Das VIII Hauptstück.
Von Fügung der Vorwörter
(PRÆPOSITIONUM.)

[575] 1 §. 1 Anmerkung.


Die Vorwörter werden zwar hauptsächlich vor die Nenn- und Fürwörter gesetzet, und fodern daher gewisse Endungen derselben, gleichwohl werden sie auch vielfältig den Zeitwörtern beygefüget, so daß sie bald vor, bald hinter denselben zu stehen kommen.


Z.E. Vor ist ein Vorwort, wenn man saget, vor dem Hause, vor mir; aber man setzet es auch bey schreiben, lesen, sagen, gehen, tragen, u.d.gl. und zwar bald von vorne: vorschreiben, vorlesen, vorsagen, vorgehen, vortragen: bald hinten; als, ich schreibe vor, du liesest vor, er saget vor, wir giengen vor, ihr truget vor, u.d.gl. Durch ihre Hülfe werden die meisten zusammengesetzten Zeitwörter gebildet.


2 §. Was für Endungen der Nenn- und Fürwörter die Vorwörter zu sich nehmen, ist oben in dem IX Hauptstücke des II Theils bereits angezeiget worden. Wir dörfen also hier nicht erst Regeln daraus machen, sondern nur einige besondere Fälle anmerken, die von jenen Regeln abweichen; oder sonst durch Misbräuche einschleichen wollen. Z.E.


2 Anmerkung.


Die zusammengesetzten Vorwörter, umher, vorher, dahin, hinterher, u.d.gl. pflegen in vielen Fällen wieder getrennet zu werden.[575]


Als: dieser wird vor mir her gehen; Er warf das Buch da vor mich hin; Er gieng hinter dem Wagen her. Oder wie Opitz schreibt:


Und das fischreiche Meer,

Lief noch mit seiner Fluth nicht um die Felder her.


3 Anmerkung.


3 §. Das Vorwort ohne nimmt zwar insgemein die vierte Endung zu sich, wenn es vor dem Hauptworte steht: setzet man es aber hinter demselben, so nimmt es die zweyte.


Z.E. Ohne mich könnt ihr nichts thun. Ohne deinen Beystand, vermag ich nichts. Zweifelsohne wirst du mich fragen, d.i. ohne Zweifel. Doch ist dieses eine ganz besondere Redensart, die sich auf keine andere Art nachmachen läßt. Man kann nämlich nicht sagen: Kummersohne, Gefahrohne, u.d.gl. Dagegen bildet man von diesem letztern das Nebenwort ohngefähr; welches auch wohl zum Hauptworte wird, wenn man saget: Ein blindes Ohngefähr1.


4 Anmerkung.


4 §. Das Vorwort wegen, steht zwar oft vor seinem Hauptworte, aber bisweilen, nach Art einiger andern Vorwörter, auch hinten: wie willen und halben, welche niemals vorne stehen.


Z.E. Eines bösen, oder zweydeutigen Wortes wegen, muß man mit keinem Freunde brechen. Um deines Herzens Härtigkeit willen; deines Bestens halben, habe ich das[576] gethan. Sonst würde das erste heißen müssen: Wegen der Wahrheit und Tugend, muß man auch etwas leiden: Von wegen der Kinder, entziehen sich oft die Ältern das Nöthige. Sonst spricht man auch, dessen ungeachtet, dem entgegen, dem zufolge, dem zuwider, dem Leibe und der Seele nach, u.d.m. als wodurch, dadurch, hindurch, damit.


5 Anmerkung.


5 §. Das Wort von nimmt zwar sonst die sechste Endung zu sich; doch giebt es eine Redensart, da es auch die zweyte neben sich leidet:


Z.E. Von Alters her. Nun sagen zwar einige auch von anfangs her; allein, dieß ist bey den besten Scribenten nicht gewöhnlich. Es muß heißen, vom Anfange her. Man merke auch folgende Redensarten, darinn das von, einmal an, einmal aber auf nach sich begehrt: Z.E.


O Gott! ich bin nicht werth, daß du mir so viel Güte,

Von Kindesbeinen an, bis diesen Tag erzeigt etc.


Imgleichen:


Von Kindheit an, hab ich in großer Menge

Die Proben deiner Huld gespürt etc.


Kanitz.

Hergegen saget man immer, von Jugend auf; nicht von Jugend an: das habe ich alles gehalten, von meiner Jugend auf.


6 Anmerkung.


6 §. Wenn gleich gegen insgemein die vierte Endung fodert, so heischet doch das zusammengesetzte entgegen, die dritte.


Z.E. Er kam mir entgegen. Wir wollen ihm entgegen gehen. Sonst ist wegen des Worts gegen, zu bemerken,[577] daß es einige ganz unrecht mit wider vermengen; da doch jenes gemeiniglich eine freundliche, dieß aber eine feindliche Bedeutung hat. Ein Freund hat gegen den andern eine aufrichtige Neigung; imgleichen hat man Ehrfurcht und Hochachtung gegen jemanden; nicht wider. Hingegen heißt es: du redest wider deinen Bruder; imgleichen, man streitet wider den Feind. Andere sprechen: das hat er wider mich gesaget, anstatt gegen mich; aber falsch, weil es nichts widriges gewesen ist. Gegen heißt ERGA, wider CONTRA. Er ist mir zuwider, CONTRARIATUR MIHI. Er ist zugegen, PRÆSENS EST2. Mosheim und andere Niedersachsen fehlen hier oft.


7 Anmerkung.


7 §. Das Vorwort für, nimmt allemal die vierte Endung zu sich, und bedeutet eine Bestimmung des Eigenthums und Nutzens, imgleichen eine Vertretung des andern, oder anstatt (VICE, LOCO, PRO).[578]


Z.E. Das ist für mich bestimmet; das war für mich aufgehoben, mitgebracht, gekommen, gekaufet, ausgesuchet, u.d.m. Für wen machest du, kaufest du, bauest du das? Für meinen Freund, Bruder, u.s.w. Ferner: Christus hat für uns gelitten, bezahlet, das Gesetz erfüllet. Er ist für uns gestorben: Gott sorget für uns. Der Sachwalter spricht für seinen Clienten. Der Bürge steht und zahlet für den Schuldner. Gott sey Dank für seine Gnade; für seine Ehre wir danken3.


8 Anmerkung.


8 §. Hergegen das Vorwort vor, nimmt zuweilen die vierte, zuweilen auch die sechste Endung zu sich, nachdem die Fragen sind.


Auf die Fragen Wann und Wo, ist es die sechste Endung. Z.E. Wann hat er gelebet? vor funfzig Jahren, vor meiner Zeit, vor zweyen Jahrhunderten. Wo steht er? Vor seinem Hause. Wo steht das Haus? vor der Kirche. Wo bist du gewesen? Vor der Stadt, vor dem Thore. Hergegen auf die Frage Wohin, folget die vierte Endung. Wo gehst du hin? Ich gehe vor das Gericht, vor den Richter. Ich trete vor den Altar; der Feldherr stellet sich vor die Spitze seines Heeres4.


9 Anmerkung.


9 §. Weil dieses noch nicht zulanget, alle Zweifel wegen des Gebrauches dieser Worte zu heben: so merke[579] man, daß man das vor allenthalben brauchen muß, wo die sechste Endung gewöhnlich ist.


Z.E. Ich heule vor Unruhe meines Herzens; denn ich kann sagen, vor großer Unruhe etc. Vor Angst und Kummer; vor Gram und Noth; ist aus eben der Ursache recht. Vornehm aber, nicht fürnehm; vortrefflich, nicht fürtrefflich, muß man deswegen sagen: weil man wohl eine Sache vor der andern nehmen kann, weil sie besser ist, nicht aber für die andere; weil dieses eine Verwechselung bedeuten würde; und weil man wohl eine Sache vor der andern, d.i. eher, als die andere treffen wird, wenn sie besser ist; nicht aber für die andere, weil sie sonst gleich seyn müßten. Kurz, Zeit und Ort, fodern vor, nicht für.


10 Anmerkung.


10 §. Das Vorwort gegen, nimmt zwar sonst die vierte Endung; allein, mit über zusammengesetzt, richtet es sich nach diesem, und nimmt die dritte.


Man saget z.E. gegenüber mir, gegenüber der Kirche, dem Rathhause. Es ist auch 2) zu merken, daß diese Wörter bisweilen getrennet werden können, und die dritte Endung doch behalten. Z.E. Er wohnet gegen dem Schlosse über; er bauet gegen dem Markte über. Endlich 3) können sie auch nach dem Hauptworte, welches sie regieren, zu stehen kommen; z.E. Unserm Hause gegenüber steht die Bibliothek; der Kirche gegenüber stehen die Pfarrhäuser, u.s.w.


11 Anmerkung.


11 §. Zu den Vorwörtern, die schon a.d. 395 S. als solche angegeben worden, welche die dritte und vierte Endung in verschiedenen Umständen fodern, sind noch folgende zu setzen: neben, hinter, unter und zwischen.[580]


Denn bedeuten sie eine Bewegung nach einem Orte zu, so nehmen sie die vierte Endung: Setze dich neben mich; tritt hinter mich; wirf es unter den Tisch; der Hund nimmt den Knochen zwischen die Zähne. Zeigen sie aber eine Ruhe, oder das Befinden an einem Orte an; so begehren sie die dritte: z.E. Er sitzt neben mir; er steht hinter mir; ich stehe unter dem Baume; er hält das Brod zwischen den Fingern, u.s.w.


12 Anmerkung.


12 §. Da nun dieses auch von den übrigen dieser Art, als an, auf, über und in zu verstehen ist: so reden alle diejenigen Landschaften falsch, wo man spricht:


Er hat nicht an mir geschrieben; ich denke an ihnen (sie); sie sind auf mir gefallen (mich); er geht auf dem Berge (den Berg); sie lachen über mir (mich); ich gehe über der Brücke (die). Er geht in der Kirche, (die Kirche). Wir gehen im Walde, wenn man sagen will, wohin man geht, in den Wald. Denn die Fragen wo? und wohin? unterscheiden hier die Endungen: auf die erste dienet die dritte; auf die letzte aber die vierte Endung zur Antwort. Wo ist er? An dem Hofe; im Garten; auf dem Berge; über dem Flusse. Wo geht er hin? an den Hof, in den Garten, auf den Berg, über die Brücke. S. das Nachspiel, der Witzling, im VI B. der deutschen Schaubühne.


13 Anmerkung.


13 §. Ein anderer Misbrauch geschieht mit den Wörtern bey und zu; wenn man sie theils verwechselt, theils mit unrechten Endungen setzet.


So sagen z.E. einige Provinzen: Er kömmt bey mir, wo es heißen sollte, zu mir: denn bey bedeutet gar keine Bewegung, sondern ein Seyn oder Bleiben an einem Orte.[581] Daher ist es auch falsch, wenn man saget: Er ist bey mich gewesen; denn es soll heißen, bey mir. Noch falscher ist es, wenn man zu, mit der vierten Endung setzet, die es niemals haben kann; z.E. ich komme zu Sie; anstatt zu Ihnen. Denn wer saget wohl, Sie kommen zu mich? So falsch dieses ist, eben so unrecht ist auch jenes: obgleich einige in diesem und andern Schnitzern eine Art von Höflichkeit zu finden meynen. Z.E. Ich bin bey Sie gewesen, anstatt bey Ihnen. S. das obige Schauspiel nach.


14 Anmerkung.


14 §. Eben dergleichen Unrichtigkeiten gehen mit den Vorwörtern von und mit, im gemeinen Leben vor, und zwar nur dann, wann man besonders höflich zu reden meynet.


Man saget nämlich ganz unrecht: Ich habe das von Sie bekommen; ich kam eben von Sie: da es doch heißen sollte, von ihnen: denn kein Mensch saget in Meißen, Sie haben das von mich bekommen; oder er kam von mich. Ferner: Ich will mit Sie gehen, ich werde schon mit Sie davon sprechen; sind eben so falsch, als gewöhnlich: weil niemand hier spricht: Er will mit mich gehen, oder er wird mit mich sprechen5. Dieselbe Endung nämlich, die ein Vorwort in gleichen Fällen einmal hat, muß es auch behalten.


15 Anmerkung.


15 §. Eine gleiche Complimentirsucht hat uns auch fast alle übrige Vorwörter zu verkehren angefangen;[582] woraus nichts, als eine Verderbniß der guten Sprache entstehen kann.


So sagen einige: Ich will das, durch Ihnen bestellen; Ich ließ mich nebst Sie melden; ich thue das von wegen Ihnen, oder von wegen Sie. Ich gieng hinter Sie; ich werde ja nicht vor Sie gehen; ich gehöre hinter Ihnen; ich begehre nicht über Ihnen den Rang; es ist mir Ehre genug, nach Sie zu gehen, u.d.gl. Dieses alles sind ungeheure Sprachschnitzer, die unmöglich eine Rede höflicher machen können, als sie sonst seyn würde.


16 Anmerkung.


16 §. Manche Vorwörter verwandeln sich auch in Nebenwörter, und nehmen alsdann gar keine Endung zu sich.


Z.E. Es geht alles drüber und drunter; es läuft über und über; es geht durch und durch; es kömmt so nach und nach; er ist überall oben darauf. Denn obgleich hier das Dar ein Fürwort zu seyn scheint, welches von auf regieret wird: so scheint es doch nur so; denn es ist das Nebenwort des Ortes da, welches nur mit dem auf, durchs r zusammengeschmolzen ist. Auch das altfränkische für und für gehöret hieher, imgleichen die Redensarten: Er weis weder aus noch ein; er läuft auf und ab; er geht hin und her.


17 Anmerkung.


17 §. Noch ein Misbrauch wird in einigen Landschaften mit dem Vorworte an begangen, wenn man es mit seiner Endung zu einem Zeitworte setzet, welches eigentlich die dritte Endung fodert.


Z.E. Er gab es an mich, statt mir; ich habe es an ihn gegeben, statt ihm; er meldet es an mich, anstatt mir,[583] ohne an. So viel ist indessen gewiß, daß diese niedersächsische Art zu reden, in dem Munde der alten Franken, die übern Rhein gegangen, zu der französischen Fügungsart Gelegenheit gegeben; DITES – LE À LA REINE; RENDRE À L'ENNEMI: DONNER À QUELQU'UN: als wo das à augenscheinlich aus unserm an entsprungen ist. Doch saget man noch: an den Hof, an den König oder Fürsten, an den Rath, an die Universität etwas berichten; für, dem Könige, Fürsten, Hofe, oder der Universität etc.


18 Anmerkung.


18 §. Gewisse Vorwörter werden zu einigen wenigen Hauptwörtern, ohne das Geschlechtswort, ganz bloß gesetzet; können aber in andern Redensarten nicht so gebrauchet werden.


Z.E. Er zieht zu Felde; er lebet bey Hofe; er geht nach Hofe; er fällt zu Boden; er sinkt zu Grunde; er geht zu Biere, zu Dorfe, zu Rathhause etc. Hier kann man nicht sagen: er zieht zu Acker6; er lebet bey Dorfe; er geht nach Stadt; sondern nach der Stadt; nicht er geht zu Kirche, sondern zur Kirche. Eben so saget man: der Mann ist bey Jahren, bey Vermögen, bey Verstande. Eben das geschieht, wenn man, die Materie eines Dinges anzuzeigen, das Wort von, beym Hauptworte, anstatt des Beywortes brauchet: z.E. Das Crucifix ist von Silber, anstatt silbern; der Tisch ist von Stein, von Holz, anstatt steinern, hölzern7.


[584] 19 Anmerkung.


19 §. Die Namen der Länder und Städte, imgleichen die Wörter, Hof, Haus, und Tisch werden mit den Vorwörtern nach, zu, bey und von, ohne Artikel, ohne Geschlechtswort gebrauchet.


Z.E. Ich reise nach Wälschland, Frankreich, Rom, Wien, Dresden; er ist zu London, Paris, Amsterdam; ich komme von Hamburg, Berlin, oder Breslau. Es liegt bey Königsberg, Stockhohn oder Coppenhagen. Eben so saget man, er geht nach Hofe, oder nach Hause; er kömmt von Hofe, von Hause; er ist bey Hofe, er ist zu Hause. Beym Worte Tisch ändert es sich etwas: man saget nämlich: vor Tische, nach Tische, will ich das thun: sie sind bey Tische, wir gehen zu Tische, sie kommen von Tische. Man saget zwar auch, er ist, oder geht zu Bette; aber nicht nach Bette, auch nicht, er kömmt von Bette.


20 Anmerkung.


20 §. Die Namen der Länder leiden auch zwar etliche von den obigen Vorwörtern ohne Geschlechtswort vor sich; nur ist das zu und von ausgenommen.


Man saget also recht: Er ist aus Schlesien, Pohlen, Preußen, er geht nach Pommern, Mechelburg8 und Hollstein; er lebet in Westphalen, Hessen, Thüringen; es liegt bey Schwaben, Holland oder Brabant. Nur bey einigen geht dieß nicht an: als z.E. die Mark, die Pfalz, die Schweiz, die Lombardey, die Türkey, die Wallachey, die Bulgarey und die Lausitz, erfodern allemal ihr Geschlechtswort: er ist aus der Mark, er geht nach der Pfalz, es liegt bey der Schweiz,[585] er begiebt sich in die Lombardey, er lebt in der Türkey, u.s.w. Aber man kann nicht sagen: Er ist zu Pohlen, zu Frankreich; oder er kömmt von Schottland, Dännemark, sondern in Pohlen, in Frankreich, aus Schottland, u.s.w.


21 Anmerkung.


21 §. Gleichwohl hat das zu, eine ganz andere Bedeutung, wenn es bey einem Lande gesaget wird; denn es zeiget eine Herrschaft über dasselbe Land an.


Z.E. Karl der VI schrieb sich, zu Germanien, Hispanien etc. König. Die Kaiserinn ist zu Hungarn, Böheim, Croatien etc. Königinn. So saget man, Churfürst zu Sachsen, zu Brandenburg etc. Herzog zu Braunschweig, Markgraf zu Meißen, Landgraf zu Hessen, die Grafen zu Stollberg, u.d.m. Allein,[586] es ist auch hier eine gewisse Unrichtigkeit, die mit Regeln nicht auszumachen ist. Man saget nämlich bey gewissen Ländern lieber in, als zu: als König in Pohlen, in Preußen, in Schweden, in Dännemark, u.s.w. nicht zu Pohlen, zu Preußen, etc. Bey etlichen saget man auch lieber von. Z.E. König von Frankreich, von England, von Spanien, von Portugall, von Sardinien, von Neapolis. Dieses sind Unterschiede, die man aus der Übung und aus dem Gebrauche lernen muß.


22 Anmerkung.


22 §. Wenn zweyerley oder mehr Hauptwörter auf ein Vorwort folgen, so verlieren sie nicht nur das Geschlechtswort; sondern auch die Endungsbuchstaben, die sie sonst haben würden.


Z.E. Man saget sonst recht in der Noth und im (d.i. in dem) Tode. Allein, wenn man sie beyde vereiniget, so heißt es: in Noth und Tod. Eben so saget man: Mit Gut und Blut, in Freud und Leid, mit Rath und That; einen von Land und Leuten jagen: einen ohne Klang und Gesang begraben. Durch Feuer und Wasser gehen: er sitzt auf Tod und Leben, bey Brod und Wasser; er liegt in Ketten und Banden, u.d.m.


23 Anmerkung.


23 §. Das Wörtchen zu, hat noch in verschiedenen Redensarten einen Gebrauch, der ihm eigen ist, und bald durch auf, bald durch in, bald noch anders erkläret werden kann.


Z.E. zu Pferde, d.i. auf dem Pferde; zu Schiffe, eben so. Er liegt zu Bette, er geht zu Bette; heißt, er liegt im Bette, oder geht ins Bette. Er ärgert sich zu Tode; heißt, bis auf[587] den Tod. Mir ist nicht wohl zu Muthe; heißt im Muthe, oder Gemüthe. Es will ihm nicht zu Leibe; heißt, in den Leib. Etwas zu Papiere bringen, heißt aufs Papier; zu Markte gehen, heißt auf den Markt gehen, um etwas zu verkaufen. Endlich zu Stuhle gehen, bedeutet, sich auf einen gewissen Stuhl setzen.


24 Anmerkung.


24 §. Das Vorwort vor, hat auch in der Verbindung mit Hauptwörtern, oft die Art, daß es den Artikel vertreibt, und die Bedeutung von aus, oder wegen bekömmt.


Z.E. Er zittert vor Furcht; d.i. aus Furcht; er bebet vor Angst; d.i. aus. Ich weis mich vor Kummer nicht zu lassen; d.i. wegen des Kummers. Vor Hunger und Durst sterben, heißt wegen des Hungers und Durstes sterben. Ich kann vor Kälte nicht gehen oder stehen; d.i. wegen der Kälte. Hergegen sagen einige falsch: ich thue das vor die lange Weile; oder vor die Lust. Denn hier bleibt erstlich das Geschlechtswort nicht aus; 2) ist hier das für mit seiner vierten Endung nöthig; für die lange Weile d.i. zum Zeitvertreibe; für die Lust, oder noch besser, zur Lust.


25 §. Man muß sich gar nicht wundern, daß ich so viele Regeln von den Vorwörtern gebe. Denn 1) ist es gewiß, daß in ihrem rechten Gebrauche eine große Schönheit einer jeden Sprache besteht: und wer sie recht innen hat, der besitzt eine große Stärke im Ausdrucke. 2) Werden darinn im gemeinen Leben, sonderlich in gewissen Landschaften, die meisten Fehler begangen, die sich hernach auch in die Schriften einschleichen, und die Sprache verderben. 3) Hat man ja von dem Gebrauche der lateinischen Partikeln ganze Bücher geschrieben; wie Tursellin gethan: und was dem erlaubet gewesen, das muß uns auch freystehen. Endlich 4) sind diese Anmerkungen noch bey weitem nicht alles, was sich davon sagen läßt. Künftig will ich noch mehrere sammlen.

Fußnoten

1 Dieß Wort kömmt von dem Wahrnehmen, gewahr werden, oder gewahren, wie die Alten redeten. Wenn solches nun unversehens geschieht, ohne es gewahr zu werden, oder wahrzunehmen; so heißt es ohngewahr, ohngefähr.


2 Auch das canzellistische: Cajus entgegen Sempronium, gehöret mit zu den übrigen Barbareyen dieser Schreibart. Von anderer Art aber ist die Anmerkung eines großen Sprachkenners, daß in den Worten, Gegner, Gegensatz, Gegenpart, und einigen andern, die schon von altem Herkommen sind, gleichwohl auch der Begriff der Widerwärtigkeit stecket. Man kann dieses nicht läugnen, so wenig man das wider in gewissen alten Wörtern von der sanftem Bedeutung, ganz freysprechen kann; z.E. erwiedern, d.i. Antwort geben. Allein, in alten Sachen hat bisweilen die Verjährung statt; und man sieht unsern Vorfahren bisweilen nach, worinn man ihnen nicht nachahmen würde. Da es aber, logisch zu reden, sehr heilsam ist, wenn die Wörter, so viel möglich, bestimmte Bedeutungen haben; sollte man denn nicht nach dem Grundsatze des Bessern, lieber wider von gegen unterscheiden, als beyde vermengen wollen? Das Widerspiel, der Widerspruch, die Widerrede, widerwärtig, widerlich, ein Widersacher, widersinnisch, er ist mir zu wider u.d.gl. zeigen ausdrücklich eine gänzliche Widrigkeit an. So ist es denn billig, daß man das gegen, so viel sich thun läßt, zu gelindern Bedeutungen brauche. Erwiedern, kann auch wohl von wiederum kommen.


3 Hiezu kömmt noch die Redensart, was ist das für ein Mann? was für ein Ding ist das? wo viele fälschlich vor brauchen. Denn dieses ist ein bloßes ANTE, und geht nur auf Zeiten und Örter: wie schon oben erinnert worden.


4 In allen diesen Fällen brauchen einige ganz urecht das für; und man kann nicht läugnen, daß selbst in der Bibel es bisweilen unrecht steht, ein Fürbild, u.d.gl. imgl. in der Litaney, für allen Sünden, für allem Irrsal, u.d.gl. wo überall vor stehen sollte. Das Alterthum brauchet immer einige Nachsicht.


5 In der Mark, Pommern, Meklenburg, Holstein und ganz Niedersachsen sind diese Fehler im Reden seht gemein: die vorigen aber in Obersachsen. Doch seit dem letzten Kriege, da soviel Brandenburger, Westphäler, Magdeburger und Pommern 6 Jahre in Sachsen gelegen; haben diese auch noch falscher sprechen gelernet, und es heißt fast bey uns, wie Cicero von Rom saget: OMNIS PEREGRINITAS IN URBEM EFFUSA EST. Dieß schreibe ich 1762, im Häumonde.


6 Wenn man gleich in einigen Landschaften sagen möchte, der Bauer geht zu Acker: so kann man doch nicht sagen, er geht zu Wiese. Dieses bestätiget abermal meine obige Anmerkung.


7 Nur hüte man sich, mit einigen neuern Schreibern schlechtweg zu sagen: ein Mann von Stande, von Vermögen, von Verdiensten u.d.gl. Ein Mensch von Eigenschaften, ein Frauenzimmer von Schönheit, von Tugend, u.d.gl. Das sind lauter GALLICISMI. Denn hier fehlen überall die Beywörret dazwischen, z.E. von gutem oder schlechtem Stande, von großem oder geringem Vermögen, von vielen oder wenigen Verdiensten; von guten oder schlechten Eigenschaften; von besonderer, oder mäßiger Schönheit und Tugend. Gleichwohl ist auch dieses schon neu, u.d.gl.


8 Ich schreibe mit Bedacht Mechelburg; denn so soll dieß Wort geschrieben werden, um seinen Ursprung anzuzeigen. Es kömmt von Michel, welches vormals groß hieß, und mit dem griechischen μεγαλος übereinstimmte, u. von Burg: Michelburg, oder Mechelburg heißt also die große Burg: so wie hingegen Luxenburg, oder Lützelburg, wie es die Alten schrieben, die kleine Burg hieß. Damit stimmet denn auch die Benennung MEGALOPOLIS sehr wohl überein. Und vieleicht kömmt selbst die Benennung, ein Deutscher Michel, bloß daher, daß die alten Deutschen mehrentheils große ansehnliche Leute gewesen. Denn der hebräische Namen Michael schicket sich hier gar nicht her. Man will mir die Rechtschreibung von Mechelburg abdisputiren. Allein, ich habe ein altes Manuscript deutscher Heldenlieder von 1400 und etlichen 80: darinn steht beym mecklenburgischen Wapen: Balthasar von Gotz Gnaden Herczog czu Mechelwurgk. Wer beym k bleiben will, kann es indessen thun. Ich zeige nur den Sinn und Ursprung. Daß aber Rostock, wie man mich bereden will, von Roß, ein Pferd, und tock, ein Zug, d.i. einem Aufzuge zu Pferde herkomme, werde ich schwerlich glauben. Ich weis längst, daß dieß Wort wendischer Abkunft ist; so gut, als Lübeck und Leipzig selbst. Wären Ritterspiele da gehalten worden: so müßte es vorher schon eine Stadt gewesen seyn, die darum ihren Namen nicht geändert haben würde. Warum hieße es nicht gar Rasttag?[588]


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 575-589.
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