III Abschnitt.
Von den Abänderungen (Declinationibus) der Hauptwörter.

[268] 1 §.


Wenn wir auf unsere Gedanken Achtung geben: so denken wir bisweilen nur an eine einzige Sache, bisweilen aber an viele von derselben Gattung oder Art. Dieser Unterschied muß nun auch durch die Hauptwörter, als Namen der Dinge, angedeutet werden: daher hat man ihnen, durch gewisse Veränderungen der lauten oder stummen Buchstaben, oder auch wohl durch ganze Endsyllben, einen Unterschied zu geben gesuchet. Z.E. Der Mangel, die Mängel; die Hand, die Hände; die Frau, die Frauen; die Achsel, die Achseln; der Mann, die Männer, u.a.m. Nur einige wenige sind davon ausgegangen, die nämlich einzeln und vielfach einerley Gestalt behalten, und nur durch das Geschlechtswort, oder durch den Zusammenhang unterschieden werden müssen: als der Engel, die Engel; der Bürger, die Bürger; der Stängel, die Stängel; u.a.m.

2 §. Daher haben nun die Sprachlehrer Anlaß genommen, von verschiedenen NUMERIS, oder Zahlen der Hauptwörter, Beywörter und Fürwörter zu handeln: wovon auch beym Geschlechtsworte schon beyläufig etwas gedacht worden. Unsere deutsche Sprache hat dieses mit allen andern gemein, daß sie bey den meisten Hauptwörtern, es durch gewisse[268] Buchstaben oder Syllben anzeiget, ob man von einem, oder von vielen redet. Und aus den obigen Exempeln wird man merken, daß es dabey, theils auf die Veränderung der Selbstlauter, theils auf einige Buchstaben ankömmt: welcher letztern nicht mehr als vier sind, nämlich e, en, n, und er; als, Band, Bande; Taube, Tauben; Trummel, Trummeln; Reis, Reiser.

3 §. Wollen wir also im Deutschen einige Abänderungen (DECLINATIONES) unterscheiden: so können wir dieselben füglich in fünf Arten abtheilen.

Die I begreift diejenigen Hauptwörter, deren vielfache Bedeutung mit der einfachen einerley Endung hat.

Die II begreift diejenigen in sich, die in der mehrern Zahl ein e annehmen, als Hand, die Hände.

Die III enthält die Hauptwörter, so der einzelnen Zahl die Syllbe en hinzusetzen, als Frau, die Frauen.

Die IV hält diejenigen in sich, die den bloßen Buchstab n hinzusetzen, als Regel, die Regeln.

Die V endlich begreift diejenigen, welche ein er am Ende annehmen, welches sie in der einzelnen Bedeutung nicht hatten; als der Mann, die Männer.

So können wir die Eintheilung viel besser machen, als wenn wir, wie die Lateiner, auf die GENITIVOS CASUS sehen; oder wie unsere alten Sprachlehrer, bloß nach den dreyen Geschlechtern gehen wollten1.[269]


Die I Abänderung.


4 §. Diese erste Art der Abänderung begreift die Hauptwörter in sich, deren mehrere Zahl mit der einzelnen gleichlautend ist: und diese haben in der einfachen Zahl dreyerley Endungen: nämlich die Syllben el, en, und er: welche sie auch in der mehrern Zahl unverrückt beybehalten. Sie sind aber von zweyerley Art. Einige darunter ändern ihren Selbstlaut in der vielfachen Bedeutung ganz und gar nicht: und diese haben in der zweyten Endung der einzeln Zahl das s; in der dritten und sechsten der vielfachen Zahl aber, ein n; wie folgende Muster zeigen.


Einfach.


Der Himmel,Der Bürger,

des Himmels,des Bürgers,

dem Himmel,dem Bürger,

den Himmel,den Bürger,

o du Himmel,o du Bürger,

von dem Himmel.von dem Bürger.


Vielfach.


Die Himmel,Die Bürger,

der Himmel,der Bürger,

den Himmeln,den Bürgern,

die Himmel,die Bürger,

o ihr Himmel,o ihr Bürger,

von den Himmeln.von den Bürgern.


5 §. Nach dem ersten dieser Muster nun richten sich folgende Wörter; die theils des männlichen, theils des ungewissen Geschlechtes sind.


[270] Männliches Geschlechtes.


Der Adel,Der Igel,Der Schimmel,Der Teufel,

Bengel,Kegel,Schlägel,Tiegel,

Beutel,Knebel,Schlingel,Titel,

Bügel,Knöchel,Schlüssel,Tölpel,

Engel,Kringel,Schwängel,Tüpfel,

Esel,Kübel,Spargel,Wedel,

Flegel,Kümmel,Speichel,Winkel,

Flügel,LöffelSpiegel,Wirbel,

Giebel,Lümmel,Sprengel,Würfel,

Gipfel,Mörsel,Sprenkel,Ziegel,

Gümpel,Nabel,Sprügel,Zipfel,

Gürtel,Pöbel,Stämpel,Zirkel,

Hagel,Prügel,Stängel,Zügel,

Hebel,Riegel,Stiefel,Zweifel,

Henkel,Rüpel,Strützel,Zwickel

Hobel,Säbel,Tadel,

Hügel,Schemel,Tempel,


Ungew. Geschl.


Das Exempel,Das Gemurmel,Das Räthsel,Das Siegel,

Ferkel,Gevögel,Riechsel,Stöpsel,

Geflügel,Lägel,Ringel,Übel.

Geklingel,Mittel,Segel,


Nach dem zweyten Muster gehen folgende:


Männliches Geschlechtes.


Der Adler,Der Bäcker,Der Brauer,Der Drucker,

Anger,Bärenhäuter,Bürger,Eimer,

Anker,Bereiter,Büttner,Färber,

Apotheker,Beschützer,Centner,Faulenzer

Arbeiter,Bettler,Decker,Fechter,

Aufpasser,Beutler,Dichter,Fischer,

Aufseher,Binder,Donner,Fleischer,

Bader,Böttcher,Drechsler,Führer,

Bächer,Bohrer,Drescher,Gärtner,


[271] Männliches Geschlechtes.


Der Gaffer,Der Lecker,Der Röder,Der Tänzer,

Ganter,Lehrer,Römer,Täschner,

Geiger,Leuchter,Rothgießer,Täuber,

Gerber,Lügner,Sänger,Täufer,

Geyer,Macher,Säufer,Taucher,

Glaser,Mahner,Sammler,Teller,

Glöckner,Mäkler,Sattler,Thürmer,

Gräber,Maler,Schäfer,Tischler,

Grübler,Marder,Schaffner,Töpfer,

Gürtler,Märtyrer,Schiffer,Traber,

Gypser,Mäurer,Schimmer,Träger,

Haber,MautnerSchinder,Treffer,

Händler,Meister,Schläfer,Trichter,

Häscher,Metzger,Schläger,Triller,

Henker,Mörder,Schlösser,Trödler,

Höcker,Müller,Schlummer,Tuchmacher,

Hudler,Münzer,Schmaucher,Wächter,

Hümpler,Nadler,Schnarcher,Wäscher,

Hüter,Pater,Schneider,Wagner,

Jäger,Pfeifer,Schnitter,Walker,

Kaiser,Pfeiler,Schornsteinfeger,Werder,

Kater,Pfuscher,Widder,

Kärker,Pracher,Schreiner,Winzer,

Kläffer,Praler,Schüler,Würger,

Klempner,Pranger,Schuster,Zahler,

Klipper,Prasser,Seiger,Zeiger,

Köder,Prediger,Seiler,Zepter,

Köhler,Priester,Sieder,Zieler,

Körper,Puster,Sommer,Zober,

Kober,Quacksalber,Sperber,Zunder,

Köcher,Quäker,Spieler,Zuschauer,

Kramer,Räuber,Spötter,Zwitter,

Kummer,Raufer,Springer,u.d.gl.

Kürschner,Reiger,Sticker,

Küster,Retter,Stricker,

Kutscher,Reuter,Stümper,

Lästerer,Richter,Sudler,

Laufer,Riemer,Tadler,

Lauser,Ritter,Tändler,


[272] Ungew. Geschl.


Das Fenster,Das Gewitter,Das Muster,Das Ungeziefer,

Feuer,Gitter,Opfer,Ungewitter,

Fieber,Laster,Pflaster,Wasser,

Fuder,Leder,Polster,Wetter,

Futter,Luder,Pulver,Zimmer.

Gatter,Messer,Ruder,

Gewässer,Münster,Ufer,


6 §. Die dritte Endung en, hat wegen ihres letzten Buchstabs n, das besondere, daß sie in der vielfachen Bedeutung, in der dritten und sechsten Endung, kein n mehr annehmen kann; sondern durchgehends einerley bleibt, sie mag nun den Selbstlaut ändern, oder nicht. Z.E.


Einz.Der Kragen,Vielf.Die Kragen,

des Kragens,der Kragen,

dem Kragen,den Kragen,

den Kragen,die Kragen,

o du Kragen,o ihr Kragen,

von dem Kragen.von den Kragen.


Eben so gehen auch


Der Balken,Der Kragen,Der Roggen,

Braten, Laden,2 Rocken,

Degen, Magen, Rücken,

Frieden, Nachen, Saamen,

Funken, Namen, Segen,

Glauben, Orden, Schlitten,

Karpen, Pfosten, Schragen

Karren, Posten, Schranken,

Kasten, Ragen, Sparren,

Kloben, Regen, Weizen,

u.d.m.


Diejenigen, die von der unbestimmten Art der Zeitwörter kommen (MODO INFINITIVO), sind ungewisses Geschlechtes, und haben nur die einzelne Zahl allein: als das Geben, Hören, Leben, Nehmen, Sterben, u.d.gl. unzählige mehr3.[273]

7 §. Die zweyte Classe der ersten Abänderung, ändert nur den Selbstlaut in der vielfachen Zahl; sonst aber bleibt alles, wie vorhin gewiesen worden. Und dahin gehören folgende, aus allen drey Endungen, von denen ich auch drey ausführliche Muster hersetzen will.


Einfach.


Der Hämmel,Der Boden,Der Bruder,

des Hämmels,des Bodens,des Bruders,

dem Hämmel,dem Boden,dem Bruder,

den Hämmel,den Boden,den Bruder,

o du Hämmel,o du Boden,o du Bruder,

von dem Hämmel.von dem Boden.von dem Bruder.


Vielfach.


Die Hämmel,Die Böden,Die Brüder,

der Hämmel,der Böden,der Brüder,

den Hämmeln,den Böden,den Brüdern,

die Hämmel,die Böden,die Brüder.

o ihr Hämmel,o ihr Böden,o ihr Brüder,

von den Hämmeln.von den Böden.von den Brüdern.


Eben so gehen folgende:


Bogen, Bögen,Laufer, Läufer,Schaden, Schäden,

Faden, Fäden,Magen, Mägen,Schnabel, Schnäbel,

Hammer, Hämmer,Mangel, Mängel,Vater, Väter,

Handel, Händel,Mantel, Mäntel,Vogel, Vögel,

Klaffer, Kläffer,Nabel, Näbel,Wagen, Wägen,

Kramer, Krämer,Nagel, Nägel,Zagel, Zägel,

Laden, Läden,Ofen, Öfen,u.d.gl.[274]


8 §. Drey Wörter weibliches Geschlechtes giebt es in dieser Abänderung, nämlich die Mündel, die Mutter, und die Tochter. Diese nun sind darinn ausgenommen, daß sie in der zweyten Endung der einzeln Zahl kein s annehmen, sondern sich überall gleich bleiben. Das zeigen folgende Muster:


Einfach.


Die Mündel,Die Mutter,Die Tochter,

der Mündel,der Mutter,der Tochter,

der Mündel,der Mutter,der Tochter,

die Mündel,die Mutter,die Tochter,

o du Mündel,o du Mutter,o du Tochter,

von der Mündel.von der Mutter.von der Tochter.


Vielfach.


Die Mündel,die Mütter,die Töchter,

der Mündel,der Mütter,der Töchter,

den Mündeln,den Müttern,den Töchtern,

die Mündel,die Mütter,die Töchter,

o ihr Mündel,o ihr Mütter,o ihr Töchter,

von den Mündeln.von den Müttern.von den Töchtern.


Die II Abänderung.


9 §. Diese Abänderung begreift alle die Hauptwörter in sich, die in der vielfachen Bedeutung ein e annehmen. Diese sind nun wiederum von verschiedenen Geschlechtern. Z.E. Der Stand, die Stände; die Hand, die Hände; das Thier, die Thiere. Diese nehmen in der zweyten Endung der einzelnen Zahl, die Syllbe es, und in der dritten und sechsten ein e. In der vielfachen Zahl aber hat die dritte und sechste ein n. Nur die weiblichen Wörter gehen davon ab, und behalten in der einfachen Zahl durchgehends einerley Endung. Ich will folgende Muster hersetzen.


[275] Einzeln.


männl.weibl.ungew. Geschl.

Der Stand,Die Hand,Das Thier,

des Standes,der Hand,des Thieres,

dem Stande,der Hand,dem Thiere,

den Stand,die Hand,das Thier,

o du Stand,o du Hand,o du Thier,

von dem Stande.von der Hand.von dem Thiere.


Vielfach.


Die Stände,Die Hände,Die Thiere,

der Stände,der Hände,der Thiere,

den Ständen,den Händen,den Thieren,

die Stände,die Hände,die Thiere,

o ihr Stände.o ihr Hände.o ihr Thiere,

von den Ständen.von den Händen.von den Thieren.


10 §. Nach diesen Mustern nun richten sich alle folgende Wörter: so daß sich in dem männlichen und weiblichen Geschlechte allemal das a, o, und u der einzelnen Zahl, in der vielfachen in ä, ö, und ü, verändern; das ungewisse Geschlecht aber seinen Selbstlaut behält.


Männliche.


Der Ast, die Aeste.Flor, Flöre.Klang, Klänge.

Band, Bände.Fuchs, Füchse.Kopf, Köpfe.

Barsch, Bärsche.Fuß, Füße.Krug, Krüge.

Bart, Bärte.Fund, Fünde.Kuß, Küsse.

Bauch, Bäuche.Gang, Gänge.Lauf, Läufe.

Baum, Bäume.Gaul, Gäule.Markt, Märkte.

Bock, Böcke.Gesang, Gesänge.Mund, Münde.

Born, Börne.Grund, Gründe.Napf, Näpfe.

Brand, Brände.Gruß, Grüsse.Pallast, Palläste.

Damm, Dämme.Guß, Güße.Pfahl, Pfähle.

Dampf, Dämpfe.Hahn, Hähne.Pflock, Pflöcke.

Duft, Düfte.Hals, Hälse.Pfuhl, Pfühle.

Dunst, Dunste.Kahn, Kähne.Platz, Plätze.

Fall, Fälle.Kamm, Kämme.Rath, Räthe.

Fang, Fänge.Kampf, Kämpfe.Raum, Räume.[276]


Rausch, Räusche.Schwanz, Schwänze.Sturm, Stürme.

Rock, Röcke.Schwulst, Schwülste.Ton, Töne.

Rumpf, Rümpfe.Schwung, Schwünge.Topf, Töpfe.

Saal, Säle.Sohn, Söhne.Traum, Träume.

Sarg, Särge.Span, Späne.Trog, Tröge.

Saum, Säume.Sprung, Sprünge.Trumpf, Trümpfe.

Schatz, Schätze.Stall, Ställe.Trunk, Trünke.

Schlaf, Schläfe.Stamm, Stämme.TFlurm, Thürme.

Schlag, Schläge.Stand, Stände.Wolf, Wölfe.

Schlauch, Schläuche.Stock, Stöcke.Wurf, Würfe.

Schlund, Schlünde.Stoß, Stöße,Wurm, Würme.

Schluß, Schlüsse.Strom, Ströme.Zahn, Zähne.

Schmaus, Schmäuse.Strumpf, Strümpfe.Zaum, Zäume.

Schuß, Schüsse.Strunk, Strünke.Zaun, Zäune.

Schwaffi, Schwäme.Sumpf, Sümpfe.Zoll, Zölle.

Schwan, Schwäne.Stuhl, Stühle.Zug, Züge.


Weibliche.


Die Bank, Bänke.Die Laus, Läuse.Die Zunft, Zünfte, u.

Braut, Bräute.Luft, Lüfte.alle die sich auf

Brunst, Brünste.Lust, Lüste.niß enden, als die

Brust, Brüste.Magd, Mägde.Ärgerniß,

Gans, Gänse.Macht, Mächte.Betrübniß,

Gruft, Grüfte.Maus, Mäuse.Bewandniß,

Gunst, Günste.Nath, Näthe.Erkenntniß,

Hand, Hände.Noth, Nöthe.Finsterniß,

Haut, Häute.Nuß, Nüsse.Hinderniß,

Kluft, Klüfte.Sau, Säue.Kenntniß,

Kraft, Kräfte.Stadt, Städte.u.s.w.

Kuh, Kühe.Wand, Wände.

Kunst, Künste.Wurst, Würste.


Ungewisse.


Das Band, Bande.Das Erz, Erze.

Befugniß, Befugnisse.Fell, Felle.

Beil, Beile.Gedächtniß, Gedächtnisse.

Bier, Biere.Gefängniß, Gefängnisse.

Brod, Brode.Gehirn, Gehirne.

Kamel, Kamele.Geschwür, Geschwüre.[277]


Das Gestlndniß, Geständnisse.Das Rohr, Röhre.

Handwerk, Handwerke.Roß, Rosse.

Heer, Heere.Salz, Salze.

Huf, Hufe.Schaf, Schafe.

Jahr, Jahre.Schwein, Schweine.

Kamehl, Kamehle.Seil, Seile.

Land, Lande.Tau, Taue.

Licht, Lichte.4Thier, Thiere.

Loos, Loose.Thor, Thore.

Loth, Lothe.Werk, Werke.

Maaß, Maaße.Wort, Worte.

Meer, Meere.Zeug, Zeuge.

Metall, Metalle.Ziel, Ziele, nebst allen, die

Pferd, Pferde.auch in diesem Geschlechte

Pfund, Pfunde.sich auf enden

als Erkenntniß

Pult, Pulte.etc.


11 §. Doch ist von dieser Veränderung des Selbstlautes in der vielfachen Zahl, bey dem männlichen Geschlechte, eine starke Ausnahme zu machen. Denn eine gute Zahl solcher Wörter, und zwar mehrentheils solche, die kein a, o, und u, haben, bleiben unverändert bey ihrem Selbstlaute, wie die vom ungewissen Geschlechte. Folgendes Verzeichniß wird die meisten davon bekannt machen.


Aal, Aaale.Greis, Greise.Pferd, Pferde.

Arm, Arme.Habicht, Habichte.Port, Porte.

Bett, Bette.Hecht, Hechte.Preis, Preise.

Beil, Beile.Heering, Heeringe.Punct, Puncte.

Blitz, Blitze.Hirsch, Hirsche.Reim, Reime.

Dachs, Dachse.Hund, Hunde.Ritz, Ritze.

Dienst, Dienste.Keil, Keile.Schlitz, Schlitze.

Drat, Drate.Kiel, Kiele.Sitz, Sitze.

Feind, Feinde.Kranich, Kraniche.Sperling, Sperlinge.

Freund, Freunde.Lachs, Lachse.Staar, Staare.

Gewinst, Gewinste.Pfeil, Pfeile.Steg, Stege.

Grad, Grade.Pilz, Pilze.Stein, Steine.[278]


Stiel, Stiele.Theil, Theile.Zeug, Zeuge.

Stier, Stiere.Tisch, Tische.Zweck, Zwecke.

Strauß, Strauße.Weg, Wege.Zweig, Zweige.

Streich, Streiche.Wein, Weine.

Tag, Tage.Wind, Winde.


12 §. Indessen giebt es bey dieser Abänderung noch eine Art von Ausnahmen, in Ansehung einer guten Anzahl von Wörtern, die nur in der einzelnen Zahl gebräuchlich sind; entweder, weil sie an sich schon etwas vielfaches bedeuten, oder sonst keine vielfache Bedeutung haben. Davon kann folgendes Register Nachricht geben.


Männliche.Männliche.Ungewisse

Der Argwohn.Der Trotz.Das Bast.

Ballast.Trug.Bley.

Bund.Verstand.Dacht.

Glanz.Wahn.Garn.

Gram.Witz.Gedächtniß.

Harm.Zank.Gefieder.

Haß.Zorn.Genist.

Klee.Zwang.Gereiß.

Kram.Zwirn.Geschmeiß.

Kummer.Getös.

Leim.Weibliche.Gewürm.

Mund.Die Ankunft.Gold.

Neid.Burg.Grummt.

Pracht.Einsicht.Heu.

Prunk.Geschwulst.Inselt.

Putz.Kenntniß.Kupfer.

Rauch.List.Mehl.

Reif.Pracht.Meßing.

Sand.Rückkunft.Moos.

Schmuck.Schmach.Silber.

Strand.Schwulst.Stahl.

Sund.Vernunft.Stroh.

Thau.Zier.Tocht.

Theer.Zucht.Vieh.

Torf.Zukunft.

Trost.Zurückkunft.[279]


Endlich giebt es auch noch etliche wenige, die nur in der vielfachen Zahl allein gewöhnlich sind: z.E. die Läufte an den Thieren, in der Jägersprache; die Zeitläufte, die Kriegsläufte, u.d.gl.


Die III Abänderung.


13 §. Zu dieser Abänderung gehören alle Hauptwörter, die in der mehrern Zahl die Syllbe en annehmen: ob sie dieselbe gleich in der einzelnen Bedeutung nicht haben. Diejenigen nämlich, die es nur behalten, wie Garten, Gärten, u.d.gl. gehörten zu der ersten Abänderung. Die es aber annehmen, sind von unterschiedenen Geschlechtern: denn es giebt sowohl männliche, als weibliche, ja auch vom ungewissen Geschlechte etliche, die hieher gehören. Wir wollen folgende Exempel davon sehen.


Die einzelne Zahl.


Männlich.Weiblich.Ungewiß.

Der Mensch,Die Flur,Das Ohr,

des Menschen,der Flur,des Ohres,

dem Menschen,der Flur,dem Ohre,

den Menschen,die Flur,das Ohr,

o du Mensch,o du Flur,o du Ohr,

von dem Menschen.von der Flur.von dem Ohre.


Die vielfache Zahl.


Die Menschen,Die Fluren,Die Ohren,

der Menschen,der Fluren,der Ohren,

den Menschen,den Fluren,den Ohren,

die Menschen,die Fluren,die Ohren.

o ihr Menschen,o ihr Fluren,o ihr Ohren,

von den Menschen.von den Fluren.von den Ohren[280]


14 §. Aus diesen Mustern sieht man:


1) Daß die männlichen Wörter in der einfachen Zahl, gleich in der zweyten, dritten, vierten und sechsten Endung, das en annehmen; so daß nur die fünfte, den ersten gleich bleibt.

2) Daß die zweyte Endung kein s annimmt, wie einige aus böser Gewohnheit, bey Menschens, Herrns, Grafens, Fürstens, u.d.gl. zu sprechen pflegen.

3) Daß die weiblichen Wörter, sowohl in der einzelnen als vielfachen Zahl, vollkommen unabänderlich bleiben; und daß also diejenigen unrecht thun, die bey dem Worte Frau, in der zweyten, dritten und sechsten Endung ein en anflicken; ob es gleich an gewissen Orten geschieht. Meiner Frauen Brüder, klingt, als ob einer viele Frauen hätte.

4) Daß die vom ungewissen Geschlechte den männlichen darinn ungleich sind; daß in der einzelnen Zahl die erste, vierte und fünfte Endung einander gleich bleiben, auch die zweyte Endung ein es, und die dritte ein e annimmt.


15 §. Nach diesen Regeln richten sich nun alle folgende Hauptwörter.


Männliche.


Der Aff, Affen. Wälsche, und kurz alle Namen
Atheist, und alle, die sich auf der Nationen: ausgenommen
ist endigen. die schon in der einzelnen Zahl
Bär, Bären. bey dem bestimmten
Geschlechtsworte
Basilisk, Basilisken. ein er haben,
Bauer, Bauern. als der Ägyptier, Persier,
Brunn, Brunnen. Spanier, Unger, etc.
Bub, Buben. Der Eremit, Jesuit, und alle übrige
Der Communicant, und alle, die gleicher Endung.
sich auf ant enden. Der Falk, Falken.
Der Delinquent, und
alle, auf ent. Fürst, Fürsten.
Der Dän, Deutsche, Franzos, Pohl Graf, Grafen.


Der Hans, Hansen. Der Pilz, Pilzen.
Held, Helden. Poet, Poeten.
Herr, Herren. Pohl, Pohlen.
Knab, Knaben. Principal, Principalen.
Knapp, Knappen. Prinz, Prinzen.
Komet, Kometen. Prophet, Propheten.
Leu, Leuen. Quast, Quasten.
Mohr, Mohren. Rab, Raben.
Mond, Monden. Ruß, Russen.
Narr, Narren. Schmerz, Schmerzen.
Ochs, Ochsen. Schwed, Schweden.
Pastor, Pastoren. Sclav, Sclaven.
Path, Pathen. Soldat, Soldaten.
Pfaff, Pfaffen. Thor, (fatuus) Thoren.
Pfau, Pfauen. Thron, Thronen.
Phantast, Phantasten. Türk, Türken, etc.

Weibliche.


Die Begegnung. Die Kleidung,
Begegnungen. Kleidungen.
Belagerung, Belagerungen. Leistung, Leistungen.
Besserung, Besserungen. Mauer, Mauren.
Beugung, Beugungen. Nachtigall, Nachtigallen.
Böschung, Böschungen. Nation, Nationen.
Brustwehr, Brustwehren. Natur, Naturen.
Brut, Bruten. Neigung, Neigungen.
Drohung, Drohungen. Neuigkeit, Neuigkeiten.
Erbarmung, Erbarmungen. Papagey, Papageyen.
Fahrt, Fahrten. Pflicht, Pflichten.
Festung, Festungen. Post, Posten.
Figur, Figuren. Quittung, Quittungen.
Fluth, Fluthen. Ratze, Ratzen.
Fracht, Frachten. Regung, Regungen.
Freyheit, Freyheiten. Saat, Saaten.
Fröhlichkeit, Fröhlichkeiten. Schlacht, Schlachten.
Furcht, Furchten. Schuld, Schulden.
Gasterey, Gastereyen. Schuldigkeit, digkeiten.
Gegend, Gegenden. Seligkeit, Seligkeiten.
Gesinnung, Gesinnungen. Seltenheit, Seltenheiten.
Gluth, Gluthen. Spur, Spuren.
Hinderung, Hinderungen. Süßigkeit, Süßigkeiten.
Hoffnung, Hoffnungen. That, Thaten.

[282]
Die Tracht, Trachten. diesen alle, die sich in der
Tugend, Tugenden. einfachen Zahl auf e, heit,
Uhr, Uhren. keit, ung und inn endigen,
Würdigkeit, Würdigkeiten. als Taube, Seltenheit,
Zeit, Zeiten. Hoffnung, Königinn,
Zeitung, Zeitungen, u. außer etc.

Ungewisses Geschlechtes giebt es nur wenige, als: das Aug, das Herz, und das Ohr; welche in der vielfachen Zahl en haben. Doch pflegt man das zweyte in der einzeln Zahl des Wohlklanges wegen, auf eine ganz abweichende Art, so zu verändern6; wie man unter den männlichen, den Schmerz abändert:


Das Herz, Der Schmerz,
des Herzens, des Schmerzens,
dem Herzen, dem Schmerzen,
das Herz, den Schmerz,
o du Herz, o du Schmerz,
von dem Herzen. von dem Schmerzen.

[283] Die IV Abänderung.


16 §. Zu dieser gehören alle die Wörter, die in der vielfachen Zahl, ein bloßes n annehmen, und sich in der einfachen alle auf el, und er endigen. Sie sind in ziemlicher Menge vorhanden, und man bemerket, daß sie fast alle weibliches Geschlechtes sind. Wir wollen ein Paar Muster davon hersetzen:


Einzeln.


Die Amsel, Die Auster,
der Amsel, der Auster,
der Amsel, der Auster,
die Amsel, die Auster,
o du Amsel, o du Auster,
von der Amsel. von der Auster.

Vielfach.


Die Amseln, Die Austern,
der Amseln, der Austern,
den Amseln, den Austern,
die Amseln, die Austern,
o ihr Amseln, o ihr Austern,
von den Amseln, von den Austern.

17 §. Man sieht hieraus, daß diese Wörter, sowohl in der einfachen, als vielfachen Zahl völlig unabänderlich sind7, und also gar keine Schwierigkeit bey sich haben; indem alles auf das Geschlechtswort, und dessen Abänderung ankömmt. Nach dieser Art gehen nun alle folgende;


Die auf ein el ausgehen.


Die Achsel. Die Cartuffel. Die Eichel. Die Gabel.
Angel. Cymbel. Fabel. Geißel.
Aurikel. Dattel. Fackel. Gründel.
Bibel. Deichsel. Fiebel. Gurgel.
Capsel. Distel. Fiedel. Haspel.
Carbunkel. Drossel. Fuchtel. Hechel.

[284]
Die Hummel. Die Morchel. Die Schachtel. Die Tarantel.
Infel. Mündel. Schaufel. Trüffel.
Insel. Muschel. Scheitel. Trummel.
Kachel. Nadel. Schindel. Wachtel.
Kanzel. Nessel. Schüssel. Waffel.
Klingel. Nichtel. Sichel. Weichsel.
Kugel. Nudel. Spindel. Windel.
Kunkel. Orgel. Sportel. Wurzel.
Kurbel. Pappel. Staffel. Zwiebel, u.
Mandel. Ranunkel. Stoppel. d. gl.
Meißel. Raspel. Striegel.
Mispel. Regel. Tafel.

Die auf ein er ausgehen.


Die Ader. Die Folter. Die Klapper. Die Schulter.
Älster. Goldammer. Leber. Schwester.
Aglaster. Halfter. Leiter. Schwieger.
Ammer. Holfter. Letter. Steuer.
Blatter. Hummer. Leyer. Trauer.
Dauer. Jungfer. Lorber. Vesper.
Ecker. Kammer. Marter. Ziffer.
Eller. Kelter. Mauer. Zither, und
Elster. Kiefer. Natter. s.w.
Feder. Klafter. Nummer.
Feyer. Klammer. Otter.

18 §. Doch giebt es auch einige wenige Wörter des männlichen Geschlechtes, die zu dieser Abänderung gehören. Es sind dieselben mehrentheils Namen der Völker, die sich auf[285] ein ar oder er endigen, als: Barbar, Caffer, Tartar, Unger, u.d.gl. nebst dem Worte Splitter. Diese sind von der obigen Art der Abänderung in nichts unterschieden, als daß sie in der zweyten Endung der einzelnen Zahl ein s haben, des Barbars, Caffers, Tartars, Ungers, Splitters. Alles übrige bleibt unveränderlich, sowohl in der einzelnen, als vielfachen Zahl: als die Barbarn, Caffern, Splittern, Tartarn, Ungern. Doch haben einige Dichter, des Reims wegen, auch die Barbaren, Tartaren, als dreysyllbicht gebrauchet.


Die V Abänderung.


19 §. Diese begreift alle diejenigen Wörter in sich, die in der vielfachen Bedeutung die Syllbe er annehmen, die sie in der einfachen Zahl nicht hatten. Diese sind theils des männlichen, theils des ungewissen Geschlechtes, und ändern insgemein die Selbstlauter a, o, und u, der einzelnen Zahl, in ä, ö, und u; als: Mann, Männer, Haus, Häuser, Ort, Örter, Huhn, Hühner, u.s.w.


Einzeln.


Der Mann, Das Amt,
des Mannes, des Amtes,
dem Manne, dem Amte,
den Mann, das Amt,
o du Mann, o du Amt,
von dem Manne. von dem Amte.

Vielfach.


Die Männer, Die Ämter,
der Männer, der Ämter,
den Männern, den Ämtern,
die Männer, die Ämter,
o ihr Männer, o ihr Ämter,
von den Männern. von den Ämtern.

[286] 20 §. Man sieht leicht, daß hier die zweyte Endung der einzelnen Zahl ein es, die dritte und sechste aber ein e erfodern: so wie in der vielfachen Zahl, die dritte und sechste Endung ein n annehmen: welches sie mit der obigen II Abänderung gemein haben. Sonst ist hier anzumerken, daß die Wörter dieser Abänderung fast durchgehends des ungewissen Geschlechtes sind; wie folgendes Verzeichniß ausweisen wird.


Das Amt, Die Aemter. Das Korn, Die Körner.
Bad, Bäder. Kraut, Kräuter.
Band, Bänder, Kreuz, Kreuzer.
Bild, Bilder. Lamm, Lämmer.
Blatt, Blätter. Land, Länder.
Brett, Bretter. Licht, Lichter.
Buch, Bücher. Lied, Lieder.
Dach, Dächer. Loch, Löcher.
Dorf, Dörfer. Losament, Losamenter.
Faß, Fässer. Maal, Mäler.
Feld, Felder. Maul, Mäuler.
Floß, Flösser. Nest, Nester.
Geld, Gelder. Pfand, Pfänder.
Gewölb, Gewölber. Rad, Räder.
Glas, Gläser. Regiment, Regimenter.
Glied, Glieder. Reis, Reiser.
Grab, Gräber. Rind, Rinder.
Gras, Gräser. Scheit, Scheiter.
Gut, Güter. Schloß, Schlösser.
Haupt, Häupter, Schwert, Schwerter.
Haus, Häuser. Stift, Stifter.
Holz, Hölzer. Thal, Thäler.
Horn, Hörner. Tuch, Tücher.
Huhn, Hühner. Wamms, Wämmser.
Kalb, Kälber. Weib, Weiber.
Kind, Kinder. Wort, Wörter.
Kleid, Kleider. Zelt, Zelter.
Kloß, Klößer.

[287] Männliche sind wenig:


Der Dorn, Die Dörner. Der Ort, Die Örter.
Fleck, Flecker. Pflock. Pflöcker.
Halm, Hälmer. Rand, Ränder.
Kloß, Klößer. Schild, Schilder.
Klotz, Klötzer. Strauß, Sträußer.
Klumpf, Klümpfer. Wald, Wälder.
Leib, Leiber. Wurm, Würmer.
Mann, Männer.

Von weiblichen fällt mir nur ein einziges bey, nämlich die Spreu, die Spreuer; welches doch nicht oft vorkömmt, weil die einzelne Zahl schon ein vieles bedeutet.[288]

21 §. Auf diese Weise hoffe ich nun die deutschen Abänderungen der Hauptwörter etwas besser eingeschränket und in Regeln gebracht zu haben; als wenn man bisher bloß nach den dreyen Geschlechtern, drey Abänderungen gemachet hat. Denn da gab es keine geringe Schwierigkeit, wie man die vielfache Zahl bilden sollte; ob sie der einzelnen ähnlich bleiben, oder e, en, n, oder er annehmen solle? und es ließ sich weder von männlichen, noch andern Wörtern die geringste Regel geben, wie die gebildet werden müßten. Ja selbst die zweyte und dritte Endung der einfachen Zahl, war nirgends auf einerley Art zu bestimmen möglich. Hierauf kömmt es aber im Deutschen hauptsächlich an.

22 §. Hat nun gleich manche von diesen neubestimmten Abänderungen sehr vielerley Ausgänge in der ersten Endung, oder auch bisweilen zweyerley Schlußsyllben in der zweyten Endung; weil nämlich die weiblichen Wörter von den männlichen insgemein abgehen: so ist doch dieses leicht durch eine einzige Regel festgesetzet; da jenes durch sehr viele nicht ausgemachet werden konnte. Hernach haben ja auch die lateinischen GENITIVI, in einer Declination, wohl zweyerley Endungen, z.E. in der ersten und vierten: welches auch bey ihnen desto schlimmer ist, da der GENITIVUS eben das Merkmaal der Declination seyn sollte. Der ACCUSATIVUS geht in NEUTRIS u.s.w. auch öfters ab.

23 §. Die größte Schwierigkeit dagegen ist, daß es einem Anfänger, zumal einem Ausländer, schwer seyn wird, zu wissen: zu welcher Abänderung ein deutsches Hauptwort gehöret. Denn wie weis er gleich die Endungen der vielfachen Zahl? Hier dienet zur Antwort: Wie weis ein Anfänger im Lateine den Genitiv? Muß er ihn nicht bloß im Gedächtnisse behalten? Daß MENSA, MENSÆ, und POËMA,[289] POËMATIS hat; daß DOMINUS, DOMINI, VIRTUS aber VIRTUTIS, und FRUCTUS, FRUCTUS hat; daß LIBER, LIBRI, und PATER, PATRIS hat; daß endlich NUBES, NUBIS, und SPECIES, SPECIEI bekömmt: das alles läßt sich durch keine Regeln einschränken. Wer es noch nicht auswendig weis, der muß seinen Lehrmeister fragen. Eben so muß man es mit der deutschen vielfachen Zahl auch machen, bis man sie aus dem Lesen und Umgange lernet: welche doch in allen Sprachen die besten Lehrer sind.

24 §. Ein neuer Einwurf ist dieser, daß viele Wörter nur in der einzelnen Zahl allein gewöhnlich sind; und also in gar keine von obigen Abänderungen gehören würden. Das erste giebt man gern zu: allein, daraus folget noch das letzte nicht. Denn wenn gleich die vielfache Zahl eines Wortes nicht gewöhnlich ist: so kann man doch auch aus der Ähnlichkeit mit andern, gar wohl schließen, wie sie lauten würde, wenn sie gewöhnlich wäre. Eben so bildet man dann, nach der bloßen Ähnlichkeit, die Endungen der einfachen Zahl. Die Beobachtung der besten Schriftsteller, wird die dabey vorkommenden Schwierigkeiten, wie in allen Sprachen, also auch bey uns, am besten heben.

25 §. Will man indessen ein Verzeichniß einer guten Anzahl solcher Wörter haben, die gar keine vielfache Zahl annehmen, sie mögen nun gehören zu welcher Abänderung sie wollen; so merke man folgende:


1) Alle eigene Namen, der Länder, Städte, Dörfer, Berge, Flüsse, Winde und Monathe.

2) Die Namen der Weltgegenden, Gestirne, Jahreszeiten und Witterungen, als Morgen, Mittag, Abend, Mitternacht, Ost, Süd, West, und Nord, der Saturn, Jupiter, Mars, Venus, Mercur; der Orion, Wagen, Jakobsstab, die Leyer, Gluckhenne u.d.gl. (Ausgenommen Stern, Komet, Sonn und Mond, deren es nach den neuern Philosophen viele giebt), Lenz oder Frühling, Sommer, Herbst und Winter; ausgenommen die Witterungen, als Regen, Schnee, Reif, Thau, Frost, Hagel,[290] die Nebel, und die Nachtfröste. Denn man sagt die vielen Regen, die frühen Reife, Thaue, Fröste, u.d.gl.

3) Die Erdfrüchte, die man Geträyde nennet, und was dazu gehöret; als Roggen, Weizen, Gerste, Haber, Hirsen, Heidekorn, Reiß, Grütze, Grieß, Mehl etc. ausgenommen Linsen, Erbsen, Bohnen; imgleichen das Wort Obst, Heu, Stroh, Futter, Hanf, Flachs, Lein, Grummet, Hopfen.

4) Ausländische Würze, als Indigo, Pfeffer, Ingwer, Zittwer, Galgant, Saffran, Zucker; wie auch verschiedene einheimische Gewächse edler Art, als: Fenchel, Lavendel, Kalmus, Kümmel, Majoran, Petersilge, Salvey, Senf, Timian, Ysop.

5) Die Metalle, und was ihnen gleicht: Gold, Sil ber, Zinn, Bley, Messing, Kupfer, Eisen, Stahl, Erz, Zinnober, Alaun, Salpeter, Zink, Harz, Pech, Schwefel, Wachs etc.

6) Allerley Speisewaren, als: Milch, Öl, Essig, Thee, Caffe, Speck, Butter, Schmalz, Fleisch, Fett, Wild, Sauerkraut, Wildprät, Geflügel, Weidwerk, imgleichen Talg, Inselt, oder Unschlitt etc. Ausgenommen die Salate, Weine, Biere, die auch wohl in der mehrern Zahl vorkommen.

7) Vieles, was zu Kleidern gehöret, als: Garn, Leinwand, Parchent, Seide, Wolle, Zwirn, u.d.gl. Doch findet man theils einige von diesen, theils auch die Atlasse, Damaste, Dradore, Flonelle, Goldstücke, Kamelotte, Kattune, Samte, Stoffe, Tücher, oder Tuche, Taffente, Zitze, u.d.gl. in der mehrern Zahl.

8) Die Gemüthsbewegungen, Empfindungen, Krankheiten, Tugenden und Laster: als, Eifer, Eifersucht, Furcht, Grimm, Haß, Kummer, Liebe, Neid, Schrecken, Verzweiflung, Zorn, Zwietracht; (ausgenommen die Erbarmungen einiger Neuern, und die Fröhlichkeiten, auch Freuden, Gesinnungen, und Traurigkeiten,) Ferner; Gefühl, Gehör, Geruch, Gesicht, Geschmack, Gestank, Licht, Dunkel, Krachen, Prasseln, Kälte, Hitze, Härte, Weiße, Schwärze, Röthe, Schall, Klang, Lärmen, Getümmel; (ausgenommen die Schatten, Finsternisse, Süßigkeiten, Bitterkeiten, u.d.gl.m.) Sodann, Durchfall, Friesel, Gicht, Husten, Krätze, Krampf, Podagra, Ruhr, Schnupfen, Zipperlein; ausgenommen die Fieber; endlich, Besserung, Demuth, Ehrbarkeit, Frömmigkeit, Keuschheit, Mäßigkeit, Sparsamkeit, Würdigkeit etc. imgleichen die Falschheit, Hochmuth, Lästersucht, Spielsucht, Unzucht, Verschwendung, u.d.gl.m.

9) Das Vermögen, als: Geräth, Geschmeid, Gesind, Hausrath, Schmuck, das Vieh, der Vorrath, Zubehör, u.s.w.


26 §. Endlich sind in der vielfachen Zahl allein folgende gewöhnlich: Die Ältern, Ahnen, Alpen, Graupen, [291] Hefen, Leute, Ostern, Pfingsten, Schloßen, Trebern, Weihnachten. Außer diesen pflegt man zwar die Bohnen, Capern, Erbsen, Gurken, Linsen und Schoten mehr in der vielfachen Zahl zu brauchen: sie haben aber deswegen doch auch die einfache zugleich.

27 §. Zuletzt giebt es noch abweichende Abänderungen (ANOMALIA): z.E. von dem Worte Mann, wenn es mit etwas zusammengesetzet ist. Denn von Ackermann, Amtmann, Bettelmann, Edelmann, Fuhrmann, Hauptmann, Kaufmann, Kundmann, Landsmann, Spielmann, Trödelmann, saget man nicht Ackermänner, u.s.w. sondern Ackersleute, Amtleute, Bettelleute, Edelleute, Fuhrleute, Hauptleute, Kaufleute, Kundleute, Landsleute, Spielleute12, u.d.gl.m.

28 §. Ich habe noch anzumerken, daß einige neue Sprachlehrer, und selbst der Verfasser der in Straßburg auf meinen Namen ausgefertigten Sprachkunst für die Franzosen; zwar die Abänderungen nach meiner Art beybehalten; gleichwohl aber die Ordnung meiner Abänderungen verändert haben. Ich untersuche hier nicht, ob sie, oder ich, es besser getroffen. Es sey immerhin etwas willkührliches, ob diese, die erste, zweyte, oder dritte Abänderung ist. Im Grunde läuft es auf eins hinaus. Hätte man aber nicht auch im Lateinischen, an der Ordnung Donats grübeln, und das erste zuletzt ordnen können? Gleichwohl haben es alle Sprachlehrer beym alten gelassen. Und daran haben sie wohlgethan. Meines Erachtens entsteht aus solchen Aenderungen der Zahlen kein Vortheil, aber wohl eine Verwirrung der Lehrlinge; die hernach nicht mehr wissen, woran sie sind.

Fußnoten

1 Nur die Herren Niedersachsen scheinen hier noch einen Einwurf zu haben; weil sie gleichsam eine VI Abänderung bey sich zu machen pflegen; wenn sie viele Wörter in der mehrern Zahl mit einem s verlängern. So sagen sie zuweilen, die Jungens, die Mägdchens, die Schülers, die Dieners, u.d.gl. Thun sie dieses in der plattdeutschen Mundart, so wird kein Hochdeutscher etwas dagegen zu erinnern haben. Allein im Hochdeutschen müssen sie solches nicht thun; sonst werden ihnen alle hochdeutsche Landschaften widersprechen. Nur in einigen fremden Wörtern scheint hier eine Ausnahme statt zu haben. Denn man findet und höret zuweilen die Ambassadeurs, die Ministers, die Generals, Officiers, Kürassiers, Grenadiers, u.d.gl. das machet, daß die alten Franken, so zuerst aus Deutschland nach Gallien gegangen, plattdeutsche Leute gewesen, die in der mehrem Zahl das s anzuhängen gewohnt waren; von denen die Franzosen es angenommen. Allein in bloß deutschen Wörtern spricht hier und in allen obern Provinzen kein Mensch so: folglich können wir die Zahl der deutschen Abänderungen damit nicht vermehren.


2 Einige sagen auch die Lade z.E. des Bundes, aber dann heißt es eine Kiste, nicht ein Kaufmanns- oder Krämer- oder Fensterladen.


3 Man muß hier nicht diejenigen Hauptwörter, mit den Zeitwörtern vermischen, die einander verwandt sind. Z.E. das Reden und Schweigen, ist in der einzelnen Zahl allein; aber die Rede hat auch die Reden. Das Blitzen und Donnern ist auch nur einfach; aber der Blitz, hat auch die Blitze. Eben so ist das Sitzen und der Sitz unterschieden, u.s.w.


4 Man saget auch die Länder und die Lichter des Himmels, und also sind beyde da zur fünften Abänderung zu zählen.


5 Dieß Wort hat in der dritten Endung der einzelnen Zahl nur ein n ohne e, dem Herrn, zum Unterschiede der mehrern Zahl, den Herren. Man setzet ihm auch in der zweyten Endung fälschlich ein s bey, des Herrns.


6 Da man im Lateine auch einige ganz abweichende Wörter hat, wie z.E. DOMUS, u.a.m. so darf einen dieses nicht Wunder nehmen. Indessen würde es noch erträglicher fallen, des Schmerzes, dem Schmerze, von dem Schmerze, zu sagen; als: des Herzes, dem Herze, von dem Herze. So spricht und schreibt kein Mensch. Es ist falsch, wenn die Dichter seit Opitzen, das Herze sagen. Sie thuns nur des Syllbenmaaßes wegen. Z.E. Opitz schreibet in s. Trostgedichten vom Ulysses:


Du kannst Fortune ja den werthen Helden zwingen,

Hin in die wilde See bis an den Hals zu springen;

Du kannst ja wider ihn vermischen Luft und Fluth,

Kannst fodern, willst du so, sein Leben, Gut und Blut.

Daß aber er vor dir die Knie auch solle beugen,

Viel weinen, kläglich thun, sich wie ein Weib erzeugen,

Sein Leben, seine Zeit, verdammen für und für,

Sein Herze lassen gehn, das stehet nicht bey dir!


7 Auch hievon haben wir im Lateine an der Endung U in der 4 DECLIN. ein Muster; da CORNU, VERU, GELU, u.d.gl. immer so bleiben. Wegen dieser Ähnlichkeit habe ich diese auch im Deutschen zur IV Abänderung gemachet.


8 Ein guter Freund erinnert hiebey, daß Mündel sowohl männliches, als weibliches Geschlechtes sey, indem es von Knaben sowohl als von Mägdchen gebrauchet wird. Allein, ist nicht Weyse, auch von der Beschaffenheit? und gleichwohl saget man auch von Knaben: er ist eine Weyse, nicht ein Weyse. Das Mündel aber, für Mündlein, gehöret hier nicht her.


9 Ein gelehrter Freund machet wider dieß Wort die Anmerkung, daß das Kreuz 1) die Trübsal der Christen bedeute, und da habe es keine mehrere Zahl. 2) Die Figur von Holz, oder gemalet; und da habe es Kreuze. 3) Eine Münze, die hieße einfach schon Kreuzer. Allein, wenn derselbe hören sollte, wie die katholischen Büßer von dem Schleppen ihrer Kreuzer reden; so würde er an dem r in der mehrern Zahl, nicht zweifeln können.


10 Ein gelehrter Freund will dieses Wort mit einem ä schreiben, weil man saget Flagge, und muthmaßet, daß es von Laken herkomme. Allein, solches ist sehr ungewiß. Und wo käme das f her? Vermuthlich kömmt es von fliegen, er flog, flackern, wie die Flamme des Lichtes.


11 Von Dorn, wird freylich zuweilen auch die Dornen, und von Schild, die Schilde gefunden. Allein, alsdann bedeutet jenes ein ganzes Gebüsch von Dornen, wenigstens, die dornichten Zweige oder Äste zugleich; dieses aber die kriegerischen Schilde der Helden. Wenn jenes aber von den Stacheln der Dornbüsche verstanden, hergegen dieses von den Silberzierrathen eines Hochzeitbitters, oder den gemalten Zeichen der Künstler und Handwerker gebrauchet wird: so hat jenes vielfache Dörner, dieses Schilder. Daher haben wir ein poetisches Buch untet dem Titel; Rosen und Dörner, Hülsen und Körner. Mit Fleck ist es eben so. Ist ein Flecken in der Wäsche oder Kleidern: so heißt er sowohl einfach, als vielfach ein Flecken. Aber ein Lappen, odet Stück von etwas, heißt ein Fleck Tuch, und vielfach, die Flecker. Von Halm machen einige auch nur Hälme, wie die Kaufleute von Tuch, Tuche, und vom Fasse, die Fasse, sagen: so daß alsdenn beydes zur 2ten Abänderung kömmt. Eben dergleichen kann man auch von Kloß und Klotz anmerken, die in gewissem Sinne, nur Klöße und Klötze haben. Von Strauß, dem Vogel, kömmt Strauße, aber von Blumenstraus, spricht man hier die Sträußer.


12 Gleichwohl saget man von Leyermann, nicht Leyerleute, sondern Leyermänner, von Lampenmann, Lampenmänner, u.d.gl. Die Sprachen haben alle ihren gewissen Eigensinn, der sich nicht ganz an Regeln binden läßt.[292]


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 268-293.
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