I Abschnitt.
Von der Bildung und den verschiedenen Arten der Hauptwörter.

[217] 1 §.


Die deutschen selbständigen Nennwörter sind von vielerley Art und Beschaffenheit. Denn einige sind, soviel man weis, ursprüngliche Stammwörter, als Kopf, Mund, Hand, Fuß, Brust, Arm, Band, Baum, Tod, Noth, Glut, u.d.gl. Und diese sind mehrentheils einsyllbig4; außer einigen wenigen, als Finger, Wunder, Kummer, Mangel, Hammer, u.d.gl. Viele aber sind auch hergeleitete, und bald von andern Hauptwörtern, bald von Beywörtern, bald von Zeitwörtern, bald von andern kleinen Redetheilchen entstanden; oder gar aus andern zusammen gesetzet.[218]

2 §. Die Untersuchung dieser Etymologien, oder Abstammungen ist von großem Nutzen. Sie dienet nämlich 1) die wahre ursprüngliche Bedeutung der Wörter zu erklären, und, die Abweichungen der Neuern, von dem Sinne derselben, desto besser zu vermeiden. So kömmt z.E. das Wort Beichte von dem alten Worte jehen, sagen, davon wir noch das zusammengesetzte bejahen übrig haben. Davon kam denn begiht; oder nach einer härtern Aussprache das h wie ch, begicht, er bekennet, oder bejahet, was er gethan hat: und davon entstund die Beichte, oder das Bekenntniß. 2) Dienet es zur Verbesserung der Rechtschreibung. Denn wenn ich z.E. weis, daß Knebelbart, von Knaben kömmt, denen der Bart zuerst auf der Oberlippe wächst; daß Ernte von Ähren; daß Armbrust, von Arm und Rüstung stammet, u.d.gl.: so sehe ich, daß ich von rechtswegen Knäbelbart, Ärnte und Armrust5 schreiben sollte6.[219]

3 §. Zweytens sind die deutschen Hauptwörter entweder einfache, oder zusammengesetzte. Die einfachen sind solche, als wir zu den Stamm- oder Wurzelwörtern gezählet haben; oder auch Tisch, Bank, Kopf, Ohr, Auge, Feder u.d.gl. Zusammengesetzte aber, wenn man aus zweyen oder mehrern Redetheilchen, oder aus andern Bildungssyllben längere Wörter gemachet hat: als Drechselbank, Eselsohr, Schalksauge, Schreibfeder, Stockknopf, Theetisch u.s.w. In diesem Zusammensetzungen nun ist unsere Sprache sehr reich und glücklich; ja sie übertrifft darinnen die Geschicklichkeit der griechischen. Denn wir sind nicht nur im Stande, zwey, sondern wohl drey, vier und mehr verschiedene Wörter zusammen zu setzen; und dadurch unendlich viel Begriffe auszudrücken; z.E. Oberberghauptmann, Oberlandjägermeister; u.d.gl.7.

4 §. Bey diesen zusammengesetzten Wörtern ist die Frage; ob man sie getrennet, oder an einander schreiben soll? Bey[220] vielen, die seit langer Zeit zusammengefüget worder, trägt fast niemand ein Bedenken, sie zu verbinden; als: Frühjahr, Fastnacht, Großvater, Handschuh, Montag, Nachtheil, Sonntag, Springbrunn, Stiefsohn, Vorsatz u.d.gl. Allein, bey andern, die nur erst neuerlich zusammen gekommen, wollen einige nicht daran, sie in eins zu ziehen: daher schreiben sie z.E. Hof-Rath, Schlaf-Mütze, Reise-Rock, Last-Wagen, Schwieger-Sohn, wohl-edel, hoch-gebohrner, u.d.gl. Allein, da keine Ursache vorhanden ist, warum diese Verbindungen nicht eben so genau, als die obigen, seyn sollten: so sey hier


die Regel:


Man bleibe bey allen Verbindungen, die aus zweyen oder dreyen Stücken bestehen, bey der von unsern Alten eingeführten Art, und schreibe ohne das Theilungszeichen, Hofrath, Reiserock, Schlafmütze u.s.w.


So habens auch die Griechen gemachet: und selbst die Franzosen thuns, wenn sie z.E. LUNDI, MARDI, MERCREDI, BAISEMAIN, PORTÉPÉE, MALHEUR, CONTRETEMS, NULLEPART, EMBONPOINT, u.d.gl.m. schreiben8.[221]

5 §. Nur eine Ausnahme scheint hier nöthig zu seyn. Wenn nämlich bey gewissen Hof- und Kriegesbedienungen, mehr als zween oder drey Namen der Ämter zusammenkommen, die wohl zum Theil aus fremden Sprachen her sind: so muß man nothwendig eine Trennung machen. Z.E. wie würde es aussehen, wenn man Reichsgeneralfeldmarschallieutenant schreiben wollte? Man theile also dergestalt, daß es Reichs-General-Feldmarschall-Lieutenant heiße. Aber Feldzeugmeister, Oberaufseher, Oberkriegszahlmeister, Kriegsbaumeister, u.d.gl. aus dreyen Stücken zusammengesetzte deutsche Wörter brauchen keine Theilungszeichen in der Mitte. Ja, wenn auch vier und mehrere, ein- oder zweysyllbige Wörter zusammenkommen, die nur alle deutsch sind: so darf man sie nicht trennen. So hat man z.E. in Verheyns deutsch übersetzter Zergliederkunst, die meisten Adern, Mäuslein und Gebeine des menschlichen Körpers, sehr wohl deutsch gegeben9.[222]

6 §. Man setzet aber die deutschen Hauptwörter 1) aus lauter Hauptwörtern zusammen; und dieses zwar eigentlich so, daß das letzte den Hauptbegriff, das erste aber den Nebenbegriff ausdrücket, der den folgenden bestimmet. So saget man z.E.


Der Amtmannunddie Männerhand.

der Brodkorb,undder Neiderzahn.

das Halstuch,undder Reisehut.

die Handhabe,undder Reitstiefel.

der Hundskopf,undder Stiefelknecht.

das Hutband,undder Taubenhals.

das Kopfweh,unddie Zahnschmerzen u.s.w.


Die Zahl dieser Wörter ist unendlich, und man machet noch täglich mehrere; die auch gar wohl zu dulden sind, wenn sie sich nur wohl zusammen schicken, und nicht übel klingen. Allein, manche sind ein wenig zu verwägen damit: als wenn Opitz, nach des Heinsius Holländischem, den Bacchus so benennet:


Nachtläufer, Hüftesohn, Stadtkreischer, Allzeitvoll!


so sind außer dem letzten, die andern weder regelmäßig zusammengesetzet, noch sonst wohlklingend. Andere neuere Dichter sind hierinn noch viel kecker gewesen: aber man muß ihnen nicht folgen.

7 §. Die II Classe der zusammengesetzten Wörter besteht aus einem Hauptworte, und aus einem Beyworte; als z.E. Altgesell, Blaustrumpf, Freyburg, Großvater, Hohberg, Jungfrau, Kleinänke, Neustadt, Schönbrunn u.d.gl. Die Zahl derselben ist bey weitem nicht so groß, als der vorhergehenden; und man hat dabey nicht so viel Freyheit, neue zusammen zu setzen, als bey jenen. Wenn z.E. einige die Wörter, geheimer Rath, in eins ziehen wollen, so geht es nicht an. Denn man bemerket, daß bey den Beywörtern, die dergestalt mit Hauptwörtern verbunden werden, die letzten Buchstaben weggelassen worden. Als:[223] man saget nicht Jungefrau, Altergesell, Neuesdorf, u.s.w. sondern Jungfrau, Altgesell, Neudorf, Freydenker, Freygeist. Das geht aber bey geheimer Rath nicht an; man wollte denn Geheimrath schreiben, welches aber lächerlich wäre. Die Großmachtskunst klingt, wegen der vielen harten Syllben, nicht gut: zugeschweigen, daß Großmacht noch nicht üblich ist, und hernach kein rechter Begriff in dem Worte liegt. Die Großthaten aber, die einige aufbringen wollen, sind bey weitem mit keiner Großmuth, oder Kleinmuth zu vergleichen10.

8 §. Die III Art der zusammengesetzten Wörter entsteht aus Hauptwörtern und Zeitwörtern, so daß das letzte allemal voran steht. Z.E. Bratspieß, Brecheisen, Brennglas, Brennöl, Fechtmeister, Grabstichel, Heilpflaster, Nähnadel, Reitpferd, Schleifstein, Schmelztiegel, Steigbügel, Tragkorb, Trinkgeschirr, Waschbecken, u.d.m. Diese sind in großer An zahl vorhanden, und verschaffen unserer Sprache einen trefflichen Reichthum. Man kann es auch zuweilen wagen, einige neue von dieser Art zu machen: aber man muß wohl zusehen, daß sie gut klingen, und keine widrigen Begriffe verbinden11.[224]

9 §. Die IV Classe zusammengesetzter Wörter ist die, welche zwar auch aus Haupt- und Zeitwörtern, aber auf solche Art, zusammengesetzet wird, daß die Zeitwörter zuletzt zu stehen kommen, nachdem sie sich in eine Art von Hauptworte verwandelt haben: z.E. aus Almosen, und sammlen, wird ein Almosensammler, und nach eben der Art, aus Buch und binden, ein Buchbinder, ein Büchsenschäfter, ein Dintenklecker, ein Ehrenschänder, ein Fuchsschwänzer, ein Federleser, ein Großsprecher, ein Hutmacher, ein Igelfänger, ein Kreuzträger, ein Lumpensammler, ein Meilenmesser, ein Ohrenbläser, ein Postillenreuter, ein Schornsteinfeger, ein Tellerlecker, ein Vogelfänger, ein Zungendrescher, u.d.m. Man bemerket aber aus der Ähnlichkeit aller dieser Wörter, daß sie insgemein eine Person bedeuten, die etwas machet oder thut, welches durch das vorgesetzte Hauptwort angedeutet wird12.

10 §. Die V Classe zusammengesetzter Hauptwörter ist, wenn man die kleinen Redetheilchen, oder die Bestimmungswörter[225] mit gewissen Hauptwörtern verbindet, da denn wiederum das Hauptwort am Ende steht. Z.E. die Aberacht, das Ebenmaaß, die Hinterlist, das Nachtheil, ein Nebending, Niederland, Oberland, das Übergewicht, ein Vorboth, das Vordertheil, das Widerspiel. Auch von diesen ist eine große Anzahl im Gebrauche; und es gelingt zuweilen einigen Rednern oder Dichtern, imgleichen den Weltweisen, etliche neue zu bilden, die nicht ungeschickt klingen. Allein, man dringe sich nicht ohne Noth dazu; weil es nicht allemal geräth. Denn ob man gleich auf die Art den Zwischenraum, den Unterhalt u.d.m. gemachet hat: so wollte ich doch den Aufeinanderfolg gar nicht billigen, den jemand gewaget hat; zumal da die Folge schon eben das ausdrücket: anderer solcher Ungeheuer13 zu geschweigen.

11 §. Außer diesen Zusammensetzungen bildet die deutsche Sprache zum VI noch viele Hauptwörter, aus andern Redetheilen, so daß kein eigentliches Hauptwort dazu kömmt: z.E. ein Gerathewohl, ein Gernegroß, ein Nimmersatt,[226] ein Taugenicht; und was bisweilen moralische und satyrische Scribenten, für solche neue Verbindungen zu machen pflegen, die manchmal nicht unrecht gerathen. Z.E. Herr Geradezu! Jungfer Haarklein, Herr Ziergern. In neuern Lustspielen thun solche Namen bisweilen gute Dienste, wie man in meiner deutschen Schaubühne, und andern solchen Sammlungen, deren verschiedene finden wird.

12 §. Noch etwas besonders hat unsere Sprache darinnen, daß sie aus der unbestimmten Art aller Zeitwörter, sich in abgesondertem Verstande neue Hauptwörter machen kann. So findet man z.E. bey den besten Schriftstellern, das Essen und Trinken, das Schlafen und Wachen, das Stehen, Gehen und Liegen; das Warten und Hoffen; das Leben und Sterben; das Lügen und Trügen; das Reden und Schweigen; das Bitten und Flehen; das Lieben und Hassen; das Fressen und Saufen; das Spielen und Schwelgen; das Thun und Lassen, und unzähliche solche Wörter mehr. Aber dabey bleibt es nicht. Man setzet auch diese Zeitwörter mit andern kleinen Wörterchen zusammen, und bildet daraus neue Hauptwörter: z.E. das Afterreden, das Daseyn, das Mitmachen, das Nachsinnen, das Nichtmehrthun ist die beste Buße; das Untergraben, das Vorwissen, das Wiederkommen, das Zeterschreyen, u.d.m. Doch ist auch bey diesen eine gute Behutsamkeit nöthig14, daß man nicht zu verwägen dabey werde.

13 §. Eine andere große Menge von Wörtern wird durch gewisse Endsyllben gebildet, dadurch die deutsche Sprache die Bedeutung gewisser andern Redetheile bestimmen lehret. Wir haben aber bey Hauptwörtern die Endungen


[227] e, als Buße, Dinte, Ehre, Feste, Größe, Heerde, Küche, Lüge, Menge, Nonne, Pfarre, Quirle, Ruhe, Stelle, Trage, Wanne, Zunge. Man merke, daß diese fast alle des weiblichen Geschlechtes sind.

el, als der Ärmel, Büttel, Dünkel, Flügel, Frevel, Geißel, Hebel, Himmel, Kümmel, Lümmel, Mandel, Nadel, Prudel, Rummel, Stämpel, Trödel, Würfel, Zündel, u.d.m. Diese Endung pflegt auch oft die Verkleinerungen anzuzeigen; wie von Gurt, Gürtel etc.

en, außer denen, die von Zeitwörtern gemachet werden, kommen hieher, der Boden, Faden, Frieden, Kasten, Laden, Orden, Posten, Rücken, Schlitten, u.d.gl. wohin auch alle die Verkleinerungen, mit chen gehören, als ein Äffchen, Bübchen, Diebchen, Eselchen, Frauchen, Grietchen, Mägdchen, welche von andern mit einem g geschrieben werden.

er, als Anger, Bauer, Donner, Eimer, Führer, Glöckner, Henker, Jäger, Kutscher, Lügner, Maler, Nadler, Opfer, Priester, Schneider, Träger, das Wunder, der Zunder. Diese sind fast alle des männlichen Geschlechts.

ey, z.E. Abtey, Büberey, Buhlerey, Cantorey, Clerisey, Conditorey, Comthurey, Dekaney, Eseley, Fischerey, Fresserey, Gaukeley, Gleißnerey, Hudeley, Hümpeley, Jägerey, Kalmäuserey, Liverey, Mummerey, Narrerey, Pfuscherey, Poeterey, Probstey, Quackeley, Schelmerey, Tändeley, Zänkerey. Diese sind durchgehends weibliches Geschlechtes.

heit, als Anwesenheit, Beschaffenheit, Bosheit, Dummheit, Erfahrenheit, Ergebenheit, Gewogenheit, Keuschheit, Klugheit, Narrheit, Schüchternheit, Verlegenheit, Vermessenheit, Verschlagenheit, Verwägenheit, Zufriedenheit, u.d.m. die ebenfalls weiblich sind.

inn, als Amtmanninn, Burggräfinn, Dichterinn, Einsiedlerinn, Freyherrinn, Gärtnerinn, Herzoginn, Jägerinn, Kaiserinn, Königinn, Kindbetterinn, Lehrerinn, Magisterinn,[228] Nätherinn, Poetinn, Richterinn, u.s.w. lauter weibliche Wörter.

keit, als Artigkeit, Bangigkeit, Barmherzigkeit, Dienstfertigkeit, Ehrbarkeit, Einsamkeit, Fürsichtigkeit, Gütigkeit, Haushältigkeit, Lieblosigkeit, Mäßigkeit, Nüchterkeit, Offenherzigkeit, Ruhmredigkeit, Schamhaftigkeit, Willfährigkeit. Auch diese Endung ist weiblich.

lein, dieß sind Verkleinerungen, z.E. Altärlein, Büchlein, Engelein, Fähnlein, Fräulein, Fingerlein, Herzlein, Knäblein, Liedlein, Mägdlein, Söhnlein, Thierlein, Weiblein, Zipperlein. Sie sind alle des ungewissen Geschlechts.

ling, als Abkömmling, Blindling, Däumling, Fäustling, Frühling, Klügling, Liebling, Neuling, Pfifferling, Säugling, Schößling, Schmetterling, Sonderling, Sprößling, Witzling, Zwilling. Alle männlich.

niß, als Ärgerniß, Befugniß, Beschwerniß, Betrübniß, Bündniß, Erlaubniß, Finsterniß, Gedächtniß, Gefängniß, Gleichniß, Geständniß, Kenntniß, Kümmerniß, Säumniß, Wildniß, Zeugniß.

sal, hat nur wenige, als Drangsal, Irrsal, Labsal, Scheusal, Schicksal, Trübsal. Sind des ungewissen Geschlechts.

schaft, als Anverwandtschaft, Brüderschaft, Dorfschaft, Endschaft, Erbschaft, Freundschaft, Gesellschaft, Gesandtschaft, Hahnreyschaft, Judenschaft, Kundschaft, Landschaft, Mannschaft, Nachbarschaft, Priesterschaft, Sippschaft, Vormundschaft, u.d.gl. Sind weiblich.

thum, als das Alterthum, Beweisthum, Christenthum, Eigenthum, Fürstenthum, Heiligthum, Herzogthum, Heydenthum, Judenthum, Kaiserthum, Lutherthum, Märterthum, Markgrafthum, Papstthum, Priesterthum, u.s.w.

ung, als die Abwechselung, Änderung, Ausarbeitung, Befragung, Beschwerung, Drohung, Erbarmung, Ermahnung, Fürsehung, Gesinnung, Hoffnung, Krönung, Milderung, Mündung, Nachahmung, Opferung, u.d.m.[229]


14 §. Außer diesen haben wir um der fremden Wörter willen, die man im Deutschen angenommen, auch folgende mehrentheils verlängerte, oder verkürzte Endungen der Hauptwörter beliebet und eingeführet:


äer, Essäer, Hebräer, Manichäer, Pharisäer, Saducäer.

al, als Cardinal, Carneval, Official, Principal, Sensal. Nach dem Muster, Quaal, Saal, Thal.

aner, als Arrianer, Cartesianer, Eutychianer, Lutheraner, Pelagianer, Wolfianer, etc.

ant, als Communicant, Duellant, Komödiant, Laborant.

anz, als Concordanz, Dissonanz, Monstranz, Observanz, Popanz; nach den Deutschen Glanz, Kranz, Schwanz, Tanz.

ast, als Chiliast, Enthusiast, Phantast, Piast; wie Ast, Bast, Gast, Last, Mast, Rast, Quast.

ent, Advent, Agent, Consulent, Delinquent, Element, Firmament, Präsident, Sacrament, Student.

enz, Eminenz, Excellenz, Magnificenz, Reverenz, wie Lenz,

et, Anachoret, Poet, Prophet, Universität; wie Brett, Gebeth.

ie, Astronomie, Geographie, Geometrie, Philosophie, Poesie etc. wie Knie, Vieh.

ik, Arithmetik, Logik, Metaphysik, Optik, Pnevmatik.

ier, Clystier, Elixier, Grenadier, Malvasier, Officier; wie Bier, Stier, Thier.

ier, zweysyllbig, Aegyptier, Aethiopier, Hetrurier, Phönizier, Thracier, Vandalier, Volscier, Ubier.

iner, Augustiner, Benedictiner, Gibelliner, Florentiner, Libertiner.

irer, Barbierer, Hausirer, Sectirer, Tapezierer, Visirer.

ist, Amethist, Atheist, Bassist, Casuist, Deist, Discantist, Evangelist, Gambist, Harfenist, Lautenist, etc. wie Frist, List, Mist.

it, Abelit, Adamit, Barnabit, Carmelit, Eremit, Hussit, Jesuit, Levit, Minorit, etc. wie Ritt, Schritt, Tritt.

[230] iv, Creditiv, Laxativ, Perspectiv, Positiv, Präservativ, Vomitiv, etc. wie Brief.

iz, Justiz, Malefiz, Maliz, Miliz, etc. wie Blitz, Fritz, Ritz.

on, Absolution, Benediction, Communion, Devotion, Emigration, Faction, Gratulation, Inquisition, etc. wie Lohn, Sohn, Thon.

ot, Hugenott, Idiot, Patriot, Pilot, Zelot; wie Brod, Noth, Schrot, Tod.


Doch, wie ein jeder sieht, so sind diese Endungen meistens durch Verkürzung der lateinischen Wörter, und Wegwerfung der fremden Endsyllben entstanden; und können also eigentlich für keine deutsche Endungen angesehen werden; außer, soweit einige auch bey uns ihresgleichen haben.

15 §. Außer diesem allen ist noch zu merken, daß die Endung lein, die zur Verkleinerung der Wörter dienet, als Mann, Männlein; Frau, Fräulein; Kind, Kindlein, in gewissen Landschaften, nur el, oder le, oder gar la gesprochen wird; als von Christian, Christel, von August, Gustel, von Fräulein, Fräule, von Büblein, Bübla. Die Schweizer aber machen lin daraus, auch wohl gar nur li. Allein, alle diese Fehler der Aussprache sind nicht werth, in die Schrift zu kommen. Mit besserm Rechte gehöret die Verkleinerungs-Endung chen hieher, als Mann, Männchen, Lamm, Lämmchen15; dafür aber einige fälschlich gen sprechen und schreiben; als Männgen, Lämmgen16.[231]

16 §. So wie man nun am Ende Zusätze zu den Hauptwörtern hat, die ihre Bedeutung bestimmen: so hat man auch gewisse Vorsetzsyllben, die ein gleiches thun. Z.E. das Wort Erz ist eine solche Syllbe, die dem Sinne der Wörter eine besondere Vergrößerung giebt: als Erzvater, Erzherzog, Erzbischof, Erzpriester, Erzlügner, Erznarr u.d.gl. Ob dieselbe von dem griechischen αρχον, oder αρχι herkomme, oder nicht, darf man eben nicht so genau untersuchen: genug, daß sie einmal im Deutschen ist. Dahin gehöret das Wort Haupt, in Hauptgrund, Hauptperson, Hauptgesims, u.d.gl. Ferner das Wort Stief, in Stiefvater und Mutter, Bruder und Schwester, Sohn und Tochter. Noch eine andere solche Syllbe ist das Ur; so saget man z.E. eine Urkunde, ein Urlaub, ein Ursprung, eine Urquelle, ein Urgroßvater; u.d.m.17. Auch dieses erhöhet die Bedeutung der Wörter, wo es sich anbringen läßt: es kann aber auch bey den Beywörtern (ADJECTIVIS) gebrauchet werden, als bey uralt. Es ist zuweilen aus vor entstanden, wie in Urältern: bisweilen aus er, wie in Urlaub, aus Erlaubniß; oder aus Auer, wie in Urochs.[232]

17 §. So wie die lateinische Sprache vormals von ihren Nachbarn, den Griechen, und nachmals so gar von den Galliern verschiedene Wörter angenommen; und wie die heutigen Wälschen und Franzosen von den deutschen Völkern, den Gothen, Longobarden, Burgundern und Franken, die sie eine Zeit lang beherrschet, eine gute Anzahl Wörter bekommen haben: so hat auch die deutsche Sprache sich, von dem Einflusse ihrer benachbarten Sprachen, nicht ganz rein erhalten können. Nun hat sie aber in den ältesten Zeiten unter den Celten, Thraziern und Geten, mit Griechenland; in den mittlern Zeiten, wegen der vielen Kriege der Römer, am Rheine und an der Donau, mit den Römern; in den neuen Jahrhunderten aber, jenseit der Alpen, mit den Wälschen, und jenseit des Rheines, viel mit den Franzosen zu thun gehabt18. Daher ist es kein Wunder, daß sie auch von allen diesen Sprachen eine gute Anzahl von Wörtern angenommen hat.[233]

18 §. Von der griechischen insonderheit etwas zu melden, so hat Casaubonus sie aus dem Angelsächsischen, Goropius Becanus aus dem Holländischen, und Rudbek gar aus dem Schwedischen herholen wollen. Sie haben auch in so weit Grund, als alle diese Mundarten viel Verwandtschaft mit dem alten Celtischen und Scythischen, auch Gothischen haben, aus welchem sie, wie das Hochdeutsche, ihren Ursprung herschreiben. Die Celten aber haben in den ältesten Zeiten ganz Europa, bis an die Säulen Herkuls bevölkert; ja Griechenland und Wälschland zu Lande die ersten Einwohner gegeben: ehe noch die Schifffahrt so hoch gestiegen war, daß auch phönizische, ägyptische, griechische und andere Colonien dahin kommen konnten19.

19 §. Andern kömmt dieses lächerlich vor, und sie bestreben sich daher, lieber das Deutsche aus dem Griechischen herzuleiten. Von vielen Wörtern, die sonderlich die christliche Religion betreffen, ist solches unstreitig. Wer kann es läugnen, daß nicht Apostel, Bibel, Bischof, Epistel, Evangelist, Litaney, Münch, Papst, Patriarch, Priester, Prophet, ja so gar Kirche (von κυριακη) daher käme? Ein anders ist es mit weit ältern Wörtern, die gleichwohl mit dem Griechischen so augenscheinlich übereinkommen; als


Anker, mitαγκυρα.

Butter,βουτυρον.

Burg,πυργος.

Feuer,πυρ.

Fuß,πους.

Kopf,κεφαλη.

Kümmel,κυμινον.

Kupfer, vonκυπρος.[234]

Küras, vonκυρητες.

Maus,μυς.

Mutter,μητηρ.

Namen,ονομα.

Reuter, vonρυτορ.

Sack,σακκος.

Salz,ἁλς.

Schiff,σκαφα. oder σκευη.

Stern,ασηρ.

Thier,θηριον.

Thüre,θυρα.

Tochter,θυγατηρ.

Vater,πατηρ.

Zepter,σκεπτρον.

Zyther,κυθαρα.20[235]


20 §. Eben das kann man von etlichen lateinischen Wörtern sagen. Auch hier hat neuerlich die Religion ihre Macht in gewissen Wörtern bewiesen; als in


Altar,vonALTARE.

Caplan,vonCAPELLANUS.

Chor,vonCHORUS.

Kanzel,vonCANCELLI.

Kelch,vonCALIX.

Kloster,vonCLAUSTRUM.

Küster,vonCUSTOS.

Messe,vonMISSA.

Metten,vonMATUTINA.

Oblate,vonOBLATUS.

Opfer,vonOFFERRE.

Papst,vonPAPA.

Pfaffen,vonPAPA

Tempel,vonTEMPLUM.

Vesper,vonVESPERA.

Vigilien,vonVIGILIÆ, u.d.gl.


Wo bleiben nun noch die andern, die eben so unstreitig lateinisch sind: als:


Axe, AXIS.

Axt, ASCIA.

Camin, CAMINUS.

Capitel, CAPITULUM.

Exempel, EXEMPLUM.

Figur, FIGURA.

Frucht, FRUCTUS.

Horn, CORNU.

Kaiser, CÆSAR.

Karren, CARRUS.

Kalmus, CALAMUS.

Körper, CORPUS.

Krone, CORONA.

Metall, METALLUM.

Natur, NATURA.

Pallast, PALATIUM.

Pinsel, PENICILLUM.

Puls, PULSUS.

Pult, PULPITUM.

Register, REGISTRUM.

Staat, STATUS.

Straße, STRATUM.

Tact, TACTUS.

Thurm, TURRIS.

Titel, TITULUS.

Werder, VIRIDARIUM.

Wind, VENTUS.

Witwe, VIDUA, u.a.m.


21 §. Gleichwohl aber machet dieses alles noch nicht, daß auch alle übrige, die wir mit dem Lateinischen ähnlich befinden,[236] ganz gewiß von lateinischer Abkunft seyn müßten; wie uns einige bereden wollen. Denn was hat es für Wahrscheinlichkeit, daß z.E. die Deutschen


den Acker, von AGER.21

den Arm, von ARMUS.

das Auge, von OCULUS.

die Birne, von PYRUM.

das Dach, von TECTUM.

den Donner, von TONITRU.

die Kathe, von CASA.

die Katze, von CATUS.

den Käse, von CASEUS.

den Keller, von CELLA.

die Maus, von MUS.

den Karren, von CARRUS.

den Leimen, von LIMUS.

den Lein, von LINUM.

die Lippe, von LABIUM.

die Nase, von NASUS.

das Ohr, von AURIS.

das Pferd, von VEREDUS.

das Salz, von SAL.

das Schiff, von SCAPHA.

die Sonne, von SOL.

den Weg, von VIA.

das Wort, von VERBUM, u.d.gl.


sollten nennen gelernet haben? Sollten nämlich die Alten diese Dinge nicht eher zu nennen gewußt haben, als bis sie mit den Römern bekannt geworden?

22 §. Man thut also, in Ansehung der letzten Art von Wörtern, am besten, wenn man weder eins, noch das andere behauptet, sondern die Mittelstraße geht. Die vernünftigsten Gründe geben es nämlich, daß alle europäischen Sprachen von der alten celtischen, und scythischen ihren Ursprung genommen haben. Von dieser alten gemeinschaftlichen Mutter und Großmutter nun, haben die griechische, lateinische, deutsche und sklavonische Sprache, als die vier europäischen Hauptsprachen, eine große Anzahl Stammwörter, so unverfälscht beybehalten, daß sie einander darinnen noch gewissermaßen[237] ähnlich sind. Denn wenn man entweder einige Buchslaben ausläßt, oder versetzet, oder hinzusetzet, oder verwandelt: so sieht man, daß es eben dieselben Wörter sind, die in allen, oder etlichen dieser Sprachen herrschen. Dieses haben Besold, Leibniz, Eckard, Wachter, u.a.m. sonderlich Pelloutier, in seiner Historie der Celten, und noch neulich BULLET in seinem celtischen Wörterbuche, sehr deutlich gewiesen.

23 §. Weit geringer ist die Zahl derjenigen Wörter, die wir von unsern neuern Nachbarn, den Pohlen, Wälschen und Franzosen angenommen haben. Denn wenn wir bey den ersten die Titel gewisser Ämter und Würden, als Woywode, Starost, u.d.gl. das Wort Kretschem, welches in Schlesien und in der Lausitz eine Schenke heißt, und wenige andere ausnehmen22; den Italienern das Wort Arie, Cantate, Lärmen, (AL' ARME) Noten, Opern, Post, Serenate, Spesen, Strapazen, sonderlich musikalische Kunstwörter; den Franzosen gewisse Namen der Tänze, der Kleidungen, sonderlich des Frauenvolkes, und einige kriegerische Kunstwörter wiedergeben: so werden wir uns übrigens gar wohl ohne sie behelfen können. Es ist nämlich nur eine unnöthige Mengesucht einiger vormaligen Schriftsteller gewesen, daß sie sich unzähliche fremde Wörter angewöhnet, die man eben sowohl deutsch geben kann, wenn man nur in guten deutschen Büchern ein wenig belesen ist.[238]

24 §. Um davon ein Beyspiel zu geben, wollen wir die Kriegesbedienten vornehmen, die man vormals Gebiethiger nannte, itzt aber ohne Noth Officiers23 zu nennen pflegt, und mehrentheils mit französischen Namen beleget. Man hat aber bey dem kaiserlichen Kriegeswesen, fast durchgehends lauter deutsche Benennungen der sämmtlichen Befehlshaber, und anderer dahin gehörigen Stücke. Diese will ich, so wie sie mir von einem vornehmen kaiserlichen Obersten mitgetheilet, und von mir mit einigen vermehret worden, hieher setzen; um zu zeigen, daß man der ausländischen Namen gar nicht nöthig hat.


Es heiße also


ein GOUVERNEUR,ein Statthalter.

ein COMMENDANT,ein Befehlshaber einer Vestung.


Ferner, bey dem großen Stabe24:


GENERAL EN CHEF

GENERALISSIMUSder Feldherr,

MARECHAL DE CAMPFeldmarschall,

FELDMARECHAL-LIEUTENANTUnterfeldmarschall,

GENERAL DE CAVALLERIEFeldoberster,

GENERAL D'ARTILLERIEFeldzeugmeister,

GENERAL D'INFANTERIEFeldhauptmann,

GENERAL-LIEUTENANTUnterfeldhauptmann,

GENERAL-MAJORFeldwachtmeister,

COLONELOberster,

COLONEL-LIEUTENANTUnteroberster,

MAJOROberstwachtmeister,

CAPITAINE D'INFANT. DE CAV.Houptmann, Rittmeister,[239]

LIEUTENANT PREMIERerster Unterhauptmann,

LIEUTENANT SECONDzweyter Unterhauptmann

NB über 50 Mann.

ENSEIGNE, CORNETFähnrich, über 40 Mann,

SERGEANTFeldwaibel, über 30 Mann,

CAPITATNE D'ARMESFahnjunker, oder Führer,

FOURIERRechnungsführer,

CORPORALRottmeister, Gefreyter, u.s.w.


Worauf noch die Spielleute, das ist Trompeter, Pfeifer und Trummelschläger, nebst den Gemeinen folgen. Überhaupt aber nenne man deutsch


die INFANTERIEFußknechte, Söldner,

die CAVALUERIEReuter, Söldner,

die CUIRASSIERSgeharnischte Reuter, Söldner,

die DRAGONSleichte Reuter, Söldner,

die MUSQUETAIRESLeibschützen, oder Trabanten,

die CARABINERSBüchsenschützen,

die FUSELIERSFlintenschützen,

die GARDEdie Leibwache, u.d.gl.


Eben so heiße man im kleinen Stabe,


den Regiments-QuartiermeisterLagermeister,

den AUDITEURFeldschultheiß,

den AUMONIERFeldprediger,

den Regiments-SECRETAIREFeldschreiber,

den PREVOSTStockmeister, Steckenknecht

und Freymann, oder Henker.


[240] Außer diesen nenne man:


die ARMÉE,das Kriegesheer, die Heerschaaren,

die AVANTGARDE,den Vortrab,

die ARRIERGARDE,den Nachtrab,

das GROS der ARMÉE,das Hauptheer,

ein DETACHEMENT,einen abgesonderten Haufen,

ein Regiment,eine ganze Schaar,

ein BATAILLON,eine halbe Schaar,

ein ESCADRON,ein Geschwader,

eine COMPAGNIE,eine Fahne, ein Fähnlein,

einen DESERTEUR,einen Flüchtling, Überläufer,

den MARCHE,den Zug, Heerzug, Aufbruch,

eine CAMPAGNE,einen Feldzug,

eine BATAILLE,eine Schlacht, Feldschlacht,

eine ACTION,ein Scharmützel,

eine RETIRADE, FUITE,einen Rückzug, eine Flucht,

ein CORPS DE RESERVE,einen Hinterhalt,

ein CORPS DE GARDE,ein Wachthaus, die Wache,

das PIQUET,eine Feldwacht,

die ARTILLERIE,das Geschütz, Donnerbüchsen,

die CANONS,Karthaunen, ganze, halbe, u. viertel,

die MORTIERS,Mörser,

die ATTAQUE,den Angriff, Anfall,

den MINIRER,einen Schanzgräber,

die APPROCHEN,Laufgräben,

die RETRANCHEMENTS,Verschanzungen,

MINIREN und SAPPIREN,Untergraben,

das BLOQUIREN,Einschließen, sperren,

die BLOCADE,Sperrung der Zufuhr,

die PROVISION,den Mundvorrath,

die MUNITION,das Kriegesbedürfniß,

das PROVIANT,Nahrungs- oder Lebensmittel,

die FOURAGE,hart, rauh Futter, u.d.gl.25[241]


25 §. Indessen wollen wir deswegen alle die Grillen einiger vormaligen Zesianer, und Pegnitzschäfer, auch Glieder der fruchtbringenden Gesellschaft nicht billigen; die alles, was einigermaßen fremd war, aus dem Deutschen ausmärzen wollten. Es ist nicht ganz möglich, sich in einer Sprache aller ausländischen Redensarten zu enthalten. Nahmen doch die Griechen vormals persische, phönizische und ägyptische, ja wohl gar celtische und thrazische; die Lateiner aber griechische, punische und gallische Wörter auf. Wo man die Sache selbst von einem benachbarten Volke bekommen hat, da muß man auch wohl das Wort behalten26: so wie die Franzosen eine zurückschlagende Kutsche, Berline nennen, weil sie in Berlin erfunden worden; ein gewisses Kartenspiel aber LANSQUENET, von Landesknecht heißen: welches die deutschen Soldaten erfunden haben, die man vormals so genannt hat.

26 §. Weil viele Franzosen es läugnen, daß ihre Sprache viele deutsche Wörter in sich habe, die ganz offenbar erweisen, daß ehemals die deutschen Franken ihre Beherrscher gewesen; ja daß man an ihrem Hofe bis an die Zeiten Hug Schaplers (HUGONIS CAPETI) die fränkisch-deutsche Sprache geredet habe: so hatte ich hier in den vorigen Ausgaben ein[242] kleines Verzeichniß solcher Überbleibsel hergesetzet. Es waren aber dieselben lange nicht alle, sondern nur die merklichsten, worinn auch ein Widerspänstiger den deutschen Ursprung erkennen mußte27. Viele andere, da es nicht so augenscheinlich ist, übergieng man hier mit Fleiß; imgleichen solche, die nur in den ältern französischen Schriftstellern vorkommen, itzo aber nicht mehr im Gebrauche sind. Doch da dieß mehr zur französischen als deutschen Sprachkunst gehörete, so habe ich es hier weggelassen.

27 §. Aus dem Wälschen könnte man gleichfalls ein großes Verzeichniß der deutschen Wörter machen, die sie von ihren vormaligen gothischen und longobardischen Siegern und Herren behalten haben. Allein, wir wollen es bey dem obigen bewenden lassen.

28 §. Wenn man indessen einige fremde Wörter im Deutschen entweder findet, oder neue aus Noth brauchen muß: so gebe man ihnen, so viel möglich ist, ein einheimisches Ansehen; d.i. man lasse am Ende die fremden Schlußsyllben weg, und gebe ihnen deutsche Endungen. So haben unsere[243] Alten, aus dem Worte CHALUMEAU, (von CALAMUS) Schallmey, aus PASTORELLA, ein Pastoreil, aus RECITATIVO, ein Recitativ, aus OPERA, eine Oper, aus PELLEGRINO, einen Pilgrim, u.s.w. gemachet. Eben so hat man es mit den griechischen und lateinischen Wörtern gehalten. Aus PRINCEPS ward Prinz, aus PROVINCIA, Provinz, aus CHRISTIANUS, ward ein Christ, aus EREMITA, ein Eremit, aus POETA, ein Poet, aus NATURA, die Natur, aus TEMPLUM, EXEMPLUM, Tempel, Exempel; aus REGISTRUM, Register, aus CANCELLI, Kanzel, aus CATUS, der Kater, aus PALATIUM, Pallast gemachet; welchen Beyspielen man, so viel möglich ist, folgen muß28.

29 §. Schicket sichs aber, daß man die fremden Gäste auch in ihrer natürlichen Gestalt, für Landesleute ansehen kann: so lasse man ihnen ihre ganze Tracht: z.E. ein Ball für Tanz, das PORTO, das AGIO, u.a.m. bleiben in ihrer Endung: wo man sie nicht lieber das Postgeld, das Fuhrgeld, oder die Fracht, und das Aufgeld nennen will. Denn auch hier wäre es möglich, eine große Menge solcher fremder Wörter zu entbehren, und gleichgültige deutsche an die Stelle zu setzen. Was hindert uns z.E. solches in der Musik zu thun29?


[244] ADAGIO, langsam.

ALLEGRO, munter.

ANDANTE, mäßig.

ARIA, Gesang oder Lied.

CANTATA, ein Singgedicht.

CHALUMEAU, Schallmey.

FLUTE TRAVERSE, eine Querflöte, od. ALLEMANDE, od. deutsche Flöte.

FLUTE Á BEC, eine Schnabelflöte.

LARGO, sehr langsam.

MOLTO ALLEGRO, seht munter.

Die OPERA, ein Singespiel.

PRESTO, geschwind.

PRESTISSIMO, sehr geschwind.

RECITATIVO, das Redende.

SERENATA, eine Abendmusik.

VIOLINE, die Geige.

VIOLONCELLO, die Mittelgeige.

VIOLON, die tiefe Geige.

VIOL D'AMOUR, die Doppelgeige.


Eben so heißt:


ALLEMANDE, ein deutscher Tanz

ANGLOISE, ein engländischer Tanz

BOURRÉE, ein alter Bauren-Tanz

COURANTE, ein laufender Tanz

GAVOTTE, ein Gassenhauer, Tanz

MENUET, ein französischer Tanz

PAïSANNE, ein Bauem-Tanz

POLONOISE, ein pohlnischer Tanz

SARABANDE, ein spanischer Tanz.

SICILIENNE, ein sicilianischer Tanz.

IL SOPRANO, die Oberstimme.

IL DISCANTO, die Singstimme.

IL ALTO, die hohe Mittelstimme.

IL TENORRE, die tiefe Mittelstimme.

IL BASSO, die Grundstimme.

VOLTI, kehr um.

DA CAPO, von Anfange.

VOLTI SUBITO, kehr geschwind um.

PIANO, sacht.

FORTE, stark.

ARPEGGIO, durchbrochen.

STOCCATO, gestoßen, u.d.m.


30 §. Noch eins ist in Ansehung der verschiedenen Geschlechter in Titeln und Würden zu merken, die zuweilen auf verschiedene Art gebildet werden. Denn bey einigen, wird dem Herrn die Frau entgegen gesetzet, dem Junker das Fräulein, dem Junggesellen die Jungfer, dem Lackeyen das Mägdchen, dem Diener die Magd. Und dieß geschieht, wenn diese wirklich selbst in Diensten stehen; als da sind:


Der Kammerherrdie Kammerfrau,

Der Kammerjunkerdas Kammerfräulein,[245]

Der Kammerdienerdie Kammerjungfer,

Der Kammerlackeydas Kammermägdchen, u.d.gl.


Hergegen, wo das Frauenvolk nicht selbst die Dienste thut, da behalten sie den Namen ihrer Männer, mit einer weibliehen Endung. Z.E.


MinisterMinisterinn,

Geheimer RathGeheime Räthinn,

KammerjunkerKammerjunkerinn,

Kammerrath,Kammerräthinn,

Hofrath,Hofrähinn,

Kammerdiener,Kammerdienerinn,

Bürgermeister,Bürgermeisterinn, u.s.w.


Der Doctor,die Doctorinn,

Der Professor.die Professorinn,

Der Magister,die Magisterinn,

Der Rector,die Rectorinn,

Der Conrector,die Conrectorinn,

Der Kramer,die Kramerinn,

Der Meister,die Meisterinn,

Der Schneider,die Schneiderinn, u.s.w.


Nur bey der Oberhofmeisterinn, und Hofmeisterinn junget fürstlicher Herrschaften, leidet dieses eine Ausnahme: indem nämlich dieser Titel eine wirkliche Bedienung der Frauenspersonen, nicht aber eine bloße Heurath anzeiget.

Fußnoten

1 Ölinger, einer unserer ältesten Sprachlehrer, übergeht diese Abhandlung ganz, und beruft sich auf das Latein, womit das Deutsche übereinkäme, wie er meynet. Allein, Klajus giebt schon in der ersten Ausgabe von 1578, das ein, und der, die, das, zum Kennzeichen der Nennwörter an.


2 Es ist nicht zu sagen, was die alte deutsche Sprache an ursprünglichen eigenen Namen fruchtbar und reich gewesen. Wenn man die alten römischen und griechischen Geschichtschreiber liest, findet man deren eine große Menge; ob sie gleich bisweilen etwas verstümmelt sind, so daß ein Kenner dazu gehöret, sie zu erklären. Denn diese gelehrten Völker nahmen sich insgemein die Mühe nicht, deutsche, in ihren Augen barbarische Namen, recht auszusprechen, oder zu schreiben; wie man im Cäsar, Tacitus, u.a. sieht. So ist es gewiß, daß Ariovistus, Ehrenvest, Arminius, Hermann, Catualdus, Gottwalt, Civilis, Siegviel, Vercingetorix, Herzog Hinrik, Segovesus, Siegvest, Athalarikus, Adelreich, Athaulphus, Adolf, Genserikus, Ganzreich, Viridomarus, Friedmar, u.d.gl. geheißen: wie Luther in seiner Abhandlung von den eigenen Namen der Deutschen viele dergleichen glücklich erkläret hat. S. der kritischen Beyträge V B. Nimmt man die neuern Schriftsteller der mittlern Zeiten, einen Jornandes, Warnefried, Cassiodor, Paulus Diakonus, Saxo Grammatikus, Dietmar von Merseburg, u.d.m. die von den Gothen und Langobarden, Sachsen und andern deutschen Völkern gehandelt haben: so liefern selbige noch eine weit größere Menge derselben, die sich mehrentheils sehr wohl erklären lassen; wie denn auch Zinkgräf in seinen Apophthegm. der Deutschen, viele ganz wohl erläutert hat. Die größte Sammlung altdeutscher, allemannischer, burgundischer und fränkischer Namen findet man in Goldasts SCRIPTORIBUS ALLEMANNICIS, aber ohne Erklärung. Allein, es befindet sich in einer großen Menge deutscher Urkunden, die seit der Zeit im Drucke bekannt geworden, noch eine ungeheure Menge anderer Namen, womit jene Sammlung sehr bereichert werden könnte. Wo bleiben noch alle die angelsächsischen Namen, die man in den engländischen Geschichten findet? wo alle die dänischen, norwegischen, isländischen und schwedischen Namen, die man in den nordischen Alterthümern antrifft; und die gleichfalls zu der GERMANIA MAGNA gehörten? Will man nun von den Personen auch zu den Namen der Örter gehen, so trifft man in Cluvers GERMANIA, in P. Hergotts ORIGI NIBUS DOMUS HABSBURGICÆ, in Hrn. BOCHATS Alterthümern der Schweiz, sonderlich aber in Hrn. Pelloutiers HISTOIRE DES CELTES eine große Menge derselben erkläret an. Dieser geht auch mit Grunde so weit, daß er in ganz Europa die Spuren der alten celtischen deutschen Sprache überall findet; sonderlich in Frankreich, dessen alte Bewohner nähere Brüder der Deutschen gewesen. Und lehren nicht die Namen fast aller fränkischen Könige der Gallier, von Pharamunden, bis in die neuern Zeiten, daß sie alle deutsches Ursprunges gewesen? Denn welcher Franzos kann uns erklären, was sie bedeuten: wenn wir sie nicht aus deutschen Stammwörtern herleiten? Dieß wäre also einmal eine Beschäfftigung eines guten Patrioten, uns eine völlige Sammlung und Erklärung aller deutschen Namen zu geben; die gewiß in neuern Zeiten, durch die lateinischen, griechischen und hebräischen, welche das Christenthum eingeführet hat, gar zu sehr verdrungen worden. Was unlängst D. Bullet, in seinem großen Werke von der Sprache der Celten für Proben davon gegeben, dörfte bey Kennern wenig Beyfall finden. Sieh des Neuesten aus der anmuthigen Gel. VI Band, im ersten Art. des Windmonaths.


3 Man muß also sagen, daß die NOMINA PROPRIA den ENTIBUS CONCRETIS, oder INDIVIDUIS; die APPELLATIVA aber den ABSTRACTIS, d.i. den SPECIEBUS und GENERIBUS zugehören, wenn man es lieber mit lateinischen Kunstwörtern ausgedrücket haben will.


4 Es ist aber darum noch nicht ausgemachet, daß ein jedes einsyllbiges Hauptwort ein Stammwort sey. Z.E. Mensch, Jagd, Volk, sind wohl einsyllbigt: und doch kömmt jenes von Mann, männisch, oder wie andere glauben, von אנש ANASCH, ein Mann. Dieses von jagen, das Gejage, oder wie noch im Theuerdank steht, das Gejaid; und das letzte von folgen: wie ich aus einer alten Handschrift der herzogl. Gothaischen Bibliothek von Heinrichen von Veldeke ersehe, darinn fast immer, sin Volg, d.i. sein Gefolg, sein Volk; bisweilen auch Folk; so wie volgen, und folgen, ohne Unterschied steht. Eben so kömmt Frau, von Freye; wie noch Luther, die Magd, Hagar, der Freyen, das ist ihrer Frau, entgegen setzet. Es darf auch niemanden die Verwandelung des ey, in au, oder aw, wie die Alten schrieben, Wunder nehmen: da es ja bekannt ist, daß man aus Neuenburg, Naumburg gemachet hat. So kömmt ferner ohne Zweifel auch Stroh, von streuen; Heu, von hauen; Schmied, von schmieden, u.d.gl. her: nicht zwar aus dem INFINITIVO, sondern aus dem IMPERATIVO, der bey den Alten einsyllbig war.


5 Ein gelehrter Mann hat mir eine dreyfache Abtheilung der Bogengeschütze entgegen gesetzet; 1) die ganze Rüstung, die mit einer Winde gespannet wird; 2) die halbe Rüstung, die mit einem schlechten Spanner aufgezogen wird; 3) die Armbrüste, oder kleinern und schwächern Bogen für Kinder, die mit dem bloßen Arme an der Brust gespannet werden. Mich dünket aber, daß die Benennung der Armbrüste allgemein ist. Frisch in seinem Wörterbuche unterscheidet sie nicht, und beschreibt sie als eine Art eines Geschützes mit der Sehne. Scorpius nennt sie, CATAPULTAM BRACHIALEM. Der alte Tschudi saget; der Armbruster wird von der Stadt Lucern geschickt zum Gesellenschießen. T.H.p. 590. Auch Stumpf in seiner Chronik schreibt aufs 1314 Jahr; vom berufnen Wilhelm Teil, der ein verrümmt Armbrostschütz was: gewiß nicht zum Spiegelfechten! Und zeiget denn nicht die Benennung der ganzen und halben Rüstung, daß auch in Armbrust, die letzte Syllbe vom rüsten, nicht aber von der Brust kommen müsse? Ja, was wäre es für ein wunderlich Wort, das aus Arm und Brust, zusammengesetzet würde, gleichwohl aber ein Geschütz bedeuten sollte? Gerade, als wenn man Augennase zusammensetzte, um eine Brille anzuzeigen! So wunderlich macheten unsere Vorfahren ihre Wörter nicht. Ein anderer Gönner will es von dem jägerischen Kunstworte börsten oder pürsten, wie man in Obersachsen spricht, herleiten. Das heißt aber OBSCURUM PER ÆQUE OBSCURUM erklären. Denn was ist börsten, oder pürsten, etymologisch zu reden?


6 Man sehe davon die Bemühungen eines Claubergs, Vorstius, Casaubons, Lipsius, Leibnitz, Eckards, Vossius, Wachters, Frisches u.v.a. in ihren kleinern und größern Werken, die aus den alten deutschen Mundarten unzählige Wörter ins Licht gesetzet haben; imgleichen die kritischen Beyträge hin und wieder.


7 Wenn ich sage, daß unsere Sprache geschickt dazu ist, so will ich darum nicht alle Zusammensetzungen billigen, die von vielen gar zu neugierigen und modesüchtigen Schriftstellern schon gewaget worden. EST MODUS IN REBUS, SUNT CERTI DENIQUE FINES! Man muß in allen Dingen Maaß halten; aber auch dann, wann es nöthig ist, etwas neues zu wagen, die Sprachähnlichkeit und den Wohlklang beobachten: wie weiter unten folgen wird.


8 Auch hierwider ist mein schlesischer Freund, der durchaus die Theilungszeichen behalten wissen will. Er giebt Exempel von Wörtern, die man ohne dieselben schwer lesen kann: Z.E. Eheideen, Theil scala, u.d.gl. Allein dieser wunderlichen Zwitter wegen, die ohne dieß im Deutschen ungebethene Gäste sind, da wir andere Wörter dafür haben, darf man gewiß ein wohlhergebrachtes Recht bey einheimischen nicht fahren lassen. Warum saget man nicht Ehstandsgedanken, oder Maaßstab? so wird sich niemand an der Verbindung stoßen. Der zweyte Einwurf kömmt von Wörtern her, die alsdann zween Accente bekommen: wie in vielsyllbigen allemal geschieht. Hier meynet er, ohne Theilungszeichen könnte man solche Wörter nicht recht aussprechen, weil man nicht wüßte, wo der Ton hinfallen müsse. Allein, haben wir denn nicht sonst Wörter genug im Deutschen, wo zwo lange Syllben entweder gleich auf einander, oder doch bald hernach folgen? Z.E. die Aussprache, Großvater, Annahme, unbarmherzig, unerlaubet, der Menschenfresser, u.a.m. die kein Mensch abtheilet. Mein Herr Gegner schreibt selbst, Zusammensetzung, in einem Stücke: worinnen doch augenscheinlich zwo lange Syllben vorkommen. Was aber endlich die gar zu langen, Wörter aus drey, vier Stücken betrifft, so wird davon im folgenden die Regel gegeben.


9 Es ist aber damit durchaus nicht ausgerichtet, daß alle Theile eines zusammengesetzten Wortes deutsch sind: z.E. Opitz nennet den Bacchus:

Geistrührer, Wackelfuß, Mund binder, Sinnentoll. Das sind größtentheils ungeschickte Zusammensetzungen, zumal sie so dicht zusammen gestopfet sind. Viel besser nennet er seine Laute, die Kummerwenderinn. Und was hat der deutsche Pantagruel nicht, aus lauterm Muthwillen, für seltsame Verbindungen der Wörter gemachet? Indessen kann ich es nicht leugnen, daß in dem Reichskanzleystile eben solche widerliche und unleidliche Verbindungen häufig vorkommen. So finde ich z.E. eine Beschäfftigungssorge, die Cassaumstände, der Jahrsverfluß, Theilungsverwendung, Beschwerführungen, der Außenstand, die Mannschaftsstellung, die Creismilitarverfügungssache, u.d.m. Was für Misgeburten?


10 Doch hat man auch zuweilen Verbindungen, wo die Beywörter nicht so kurz abgebissen sind, und die doch wohl klingen. Z.E. Reichenhof, Reichenthal, klingen so gut, als Hr. von Wildholz. Nauendorf, Altenburg, Langendorf, Kaltenbrunn, Wildenborn, sind wirkliche Namen sächsischer Örter: wo man bloß des Wohlklanges halber, das en eingeschaltet hat. Dieß muß man in neuen Namen zuweilen nachmachen. Zuweilen steht auch das Beywort am Ende, als kummerfrey, sorglos etc.


11 Opitz z.E. hat einen Zwingeland gemachet, um einen CONQUERANTEN deutsch zu geben: allein, mit schlechtem Glücke. Denn diese Verbindung würde ein Land anzeigen, welches zwingt, und nicht, welches gezwungen wird. Ein Länderzwinger sollte es heißen. Ein Störenfried ist eben so falsch, um einen Friedenstörer auszudrücken. Ein Trunkenbold heißt in einer alten Komödie Stürzebächer; aber falsch. Der Bächer stürzet nicht, sondern wird gestürzet: darum sollte es heißen der Bächerstürzer. Auch der Fingerzeig einiger Oberdeutschen besteht nicht in der Probe. Denn zeig ist kein Wort: es müßte zur Noth eine Zeigung oder eine Zeige heißen: denn man saget Anzeigung, und Anzeige.


12 Wer sich nach dieser Analogie richtet, und sonst den Wohlklang zu beobachten weis, der kann auch eine unzählige Menge neuer Zusammensetzungen wagen, und die Sprache damit bereichern. So hat z.E. Rachel, die Zesianer, zum Spotte Hirsenpfriemer geheißen: weil sie eben solche Künstler in der Dichtkunst seyn wollten, als einer, der Hirsenkörner mit einer Pfrieme durchbohren wollte. Aber sie gerathen auch nicht allemal. Z.E. das Wort Achselträger ist nicht richtig zusammengesetzet. Denn man meynet nicht einen Menschen, der Achseln trägt, wie das Wort anzeiget; sondern einen, der den Mantel auf beyden Achseln trägt, welches durch jenes Wort nicht ausgedrücket wird. Ja selbst der Zungendrescher scheint hier die Probe nicht auszuhalten: ein Weizendrescher, heißt einer, der Weizen drischt. Die Zungen aber drischt man nicht, sondern mit der Zunge.


13 Der Reichsstil wimmelt von solchen Wörtern, die jeder Schreiber daselbst nach seinem eigenen Dünkel aushecket. Z.E. das Abmaaß, die Obsorge, der Außenstand, die Vereigenschaftung, die Ausgleichung, die Berichtigung, der Abschluß, rücktheilig, gemeinverläßig, Vorkommenheiten, u.d.gl. seltsame Wortgespenster, davor ein deutsches Ohr laufen möchte. Alle diese Blümchen stehen in einer kurzen Schrift, die unter dem Namen PROPONENDA, auf den fränkischen Kreistag, den 1 Oct. 1751 in den öffentlichen Zeitungen gestanden. Ist das nun ein wahres, fränkisches Hofdeutsch, darauf sich gewisse Gelehrte und Publicisten in ihren Staatsgrammatiken soviel zu gute thun: so weis man wahrhaftig nicht, was denn rothwälsch heißen soll. Was denken immermehr Franzosen und andere Ausländer, wenn sie dergleichen öffentliche Staatsschriften in ihre Sprachen übersetzen wollen; worinnen unzähliche solche seltsame Misgeburten vorkommen, die in keinem Wörterbuche stehen, und sich gar nicht übersetzen lassen? Und ist es wohl ein Wunder, wenn hernach auch Fürsten und Herren, lieber alles in französischer Sprache lesen? da ihre deutschen Concipienten lauter solch fürchterliches Zeug zu Markte bringen, aus welchem mehrmals kein Verstand zu erzwingen ist.


14 Es ist hier von der Reichsacten Schreibart eben das zu sagen, was bey dem vorigen erinnert worden. Ja selbst die sächsischen Landtagsacten, und der übrige Gerichtsstil sind nicht ganz fehlerfrey.


15 Diese Art, die Verkleinerung zu machen, ist in einem großen Theile Deutschlandes im Gebrauche: doch so, daß deswegen das lein nicht verworfen wird; weil es theils in der Bibel, theils in geistlichen Gesängen häufig vorkömmt. So nennet man eine adeliche Jungfrau doch ein Fräulein; ob man gleich sonst im Umgange lieber das chen brauchet, als ein Herrchen, für Herrlein, ein Stäbchen, ein Thierchen, ein Hündchen.


16 Weil einige Obersachsen glauben, ihre Verkleinerung gen sey besser, als chen, so muß ich doch die Ursache anführen, warum es nicht so ist. Das Plattdeutsche entscheidet durch sein ken, für das chen. Denn im Niedersächsischen spricht man en Männken, en Deerken, en Minschken, für Männchen, Thierchen, Menschchen. Nun ist aber k und ch näher mit einander verwandt, als daß g, z.E. wir schreiben Jülich, und im alten Reineke Fuchs steht Güleker Land: wir sagen gräßlich, Reineke Fuchs hat gräßlike; so heißt machen, plattdeutsch maken, Kochen heißt Kaken, Kuchen, Koken, Sachen, Saken, u.d.gl. Kurz chen ist so viel als ken.


17 Egenolf in seiner Hist. der deutschen Sprache, will dieses aus er, herleiten. Dahin kann man auch die Syllbe un, mis, und einige andere rechnen, die nur immer zu Bestimmung der Bedeutung vor andere gesetzet werden. Die erste benimmt zuweilen denen Wörtern, die darauf folgen, alle Kraft; z.E. Glück, Unglück, möglich, unmöglich, wahrscheinlich, unwahrscheinlich; zuweilen aber giebt es ihnen einen ganz andern Begriff; z.E. ein Unding, ein Unstern, eine Unholde, ein Unthier, ein Ungeziefer, der Unwillen. Das letzte aber kömmt ihm in beyden gleich: z.E. im ersten, Vertrauen, Mistrauen; Gunst, Misgunst; Laut, Mislaut; im andern Falle aber, ein Misgeschick, eine Misgeburt, ein Misverstand, eine Misheurath, u.d.m. Bisweilen verdringt dieses mis auch wohl eine andere Syllbe, als Gebrauch, Misbrauch: doch saget man freylich auch einfach der Brauch.


18 Ein gelehrter Mann hat uns neulich auch bereden wollen, daß wir auch viel wendische und pohlnische Wörter ins Deutsche bekommen hätten. Allein, wenn man einige Namen von Städten und Dörfern in Pommern, der Mark, Schlesien, Lausitz und Meißen ausnimmt, so wird das übrige nichts bedeuten. In Schlesien heißt eine Schenke ein Kretschem, und ein Gastwirth ein Kretschmer. Bey Dresden heißt Ostra, eine Insel. Bursch aber, welches Herr Wachter in s. GLOSSARIO von TOWARSCH herleitet, ist offenbar aus dem französischen BOURSE, entstanden: denn im XIII Jahrh. schon, trug der Rector der hohen Schule zu Paris einen seidenen Beutel am Gürtel, weil er das Haupt aller BOURSIERS, d.i. Stipendiaten des Königs war. S. LES MUSES EN FRANCE: oder den Auszug davon im Neuesten, aus der anmuth. Gel. I B.a.d. 107 S. Vielmehr haben die Pohlen verschiedene deutsche Wörter im Pohlnischen. Z.E. die Syllbe Grod, in Novogrod, ist unstreitig das alte gothische Wort Garda, welches in Belgard, Stargard, Stutgard, allemal ein Haus, oder Schloß bedeutet. Brat heißt Bruder, und Matka eine Mutter, Halstucha ein Halstuch etc.


19 Dieses hat niemand besser, als Herr Pelloutier in seiner HISTOIRE DES CELTES, dargethan; wiewohl er sich dabey auf die Zeugnisse vieler Alten und Neuern berufen hat, die ihm darinn vorgearbeitet haben. S. auch die Gesch. der paris. Ak. der schönen Wiss. im IX B. der deutschen Übers, im V Art. vom Urspr. der ersten Völker in Italien. Daher sind auch unzähliche Wörter, die im Griechischen und Lateine mit dem Deutschen übereinkommen, mehr für Überbleibsel der alten celtischen Muttersprache aller Europäer, als für solche Wörter zu halten, die wir von Griechen und Römern entlehnet hätten. S. das DICTIONN. CELTIQUE des D. Bullet.


20 Geschickte Sprachkenner werden im Casaubonus DE QUATUOR LINGUIS, und andern guten Etymologisten, noch eine große Anzahl entdecken, die unstreitig sowohl im Deutschen, als im Griechischen, zu Hause sind. Und wo bleiben noch die alten Wörter, die unsere deutsche Sprache mit der persischen gemein hat? als


Aber, über, plattd. awer.

Abron, Augenbraun.

Ackar, Acker.

Achterratz, Achterrede.

Avar, ober.

Baba, Papa.

Bend, Band, plattd. Bend.

Berber, Barbier.

Besten, befestigen.

Bither, plattd. beter, besser.

Bick, eine Pauke.

Borden, Bürde, pld. B \rde.

Brader, Bruder.

Cal, kahl.

Casti, ein Kasten.

Choda, Gott.

Corbos, Kürbis.

Dandan, Tand.

Der, eine Thüre. pld. Deer.

Dochtar, Tochter, Dochter.

Drog, Betrug, pld. Droch.

Ender, unter.

Est, ist.

Ez, aus.

Fadar, Vater, pld. Fader.

Garm, Gram, Harm.

Garph, Grab.

Gheli, Kehle.

Ghirifen, greifen.

Jock, Joch.

Kahl, kahl.

Kisti, Kiste.

Lib, Lippen.

Madeh, Mädchen.

Madar, Mutter.

Mah, Mond. pld. Mahn.

Maliden, malen.

Men, mein.

Mord, Mord.

Musen, Maus, pld. Mues.

Na, nein, plttd. nee.

Naf, Nabel.

Nam, Namen.

Nambar, nambar, nennbar.

Neu, neu.

Neber, Neffe.

Nuh, neun.

Pader, Vater.

Phristar, holl. VRYSTER, Jungfer, von freyen.

Poster, Polster.

Rubaden, rauben.

Sazden, setzen.

Schesch, sechs.

Star, Stern.

Tonder, Donner.

Tu, du.


u.a.m. S. des Hrn. Wachters Vorrede zum kleinen GLOSSARIO; und die Λειψανα VETERIS LINGUÆ PERSICÆ Guil. Burtoni, nach des Herrn von Seelen Ausgabe, a.d. 117–123 Seite. Und wo bleiben die deutschen Wörter, die in der kleinen Tartarey von den alten Gothen noch übrig geblieben, deren Busbequ in seinen Briefen, und Leibnitz in seinen MISCELLANEIS gedenket.


21 Damit niemand komme, und sage, dieß Wort sey unstreitig lateinisch, so berufe ich mich aufs gothische Evangelium, wo Akra alle Früchte bedeutet; z.E. Matth. 6, v. 17: akrana goda getaugit, zeuget gute Früchte. Davon haben wir noch die Ecker, oder Eichel, als SPECIEM PRO GENERE. Weil nun das Feld auch Früchte trägt, so hat man das fruchtbare Feld Acker genennet.


22 Man kann davon auch Eduard Bernards ETYMOLOGICON BRITANNICUM, oder VOCABULORUM ANGLICORUM & BRITANNICORUM ORIGINES RUSSICAS, SCLAVONICAS, PERSICAS, ET ARMENICAS, nachsehen; die bey des Rudolfs Jonas RECENTISS. LINGUAE SEPTENTRIONALIS INCUNABULIS zu Oxford 1688 in 4 herausgekommen. Auch Frisch hat in seinem Wörterbuche oft die Übereinstimmung der slavonischen und deutschen Wörter gewiesen. Mit dem Gothischen, z.E. hat das Pohlnische verschiedenes gemein. Ein Herr heißt pohln. Pan, gothisch Fan. Ein Schloß pohln. Grod, wie in Novogrod, Bialogrod; gothisch Gard; wie in Belgard, Stargard, Stutgard; ein Bruder pohln. Brat, goth. Brothar, u.d.gl.m.


23 Das Wort Officier wird im Deutschen ganz widerrechtlich, bloß auf die kriegerischen Befehlshaber gezogen; da es im Französischen durchaus alle Beamten, oder königliche Bedienten bedeutet. LES OFFICIERS DU ROI, heißt die Beamten des Königes. Man sehe des Herrn Kriegsrath Engelhards Abhandlung davon im II, III und IV Bande der Sammlung der Ges. der fr. Künste zu Leipzig.


24 Dieß Wort Stab, kömmt aus dem Gothischen, wo Stava der Richter heißt. Z.E. Matth. 5,25. IA SA STAVA THUK ATGIBAI ANDBAHTA; d.i. und der Richter übergebe dich dem Amtsdiener. Daher kömmt noch im Engländischen Steward. Daher kömmt auch vieleicht die Redensart, den Stab brechen: und die Gewohnheit, daß die Dorfrichter einen weißen Stab in der Hand halten. Wenigstens ist der Stab des Regimentes das ordentliche Soldatengericht.


25 Wenn wir es erleben könnten, daß diese und dergleichen deutsche Benennungen erst in unsern Zeitungsblättern, politischen Monathschriften und historischen Büchern eingeführet würden: so würde man sich gar bald auch aller übrigen ausländischen Brocken entschütten können; und den zulänglichen Reichthum unserer Sprache zur Genüge gewahr werden. Aber wer will der Barbarey unsrer Publicisten ein Ziel stecken?


26 Wo aber im Deutschen gute Wörter vorhanden sind; da ist es lächerlich, sich der fremden zu bedienen; wie diejenigen, die unaufhörlich von PORTE-CHAISEN, COUTEAU-DE CHASSE, PORTÉPÉE, ANTICHAMBREN, GARDEROBBEN, ALLÉEN und PROMENADEN reden: gerade als ob wir keine Sänften, Hirschfänger, Gehenke, Vorzimmer, Kleiderkammern, und Spaziergänge hätten. Die Glieder der fruchtbr. Gesellsch. wurden auch nicht sowohl da durch lächerlich, weil sie alles deutsch geben wollten, als weil sie es bisweilen auf eine seltsame Art thaten, die der deutschen Sprache nicht gemäß war. Wer es gut trifft, der wird nicht ausgelachet werden.


27 Hiervon besehe man Wolfgang Hungers VINDICATIONEM GERMANICÆ LINGUÆ, die 1586 zu Straßburg in 8 herausgekommen; imgleichen was Cramer vor s. Wörterb. davon geschrieben. S. auch God. Guil. Leibnitii COLL. ETYMOL. P. II, N. I, in ANNOT. AD Io. Henr. Ottii FRANCOGALLIAM. Endlich auch den Vnartig Teutschen Sprachverderber etc. von 1643, und Baptista Armati Rettung der edlen teutsehen Hauptsprache etc. Hamb. 1642. und dann der deutschen Sprache Ehrenkranz. Straßb. 1644, 8. Überhaupt aber Eccardi HISTORIAM STUDII ETYMOLOGICI, C. VII. DE IIS, QUI GALLICAM LINGUAM GERMANICÆ ORIGINIS ESSE OSTENDERUNT. Noch neulich hat der junge Burmann dieses in einem eigenen holländischen Buche erwiesen.

Bey vielen von diesen Wörtern wird man unschwer bemerken, daß sie mehr Ähnliches mit dem Plattdeutschen, als mit dem Hochdeutschen haben; welches ich deswegen darneben gesetzet hatte. Dieses bestätiget die Leibnitzische Meynung vom Ursprunge der Franzosen, davon man in den kritischen Beyträgen im VII B.a.d. 460 S. die Übersetzung nachlesen kann.


28 Ich rathe es aber deswegen nicht mit Fleiß, und ohne Noth, solche Fremdlinge ins Deutsche aufzunehmen, so wie uns itzo die Neulinge mit Genien, Planen, Plainen, Terrassen, Phantomen, Sphären, ätherisch, empyreisch, Myriaden, und anderm solchem Ottergezüchte besamen. Wenn man einheimische hat, so gehen diese allemal vor. Nur wenn sich gewisse ausländische Sachen finden, die sich nicht gleich umtaufen lassen wollen: so muß man es machen, wie der türkische Kaiser es mit fremden Gesandten machet, wenn sie öffentlich vor ihm erscheinen. Wollen sie nicht Türken werden, so müssen sie doch türkische Kaftane anziehen: das heißt, die fremden Wörter müssen deutsche Gestalten annehmen. So kann man den SECRETAIRE, in Secretär, die CONDOLÉANCE, in Condolenz, die EXCELLENCE, in Excellenz verwandeln, u.s.w. so viel sichs immer thun läßt.


29 Ich mache mit Fleiß bey der Musik den Versuch, weil dieselbe gar zu sehr an ausländischen Wörtern klebet; so gar daß auch deutsche Componisten ihren Stücken wälsche und französische Namen geben, ja sich selbst ausländisch nennen, um gleichsam für Ausländer angesehen zu werden. Welch eine Neigung zur Sclaverey![246]


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 217-247.
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