III Abschnitt.

[378] Von den unrichtigen Zeitwörtern.


(Verbis irregularibus.)


1 §.


Die zweyte Classe der deutschen Zeitwörter ist, wie oben bereits erwähnet worden, von weit geringerer Anzahl: aber ihre Abwandelung geht nicht so richtig hintereinander fort, als die vorige. Sie bleibt nämlich nicht so genau bey einerley Selbstlautern des Stammwortes; sondern ändert dieselben auf vielerley Art. Z.E. von der gebiethenden Weise gib, kömmt die erste Person der gegenwärtigen Zeit, ich gebe; die zweyte, du giebst, etc. die jüngst vergangene Zeit aber, ich gab; gegeben. Eben so wird aus schlage, du schlägst, schlug, und geschlagen; u.d.gl. Ferner endet sich die jüngst vergangene Zeit nicht mehr auf te, gebete, und schlagete; sondern auf allerley Art; wie z.E. gab, und schlug; imgleichen die völlig vergangene nicht auf ein et, z.E. gegebet, und geschlaget; sondern auf en, gegeben,geschlagen, u.s.w.

2 §. Hieraus erhellet nun, daß, ungeachtet aller scheinbaren Unrichtigkeit dieser Abwandelung, den noch eine gewisse Ordnung darinnen statt hat, die sich nach Regeln richtet. Denn die Veränderung der Selbstlauter, in verschiedenen Zeiten, kein te in der jüngst vergangenen, und ein en in der völlig vergangenen Zeit, sind untrügliche Merkmaale[378] eines solchen unrichtigen Zeitwortes. Wir wollen aber, aus einigen Exempeln derselben, ihre Regeln noch genauer bestimmen.

3 §. Ich spreche, ich schreibe, ich fließe, ich reite, ich stehe, sind z.E. solche unrichtige Zeitwörter. Nun bilden sie aber ihre jüngstvergangene Zeit, zwar nicht mit einerley Selbstlautern, aber doch allemal einsyllbig. Denn es heißt: z.E.


Ich spreche, ich sprach, gesprochen,
ich schreibe, ich schrieb, geschrieben,
ich reite, ich ritt, geritten,
ich fließe, ich floß, geflossen,
ich stehe, ich stund, gestanden.

Hieraus erhellet nun die erste Regel dieser unrichtigen Zeitwörter; die jüngst vergangene Zeit derselben, muß sich niemals auf ein e endigen, sondern immer einsyllbig mit einem Mitlauter schließen. Es ist also unrecht, wenn manche, aus einer übel angewandten Nachahmung der richtigen Abwandelung, schreiben: ich ware, ich sahe, ich gabe, ich nahme, ich ließe, ich litte, ich fande, u.d.gl. Es muß nämlich heißen, ich war, ich sah, ich gab, ich nahm, ich litt, ich fand: so wie alle Welt saget: ich that, ich kam, ich stund, ich lag, ich gieng; nicht thate, kame, etc. Denn wenige böse Exempel, zumal aus schlechten Provinzen, können wider die Sprachähnlichkeit, und den Gebrauch der besten Scribenten nichts ausrichten1.

4 §. Die zweyte Regel ist diese: Die jüngstvergangene Zeit, die in der anzeigenden Art (MODO INDIC.) [379] so einsyllbig ist, nimmt in der verbindenden, (MODO CONJUNCT.) ein e an, und verwandelt die Selbstlauter a, o, und u, in die Doppellaute ä, ö, ü.


aus gab, wird also ich gäbe, aus floß – – – ich flösse,
aus kam, – – – ich käme, aus floh, – – – ich flöhe,
aus nahm, – – ich nähme, aus schlug – – ich schlüge,
aus sah, – –  – – ich sähe, aus stund – – ich stünde.

Und alle, die davon im Reden oder Schreiben abweichen, entfernen sich merklich von der guten Mundart. Die andern aber, die kein a, o, oder u haben, nehmen doch in der verbindenden Art, das e an.


ich fiel, daß ich fiele, ich schliff, daß ich schliffe,
ich gieng – ich gienge, ich schmiß, – ich schmiesse,
ich litt, – ich litte, ich schrieb, – ich schriebe,
ich ritt, – ich ritte, ich stieß, – ich stieße,
ich schlief, – ich schliefe. ich stritt, – ich stritte.

5 §. Die dritte Regel ist zwar so allgemein nicht, als die bisherigen: aber doch trifft sie bey den meisten ein. Sie heißt so: Die zweyte und dritte Person der gegenwärtigen Zeit in unrichtigen Zeitwörtern, ändern insgemein den Selbstlaut der ersten, entweder in einen Doppellaut, oder doch in einen andern Selbstlaut. Die Exempel beyder Arten sind gemein:


ich breche, du brichst, er bricht,
ich fliehe, du fleuchst, er fleucht,
ich fließe, du fleußt, er fleußt,
ich gebe, du giebst, er giebt,
ich komme, du kömmst, er kömmt
ich nehme, du nimmst, er nimmt,
ich schlage, du schlägst, er schlägt,
ich sehe, du siehst, er sieht,
ich spreche, du sprichst, er spricht,
ich trage, du trägst, er trägt,
ich triefe, du treufst, er treuft.

[380] 6 §. Hierbey muß ich anmerken, daß in gewissen Landschaften einige Zeitwörter, die von rechtswegen ganz richtig gehen sollten, auf eben diese unrichtige Art abgewandelt werden. Sie sagen und schreiben z.E. ich jage du jägst, ich jug; ich frage, du frägst, ich frug: als wenn diese Wörter sich nach schlage und trage richten müßten. Allein, daß dem nicht also sey, zeiget die völligvergangene Zeit derselben zur Genüge. Denn da saget man nicht gejagen und gefragen, sondern gejaget, und gefraget: zu einem deutlichen Beweise, daß diese Wörter eine richtige Abwandelung haben, und wie klage, durchgehends bey einerley Selbstlaute bleiben, auch ihr te in der jüngst vergangenen Zeit behalten müssen:


ich frage, du fragest, ich fragete, ich habe gefraget.
  jage, du jagest, ich jagete, ich habe gejaget,
  klage, du klagest, ich klagete, ich habe geklaget.

Und so wird wirklich in der hiesigen guten Mundart von jedermann gesprochen. Die Sprachähnlichkeit giebt allhier abermal für die obersächsische Gewohnheit den Ausschlag.

7 §. Etwas ungewissers ist die letzte Regel, in Ansehung der Zeitwörter, die aus dem ie der gegenwärtigen Zeit, in der jüngstvergangenen ein o machen; und in der zweyten Person der ersten, das eu bekommen sollen. Dieses letzte erfodert gleichfalls die Sprachähnlichkeit; und der gute Gebrauch der Alten, wovon in der Bibel und in den Kirchengesängen die Beweise stehen. So muß nämlich


[381]
von fliehen, er fleucht, ich floh, geflohen,
– fliegen, er fleugt, ich flog, geflogen,
– fließen, er fleußt, ich floß, geflossen,
– gießen, er geußt, ich goß, gegossen,
– kriechen, er kreucht, ich kroch, gekrochen,
– lügen, er leugt, ich log, gelogen,
– schießen, er scheußt, ich schoß, geschossen,
– schließen, er schleußt, ich schloß, geschlossen,
– triegen, er treugt, ich trog, getrogen,

u.s.w. kommen: wie auch wirklich in einigen Landschaften noch gesprochen wird. Allein, die Unbeständigkeit der Aussprache hat hier in Meißen gemachet, daß man zwar diese alte und gute Art noch kennet, und nicht verwirft; aber doch im gemeinen Gebrauche nicht mehr beobachtet. Man saget und schreibt nämlich in allen diesen Fällen, er fliegt, er flieht, er fließt, er gießt, er lügt, er schießt, er schließt, er triegt; als ob es richtige Zeitwörter wären, die den Selbstlaut der ersten Person behielten.

8 §. Zu einer Entschuldigung dieser Abweichung kann dienen: daß gleichwohl nicht alle unrichtige Zeitwörter diese Änderung mit machen. Denn eine sehr große Anzahl derselben, behält in der zweyten und dritten Person den Selbstlaut der ersten; ja man könnte fast sagen, daß ihre Zahl, der ersten gleich käme; zumal wenn man die oberwähnte Ausnahme von dem eu noch machen will. Indessen ist allen Dichtern und Rednern, die gern eine männlichere und edlere Schreibart brauchen wollen, zu rathen, bey der alten und regelmäßigen Art der Abwandelung zu bleiben. Es klingt nämlich viel besser: geuß sehr tief in mein Herz hinein etc. Itzt schleußt er wieder auf die Thür etc. oder wie Opitz in dem Gedichte auf den König in Pohlen schreibt:


Man sah sie ja wohl auch Smolensko hart umschließen;

Doch du umschleußest sie, und bringst den Feind so weit,

Daß er, wie schwer es fällt, für Sieg, Genade! schreyt.

Er kreucht zu Kreuze hin etc.


als wenn man gießt, schließt, umschließest, kriechet, sagete.[382]

9 §. Indessen giebt es Zeitwörter, die dem Scheine nach, zweyerley Abwandelung haben, deren eine richtig, die andere aber unrichtig aussieht: Z.E. bewegen, hat ich bewegete und bewog; löschen, hat ich löschete, und ich erlosch: von preisen, ich preisete, gepreiset, und ich pries, gepriesen. Ich verderbe, verdarb, verdorben, auch ich verderbete, und verderbet, ich biege, ich bog, gebogen, und ich beugete, und gebeuget, u.d.gl. Allein, das scheint nur so ungewiß zu seyn: denn das erste davon ist von physikalischer Bedeutung; als, die Erde bewegete sich; das zweyte von moralischer: Deine Vorstellung bewog mich etc. Das zweyte ist nicht einerley Wort, sondern es sind zwey unterschiedene Wörter. Das eine ist von thätiger Bedeutung, und geht richtig: Ich lösche, nämlich das Feuer, ich löschete, ich habe gelöschet: das andere ist von der Mittelgattung, (GENER. NEUTRIUS) und geht unrichtig; das Licht, oder die Flamme verlischt, sie erlosch, sie ist erloschen. Eben so ist es mit beugen, welches, als eine sittliche Wirkung betrachtet, richtig geht: ach! meine Tochter, wie beugest du mich! er beugete mich, ich bin gebeuget. Ein anders aber ist es mit biegen, welches eine physikalische Wirkung anzeiget; und unrichtig fließt: ich biege, ich bog, gebogen. Das preisen aber ist nur vor Alters richtig gegangen: z.E. Herr Gott, nun sey gepreiset. Heute zu Tage ist es durchaus zur unrichtigen Art gezogen worden. Ich pries, gepriesen, ich hange, hat ich hieng; das thätige, ich hänge, oder henke, hat ich hängete, oder henkete.

10 §. Noch ein Unterschied äußert sich bey diesen zwoen Arten der Zeitwörter, in Ansehung der gebiethenden Art. Denn da die richtige Abwandelung heute zu Tage durchgehends zweysyllbige Befehle giebt, als labe, lebe, liebe, lobe, lache, mache, u.s.w. so fallen sie in dieser unrichtigen Abwandelung, durchaus einsyllbig. Z.E. sprich, nimm, reiß, schmeiß, komm, wirf, brich, stich,[383] u.d.gl. Es fehlen also diejenigen wider die Sprachähnlichkeit, die in solchen Fällen ein e hinten anhenken. Als siehe, gehe, stehe, thue, falle, schreibe, u.d.gl.3. Denn so wie die vorigen gebildet waren, so müssen auch die andern werden, damit sie nicht den richtigen Zeitwörtern ähnlich werden mögen.

11 §. Endlich ist es auch bey vielen guten Schriftstellern schon gewöhnlich, die zweyte und dritte Person der gegenwärtigen Zeit von der anzeigenden Gattung unrichtiger Zeitwörter, die nicht das eu annehmen, auch den Selbstlaut nicht ändern können, wenigstens einsyllbicht zu bilden. Z.E.


Ich gehe,du gehst,er geht,ich gieng, gegangen.

Ich stehe,du stehst,er steht,ich stund, gestanden.

Ich leide,du leidst,er leidt,ich litt, gelitten, u.d.gl.


es wäre denn, daß zuviel harte Mitlauter zusammen kämen, wie in folgenden:


Ich reiße,du reißest,er reißt,ich riß, gerissen,

Ich beiße,du beißest,er beißt,ich biß, gebissen.


Das völlige Muster der Abwandelung eines unrichtigen Zeitwortes kömmt daher so heraus.[384]


II Abwandelung.


Der thätigen Gattung. (ACTIVI GEN.)


Die anzeigende Art.Die verbindende Art.

(MOD. INDIC.)(MOD. CONJUNCT.)


Gegenwärtige Zeit.


E. Ich sehe,Daß ich sehe,

Du siehst, nicht sichst, oder siehest, du sehest,

Er sieht, nicht sicht, oder siehet. er sehe.

V. Wir sehen,Daß wir sehen.

Ihr sehet, ihr sehet,

Sie sehen. sie sehen.


Jüngstvergangen.


E. Ich sah, nicht sahe,Daß ich sähe,

Du sahst, nicht sahest, du sähest,

Er sah, nicht sahe. er sähe.

V. Wir sahen,Daß wir sähen,

Ihr sahet, ihr sähet,

Sie sahen. sie sähen.


Völlig vergangen.


E. Ich habe gesehen,Daß ich gesehen habe,

Du hast gesehen, du gesehen habest,

Er hat gesehen. er gesehen habe.

V. Wir haben gesehen,Daß wir gesehen haben,

Ihr habet gesehen, ihr gesehen habet,

Sie haben gesehen. sie gesehen haben.


Längst vergangen.


E. Ich hatte gesehen,Daß ich gesehen hätte,

Du hattest gesehen, du gesehen hättest,

Er hatte gesehen. er gesehen hätte.

V. Wir hatten gesehen,Daß wir gesehen hätten,

Ihr hattet gesehen, ihr gesehen hättet,

Sie hatten gesehen. sie gesehen hätten.


I. Ungewiß künftig.


E. Ich will sehen,Daß ich sehen wolle,

Du willst sehen, du sehen wollest,

Er will sehen. er sehen wolle.

[385] V. Wir wollen sehen,Daß wir sehen wollen,

Ihr wollet sehen, ihr sehen wollet,

Sie wollen sehen. sie sehen wollen.


II. Gewiß.


E. Ich werde sehen,Daß ich sehen werde,

Du wirst sehen, du sehen werdest,

Er wird sehen. er sehen werde.

V. Wir werden sehen,Daß wir sehen werden,

Ihr werdet sehen, ihr sehen werdet,

Sie werden sehen. sie sehen werden.


III. Bedingt.


E. Ich würde sehen,Daß ich sehen würde,

Du würdest sehen, du sehen würdest,

Er würde sehen. er sehen würde.

V. Wir würden sehen,Daß wir sehen würden,

Ihr würdet sehen, ihr sehen würdet,

Sie würden sehen. sie sehen würden.


Die gebiethende Art.Die unbestimmte Art.


Gegenw. Z.Sieh du,Gegen. Z.sehen.

Sehet ihr.Verg. Z.gesehen

haben.

Künftig. Z.Laßt unsKünft. Z.sehen

Künftig. Z.sehen,Künft. Z.werden.

Ihr sollt sehen,Supin.zu sehen.

Sie sollen sehen.Gerund.im sehen,

vom sehen,

zum sehen.


Mittelwort.


Gegenw. Zeit, sehend, oder der, die, das sehende, imgleichen ein Sehender, u.s.w.


12 §. Das Muster der leidenden Gattung sieht so aus.


Der II Abwandelung

leidende Gattung.


Anzeigende Art.Verbindende Art.

(MOD. IND.)(MOD. CONJ.)


Gegenwärtige Zeit.


E. Ich werde gesehen,Daß ich gesehen werde,

Du wirst gesehen, du gesehen werdest,

Er wird gesehen. er gesehen werde.

[386] V. Wir werden gesehen,Daß wir gesehen werden,

Ihr werdet gesehen, ihr gesehen werdet,

Sie werden gesehen. sie gesehen werden.


Jüngstvergangene Zeit.


E. Ich wurde gesehen,Daß ich gesehen würde.

Du wurdest gesehen, du gesehen würdest,

Er wurde gesehen. er gesehen würde.

V. Wir wurden gesehen,Daß wir gesehen würden,

Ihr wurdet gesehen, ihr gesehen würdet,

Sie wurden gesehen. sie gesehen würden.


Völlig vergangene Zeit.


E. Ich bin gesehen worden,Daß ich sey gesehen worden,

Du bist gesehen worden, du seyst gesehen worden,

Er ist gesehen worden. er sey gesehen worden.

V. Wir sind gesehen worden,Daß wir seyn gesehen worden,

Ihr seyd gesehen worden, ihr seyd gesehen worden,

Sie sind gesehen worden. sie seyn gesehen worden.


Längstvergangene Zeit.


E. Ich war gesehen worden,Daß ich wäre gesehen worden,

Du warest gesehen worden, du wärest gesehen worden,

Er war gesehen worden. er wäre gesehen worden.

V. Wir warenDaß wir wären gesehen worden,

gesehen worden,

Ihr waret gesehen worden, ihr wäret gesehen worden,

Sie waren gesehen worden. sie wären gesehen worden.


I. Ungewiß künftige Zeit.


E. Ich will gesehen werden,Daß ich gesehen werden wolle,

Du willst gesehen werden, du gesehen werden wollest,

Er will gesehen werden. er gesehen werden wolle.

V. Wir wollenDaß wir gesehen werden wollen,

gesehen werden,

Ihr wollet gesehen werden, ihr gesehen werden wollet,

Sie wollen gesehen werden. sie gesehen werden wollen.


II. Gewiß.


E. Ich werdeDaß ich werde gesehen werden,

gesehen werden,Daß ich werde gesehen werden,

Du wirst gesehen werden, du werdest gesehen werden,

Er wird gesehen werden. er werde gesehen werden.

[387] V. Wir werdenDaß wir werden gesehen werden,

gesehen werden,

Ihr werdet gesehen werden, ihr werdet gesehen werden,

Sie werden sie werden gesehen werden.

gesehen werden.


III. Bedingt.


E. Ich würdeDaß ich gesehen werden würde,

gesehen werden,

Du würdest du gesehen werden würdest,

gesehen werden,

Er würde gesehen werden. er gesehen werden würde.

V. Wir würdenDaß wir gesehen werden würden,

gesehen werden,

Ihr würdet gesehen werden, ihr gesehen werden würdet,

Sie würden gesehen werden. sie gesehen werden würden.


Gebiethende Art.Unbestimmte Art.


Geg. Z.Werde du gesehen,Gegenw. Z.gesehen

Z.werden.

Werdet ihrV.Z.gesehen worden

gesehen.seyn.

K.Z.Ihr solltK.Z.werden gesehen

gesehen werden,werden.

Sie sollenGer.vom, im, und zum

gesehen werden.Ger.gesehen werden


Mittelwörter.


Gegenw. Z. Einer, der da gesehen wird.

Vergang. Z. Einer, der da ist gesehen worden. Ein Gesehener.

Künftig. Z. Einer, der da wird, soll oder muß gesehen werden.


13 §. In diesem Worte sehen nun, und in verschiedenen andern, die in der völlig vergangenen Zeit, den Selbstlauter der gegenwärtigen beybehalten, ist die Änderung, in Ansehung der richtigen Zeitwörter, fast gar nicht zu bemerken; außer, daß jene sich auf ein t endigten. Das thun aber die allerwenigsten, und weil die Veränderungen der Selbstlauter eben die größte Schwierigkeit machen: so wird es nöthig seyn, die ganze Anzahl der unrichtigen Zeitwörter, mit den sämmtlichen Bildungen ihrer übrigen Zeiten in ein Register zu bringen. Die Oberdeutschen, sonderlich an der Donau, wissen sich damit gar nicht zu behelfen, und fehlen nirgends öfter, als darinnen. Durch bloße Regeln aber läßt sich[388] solches nicht ausmachend4; der Gebrauch und das Lesen guter Schriftsteller muß es allmählich geben.

14 §. Es nehmen aber zuvörderst einige unrichtige Zeitwörter in der jüngstvergangenen Zeit ein a, und in der gebiethenden Art ein i an: die zweyte und dritte Person der gegenwärtigen Zeit aber fällt überall einsyllbig; außer wo es der Wohlklang verbeut, und diese sind nach alphabetischer Ordnung folgende.


Ich befehle, du befiehlst, er befiehlt etc. ich befahl, befohlen, befiehl.

Ich beginne, du beginnst, er beginnt, ich begann, nicht begunnte, begonnen, beginn.

Ich berge, du birgst, er birgt, ich barg, geborgen, birg.

Ich berste, du birstest, er birst, ich barst, geborsten, birst.

Ich besinne, du besinnst, er besinnt, ich besann, besonnen, besinn.

Ich binde, du bindst, er bindt, ich band, gebunden, bind.

Ich bitte, du bittest, er bittet, ich bath, gebethen, bitt. NB. hiermit muß man das Bethen nicht vermengen, welches richtig geht, ich bethe, ich bethete, gebethet etc.

Ich breche, du brichst, er bricht, ich brach, gebrochen, brich.

Ich dringe, du dringst, er dringt, ich drang, gedrungen, dring.

Ich empfinde, du empfindst, er empfindt, ich empfand, empfunden, empfind.

Ich erschrecke, du erschrickst, er erschrickt, ich erschrack, erschrocken, erschrick5.

Ich esse, du issest, er ißt, ich aß, gegessen, iß.

Ich finde, du findst, er findt, ich fand, gefunden, find.

Ich fresse, du frissest, er frißt, ich fraß, gefressen, friß.

Ich gebähre, du gebiehrst, er gebiehrt, ich gebahr, gebohren, gebiehr.

Ich gebe, du giebst, er giebt, ich gab, gegeben, gib.

Ich gelte, du giltst, er gilt, ich galt, gegolten, gilt.

Ich genese, du genesest, er geneset, ich genaß, genesen.

[389] Es geschieht, es geschah, es ist geschehen6.

Ich gewinne, du gewinnst, er gewinnt, ich gewann, gewonnen, gewinn.

Ich helfe, du hilfst, er hilft, ich half, geholfen, hilf.

Ich klinge, du klingst, er klingt, ich klang, geklungen, kling.

Ich komme, du kömmst, er kömmt, ich kam, gekommen, komm.

Ich lese, du liesest, er liest, ich las, gelesen, lies.

Ich messe, du missest, er mißt, ich maß, gemessen, miß.

Ich nehme, du nimmst, er nimmt, ich nahm, genommen, nimm.

Ich pflege, SOLEO, du pflegst, er pflegt, ich pflag, gepflogen. NB. man muß dieß Wort nicht mit pflegen, NUTRIRE, vermengen; welches ganz richtig geht: er pflegete sein; er hat seiner gepfleget.

Ich ringe, du ringst, er ringt, ich rang, gerungen, ring.

Ich rinne, du rinnst, er rinnt, ich rann, geronnen, rinn.

Ich schelte, du schiltst, er schilt, ich schalt, gescholten, schilt.

Ich schlinge, du schlingst, er schlingt, ich schlang, geschlungen, schling.

Ich schwimme, du schwimmst, er schwimmt, ich schwamm, geschwommen, schwimm.

Ich schwinde, du schwindst, er schwindt, ich schwand, geschwunden, schwind.

Ich schwinge, du schwingst, er schwingt, ich schwang, geschwungen, schwing. Einige sagen auch, er schwung.

Ich sehe, du siehst, er sieht, ich sah, gesehen, sieh.

Ich sinke, du sinkst, er sinkt, ich sank, gesunken, sink.

Ich singe, du singst, er singt, ich sang, gesungen, sing.

Ich sinne, du sinnst, er sinnt, ich sann, gesonnen, sinn.

Ich sitze, du sitzest, er sitzt, ich saß, gesessen, sitz.

Ich spinne, du spinnst, er spinnt, ich spann, gesponnen, spinn.

Ich spreche, du sprichst, er spricht, ich sprach, gesprochen, sprich.

Ich springe, du springst, er springt, ich sprang, gesprungen, spring.

Ich steche, du stichst, er sticht, ich stach, gestochen, stich.

Ich stehe, du stehst, er steht, ich stund, bisweilen auch ich stand, gestanden, steh. Dieß weicht von der Regel des i ab.

Ich stehle, du stiehlst, er stiehlt, ich stahl, gestohlen, stiehl.

Ich sterbe, du stirbst, er stirbt, ich starb, gestorben, stirb.

Ich stinke, du stinkst, er stinkt, ich stank, gestunken, stink.

Ich thue, du thust, er thut, ich that, gethan, thu. Dieß weicht auch in der gebiethenden Art, vom i ab.

Ich treffe, du triffst, er trifft, ich traff, getroffen, triff.

Ich trete, du trittst, er tritt, ich trat, getreten, tritt.

[390] Ich trinke, du trinkst, er trinkt, ich trank, getrunken, trink.

Ich verderbe, du verdirbst, er verdirbt, ich verdarb, verdorben, verdirb. Doch muß man dieses nicht mit dem thätigen Zeitworte, ich verderbe, (CORRUMPO) vermischen; welches richtig fließt, du verderbest, er verderbet, ich verderbete, ich habe verderbet, verderbe.

Ich vergesse, du vergissest, er vergißt, ich vergaß, vergessen, vergiß.

Ich verschwinde, du verschwindst, er verschwindt, ich verschwand, ich bin verschwunden, verschwind.

Ich versehe, geht wie sehen.

Ich werbe, du wirbst, er wirbt, ich warb, geworben, wirb.

Ich werde, du wirst, er wird, ich ward, geworden, werde. Auch dieß verläßt das i in der gebiethenden Art.

Ich werfe, du wirfst, er wirft, ich warf, geworfen, wirf.

Ich winde, du windest, er windet, ich wand, gewunden, wind.

Ich zwinge, du zwingst, er zwingt, ich zwang, gezwungen, zwing.7


15 §. Eine andere Classe von 34 unrichtigen Zeitwörtern, nimmt in der jüngstvergangenen Zeit ein ie an; in der gebiethenden Art aber behält sie den Selbstlaut der gegenwärtigen Zeit. Die a, o, und u in der ersten Person haben, bekommen in der zweyten und dritten ä, ö, ü; die übrigen werden einsyllbig gemachet, wie folgendes Verzeichniß zeigen wird.


Ich blase, du bläsest, er bläst, ich blies, geblasen, blas!

Ich bleibe, du bleibst, er bleibt, ich blieb, geblieben, bleib!

Ich brate, du brätst, er brät, ich briet, gebraten, brat!

[391] Ich falle, du fällst, et fällt, ich fiel, gefallen, fall!

Ich fange, du fängst, er fängt, ich fieng, gefangen, fang!

Ich gedeihe, du gedeihst, er gedeiht, ich gedieh, gediehen, gedeih!

Ich gefalle, du gefällst, er gefällt, ich gefiel, gefallen, gefall!

Ich gehe, du gehst, er geht, ich gieng, gegangen, geh!

Ich halte, du hältst, er hält, ich hielt, gehalten, halt!

Ich hange, du hängst, er hängt, ich hieng, gehangen, häng! Man muß dieses Zeitwort nicht mit hängen, oder henken vermischen, welches thätiger Bedeutung ist, und ganz richtig fließt: du henkest, er henket, ich henkete, gehenket, henk! davon denn der Henker kömmt.

Ich haue, du häust, er häut, ich hieb, gehauen, hau!

Ich heiße, du heißest, er heißt, ich hieß, geheißen, heiß!

Ich lasse, du lässest, er läßt, ich ließ, gelassen, laß!

Ich laufe, du läufst, er läuft, ich lief, gelaufen, lauf!

Ich leihe, du leihst, er leiht, ich lieh, geliehen, leih!

Ich meide, du meidst, er meidt, ich mied, gemieden, meid!

Ich preise, du preisest, er preist, ich pries, gepriesen, preis!

Ich rathe, du räthst, er räth, ich rieth, gerathen, rath!

Ich reibe, du reibst, er reibt, ich rieb, gerieben, reib!

Ich rufe, du rufst, er ruft, ich rief, gerufen, ruf! Es ist zu merken, daß einige auch sprechen, ich rufete, geruft: allein, in der deutschen Bibel, und in den besten Scribenten gilt das erste.

Ich scheide, du scheidst, er scheidt, ich schied, geschieden, scheid!

Ich scheine, du scheinst, er scheint, ich schien, geschienen, schein!

Ich schlafe, du schläfst, er schläft, ich schlief, geschlafen, schlaf!

Es schneyt, (unpersönlich) es schnie, geschnien: doch sagen auch einige, es schneyete und es hat geschneyet.

Ich schreibe, du schreibst, er schreibt, ich schrieb, geschrieben, schreib!

Ich schreye, du schreyst, er schreyt, ich schrie, geschrieen, schrey!

Ich schweige, du schweigst, er schweigt, ich schwieg, geschwiegen, schweig!

Ich speye, du speyst, er speyt, ich spie, gespieen, spey!

Ich steige, du steigst, er steigt, ich stieg, gestiegen, steig!

Ich stoße, du stößest, er stößt, ich stieß, gestoßen, stoß!

Ich treibe, du treibst, er treibt, ich trieb, getrieben, treib!

Ich verzeihe, du verzeihst, er verzeiht, ich verzieh, verziehen, verzeih!

Ich weise, du weisest, er weist, ich wies, gewiesen, weis!

Ich zeihe, du zeihst, er zeiht, ich zieh, geziehen, zeih!


16 §. Nun folget eine Classe solcher Zeitwörter, die in der jüngstvergangenen Zeit, ein schlechtes i, mit einem doppelten Mitlauter annehmen. Ihrer sind nur 25.


[392] Ich befleiße, du befleißest, er befleißt, ich befliß, beflissen, befleiß! Man spricht aber auch ich befleißige, und alsdann ist es ein richtiges Zeitwort, ich befleißigte, ich habe mich befleißiget; jenes hat dafür ich bin beflissen.

Ich beiße, du beißest, er beißt, ich biß, gebissen, beiß!

Ich gleiche, du gleichst, er gleicht, ich glich, geglichen, gleich!

Ich gleiße, du gleißest, er gleißt, ich gliß, geglissen, gleiß!

Ich gleite, du gleitest, er gleitet, ich glitt, geglitten, gleit!

Ich greife, du greifst, er greift, ich griff, gegriffen, greif!

Ich kneife, du kneifst, er kneift, ich kniff, gekniffen, kneif!

Ich kneipe, du kneipst, er kneipt, ich knipp, geknippen, kneip!

Ich leide, du leidst, er leidt, ich litt, gelitten, leid!

Ich pfeife, du pfeifst, er pfeift, ich pfiff, gepfiffen, pfeif!

Ich reiße, du reißest, er reißt, ich riß, gerissen, reiß!

Ich reite, du reitest, er reitet, ich ritt, geritten, reit!

Ich scheiße, du scheißest, er scheißt, ich schiß, geschissen, scheiß!

Ich schleiche, du schleichst, er schleicht, ich schlich, geschlichen, schleich!

Ich schleife, du schleifst, er schleift, ich schliff, geschliffen, schleif!

Ich schleiße, du schleißest, er schleißt, ich schliß, geschlissen, schleiß. Dieß ist von schließen, (CLAUDERE) ich schloß, geschlossen, ganz unterschieden.

Ich schmeiße, du schmeißest, er schmeißt, ich schmiß, geschmissen, schmeiß!

Ich schneide, du schneidst, er schneidt, ich schnitt, geschnitten, schneid!

Ich schreite, du schreitst, er schreitet, ich schritt, geschritten, schreit!

Ich spleiße, du spleißest, er spleißt, ich spliß, gesplissen, spleiß!

Ich streiche, du streichst, er streicht, ich strich, gestrichen, streich!

Ich streite, du streitst, er streitet, ich stritt, gestritten, streit!

Ich verbleiche, du verbleichst, er verbleicht, ich verblich, verblichen, verbleich!

Ich vergleiche, du vergleichst, er vergleicht, ich verglich, verglichen, vergleich!

Ich weiche, du weichst, er weicht, ich wich, gewichen, weich!


17 §. Nun kömmt eine ziemliche Anzahl derer, die in der jüngstvergangenen Zeit, ein o annehmen. Diese nehmen großentheils in der zweyten und dritten Person der gegenwärtigen Zeit ein eu an. Sie belaufen sich auf 44 Stücke.


[393] Ich biege, du beugst, er beugt, ich bog, gebogen, bieg!

Ich betriege, du betreugst, er betreugt, ich betrog, betrogen, betreug!

Ich bewege, du bewegst, er bewegt, ich bewog, bewogen, beweg. NB. Dieß ist im moralischen Verstande: im physikalischen geht es richtig. ich bewegete, ich habe beweget.

Ich biethe, du beutst, er beut, ich both, gebothen, beut!

Ich dresche, du drischest, er drischt, ich drosch, gedroschen, drisch!

Es erschallet, es erscholl, es ist erschollen. Das Stammwort hievon schallen, ist richtig in der Abwandelung, es schallete, es hat geschallet!

Ich erwäge, du erwägst, er erwägt, ich erwog, erwogen, erwäg!

Ich fechte, du fichtst, er ficht, ich focht, gefochten, ficht!

Ich flechte, du flichtst, er flicht, ich flocht, geflochten, flicht!

Ich fliege, du fleugst, er fleugt, ich flog, geflogen, fleug! Die Neuern sagen auch, du fliegst, er fliegt, fliege!

Ich fliehe, du fleuchst, er fleucht, ich floh, geflohen, fleuch! Die Neuern sagen auch, du fliehst, er flieht, flieh!

Ich fließe, du fleußest, er fleußt, ich floß, geflossen, fleuß! Auch hier sprechen einige, du fließest, er fließt, fließe!

Ich friere, du freuerst, er freuert, ich fror, gefroren, frier! Doch pflegen ebenfalls einige du frierst, er friert zu sagen.

Ich gebiethe, du gebeutst, er gebeut, ich geboth, gebothen, gebeut! Einige sagen auch gebiethest, gebiethet.

Ich genieße, du geneußest, er geneußt, ich genoß, genossen, geneuß! Andere sagen auch genießest, genießt.

Ich gieße, du geußest, er geußt, ich goß, gegossen, geuß! Von diesen gilt ebenfalls die vorige Anmerkung.

Ich glimme, du glimmst, er glimmt, ich glomm, geglommen, glimm!

Ich hebe, du hebst, er hebt, ich hob, gehoben, heb!

Ich krieche, du kreuchst, er kreucht, ich kroch, gekrochen, kreuch! Andere sagen auch du kriechst, er kriecht.

Ich kühre, du kührst, er kührt, ich kohr, gekohren, kühr!

Ich erlösche, du erlischest, er erlischt, ich erlosch, erloschen, erlisch: Dieses ist ein Zeitwort der mittlern Gattung (NEUTRUM), wie es von einem Lichte, oder einer Flamme gebrauchet wird. Das andere ich lösche, ist von richtiger Abwandelung: ich löschete, ich habe gelöschet.

Ich lüge, du leugst, er leugt, ich log, gelogen, leug! Auch hier sagen einige du lügest, er lüget, lüge!

Ich melke, du melkest, er melket, ich molk, gemolken, melk!

Ich quelle, du quillst, er quillt, ich quoll, gequollen, quell!

Ich rieche, du reuchst, er reucht, ich roch, gerochen, reuch! Man merke, daß einige, auch du riechest, er riechet, sagen. Das Wort rächen aber,[394] ist von richtiger Abwandelung, und hat nicht ich roch, gerochen, sondern ich rächete, gerächet, räche!

Ich saufe, du säufst, er säuft, ich soff, gesoffen, sauf!

Ich sauge, du saugest, er saugt, ich sog, gesogen, saug! Hiermit muß man das thätige Zeitwort säugen nicht vermengen, welches richtig geht, ich säugete, gesäuget, säuge!

Ich schere, du schierst, er schiert, ich schor, geschoren, schier! Doch sagen auch einige du scherest, er scheret, schere!

Ich schiebe, du schiebst, er schiebt, ich schob, geschoben, schieb!

Ich schieße, du scheußest, er scheußt, ich schoß, geschossen, scheuss! Wiewohl man wegen der Zweydeutigkeit, lieber spricht, du schießest, er schießt, schieß!

Ich schließe, du schleußest, er schleußt, ich schloß, geschlossen, schleuß! Einige sprechen auch, schließest, schließt, schließe!

Ich schmelze, LIQUESCO, du schmilzest, er schmilzt, ich schmolz, geschmolzen, schmilz! Dieß ist vom Wachse oder Metalle leidend zu verstehen: das thätige Zeitwort aber, LIQUEFACIO, ich schmelze, ist von der richtigen Art, du schmelzest, er schmelzet, ich schmelzete, ich habe geschmelzet, schmelze!

Ich schniebe, du schniebst, er schniebt, ich schnob, geschnoben, schnieb! Das Wort schnauben, das ist pochen, wüthen, ist von richtiger Abwandelung; Saul schnaubete noch, geschnaubet.

Ich siede, du siedest, er siedet, ich sott, gesotten, sied!

Ich sprieße, du sprießest, er sprießt, ich sproß, gesprossen, sprieß!

Ich stiebe, du stiebst, er stiebt, ich stob, gestoben, stieb! Man muß es nicht mit stäuben vermischen, welches thätig ist, und richtig fließt, ich stäubete, gestäu bet.

Es schweret, nämlich ein Geschwür, es schwor, geschworen.

Ich triefe, du treufst, er treuft, ich troff, getroffen, treuf! Träufeln hergegen geht richtig, es träufelte, geträufelt.

Es verdreußt, verdroß, es hat verdrossen. Doch sagen auch viele schon, es verdrießt.

Ich verhöhle, du verhöhlst, er verhöhlt, ich verhohl, verhohlen, verhöhl!

Manche sagen auch verhöhlete, verhöhle!

Ich verliere, du verleurst, er verleurt, ich verlor, verloren, verleur! Wiewohl viele schon sprechen, du verlierst, er verliert, verlier!

Ich verwirre, du verwirrst, er verwirrt, ich verworr, verworren, verwirr! Viele machen es auch richtig, ich verwirrete, ich habe verwirret.

Ich wiege, du wiegst, er wiegt, ich wog, gewogen, wieg! Das Wiegen beym Kinderwiegen geht richtig, ich wiegete etc.

Ich ziehe, du zeuchst, er zeucht, ich zog, gezogen, zeuch! Aber auch hier schreiben die meisten schon ziehst, zieht, ziehe![395]


18 §. Endlich kömmt die letzte Classe derjenigen unrichtigen Zeitwörter, die in der jüngstvergangenen Zeit ein u bekommen. Es sind ihrer nicht mehr, als 20.


Ich backe, du bäckst, er bäckt, ich buck oder buch, gebacken, back!

Ich fahre, du fährst, er fährt, ich fuhr, gefahren, fahr!

Es gelingt, es gelung oder gelang, es ist gelungen.

Ich grabe, du gräbst, er gräbt, ich grub, gegraben, grabt

Ich lade, du lädst, er lädet, ich lud, geladen, lad!

Ich mahle, (Mehl) du mahlst, er mahlt, (sollte auch haben ich muhl, davon Mühle kömmt; ist aber nicht mehr gebräuchlich;) manche sagen, er mühlete, gemahlen, mahl! Das Malen, PINGERE, ist ein richtiges Zeitwort, ich malete etc.

Ich schaffe, du schaffst, er schafft, ich schuff, geschaffen, schaff!

Ich schinde, du schindst, er schindt, ich schund, geschunden, schind!

Ich schlage, du schlägst, er schlägt, ich schlug, geschlagen, schlag!

Ich schlinge, du schlingst, er schlingt, ich schlung oder schlang, geschlungen, schling!

Ich schwöre, du schwörst, er schwört, ich schwur, geschworen, schwör!

Ich schwinge, du schwingst, er schwingt, ich schwung oder schwang, geschwungen, schwing!

Ich singe, du singst, er singt, ich sung, gesungen, sing! andere sagen, sang.

Ich sinke, du sinkst, er sinkt, ich sunk, gesunken, sink! andere sagen auch sank.

Ich springe, du springst, er springt, ich sprung oder sprang, gesprungen, spring! So haben auch noch stinken, trinken, u.e.a. zugleich stank, und stunk, trank, und trunk; allein, die erste Art klingt allemal edler, und die andere pöbelhafter.

Ich trage, du trägst, er trägt, ich trug, getragen, trag!

Ich wachse, du wächsest, er wächst, ich wuchs, gewachsen, wachs!

Ich wasche, du wäschest, er wäscht, ich wusch, gewaschen, wasch!

Ich werde, du wirst, er wird, ich wurd, geworden, werd! doch hat es auch, ich ward.

Ich winde, du windst, er windt, ich wund, gewunden, wind! Doch ist oben in der ersten Classe, das ich wand, viel besser.


19 §. Dergestalt beläuft sich die ganze Anzahl der unrichtigen Zeitwörter im Deutschen ungefähr, auf 185 bis 190: ob sie gleich von einem neuen Sprachlehrer für viel größer ausgegeben worden. Dieser hat viele richtige, die[396] ihr te, und et behalten, bloß deswegen hierher gerechnet, weil sie den Selbstlaut ändern; als ich wende, ich wandte, ich kannte, nannte, brannte, brachte u.d.gl. Allein, ein jeder sieht, daß dieses nur eine Verkürzung, aus wendete, kennete, nennete, brennete, ist; welche auch noch gewöhnlich geblieben sind. Da sich nun die richtigen auf die 13 bis 1400 belaufen: so sieht man wohl, daß die Schwierigkeit diese wenigen zu merken, so groß nicht sey, als sich viele einbilden.

Fußnoten

1 Ich weis wohl, daß in der Bibel sehr oft steht, ich sahe; imgleichen daß viele ich stritte und litte sprechen. Auch manche Poeten haben wohl um des Reimes, oder Syllbenmaaßes willen, so geschrieben. Allein, um so weniger abweichenden Exempel halben, eine Ausnahme von der Regel zu machen, das belohnet die Mühe nicht. Ist es nicht besser, diese drey Wörter, nach dem großen Haufen der andern, ohne das e der regelmäßigen Zeitwörter zu bilden?


2 Man weis wohl, daß viele Landschaften sprechen, du kommst, er kommt. Allein, wenn die Provinzen von Deutschland uneins sind: so muß die Sprachlehre nach der Analogie entscheiden, welche recht hat. Nun sprechen aber die Schlesier und Meißner im ersten Falle, kömmst, kömmt; so gar, daß Opitz es auch einmal mit nimmt gereimet hat. Nach der Regel, haben also die Meißner und Schlesier recht.


3 Es thut nichts, daß einige Landschaften hier abweichen. Denn wie schon oben erinnert worden: so muß die Analogie der meisten Exempel entscheiden, wer recht hat. Auch das siehe, das so oft in der Bibel vorkömmt, muß der Regel nachgeben. Man fraget mich, ob denn die Poeten nicht, ware, sahe, u.d.gl. brauchen dörfen? Ich antworte, Nein. Eine solche Kleinigkeit nämlich verdienet keine Ausnahme.


4 Einige unserer alten Sprachlehrer haben sich zwar bemühet, solches zu thun: allein, ihre Regeln leiden so viele Ausnahmen, daß es vergeblich seyn würde, sie auswendig zu behalten.


5 Dieß ist das NEUTRUM: das thätige Zeitwort, ich erschrecke dich, ist regelmäßig, ich erschreckete ihn, ich habe ihn erschrecket.


6 Dieß ist ein unpersönliches Zeitwort, wovon ich schon oben einen Begriff gegeben, unten aber noch mehr sagen werde.


7 Bey vielen von diesen Wörter ist zu merken, daß, ob zwar in der anzeigenden Art die jüngstvergangene Zeit ein a hat, dennoch die verbindende ein ü bekömmt: wie wir oben bey dem Hülfsworte ward, würde, schon gesehen haben. Als, ich starb, ich stürbe, ich verdarb, ich verdürbe, ich warb, ich würbe, ich warf, ich würfe, ich stand, ich stünde, u.d.gl.m. die man aus dem Lesen anmerken muß. Vieleicht kömmt es daher, daß man vor Alters gesaget hat, ich sturb, verdurb, wurb, wurf, stund; wie man denn das letzte noch itzo so spricht. Allein, in den meisten hat das a auch in der verbindenden Art die Oberhand behalten. Man fraget mich, ob ein Poet nicht noch das alte brauchen dürfe? Wenn er sich durch solche veraltete Worte einer Armuth im Verändern schuldig geben und lächerlich werden will: so kann ers thun.[397]


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 378-398.
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