Das IV Hauptstück.
Von Fügung der Zeitwörter.
(Syntaxis Verborum.)

[506] I. Das Zeitwort mit der ersten Endung.


1 §. I Regel:


Jedes persönliche Zeitwort, erfodert vor sich ein Hauptwort oder Fürwort der ersten Endung, in gleicher Person und Zahl; ausgenommen, wenn es in der unbestimmten, oder auch in der gebiethenden Art steht.


Z.E. Pietsch schreibt an den Prinzen Eugen:


Mein Blut, mein Vaterland sind kalt:

Doch deine rührende Gewalt

Erhitzet mich mit starken Trieben.

Dein hoher Arm hat mich erhöht;

Denn vor der Nachwelt Augen steht,

Was deine Faust gethan, was meine Hand geschrieben.


Denn hier hat bey Blut, Vaterland, Gewalt, Arm, Faust, und Hand, überall die Frage, wer? statt.


Die II Regel:


2 §. In der ausdrücklichen Frage, wer? steht zwar das Hauptwort, oder Fürwort auch in der ersten Endung; aber allererst nach dem Zeitworte.


Z.E. Wer ist der Herr, dessen Stimme ich gehorchen soll? Wie ist er denn sein Sohn? Nur ist hier zu bemerken,[506] daß die Hülfswörter, die sonst bey ihrem Zeitworte zu stehen pflegen, im Fragen oft von demselben getrennet, und die Haupt- oder Fürwörter zwischen beyde eingeschaltet werden. Z.E. Wo soll ich hingehen, vor deinem Geiste? Wo soll ich hinfliehen, vor deinem Angesichte? Oder wie Kanitz singt:


Soll mich die Hand des Herren ewig drücken:

Verfolgt er mich als seinen Feind?


Ist die Frage aber nur beyläufig, so fällt das weg: Z.E. Wer dieser Herr sey, weis ich nicht.


Die III Regel:


3 §. Wann in einer bedingten Rede das dafern, wenn, wofern ausgelassen wird: so kömmt ebenfalls das Zeitwort vor dem Haupt- oder Fürworte zu stehen.


Z.E. Schläft er, so wirds besser mit ihm: d.i. dafern er schläft, oder wenn er schläft. Oder wie Kanitz singt:


Ist an des Sünders Heil, dir, Herr, so viel gelegen?

Sagt solches mir dein Mund und Eidschwur selber zu?


Eben dergleichen geschieht auch in einer Bitte, die mit einer Art von Höflichkeit gethan wird. Als: geruhen Eure Majestät nur zu befehlen etc. belieben Sie mir doch das zu geben; thun sie mir das zu gefallen; erlauben sie mir etc. oder, wie abermal Kanitz singt:


Doch wollest du dabey mir solchen Glauben geben,

Der mein Verdienst für nichts, und dich für alles hält.


Doch könnte man auch ohne Fehler sagen: E. Maj. geruhen nur zu befehlen; Sie belieben mir doch das zu geben: sie erlauben mir etc. geruhen sie doch etc. etc.


[507] Die IV Regel:


4. §. Auch in der gebiethenden Weise pflegt man zuweilen, mehrerer Deutlichkeit wegen, die Personen, denen man befiehlt, durch das Fürwort zu nennen; und auch hier hat alsdann die erste Endung desselben statt:


Als, Geh du dahin; Tritt du hieher; Nehmet ihr dieses; Gebet ihr das her; Zahlet ihr euer Geld. Thun sie mir die Liebe etc. hören sie mir zu, u.d.gl. So singt z.E.B. Neukirch:


Rasen meine stolzen Feinde,

Großer Gott, so segne du.


Und Kanitz ebenfalls:


Wirke du in meine Sinnen.

Wohne mir im Schatten bey etc.


Auch in der mehrern Zahl setzet eben derselbe:


Geht, ihr meine müden Glieder etc.


Wiewohl es fast scheint, daß dieß durchgehends die fünfte Endung seyn könnte.


Die V Regel:


5 §. Auf die Hülfswörter seyn, werden, und bleiben, folget außer der vorhergehenden ersten Endung des Nennwortes, oder Fürwortes, auch hinterher dergleichen.


Z.E. Du bist ein Tigerthier! er ist ein Herkules: dieser Fürst war ein Titus seiner Zeit: du wirst ein Krösus, ein Salomo deines Volkes: er wird König, er wird Feldherr, Oberster, Amtmann, Schreiber etc. Imgleichen: Ich bleibe dein Freund und Diener; er blieb sein Patron, Gönner, u.d.gl. So schrieb Neukirch:


Dein Wachen, treuer Hirt, ist dir ein süßes Schlafen,

Dein Schlaf (ist) ein steter Traum, von so viel tausend Schafen,

Die dir vertrauet sind.[508]


Und Kanitz brauchet das wird so:


So wirst du ein Poet, wie sehr du es verneinest etc.


Auch Opitz schreibt so:


– – – Du würdest König seyn,

Und wäre nichts um dich, als dein Verdienst allein.


imgleichen von der Tugend:


Sie ist wohl ausgeübt, sich hoch empor zu schwingen,

Mit Flügeln der Vernunft, von diesen schwachen Dingen;

Ist über alle Macht, wird keines Menschen Magd.


Die VI Regel:


6 §. Das Zeitwort heißen, fodert vor und hinter sich die erste Endung des Nennwortes.


Z.E. Er heißt Wunderbar, Rath, Kraft, Held, ewig Vater, Friedefürst. So schreibt Opitz:


Dich, Held, hat eingenommen

Ein Ehrgeiz, hinter das mit ganzer Macht zu kommen,

Was Weisheit heißt und ist.


Und Neukirch in der Ode auf Friederichen den I.


Nun er Preußens König heißt etc.


Man muß nur die Fälle davon ausnehmen, wenn heißen so viel, als gebiethen, oder nennen bedeutet; denn bey dem ersten fodert es die vierte, beym zweyten aber die fünfte Endung. Z.E. Ihr heißet mich Meister und Herr. So schreibt Kanitz:


Da mich mein Bauer kaum, gestrenger Junker! heißt.[509]


2. Das Zeitwort mit der zweyten Endung.


Die I Regel:


7 §. Auf die Frage, Wessen? gehört die zweyte Endung des Hauptwortes zur Antwort1.


Z.E. Wes, oder Wessen ist das Bild und die Überschrift? Antw. des Kaisers. So saget man: sie ist eines Sohnes, einer Tochter genesen. Er weigert sich dessen; ich habe mich dessen besonnen. Er besinnet sich eines andern, eines bessern. Man muß ihn eines bessern belehren; sich eines Dinges erwehren; erfreue dich dessen, u.s.w. Er hat sich dessen zu bescheiden. Er ist des Todes, eines plötzlichen Todes verblichen; er ist Todes verfahren. Man würdiget ihn dessen nicht; sie achtet ihn keines Anblickes werth. Doch langet diese Regel nicht überall zu, und wir müssen ihrer noch mehrere geben.


Die II Regel:


8 §. Wenn das Hülfswort bin oder seyn eine Meynung, Zuneigung oder Abneigung bedeutet, so fodert es die zweyte Endung.


Z.E. Ich bin der Meynung, des Sinnes, des Glaubens; er ist Willens, (NB. nicht in Willens, vielweniger, er hats in Willens) des Vorhabens, des Vorsatzes; sie sind des Dinges satt, der Arbeit müde; ich bin des Lebens, des Laufens und Bettelns müde. Es ist meines Thuns, meines Amtes, meines Wesens nicht. Imgleichen pflegten die Alten wohl zu sagen: er ist des Erbiethens, der Hoffnung, des nachbarlichen Versehens;[510] er ist treffliches Adels; sie ist großer Schönheit und scharfes Verstandes: wo man heute zu Tage theils ganz anders spricht, theils die sechste Endung mit von brauchet.


Die III Regel:


9 §. Wann das Wort leben, in der Verbindung, ein Vertrauen, eine Hoffnung oder Zuversicht bedeutet, so hat es auch die zweyte Endung nach sich.


Z.E. Ich lebe der gewissen Hoffnung, ich lebe des ungezweifelten Vertrauens, der vollkommenen Zuversicht. Außer diesen Fällen nimmt es, wie die meisten thätigen Zeitwörter, die vierte Endung zu sich. Z.E. ich lebe einen Monath, ein Jahr, er lebet hundert Jahre.

Die IV Regel:


10 §. Die Zeitwörter wahrnehmen, warten und pflegen, fodern gleichfalls die zweyte Endung.


Z.E. Er nimmt seines Alters wahr, er wartet seines Feldes, oder Gartens; ausgenommen, wenn jenes einen erblicken oder sehen heißt2. Er pfleget seiner Kinder; er hub ihn auf sein Thier, brachte ihn in seine Herberge, und pflegete sein, d.i. seiner. Vor Alters pflegten auch harren und kennen so gebrauchet zu werden: wie in der Bibel steht: täglich harre ich dein; und ich kenne des Menschen nicht. Allein, die Fügungsart ist in neuern Zeiten ganz abgekommen. Man spricht: ich harre auf ihn; ich kenne ihn.


[511] Die V Regel:


11 §. Die Zeitwörter lachen, sich rühmen, sich schämen und spotten, nehmen auch die zweyte Endung des Hauptwortes zu sich.


Z.E. Ich lache der Thorheit, des Stolzes, der Einfalt, des Kummers, u.s.w. imgleichen über einen lachen. Ich spotte der Blindheit, der Grillen, des Hoflebens, der Städte u.d.gl. Ich schäme mich der That, der Lebensart, der Arbeit. Ich rühme mich der Unschuld, der Freyheit, des guten Willens, der Ehrlichkeit u.s.w. Wenn aber rühmen schlechtweg steht: so hat es die vierte Endung, wie loben, preisen u.a.m.


Die VI Regel:


12 §. Sich annehmen, bemächtigen, bemeistern, entschlagen, unterfangen und unterwinden, fodern auch noch die zweyte Endung nach sich.


So saget man: er nahm sich der Armen, der Witwen und Weysen an, u.d.gl. Er unterfieng sich einer großen Sache; ich unterwinde mich einer schweren That, eines unerhörten Dinges. Der Feind bemächtigte sich der Stadt, er bemeisterte sich des Landes, des ganzen Rheinstromes3. Ich entschlage mich dessen; er entschlug sich aller Sorgen, und alles Kummers, u.d.m.


Die VII Regel:


13 §. Zeitwörter, die eine freywillige Beraubung oder Äußerung eines Gutes bedeuten, nehmen auch die zweyte Endung zu sich.


Z.E. Sich einer Sache verzeihen. Ich kann dessen entbehren; sich eines Dinges begeben. Ich entschlage mich[512] dessen; ich entäußere mich der Sache; ich entohnige mich aller Vortheile; sie berauben sich dieses Gutes. Entledige dich deiner Schulden. Enthalte dich dessen. Begib dich nur der Sache. Doch sind auch einige ausgenommen: als sich etwas entziehen, etwas los schlagen, abtreten, weggeben, austheilen, u.d.m. welche die vierte Endung haben.


Die VIII Regel:


14 §. Die Zeitwörter, sich bedienen, bedürfen, gebrauchen, genießen, und nöthig haben, nehmen gleichfalls die zweyte Endung zu sich.


Z.E. Er gebrauchet sich seiner bey wichtigen Geschäfften; sich seiner Hände oder Füße gebrauchen oder bedienen. (NB. brauchen aber nimmt die vierte Endung.) Ferner: Er genießt seines Vermögens, seiner Tage, seines Lebens, in Ruhe. Imgleichen, er bedarf vieler Dinge; ich bedarf deiner Hülfe; deines Rathes und Beystandes. Endlich, ich habe seiner Zucht, seiner Treue und Liebe von nöthen. Doch ist es nicht zu läugnen, daß diese drey letzten Wörter, auch schon häufig mit der vierten Endung gebrauchet werden.


Die IX Regel:


15 §. Die Zeitwörter denken, sich erinnern und vergessen, imgleichen sich verwundern, und erbarmen, nehmen auch die zweyte Endung.


Z.E. Ich erinnere mich dessen, ich denke der vorigen Zeiten: kann auch ein Weib ihres Kindes vergessen. Seine Ältern verwunderten sich dessen, das von ihm gesaget ward. Vater Abraham, erbarme dich meiner! Indessen pflegen freylich auch viele zu sagen; ich erinnere mich das4, ich vergesse das, ich denke daran; desgleichen, ich verwundere und erbarme mich darüber, oder über etwas.


[513] Die X Regel:


16 §. Die Wörter anklagen, beschuldigen, überführen, überzeugen, zeihen, fodern endlich auch die zweyte Endung.


Z.E. Man beschuldiget ihn des Diebstahls: man klaget ihn des Ehebruches an. Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen? Einen einer Frevelthat überzeugen; eines Verbrechens überführen. Gleichwohl pflegt man die beyden letztern, auch in der sechsten Endung, mit von zu brauchen; von etwas überzeugen, überführen: welches auch nicht zu verwerfen ist. Am besten ist es, wenn ich von den bisherigen Zeitwörtern ein Verzeichniß hersetze.


Verzeichniß der Zeitwörter, die die zweyte Endung fodern.


A.


Anklagen. Man klaget ihn des Hochverraths, des Vatermordes an. Er wird des Kirchenraubes angeklaget.

Annehmen. Sie nehmen sich meiner an. Er nimmt sich der Armen, der gemeinen Nothdurft an.

Äußern. Er äußerte sich seines Standes und Ansehens, d.i. er begab sich dessen.


B.


Bedienen. Ich bediene mich eines Schreibers; er bedienet sich meiner Hülfe.

Bedürfen. Er bedarf meiner nicht. Der Herr bedarf ihrer etc.

Begeben. Er begiebt sich dieses Vorzuges. Wir begeben uns dieser Vortheile nicht.

[514] Belehren. Ich will dich eines bessern belehren. Er muß sich eines andern belehren lassen.

Bemächtigen. Der Feind bemächtiget sich unsers Landes; wir müssen uns seiner Vestungen bemächtigen.

Bemeistern. Er bemeistert sich unserer Stadt. Du hast dich meines Herzens bemeistert.

Berauben. Er ist seines Lebens, seines Vermögens beraubet. Man beraube ihn nur seines guten Namens nicht.

Bescheiden. Ich bescheide mich dessen. Man muß ihn eines andern bescheiden.

Beschuldigen. Man beschuldiget ihn der Verrätherey, des Straßenraubes.

Besinnen. Ich besinne mich eines bessern.


E.


Entbehren. Ich kann dessen entbehren. Er will des Geldes nicht entbehren. Doch saget man auch, etwas entbehren.

Entbrechen. Ich muß mich dessen entbrechen. Er entbrach sich meiner.

Enthalten. Ich kann mich der Sache leicht enthalten. Enthalte dich nur des Spottens.

Entledigen. Ich will dich der Bande, des Gefängnisses entledigen. Entledige mich dieses Besuches, oder auch von diesem Besuche.

Entohnigen. Ich möchte dieser Last gern entohniget seyn.

Entschlagen. Entschlage dich seines Umganges. Ich habe mich seiner Freundschaft entschlagen.

Entsinnen. Ich kann mich dessen nicht entsinnen. Entsinne dich nur der Sache. Besinnen ist ganz was anders, man besinnet sich auf etwas.

Entübrigen. Ich kann seiner entübriget seyn.

Erbarmen. O Herr! erbarme dich meiner. Wer sich des Armen erbarmet. Doch saget man auch, sich über einen erbarmen.

Erinnern. Ich erinnere mich dessen gar wohl. Du erinnerst dich noch wohl der vorigen Zeit.

Erwähnen. Einer Sache erwähnen. Er hat dessen gar oft erwähnet.

Erwehren. Sich des Feindes erwehren. Ich konnte mich der Mücken nicht erwehren.


F.


Freuen. Ich freue mich dessen, das mir geredet ist etc. Erfreue dich, Jüngling, des Weibes deiner Jugend. Doch saget man auch, sich über etwas freuen.


G.


Gebrauchen. Ich gebrauche mich meiner Augen und Ohren. Er gebrauchet sich seiner Zunge rechtschaffen. Hergegen brauchen, nimmt die vierte Endung. Ich brauche mein Geld selbst.

[515] Gedenken. Gedenke meiner, mein Gott, im besten. Ich will deiner gedenken. Man spricht aber auch, an etwas denken.

Genesen. Sie ist eines Sohnes genesen.

Genießen. Er geneußt seines Erbtheils in Ruhe. Ich will meines Lebens und Vermögens genießen.

Getrösten. Ich getröste mich deines Beystandes. Er getröstet sich meiner Hülfe.


H.


Harren. Harre meiner! täglich harre ich dein, d.i. deiner; dieses ist etwas alt geworden.

Hoffe. Wird auch bey den Alten, wie das vorige gebrauchet, ist aber nicht mehr so gewöhnlich. Man saget lieber, auf etwas hoffen.


L.


Lachen. Ich will dein, d.i. deiner lachen. Ich lache der Thoren. Man spricht aber auch, über einen lachen.

Leben. Ich lebe der Hoffnung, der Zuversicht, des völligen Vertrauens. Außer diesen Redensarten heißt es: Er lebete fünfzig Jahre, acht Monate und drey Tage.


M.


Mangeln. In der Bibel steht noch; sie mangeln des Ruhmes etc. allein man spricht nicht mehr so. Man saget unpersönlich: Es mangelt an diesem, oder jenem; oder das mangelt mir.


P.


Pflegen. Er pflegte seiner. Seines Leibes pflegen, weil er noch jung ist. Man spricht aber auch, einen verpflegen.


R.


Rühmen. Ich will mich keines Dinges rühmen, als meiner Schwachheit. Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit.


S.


Schämen. Ich schäme mich des Evangelii nicht. Schäme dich deiner Unart; deines Verhaltens.

[516] Seyn. Ich bin der Meynung, ich bin Willens, (nicht, ich habe in Willens) ich bin des Vorhabens, des Sinnes, der Meynung. Sie sind reines Herzens; guter Art.

Spotten. Sie spotten mein, d.i. meiner. Man spottet der Thoren. Verspotten aber, nimmt die vierte Endung.

Schweigen. Ich schweige der Freuden, ist altfränkisch; doch kömmt davon noch, geschweige dessen, d.i. ich schweige dessen; oder dessen zu geschweigen.


U.


Überführen. Ich habe ihn dessen überführet; doch saget man auch von etwas überführet.

Überweisen. Ist wie das vorige.

Überzeugen. Ist eben so.

Unterfangen. Sich eines Dinges, einer That unterfangen.

Unterstehen. Er unterstund sich dessen. Man saget aber auch das.

Unterwinden. Sie unterwanden sich der Heldenthat, ist auch schon etwas alt; besser die Heldenthat.


V.


Verbleichen. Er ist Todes verblichen.

Verfahren. Er ist eines plötzlichen Todes verfahren; außer dieser Redensart gilt diese Fügung desselben Wortes nicht.

Verwundern. Seine Ältern verwunderten sich dessen, das von ihm gesaget ward. Man saget aber auch darüber.

Verzeihen. Er verzieh sich seines Lebens: es ist aber alt, für begiebt. Auf etwas eine Verzicht thun, kömmt daher.


W.


Wahrnehmen. Nimm deiner Jugend, deines Dienstes, Standes, oder Amtes wahr.

Warten. Warte meiner. Ich will am letzten Garten, der in der Vorstadt liegt, zu Fuße deiner warten.

Weigern. Man weigert sich dessen.

Würdigen. Einen eines Anblickes würdigen.


Z.


Zeihen. Wer kann mich einer Sünde zeihen? ist schon aus der Übung gekommen.[517]


3. Das Zeitwort mit der dritten Endung.


Die I Regel:


17 §. Die Frage wem? erfodert die dritte Endung, vor oder nach dem Zeitworte.


Diese Regel kann nun zwar gebornen Deutschen aus manchem Zweifel helfen; wenn sie nämlich Bescheid wissen, recht zu fragen. Doch viele Landschaften fragen auch wohl falsch: und manche verkehren das Deutsche wem? in das Französische an wen? und so wissen sie weder aus, noch ein5. Den Ausländern aber ist damit noch weniger gedienet: denn wie wissen sie es, wie man im Deutschen fragen soll; da ihre Wortfügung mit der unserigen selten übereinstimmet?


Die II Regel:


18 §. Zeitwörter, die ein geben, und nehmen, und einen Nutzen oder Schaden bedeuten, nehmen die dritte Endung zu sich.


Z.E. Gib mir den Theil der Güter, der mir gehöret. Das alles will ich dir geben. Das nützet mir, das ist mir[518] nützlich, vortheilhaft. Das frommet dir, ich schenke dir das, das schadet mir, das ist mir schädlich, nachtheilig; Er nimmt mir das Brod aus dem Munde; er zieht mir das Kleid vom Leibe; er raubet mir das Geld aus der Tasche. er stiehlt mir meine Baarschaft; er entzieht mir das Meinige. Man verkümmert mir meine Einkünfte. Bey diesem allen ist zu merken, daß bey der dritten Endung der Person, auch die vierte Endung der Sache statt haben muß.


Die III Regel:


19 §. Die Zeitwörter befehlen, gebiethen, gehorchen, sagen, sprechen, verbiethen und versprechen, fodern die dritte Endung.


Z.E. Jüngling, ich sage dir, stehe auf. Imgleichen: er sagte mir: er sprach zu mir. Ich verspreche dir meine Freundschaft. Er geboth ihnen, er verboth ihnen, sie solltens niemand sagen. Befiehl dem Herrn deine Wege. Wenn du thun wirst, was ich dir heute gebiethe. Es ist geschehen, was du mir befohlen hast. Mein Kind gehorche mir, und sey gehorsam meinen Worten. Folge mir, mein Sohn; folge mir nach. Herr, ich will dir folgen, wohin du gehst. Wenn aber versprechen ein zurückkehrendes (RECIPROCUM) wird, so hat es die vierte Endung.


Die IV Regel:


20 §. Die Zeitwörter dienen, helfen, lohnen, thun, vergeben, verzeihen, widersetzen und widerstehen, fodern gleichfalls die dritte Endung.


Thu mir den Gefallen, diene mir treu und ehrlich, so will ich dir lohnen nach deinen Verdiensten; (NB. aber bedienen, belohnen und ablohnen nehmen die vierte Endung). Herr; hilf mir, es hilft mir nichts; was hilft mir das? [519] Verzeih mir meine Missethat, und vergib mir meine Sünde. Ein Freund widersteht dem andern; imgleichen, man ist mir zuwider, man widersetzet sich mir: ferner, einem im Wege stehen; einem etwas in den Weg legen. Wenn aber vergeben, so viel als vergiften heißt, hat es itzo die vierte Endung; wie es vormals die dritte gehabt.


Die V Regel:


21 §. Die Zeitwörter, begegnen, erwiedern, gleichen, vergelten, vergleichen und weichen, fodern auch die dritte Endung.


Hüte dich, daß du ihm nicht anders, als freundlich begegnest. Er begegnete mir auf der Straße. Ich will dirs auf alle Weise erwiedern. Der Sohn gleicht dem Vater. Vergilt mir nach meinen Werken. Wer ist ihm gleich? Vergleichen aber wird itzo nur selten so gefüget; da es eigentlich die sechste Endung erfodert: eins mit dem andern vergleichen. Weiche dem Stolzen. Sie sind dem Feinde gewichen. (Man saget auch, vor dem Feinde weichen. Man saget auch, weichet von mir!)


Die VI Regel:


22 §. Die Zeitwörter, nennen, rufen, weisen, winken und zeigen, fodern auch die dritte Endung.


Z.E. Nenne mir einen6: ich will dir zehne nennen; Zeige mir deine Wege; ich will dir den Weg weisen; weise mir deine Felder; deinen Garten, u.s.w. Er winkete mir; ich will dir einen Wink geben. Ich rief zum, d.i. zu dem Herrn in meiner Noth; du hast mir gerufen. Doch muß man hiermit das anrufen nicht vermischen: denn da heißt es mit der vierten Endung, Rufe mich an, in der Noth.


[520] Die VII Regel:


23 §. Die Zeitwörter, erzählen, gönnen, und misgönnen, melden, prophezeihen, verkündigen, weißagen und wünschen, nehmen gleichfalls die dritte Endung zu sich.


Als z.E. Ich gönne dir das Glück; er misgönnet mir das Wenige, so ich habe. Ich wünsche dir viel Gutes; Was erzählen sie mir neues? man meldete mir solches; man verkündiget mir etwas erwünschtes. Weissage mir; prophezeihe ihnen Heil und Frieden. Eben so ist es auch mit dem vorhersagen. Man spricht: Man hat mir vorher gesaget, daß es so gehen würde.


Die VIII Regel:


24 §. Die Zeitwörter, anheimstellen, danken, klagen, leben, sterben und trauen, begehren auch die dritte Endung der Person.


Ich stelle dirs anheim: er hat mir seine Noth geklaget; Herr, dir traue ich; er will mir alles Seinige anvertrauen, (vertrauen aber nimmt die vierte Endung der Sache mit auf; wie auch wohl das einfache trauen zuweilen so stehen kann: traue, oder vertraue auf mich). Wir danken dir für alle deine Wohlthaten: Herr, dir lebe ich, dir sterbe ich; unser keiner lebet ihm selber, unser keiner stirbt ihm selber etc. (sollte billig heißen: sich selber) leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir etc. Doch dieses ist, außer der Bibel, schon aus dem Gebrauche gekommen.


Die IX Regel:


25 §. Die Zeitwörter abtragen, bereiten, biethen, borgen, bringen, bezahlen, langen, leihen und reichen, fodern[521] ebenfalls die dritte Endung der Person, nebst der vierten der Sache.


Bereitet dem Herrn den Weg. Lange mir das her; Reiche mir das Buch; Leih mir Geld. Ich will dirs noch länger borgen. Er beuth mir seine Hand. Morgen mußt du mirs bringen. Ich will dir alles abtragen. Entrichte mir, was du mir schuldig bist. Bezahle dem Höchsten deine Gelübde.


Die X Regel:


26 §. Die Wörter, abschlagen, drohen, steuren und wehren, trotzen, versagen und weigern, sind nicht minder die dritte Endung der Person, und bisweilen auch der Sache, gewohnet.


Er hat mirs rund abgeschlagen, er versaget mir alles. Ich weigere dir solchen Beystand. Steure dem Übel beyzeiten. Wehre dem Einbruche des Feindes. Drohe ihm deine Feindschaft; trotze nicht einem Mächtigern: wiewohl dieß Wort auch mit der vierten Endung vorzukommen pflegt: er trotzet mich.


Die XI Regel:


27 §. Die Wörter aufwarten, häucheln, hofiren, liebkosen, opfern, räuchern und schmäucheln, fodern auch die dritte Endung.


Dem Herrn opfern, sich ihm aufopfern. Sie räucherten dem Götzen; er häuchelt mir; ich schmäuchele dir nicht; ich kann keinem liebkosen; den Großen muß man hofiren, oder ihnen, in den Vorzimmern aufwarten, um ihren Hof zu vergrößern. Dahin gehöret auch das Aufpassen: denn man saget: sie passen mir auf; ich will ihm schon aufpassen; imgleichen ihm auflauren.


[522] Die XII Regel:


28 §. Alle Zeitwörter, die mit dem Nebenworte zu, zusammengesetzet sind, nehmen auch die dritte Endung der Person zu sich.


Z.E. Ich sehe ihm zu; einem etwas zutragen, zulangen, zuführen, zuschanzen, zubringen, zulegen, zuweisen, u.d.m. Ich habe ihm das zugedacht: sie haben mir etwas zubereitet, zugeschnitten. Man hat ihm brav zugetrunken, zugesetzet, u.d.gl. Doch ist zu merken, daß diese dritte Endung allemal die Person trifft: wo also diese nicht vorkömmt, da kann auch ein mit zu vereinigtes Zeitwort dieselbe nicht bey sich haben. Z.E. Zutreffen, das Zeug will nicht zulangen u.d.m.


Die XIII Regel:


29 §. Alle Zeitwörter, die mit nach und vor zu sammengesetzet werden, fodern auch die dritte Endung.


Z.E. Folge mir nach; einem nachbringen, nachgehen, nachlaufen, nachsagen, nachsprechen, nachtragen, nachtreten, nachziehen, u.d.gl. Denn hier ist es so viel, als wenn das Vorwort nach, besonders stünde, und seine Endung foderte. Eben so ist es mit vor. Z.E. Geh mir mit gutem Exempel vor: ich will dirs vorsagen, er reitet mir vor, er fährt mir vor; er wird mir vorkommen, vorlegen, vorlesen, vorschreiben, vorsagen, vorsprechen, u.s.w. Doch gilt die Anmerkung des vorigen §. hier auch.


30 §. Da es nun bey dem allen für einen Ausländer, oder aus gewissen Provinzen entsprossenen, etwas schweres ist, so viele Regeln zu merken: so will ich hier den Zweifeln kürzer zu begegnen, alle die bisher angeführten Zeitwörter in alphabetischer Ordnung hersetzen: da man sie auf einen Anblick wird übersehen können. Sollten ja noch einige fehlen, so kann sich dieselben ein jeder leichtlich aus guten Schriften anmerken, und hinzuschreiben.[523]


Verzeichniß der Zeitwörter, so die dritte Endung der Person fodern.


A.K.T.


abfodern,klagen.thun,

absagen,trauen,

abschlagen,trotzen.

abtragen,L.

anbefehlen,

angehören,läugnen,V.

anmerken,langen,

anheimstellen,leben,verbiethen,

ankündigen,leihen,vergällen,

anschlagen,leuchten,vergeben,

antragen,liebkosen,vergönnen,

anzetteln,lohnen,verhalten,

anzünden,lügen.verhölen,

auflauern,verkümmern,

aufpassen,verkündigen,

aufwarten.M.versagen,

versprechen,

misgönnen.verweisen,

B.verzeihen,

verzuckern,

befehlen,N.vorbethen,

begegnen,vorfahren,

bereiten,nachbethen,vorhalten,

bezahlen,nachbringen,vorlesen,

bezeugen,nachgehen,vorreiten,

biethen,nachjagen,vorsagen,

borgen,nachlaufen,vorschreiben,

bringen.nachrennen,vortreten.

nachsetzen,

nachsingen,

D.nachspringen,W.

nachstreben,

danken,nachtrachten,weigern,

dienen,nachtreten,weisen,

dräuen,nachziehen,weißagen,

drohen.nehmen,widerstehen,

nennen,widerstreben,

nützen.widerstreiten,

E.winken,

wünschen.

empfehlen,O.

entbiethen,

entrichten,opfern.

entziehen,Z.

erhandeln,

erkaufen,P.zählen,

eröffnen,zeigen,

erstehen,prophezeihen.zubereiten,

erwiedern,zubringen,

erzählen.zudenken,

R.zueignen,

zuführen,

F.rauben,zugeben,

räuchern,zugehören,

folgen,reichen,zulachen,

fröhnen,rufen.zulegen,

frommen.zureden,

zusagen,

S.zuschanzen,

G.zuschlagen,

sagen,zuschneiden,

geben,schaden,zusetzen,

gehören,schenken,zusprechen,

gehorchen,schmäucheln,zustellen,

gleichen,sprechen,zutrinken,

gönnen.stehlen,zutragen,[524]

sterben,zutrauen,

steuern.zuweisen,

H.zuwenden,

zuwinken,

häucheln.zuzählen etc.7

helfen,

hofieren.


4. Das Zeitwort mit der vierten Endung.


Die I Regel:


31 §. Auf die Fragen Wen? und Was? steht neben dem thätigen Zeitworte, insgemein ein Nennwort in der vierten Endung.


Z.E. Fürchtet Gott, und ehret den König. Liebe deinen Nächsten, als dich selbst. Ich sage aber mit Bedachte, das Nennwort stehe nur neben ihm, nicht aber, es folge darauf. Denn man kann es zuweilen auch vorhersetzen. Z.E. Gott lieben, ist die höchste Weisheit; Gutes thun und Böses meiden, ist die Pflicht aller Menschen. Das thust du, und ich schweige etc. Bisweilen steht es auch zwischen den Hülfswörtern und dem Zeitworte: Kain hat seinen Bruder[525] Abel erschlagen. Warum hast du uns das gethan? Dein Vater und ich, haben dich mit Schmerzen gesuchet8.


Die II Regel:


32 §. Auf die Fragen wieviel, wieweit, wie lang, wie hoch, wie breit, wie dick, wie lange, wie alt, steht billig bey dem thätigen Zeitworte auch die vierte Endung.


Z.E. Das Tuch kostet die Elle drey Thaler; er reiset täglich zehn Meilen; der Garten ist fünfhundert Schritt lang. Der Thurm ist hundert Ellen hoch. Der Acker ist zwanzig Ruthen breit. Der Baum ist zwo Klaftern dick. Er ist drey Jahre auf Reisen gewesen; oder der Krieg hat nun sechs Jahre gedauret. Er lebet nun schon fünf und zwanzig Jahre daselbst. Die Jungfer ist nunmehr sechzehn Jahre alt.


Die III Regel:


33 §. Wenn man fraget: wie hoch, wofür, oder wie theuer etwas verkaufet worden, so steht außer der einen vierten Endung, noch eine andere bey dem thätigen Zeitworte, mit dem Wörtchen um, unter oder für.


Ich habe das Haus für zehntausend Thaler gekaufet. Den Garten kriegt ihr nicht um viertausend Thaler. Ich gebe das Pferd nicht unter fünfzig Thaler9. Ihr bekommet das Landgut kaum für, um, oder unter dreyzig tausend Thaler.


[526] Die IV Regel:


34 §. Auf die Frage Wohin? wird zu den Zeitwörtern, die eine Bewegung bedeuten, allemal die vierte Endung gesetzet.


Z.E. Wo reitest du hin? Auf die Jagd, auf das Feld, aufs Dorf. Wo gehst du hin? In die Kirche, in die Stadt, in die Komödie, in den Garten. Wo steigst du hin? Auf den Thurm, auf den Mastbaum. Wo fährst du hin? Ins Holz, durch den Wald; in den Schacht, u.d.gl. Nur die Vorwörter zu und nach sind hier ausgenommen, welche allemal die dritte Endung nehmen: Z.E. er kömmt zu mir; nicht zu mich; er geht dem Walde zu; er geht zu Felde, zu Dorfe, zu Weine, zu Biere, u.s.w. er reiset nach der Stadt, nach Hofe, nach Hause, u.d.gl.10.


Die V Regel:


35 §. Einige thätige Zeitwörter, als fragen, heißen, lehren, machen und nennen, fodern zwey Nennwörter, oder Fürwörter der vierten Endung neben sich.


Er lehret sie seine Sitten und Rechte. Herr, lehre mich deine Steige. Er nennet ihn seinen Freund. Du nennest mich deinen Bruder. Du heißest Israel deinen Sohn; ich heiße Preußen mein Vaterland. So gar wenn heißen soviel als befehlen, gebiethen, bedeutet, so hat solches noch statt. Wenn du mich demüthigest, so machest du mich groß. Er fragte mich etwas. Sonst aber wird machen, mit zu und der dritten Endung verbunden. Er machte ihn zu seinem Kanzler, zum Feldherrn, zum Priester.


[527] Die VI Regel:


36 §. Die zurückkehrenden Zeitwörter nehmen auch meistenteils die vierte Endung zu sich.


Z.E. Ich besinne mich, ich erinnere mich; er ermannet, erkühnet, untersteht sich; du entschließest dich; sie bemühen, bestreben, beschäftigen sich. Wir schämen uns, wir rühmen uns der Trübsal etc. u.d.m. Das machet, die meisten davon sind von der Mittelgattung (GENERIS NEUTRIUS) und sehen also der thätigen, in diesem Stücke ähnlich. Nur etliche wenige sind ausgenommen. Z.E. ich kann mirs einbilden, helfen, rathen, vorstellen, u.d.gl. die schon nach der vorigen Abtheilung die dritte Endung foderten. Diese behalten sie auch, wenn sie zurückkehren, ich bilde mir ein, du stellest dir vor, hilf dir selber, ich weis mir nicht zu rathen, ich bilde mirs ein, ich mache mir die Hoffnung, u.d.gl.


Die VII Regel:


37 §. Die unpersönlichen Zeitwörter nehmen auch größtentheils die vierte Endung zu sich.


Z.E. Es regnet große Tropfen; Es friert Keulen; es schicket sich, es geziemet, es gebühret sich, es gehöret sich, es trägt sich zu, es begiebt sich, es eräuget sich der Fall; u.d.gl. Hieher gehören auch viel andere unpersönliche Redensarten, die von persönlichen Zeitwörtern, sonderlich von Wirkungen und Leidenschaften des Gemüthes gemachet werden. Z.E. Es wundert mich, es befremdet mich, es nimmt mich Wunder, es dünket mich, es verlanget mich, es betrübet mich, es erfreuet und vergnüget mich, es betrifft mich, es rühret, beweget, jammert und erbarmet mich etc. u.d.gl.m.

38 §. Indessen ist, als eine Ausnahme davon, zu bemerken, daß etliche von dieser Art, auch die dritte Endung fodern, weil nämlich die Frage Wem? dabey[528] statt findet. Z.E. Es gehöret mir, es gebühret mir, es däucht mir, oder mir däucht; es ahnet mir, es träumet mir, es begegnet mir, es wiederfährt mir, es gelingt mir, es mislingt mir, es glücket mir, es geräth und misräth mir, es ist mir leid, es gefällt, behaget, beliebet mir; es fällt mir leicht, oder schwer, es mangelt, es gebricht mir, es grauet mir, es misfällt mir u.d.m. die mehrentheils schon in dem vorhergehenden Abschnitte vorgekommen sind.

39 §. Übrigens ist die Anmerkung noch nöthig, daß die meisten Zeitwörter, die nach dem vorigen Abschnitte die dritte Endung der Person foderten, dennoch zu gleicher Zeit die vierte Endung der Sache begehren. Z.E. Er hat mir die Nachricht gegeben, ertheilet, geschrieben. Des Vaters Segen bauet den Kindern Häuser; unser täglich Brod gib uns (mir) heute, u.d.m. Auf dergleichen Art aber, können auch noch andere Endungen zugleich, neben einem und demselben Zeitworte zu stehen kommen. Z.E. Die vierte und sechste: Erlöse uns vom Übel.

40 §. Noch eine Beobachtung ist von gewissen Wörtern beyzufügen, darinn der gemeine Gebrauch unbeständig und zweifelhaft ist. Z.E. lassen, lehren und lohnen. Von dem ersten saget man recht; laß mich, (nämlich gehen) denn die Morgenröthe bricht an; laß mich den Tag vollenden; laß mich gehen; laß mich beugen meine Kniee; denn in allen diesen Redensarten ist lassen das Hülfswort, und bedeutet eine Vergünstigung, Erlaubniß, u.d.gl. Aber man saget auch in einer andern Bedeutung: Er läßt mir das Haus, und nimmt den Garten; ich lasse dir den Rock, und behalte den Mantel. Denn in diesem Falle, ist lassen kein Hülfswort, sondern ein besonderes thätiges Zeitwort, welches eine Ueberlassung oder eine Zuwendung eines Besitzes, Eigenthumes oder Gebrauches anzeiget.

41 §. Das Wort lehren kömmt in der Bibel allemal richtig, mit der vierten Endung vor: Herr, lehre mich thun, nach deinem Wohlgefallen; ich will dich fragen, lehre mich; u.d.gl.[529] Allein, der gemeine Mann hat durch eine Unbeständigkeit, die ihm natürlich ist, theils die dritte Endung zu brauchen angefangen; theils das Lehren mit dem Lernen vermenget, wenn er spricht: er hat mir die Kunst gelernet. Dieses aber ist höchst falsch; denn es soll heißen: er hat mich die Kunst gelehret, und ich habe sie von ihm gelernet. Die Sprachkenner müssen dieses niemals vermischen, und dadurch dem bösen Gebrauche eifrig widerstehen.

42 §. Endlich ist es mit dem Worte lohnen zweifelhaft, wie man sagen soll: Er lohnet mir, oder man lohnet mich. Denn wenn man spricht: Es verlohnet, belohnet, oder lohnet sich nicht der Mühe: so ist theils das sich zweydeutig, theils ist das der falsch. Es sollte heißen: Es belohnet sich nicht die Mühe, d.i. die Mühe belohnet sich nicht einmal; wenn man die Arbeit thut. Oder, es verlohnet sich nicht die Mühe, auf eben die Art; oder: Es (d.i. die Arbeit) lohnet nicht die Mühe11. Das Zeitwort lohnen, nimmt also die dritte Endung der Person, und die vierte der Sache zu sich. Man lohnet, oder belohnet mir die Arbeit.


5. Das Zeitwort mit der fünften Endung des Nennwortes.


Die I Regel:


43 §. Wenn das Zeitwort in der gebiethenden Art steht, so fodert es die fünfte Endung des Nennwortes, vor oder nach sich.[530]


Z.E. Herr! höre mein Wort, und merke auf meine Rede. Vernimm mein Schreyen, mein König und mein Gott! Träufelt ihr Himmel, von oben etc. Gib mir, mein Sohn, dein Herz etc. Doch ist dieses nicht allemal nöthig: denn zuweilen läßt man das Hauptwort ganz weg, weil es sich schon versteht: z.E. Laß mich hören deine Stimme etc. oder wie Opitz saget:


Der Feind hat dir dein Schloß, dein Haus hinweg gerissen:

Fleuch in der Mannheit Burg! die wird er nicht beschießen.


Die II Regel:


44 §. In einer heftigen Anrede pflegt die fünfte Endung auch die Stelle der ersten zu vertreten, und das Zeitwort außer der gebiethenden Art, neben sich zu leiden.


So singt z.E. Simon Dach:


Du, Gott! bist außer aller Zeit,

Von Ewigkeit zu Ewigkeit,

Eh noch die Welt vorhanden etc.


Und Opitz am Ende der Trostbücher:


Du aber, lieber Herr! du pflegest nicht zu schlafen,

Dein Auge schlummert nicht etc.


imgleichen Kanitz:


Nun, edles Preußen! du, du kriegst so einen Gast,

Den du gewiß zu lieben Ursach hast.


Und abermal:


Es schien, als wolltet, schönstes Paar!

Ihr beyde mit einander streiten.


Doch könnte man auch die Schuld auf das Fürwort Du, und Ihr schieben. Nur das erste Beyspiel bleibt noch.


[531] Die III Regel:


45 §. In einer Frage, oder einem brünstigen Wunsche, kann auch vor dem Zeitworte die fünfte Endung des Hauptwortes stehen.


Z.E. Kanitz schreibt so auf den Gr. von Dohna:


Verhängniß! stehet es allein in deinen Händen,

Den Zeiger auf die Zahl des Todes hinzuwenden;

Und schaffest du, was uns hierunten wiederfährt?


Und auf seine Doris:


Hälfte meines matten Lebens!

Doris! ist es denn vergebens,

Daß ich kläglich um dich thu?


Imgleichen:


Doris! kannst du mich betrüben?

Wo ist deine Treu geblieben;

Die an meiner Lust und Gram,

Immer gleichen Antheil nahm?


Mehr läßt sich von der fünften Endung schwerlich vorschreiben.


6. Das Zeitwort mit der sechsten Endung.


Die I Regel:


46 §. Wenn das Zeitwort eine Gesellschaft oder Hülfe, Ursache, Weise, Zeit, oder ein Werkzeug bedeutet, so fodert es die sechste Endung nach, oder vor sich.


Z.E. Neukirch im Telemach:


Hier herrscht die Schönheit auch, ach! aber mit Verstande.[532]


Und Kanitz:


Wenn ich nach dem alten Bunde,

Und dem allgemeinen Schluß,

Endlich in der letzten Stunde,

Mit dem Tode kämpfen muß.


Auch Opitz:


Was heißet trotzig seyn, und mit dem Himmel streiten,

Wie Mimas und sein Volk gethan vor alten Zeiten;

Wenn dieses nicht so heißt?


Die II Regel:


47 §. Zeitwörter, die ein Seyn oder Bleiben an einem Orte, oder bey einer Sache bedeuten, nehmen auf die Frage, wo? und nach den Vorwörtern, auf, bey, in, über und unter, die sechste Endung zu sich.


Z.E. Daß du lange lebest in dem Lande, das dir der Herr giebt. Herr, bleibe bey mir, oder bey uns; daß du lange lebest auf Erden; in welcher Redensart nur der Artikel weggelassen wird. Er liegt beständig auf der Bärenhaut. Er liegt Tag und Nacht über den Büchern. Ist Saul auch unter den Propheten? Er wohnet in der Stadt, oder auf dem Lande. Alle, die im Himmel, auf Erden, und unter der Erden sind12.


[533] Die III Regel:


48 §. Nach den Zeitwörtern der leidenden Gattung, folgen insgemein die Vorwörter von, oder mit, nebst der sechsten Endung des Hauptwortes.


Z.E. Ein weiser und gnädiger Fürst wird von seinen Unterthanen geliebet. Die Schlacht ist, mit der Hülfe, und dem Beystande der Bundesgenossen, gewonnen worden. Wenn aber durch dabey vorkömmt, so folget die vierte Endung. Als: durch der Feldherren gute Anstalt, und der Soldaten Tapferkeit, ward der Feind in die Flucht geschlagen. Hier sind nur die Geschlechtswörter ausgelassen worden.


49 §. Als eine Zugabe zu diesen Abtheilungen kömmt noch


Die IV Regel:


Nach zwey oder mehrern Hauptwörtern oder Fürwörtern, steht das Zeitwort in der mehrern Zahl, und zwar in der vorzüglichen Person.


Z.E. Dein Vater und ich, haben dich mit Schmerzen gesuchet. Hier versteht sich das wir, bey haben; weil die erste Person vor der dritten den Vorzug hat. Eben so hat auch die zweyte eine mehrere Würde, als die dritte: Z.E. Du und dein Freund, waret meine Zuversicht. Imgleichen: Wissenschaft und Tugend sollen billig allezeit treue Freundinnen seyn. Armuth und ein guter Kopf sind insgemein beysammen. Wider diese Regel pflegen noch viele zu verstoßen13.[534]


7. Von der Fügung der zusammengesetzten Zeitwörter.


50 §. Wir wissen aus dem obigen, daß die absonderlichen Vorwörter, in verschiedenen Zeiten, von den Zeitwörtern getrennet werden können: und hier fällt es Ausländern schwer, zu wissen, wohin sie dieselben setzen sollen? Man merke also folgende Regeln davon.


Die I Regel:


In der gegenwärtigen und unlängst vergangenen Zeit der thätigen Gattung, sowohl der anzeigenden als gebiethenden Art, steht das Vorwort erst nach dem Hauptworte oder Fürworte, das vom Zeitworte regieret wird, ganz zuletzt.


Z.E. Wir kamen von der Reise, gesund, in unser Vaterland zurück. Sie griffen den Feind, mit unerschrockenem Muthe an. Hier sieht man, wie weit zurückkommen und angreifen, von einander abgesondert worden. Bisweilen kommen sie auch noch weiter aus einander.


Die II Regel:


51 §. Wann aber das zusammengesetzte nur ein Hülfswort ist, so daß in derselben Rede noch ein ander Zeit[535] wort vorkömmt: so wird das getrennte Vorsetzwort, nicht bis ans Ende gesparet; sondern vor dem zweyten Zeitworte gesetzet.


Sie fiengen frühmorgens mit Sonnenaufgange an, zu schlagen; nicht, zu schlagen an. Ich hebe morgen an, zu arbeiten; nicht, zu arbeiten an. Rufe ihn her, oder herauf, zum essen; nicht, zum essen herauf. Nimm deinen Bruder mit zum tanzen; nicht zum tanzen mit.


Die III Regel:


52 §. In allen andern Gattungen, Arten und Zeiten, behalten die zusammengesetzten Zeitwörter ihre Verbindung unverrückt: außer daß die Syllbe ge, in der vergangenen Zeit, und leidenden Gattung, und die Syllbe zu, in der unbestimmten Art, (MODO INFINITIVO) eingeschaltet werden.


Z.E. Daß ich herkäme, sie werden herkommen, u.d.gl. Ich bin hergekommen, er bittet mich herzukommen. Ich werde dafür gehalten, ich ersuche sie inständig, fest dafürzuhalten: Man hat mir viel böses nachgeredet; man hüte sich, jemanden böses nachzureden.


Die IV Regel:


53 §. Sind die Vorsetzwörter von den Zeitwörtern unzertrennlich; so wird die Syllbe der vergangenen Zeit, ge, ganz weggelassen, und das zu der unbestimmten Art, ganz vorangesetzet.


Z.E. Ich begebe mich, ich habe mich begeben, nicht gebegeben, oder begegeben; man räth mir, mich der Sache zu begeben, nicht bezugeben. Ich entschlage mich,[536] ich habe mich seiner entschlagen; nicht entgeschlagen: ich denke mich seiner zu entschlagen, nicht entzuschlagen. Ich habe ihm viel zu verdanken, nicht, verzudanken.


8. Zwey Zeitwörter bey einander.


Die I Regel:


54 §. Wann zwey Zeitwörter zusammen kommen, so steht eins in der unbestimmten Art. (INFINITIVO).


Z.E. Er lehret meinen Arm einen ehernen Bogen spannen. Er läßt mich grüßen; ich will dich lehren Gutes thun. Er will nichts arbeiten. Er kann lesen und schreiben. Ich darf es nicht sagen; ich muß schweigen; er will es gern sehen; ich soll es nicht wissen. Wir sahen ihn gehen; ich fand ihn sitzen, oder liegen. Er lehret, auch lernet tanzen, reiten, fechten. Er geht betteln. Laß mich gehen! Heiß ihn schweigen!14.


Die II Regel:


55 §. Wenn einige Zeitwörter zu andern kommen, so verlangen sie, daß dieselben das zu annehmen.


Z.E. Ich hoffe, es zu erleben; ich wünsche, dich zu sprechen; ich rathe dir, das zu thun, zu sagen, zu wagen. Gib mir was zu trinken, zu essen. Ich habe viel zu thun, zu schreiben, zu rechnen, zu arbeiten: ich denke, dahin zu reisen; ich meyne dich daselbst zu finden, zu sprechen, zu sehen. Und in zusammengesetzten: ich rathe dir, ihm zuvorzukommen, ihm aufzupassen, ihn mitzunehmen, ihm[537] nachzufolgen, ihn au szulösen, ihn loszumachen. Gleichwohl denke man nicht, als ob alle solche Verbindungen zweyer Zeitwörter erlaubet wären. Nein. Z.E. wenn jemand schreibt:


Du machest nach dem Rang der Fürsten,

Der Menschen eiteln Sinn zu dürsten.


so ist das barbarisch. Ja auch ohne das zu würde diese Redensart falsch seyn. Ein Franzos spricht zwar so: FAIRE DIRE, FAIRE SAVOIR, u.d.gl. Aber im Deutschen ist das sagen machen, wissen machen, dürsten machen, rothwälsch, oder hottentottisch.


Die III Regel:


56 §. Die Zeitwörter, dörfen, heißen, hören, können, lassen, lernen, mögen, müssen, sehen, wollen, brauchen neben andern, anstatt der vergangenen Zeit, die gegenwärtige der unbestimmten Art: weil sie alsdann Hülfswörter sind.


Z.E. Ich habe ihn reiten sehen, für gesehen; ich habe es sagen hören, für gehöret; er hat reiten lernen, für gelernet; ich habe sagen wollen, für gewollt; er hat mich grüßen lassen, anstatt gelassen; er hat es glauben müssen, anstatt gemußt; ich habe es nicht glauben können, anstatt gekonnt; ich habe es nicht sagen mögen, anstatt gemocht; er hat es nicht thun dörfen, anstatt gedorft; wer hat dichs sagen heißen? d.i. geheißen.


Die IV Regel:


57 §. Die Hülfswörter werden in der völlig, und längst vergangenen Zeit, insgemein von ihrem Zeitworte getrennet; so daß sie in der anzeigenden Art vorn, in der verbindenden aber hinten stehen.


Z.E. Ich bin vor vielen Jahren, in Breßlau, Lübek und Hamburg sehr vergnügt gewesen. Der Frieden zu Aachen [538] soll nunmehr völlig zur Richtigkeit gekommen seyn. Imgleichen von der zweyten Art: Es heißt, daß dieser Frieden keinen langen Bestand haben werde; daß bald ein neues Kriegesfeuer in Europa aufgehen solle. Doch kann man hier auch das Wörtchen daß auslassen, und so sagen: Es heißt: der Aachener Frieden solle nun völlig geschlossen seyn: es werde bald ein neues Kriegesfeuer angehen.


Die V Regel:


58 §. Es klingt im Deutschen nicht unrecht, wenn man einen Spruch, oder die völlige Meynung eines Satzes, mit dem Zeitworte schließen kann.


Z.E. Kanitz schreibt:


Als gestern unsre Stadt, wie vormals Ninive,

In Sack und Asche lag, und ihre Fasten hielte:

Geschah es bey der Nacht, daß zwischen Ach und Weh,

Das schon betrübte Volk ein neues Schrecken fühlte.

Drey Masken ließen sich in fremden Kleidern sehn:

Ich weis nicht, ob sie uns vieleicht zum Trost erschienen?

Sie sahen denen gleich, die dort zum Paris gehn,

Durch seinen Richterstuhl den Apfel zu verdienen.


Und in seiner Lobrede auf die Churprinzeßinn:


»Wer kann es mit gleichem und unbewegtem Muthe ansehen, daß der Sohn unsers großmächtigen Churfürsten, der theure Churprinz, der Trost so vieler Länder, vor Schmerzen außer sich selbst gesetzet ist; weil ihm der allerempfindlichste Zufall, der Tod seiner unvergleichlichen Gemahlinn, zugestoßen


Die VI Regel:


59 §. Gleichwohl muß niemand denken, als ob alle Zeitwörter im Deutschen am Ende stehen müßten; weil dieses oft ein großer Übelstand seyn würde.[539]


Z.E. Kanitz saget in eben der angezogenen Rede:


»Seine Gegenwart und seine Vergnügung brachten ihr Freude; seine Abwesenheit, und seine Sorgen lauter Unlust. – – So bald sie eine Tochter in diesem Chur fürstlichen Hause ward, machte sie unter denen hohen Ältern, die ihr die Natur, oder das Glück gegeben, ganz keinen Unterscheid.«


Die VII Regel:


60 §. Sonderlich ist es ein großer Übelstand, mit der Kanzleyschreibart, etliche Zeitwörter ganz von vorne, bis ans Ende zu werfen, und daselbst mit etlichen andern aufzuhäufen: Z.E.


»Wir wollen dir hiemit, daß du solches höchsten Fleißes vermeidest, und dich unserm Willen gemäß gezeigest, nachdrücklich, und alles Ernstes anbefehlen


Imgleichen:


»Wie er, daß solches geschehen, auch von ihm nicht gehindert, oder geahnet worden, verantworten wolle


Denn in solchen und vielen andern Fällen, sollten und könnten die letzten Zeitwörter viel besser bald im Anfange stehen.


Wir wollen dir hiermit nachdrücklich, und alles Ernstes anbefehlen etc.

Wie er verantworten wolle, daß solches geschehen etc.


Die VIII Regel:


61 §. Man setze also zu Beförderung der Deutlichkeit, jedes Zeitwort, unmittelbar zu seinem Hauptworte, und lasse lieber den Anhang des Satzes nachfolgen, als daß man denselben, auf eine langweilige Art zwischen beyde einschalte. Z.E.


»Es ist billig, daß man den deutschen Landen und Provinzen ein Haupt, welches dieselben in sämmtlicher Liebe erhalten, zieren, beschützen, und die Unfurchtsamen, mit dem Zaume weltlicher Gewalt aufhalten möchte, ordnen sollte, Goldast[540]


Hier sieht man wohl, daß die beyden letzten Worte, billig, und viel besser gleich nach den Worten, ein Haupt, hätten stehen können. Noch viel ärger ist folgendes Exempel aus Londorpen, a.d. 634 S.


»Wann dann vor vielen Monaten, viel zu früh, gleich einer unzeitigen Geburt, etliche Ursachen, von welcher wegen die böhmischen Rebellen, ihren von Gott vorgesetzten, rechtmäßigen, angenommenen, geschwornen, gekrönten König, selbstthätiger, verbothener Weise, ohne vorhergehende Erlassung geleisteter Pflicht, ganz schimpflich verworfen, degradiret und abgesetzet; hingegen die vermeynte Aufwerfung eines andern vorgenommen, herausgekrochen


Wer sieht hier nicht, welch eine Verwirrung und Dunkelheit, aus einer so weiten Trennung der Zeitwörter von ihren Hauptwörtern erfolge? Gleichwohl geht man darinn zuweilen noch weiter, wie bey eben dem Londorp auf der 657 Seite, und in Lünigs Reichsarchive vielfältig zu sehen ist. Indessen fehlen freylich auch andere, wenn sie die Zeitwörter gar zu früh vorherschicken. Einige alte Poeten pflegten, nebst Opitzen, hierinnen oft tadelhaft zu seyn: und selbst die deutsche Bibel, nebst Luthers Schriften sind hierinn nicht unsträflich.


9. Andere Regeln für die Zeitwörter.


Die I Regel:


62 §. Die gegenwärtige Zeit wird öfters anstatt der künftigen gebrauchet.


Z.E. Wann ich nach Dresden komme, so besuche ich dich gewiß: d.i. Wann ich dahin kommen werde, so werde ich dich gewiß besuchen. Wann ich übers Jahr um diese Zeit lebe, so schenke ich dir ein Buch. Hier versteht man abermal, das leben werde, und werde dir schenken. Wann du an mich schreibst, und mir Nachricht von deinem Wohlbefinden[541] giebst; so bleibe ich die Antwort nicht schuldig: auch dieses ist vom Künftigen zu verstehen.


Die II Regel:


63 §. Im Erzählen bedienet man sich, eine Sache desto lebhafter zu machen, auch von vergangenen Dingen der gegenwärtigen Zeit.


Z.E. »Ich komme an den Ort, und frage, wo der gute Freund wohnet. Man weist mich dahin. Ich treffe ihn glücklich zu Hause an, und wir umarmen einander mit großen Freuden. Er bittet mich zu Tische; und ich bleibe ohne alle Weigerung bey ihm. Es kömmt eine andere Gesellschaft dazu, und wir bleiben bis in die späte Nacht vergnügt beysammen.« Hier sieht man wohl, daß alles von der vergangenen Zeit zu verstehen ist: und selbst im Lateine haben die besten Scribenten, z.E. Plinius in dem Briefe vom Regulus, schon so erzählet.


Die III Regel:


64 §. Im Übersetzen aus lateinischen Schriftstellern muß man insgemein die völlig vergangene Zeit der Lateiner, mit der jüngstvergangenen im Deutschen verwechseln.


Z.E. Sueton schreibt im Cäsar gleich anfangs: ANNUM AGENS CÆSAR XVI PATREM AMISIT, SEQUENTIBUSQUE COSS. – – – CORNELIAM, CINNÆ FILIAM, DUXIT UXOREM: EX QUA ILLI MOX JULIA NATA EST; NEQUE UT REPUDIARET ILLAM, COMPELLI A DICTATORE SYLLA ULLO MODO POTUIT. Dieß muß im Deutschen so heißen: »Als Cäsar ins sechszehnte Jahr gieng, verlohr er seinen Vater. Unter den nächsten Bürgermeistern heurathete er Cornelien, des Cinna Tochter; von welcher ihm bald Julia gebohren ward: ja er konnte[542] auch vom Dictator Sylla durchaus nicht bewogen werden, jene zu verstoßen.« Die völlig vergangene Zeit würde hier ganz fremd klingen.


Die IV Regel:


65 §. Hingegen ist es auch gewiß, daß bisweilen umgekehret das lateinische PRÆTERITUM IMPERFECTUM, im Deutschen mit der völlig vergangenen Zeit besser ausgedrücket werden kann.


Z.E. Sallust schreibt bald nach dem Anfange: IGITUR INITIO REGES DIVERSI, PARS INGENIUM, ALII CORPUS EXERCEBANT: ETIAM TUM VITA HOMINUM SINE CUPIDITATE AGITABATUR; SUA CUIQUE SATIS PLACEBANT. POSTEA VERO QUAM IN ASIA CYRUS, IN GRÆCIA LACEDÆMONII ETC. Dieses wird nicht übel so lauten: Anfänglich haben also verschiedene Könige, theils ihren Verstand, theils ihren Körper geübet. Damals nämlich ist das menschliche Leben noch durch keine Begierden bestürmet worden; einem jeden hat noch das Seine am besten gefallen. Nachdem aber in Asien Cyrus, in Griechenland die Lacedämonier etc. Doch muß man sich nicht allemal so zwingen. Es kömmt viel auf ein gutes Ohr an.


Die V Regel:


66 §. Wann man etwas erzählet, wobey man selbst zugegen gewesen, oder woran man mit Theil gehabt, so bedienet man sich der unlängst vergangenen Zeit: redet man aber von dem, was andere ohne uns gethan haben; so nimmt man die völlig vergangene Zeit.


Z.E. Wenn ich sagen wollte: Gestern bewirthete Cajus verschiedene gute Freunde, und Titius war auch dabey: so würde ein jeder denken, ich wäre mit dabey gewesen. Spräche ich aber: gestern hat Cajus Gäste bey sich gehabt, und Titius[543] ist auch bey der Gesellschaft gewesen: so wird ein jeder glauben, ich sey nicht dabey gewesen; sondern habe es nur vernommen. Gewisse Landschaften bemerken diesen Unterschied nicht, und werden dadurch so unverständlich, daß man sie fragen muß: ob sie dabey gewesen, oder nicht15?


Die VI Regel:


67 §. Da im Deutschen keine wünschende Art der Zeitwörter (MODUS OPTATIVUS) statt findet16: so brauchet man dazu die verbindende Art, entweder mit den Ausrufswörtern, O! Ach! Ach daß! wollte Gott! oder schlecht weg, in der unlängst vergangenen Zeit der Hülfswörter, mögen, können, wollen, sollen, u.s.w. nebst der unbestimmten Art eines andern Zeitwortes.


Z.E. O hätte ich Flügel, daß ich flöge etc. Ach möcht ich in deinen Armen etc. Ach! daß die Hülfe aus Zion über Israel käme. Wollte Gott, daß dieß oder jenes geschähe! oder endlich, wie Kanitz singt:


Euch, ihr Zeiten! die verlaufen,

Könnt ich euch mit Blut erkaufen!


So auch, wenn sie etwas bedingen, als: saget man das, so glaubet man es; thauet es, so frieret es nicht. Ein anderer Freund wünschet hier eine Regel zu sehen, nach welcher alle Zeitwörter eines ganzen Satzes auf einander folgen sollen. Allein, mich dünket es unmöglich zu seyn, dergleichen zu bringen. Die Rede kann auf so vielerley Art abwechseln, und einen so mannichfaltigen Schwung nehmen, daß kein Satz[544] dem an dern ganz ähnlich werden darf. Das fleißige Lesen guter Bücher muß einem in allen Sprachen den feinen Geschmack davon beybringen.


10. Von den unpersönlichen Zeitwörtern.


Die I Regel:


68 §. Wenn die unpersönlichen Zeitwörter schlechterdings etwas bejahen, oder verneinen, so steht das man, oder es, vorher: fragen sie aber, so stehen diese Wörterchen hinten nach.


Z.E. Man saget, man schreibt, man schläft, man ißt und trinkt, bejahen schlechterdings: wie auch folgende thun; es regnet, es thauet, es friert, es schneyt. Kehret man aber das hinterste zuförderst; so fragen sie: z.E. saget man das? schreibt man dieses? glaubet man solches? schläft man? ißt man? trinkt man gut? Imgleichen mit andern Fragewörtern: Wie lebet man? was saget man? was glaubet man? u.d.gl. Endlich auch: regnet es? schneyet es? Geht es gut? Steht es noch wohl? Was giebt es neues? Was machet man? Wie geht es? und dergleichen.


Die II Regel:


69 §. Unpersönliche Zeitwörter, die das man haben, nehmen die vierte Endung der Sache; gesetzt, daß sie vorhin schon die dritte Endung der Person foderten.


Z.E. Man trinkt den besten Wein; man ißt Gebratenes und Gebackenes; man geht seine Straße; man läugnet alles:[545] man schwört Stein und Bein; man hoffet alles; man besorget viel Böses u.d.gl. Die Ausnahme aber zeiget sich bey den folgenden: Man klaget mir seine Noth; man erzählet mir viel Neues; man hilft ihm, u.d.m. die schon oben angezeiget worden17. Eine andere ist bey den zurückkehrenden Zeitwörtern, die ein sich fodern: denn da heißt es: Man hilft sich, so gut man kann; man bemühet sich umsonst; man trägt sich mit der Zeitung; man machet sich viel zu schaffen, u.d.gl.m.


Die III Regel:


70 §. Zeitwörter, so die vierte Endung der Person fodern, wann sie persönlich sind, behalten dieselbe auch, wann sie unpersönlich werden.


Z.E. Man liebet und lobet mich, man bittet mich, man versichert mich, man tröstet und stärket mich, u.d.gl. Dahin gehören auch folgende mit es: die als zurückkehrende (RECIPROCA) aussehen. Es gehöret sich, es findet sich, es giebt sich, es trägt sich zu, es gebühret sich, es geziemet sich, es schicket sich, es begiebt sich, u.d.gl. Imgleichen diese: es jammert mich, es erbarmet mich, es dauret mich, es reuet, vergnüget, belustiget mich, u.s.w.


Die IV Regel:


71 §. Unpersönliche Zeitwörter, die eine Leidenschaft oder sinnliche Begierde anzeigen, können nicht nur mit es, sondern auch durch mich angefangen, und ausgesprochen werden, dabey das es wegbleibt.


Z.E. Mich dürstet, mich friert, mich gelüstet, mich hungert, mich jammert des Volks, mich reuet, mich schläfert, mich[546] schmerzet, mich verdreußt, u.d.gl. die sonst alle auch mit es anheben könnten. Dahin rechne man auch das, mich dünket: dahingegen das deucht, die dritte Endung vor sich hat, mir deucht. Daher hat die neue Ausgabe von Kanitzen unrecht also:


Von deinem schönen Zeug entdeck ich, wie mich deucht,

Schon manch geheimes Blatt, das durch die Zechen fleucht.


Denn daß Kanitz die dritte Endung für recht gehalten, erhellet aus der Strophe eines Morgenliedes:


Deine Pflicht kannst du erlernen

Von den Sternen,

Deren Gold der Sonne weicht,

So laß auch vor Gott zerrinnen,

Was den Sinnen,

Hier im Finstern schöne deucht.


Die V Regel:


72 §. Auch die unpersönlichen Zeitwörter, welche die dritte Endung fodern, wann das es voran steht, können dieses weglassen, und schlechtweg mit dem mir anfangen.


Z.E. Es begegnet, behaget, beliebet, gebühret, gefällt, glücket, geräth, geziemet, schadet, träumet, wiederfährt mir, u.s.w. können auch so stehen: Mir begegnet etwas, mir behaget dieses, mir beliebet es so, mir gebühret das, mir gefällt solches, mir glücket es, mir geräth es, mir geziemet das nicht, mir schadet es, mir träumet es18, mir ist das wiederfahren, und dergleichen.


[547] Die VI Regel:


73 §. Einige unpersönliche nehmen gar keine Endung zu sich, die nämlich ohne Zuthun eines Menschen, von natürlichen Ursachen herrühren.


Z.E. Es blitzet, es brennet, es donnert, es friert, es faulet, es hagelt, es klappert, es klirret, es knastert, es regnet, es schloßet, es schmettert, es schneyet, es schwirret, es stinkt, es wanket, es wettert, es zittert und bebet, u.d.gl.m. Nur bey dem Regnen heißt es doch zuweilen, es regnet große Tropfen; und beym Frieren, es friert Keulen, es friert Eis; wie beym Brennen, es brennet Kohlen.[548]


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 506-549.
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Grundlegung der deutschen Sprachkunst
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Grundlegung Einer Deutschen Sprachkunst: Nach Den Mustern Der Besten Schriftsteller Des Vorigen Und Jetzigen Jahrhunderts Abgefasset, Und Bey Dieser Dritten Aufl. Merklich Vermehret (German Edition)

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