Das IV Hauptstück.
Von den Beywörtern (Adjectivis), und von den Zahlen.

[293] 1 §.


Die zweyte Art der Nennwörter haben wir oben, als solche beschrieben, wodurch man die Eigenschaften und Zufälligkeiten der Dinge anzeiget. Bey diesen hat man zuvörderst auf ihre Abänderung (DECLINATIO) mit und ohne Geschlechtswörter; zweytens auf ihre Vergleichungsstaffeln (GRADUS COMPARATIONIS); und drittens auf die verschiedenen Arten der Zahlwörter (NUMERALIA) zu sehen; die gleichfalls mit zu den Beywörtern gehören. Dieses kann wiederum zu dreyen Abschnitten Gelegenheit geben: wenn ich zuvor von den vornehmsten Bildungen der Beywörter, etwas beygebracht haben werde.

2 §. Es werden aber etliche Beywörter von den Hauptwörtern hergeleitet, indem man ihnen gewisse Syllben anhängt. Z.E. die Endung


bar, dankbar, ehrbar, fruchtbar, furchtbar, kundbar, mannbar, offenbar, ruchtbar, schandbar, sichtbar, theilbar, wunderbar etc.

haft, dauerhaft, ekelhaft, habhaft, herzhaft, lasterhaft, lehrhaft, mannhaft, namhaft, schamhaft, spaßhaft, standhaft, tugendhaft, wahrhaft etc.

haftig, ist mit dem vorigen einerley, und fast aus der Übung gekommen, außer in leibhaftig, namhaftig, wahrhaftig.

sam, arbeitsam, biegsam, ehrsam, folgsam, furchtsam, heilsam, mühsam, rathsam, sorgsam, sparsam, tugendsam, wundersam etc.

en, buchen, eichen, fichten, golden, hären, irden, leinen, messingen, samten, seiden, tennen, tombacken, wöllen, zwillichen.

[293] ern, drätern, ehern, eisern, hölzern, kiefern, küpfern, ledern, silbern, ströhern etc.

reich, fischreich, geistreich, kornreich, liebreich, schiffreich, schriftreich, sinnreich, steinreich, tugendreich, volkreich, wortreich, zahlreich, etc.

ig, als barmherzig, gnädig, gehäßig, großmüthig, gütig, leidig, mächtig, mitleidig, muthig, niedrig, niederträchtig, nöthig, prächtig, räudig, schmutzig, schuldig, traurig, würdig, u.s.w.

icht, adericht, bergicht, grindicht, höckericht, sandicht, schatticht, steinicht, sumpficht, thöricht, waldicht, etc.

isch, von Bauer, bäurisch, von Franzosen, französisch, von Engel, englisch, von Erde, irdisch, von Gram, grämisch, von Kind, kindisch, von Preußen, preußisch, von Sachsen, sächsisch, tölpisch, weibisch, etc.

lich, als adelich, bürgerlich, ehrlich, fürstlich, göttlich, gefährlich, herrlich, jungfräulich, kaiserlich, kläglich, königlich, mündlich, nachdenklich, nützlich, richterlich, schrecklich, schriftlich, stündlich, sündlich, täglich, tauglich, wöchentlich, etc.

los, blutlos, ehrlos, gottlos, grundlos, heillos, kraftlos, lieblos, machtlos, regellos, reimlos, sinnlos, sprachlos, trostlos, etc.

selig, bittselig, glückselig, holdselig, leutselig, mühselig, saumselig, trübselig, u.s.w.


3 §. Ferner, geben die Fürwörter einen großen Vorrath; als der deinige, der ihrige, meinige, seinige, selbige, etc. Noch eine andere Art kommen von den Zeitwörtern, her, von denen wir theils unter dem Namen der Mittelwörter, besonders handeln wollen. Doch es giebt noch viele andere, die nach Art der obigen, mit den Endsyllben gebildet werden. Z.E.


bar, brauchbar, dankbar, kundbar, nennbar, offenbar, ruchtbar, schandbar, sonderbar, strafbar, unfehlbar, unläugbar, wandelbar, wunderbar, zahlbar, zinsbar, u.s.w.

haft, habhaft, plauderhaft, säßhaft, standhaft, schwatzhaft, wankelhaft, waschhaft, wohnhaft, zaghaft, u.s.w.

sam, behutsam, diensam, fördersam, fugsam, gnügsam, lobesam, rathsam, sparsam, wirksam, u.a.m.

ig, abredig, abwendig, anheischig, ansichtig, beißig, beyhändig, beypflichtig, beyräthig, beyständig, erbärmlich, erböthig, gehörig, genügig, vorläufig, willfährig, u.a.m.

isch, mürrisch, nachläufisch, wetterwendisch, zutäppisch, zänkisch, u.a.m.

[294] lich, deutlich, dienlich, erfoderlich, erklecklich, getreulich, füglich, leidlich, möglich, nachbarlich, ritterlich, schrecklich, sträflich, tauglich, trefflich, vermuthlich, wunderlich, ziemlich, zierlich, u.s.w.


4 §. Außer diesen scheinen eine große Anzahl derselben, aus bloßen Nebenwörtern entstanden zu seyn, als welche insgemein einsyllbig, und also von einfacher Natur sind. Von bös, gut, kurz, lang, früh, spät, schön, alt, jung, u.d.m. scheinen im Deutschen die Beywörter, ein böser, guter, kurzer, langer, früher, später, schöner, alter, junger, u.s.w. durch Anhängung der Syllbe er gebildet zu seyn. Ja, man hat wohl so gar von den kleinen Wörterchen folgende gebildet1:


bald, baldig. heut, heutig.
da, dasig. hie, hiesig.
dort, dortig. jetzo, jetzig.
etwa, etwanig. nachmals, nachmalig.
ehemals, ehemalig. vor, vorig.
gestern, gestrig. vormals, vormalig.
heuer, heurig. wider, widrig. u.d.gl.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 293-296.
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