Das XI Hauptstück.
Von den Zwischenwörtern.
(INTERJECTIONIBUS.)

[451] 1 §.


Wir haben schon oben erinnert, daß man auch bisweilen den Gemüthszustand desjenigen ausgedrücket haben will, der da redet, oder schreibt. Und auch hier hat die große Lehrmeisterinn aller Sprachen, die Natur, es an Wörtern nicht fehlen lassen. Nun sind aber dabey hauptsächlich die Leidenschaften in Betrachtung zu ziehen, die den Redenden in Bewegung setzen, und die ihn treiben, auch andere gleichergestalt rege zu machen. Nachdem also Freude, Traurigkeit, Furcht, Hoffnung, Muth, Schrecken, Verachtung oder Verwunderung, sich des Herzens bemeistern: nachdem entstehen auch solche Zwischenwörter im Munde, die das alles auszudrücken geschickt sind: als Ach ich Elender! Weh mir Armen! Lustig ihr Freunde! Wohlan! u.s.w.

2 §. Wir wollen sie aber auch in ihre Classen eintheilen. Denn einige sind


1) Aufmunternde: auf, auf! wohlan! wohl her! sieh da! lieber! ey lieber! getrost! nur frisch! frisch ge wagt, ist halb gewonnen! unverzagt! hurtig! munter! fort, fort!

2) Jauchzende: Hey! heysa! lustig! juchhey! Sa, sa! Eya! Wohl mir! wohl uns! Gott Lob und Dank!

3) Klagende, als: Ach! ach! Ach und weh! weh mir! au weh! leider! leider Gottes! daß es Gott erbarme! erbarm es Gott! mich Armen! ich Elender! Gott erbarme es! So geht es leider! welch ein Unglück! das habe ich wohl gedacht!

[451] 4) Schwörende; Wahrhaftig! So wahr Gott lebet! Gott ist mein Zeuge! bey meiner Seele! so wahr ich vor euch stehe! so wahr ich ein ehrlicher Mann bin! auf Treue und Glauben! auf Ehre und Redlichkeit! u.d.m.

5) Verabscheuende! Weg! weg damit! pfuy! pfuy dich an! packe dich fort! trolle dich weg! geh mir aus den Augen! Hebe dich von mir! packe dich mit deinem Gelde!

6) Verfluchende: Strafe mich Gott! Gott strafe mich! Der Henker soll mich, dich, ihn, holen! Daß dich der Kuckuck, der Geyer, der Henker, der Teufel hole! etc.

7) Wünschende: wollte Gott! hilf lieber Gott! Gott helfe uns! der Himmel geb es! geb es der Himmel! Gott befohlen! lebe wohl! Gute Nacht! Glück zu! Glück auf!1.


3 §. Sind nun gleich die letztern aus verschiedenen andern Worten zusammengesetzte Redensarten: so vertreten sie doch im Reden und Schreiben die Stelle solcher Zwischenwörter. Andere gemeine aber, die nur unter dem Pöbel im Schwange gehen, haben wir mit Bedacht hier nicht rechtfertigen wollen; weil sie von guten Schriftstellern nicht gebrauchet werden. Die endlich aus dem Französischen kommen, brauchet man zwar häufig im gemeinen Leben; als ALLONS! COURAGE! ADIEU! u.d.gl. Allein, da dieses nicht einheimische Wörter, sondern Fremdlinge auf unserm Boden sind: so überläßt man sie billig ihrem Vaterlande. Von Zeter, und Mordio, wird an einem andern Orte gehandelt.

4 §. Und also hätten wir nun in diesem zweyten Theile unserer Sprachlehre, als in der Wortforschung, alle Redetheilchen der deutschen Sprache erkläret, und sie in ihren Geschlechtern, Abänderungen, Endungen, Zahlen, Abwandelungen, Gattungen, Arten und Zeiten; kurz, in allen ihren Gestalten und Zusammensetzungen, nach der Länge betrachtet. Ist ja hier und da noch etwas übergangen, so wird es entweder im folgenden Theile, in der Wortfügung, noch[452] vorkommen: oder es ist auch so nothwendig nicht, daß es ein Anfänger gleich wissen müßte. Ein vieles wird auch hernach, wie in andern Sprachen, der Umgang und das Bücherlesen selbst, am besten lehren.


Ende der Wortforschung.

Fußnoten

1 Nur kein brittenzendes Heil dir! wie einige Neulinge schnitzern. Denn wer kann das dulden: Glück dir! Tod dir! Pestilenz dir![453]


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 451-455.
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