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