Das I. Capitel.
Von Oden, oder Liedern.

1. §.


Wir folgen der Ordnung der Natur. Oben ist erwiesen worden, daß die Musik zur Erfindung der Poesie den ersten Anlaß gegeben. Die ersten Dichter haben lauter musikalische Verse gemacht; und dieselben den Leuten vorgesungen. Die Alten haben ihre Gesetze gesungen; und Aristoteles meynet gar, daß dieselben darum νομοι genennt worden, weil die Strophen der Lieder so hießen, darinn sie vor Alters abgesungen worden. Die Geschichte und Thaten der Helden wurden auch schon vor Erfindung der Schriften in Liedern aufbehalten. Alles was vor dem Cadmus von Milet und dem Pherecydes von Scyros in Griechenland gemacht worden, das waren Lieder, und Gesänge. Auch in der Odyssee finden wir, daß Phemius den Liebhabern der Penelope ein Lied von der schweren Rückfahrt der Helden vor Troja singet. Agamemnon hat seiner Gemahlinn einen Sänger zu Hause gelassen, sie in seiner Abwesenheit zu belustigen und zu erbauen. Menelas giebt im IV. B. ein Fest, wobey man singet und tanzet. Im VIII B. singt Demodokus bey den Pheaciern, von der Liebe des Mars und der Venus. Im XII. singen die Sirenen. Im XXI. sang Phemius, von den Liebhabern der Penelope gezwungen, abermal. Anderer Tisch- und Trinklieder zu geschweigen, davon DE LA NAUZE in den MEMOIRES DE L'ACAD. DES BELLES LETTRES. TOM. XIII p. 501. u.f. nachzusehen ist. Die Lieder sind also die älteste Gattung der Gedichte, und wir können mit gutem Grunde von denselben den Anfang machen.[3]

2. §. Weil ein Lied muß gesungen werden können, so gehört eine Melodie dazu: und weil der Text und die Musik sich zu einander schicken sollen, so muß sich eins nach dem andern richten. Es versteht sich aber leicht, daß sich zuweilen die Poesie nach der Singweise; zuweilen aber die Singweise nach der Poesie bequemen wird, nachdem entweder jenes oder dieses am ersten fertig gewesen ist. Zwar die alten Poeten, weil sie zugleich auch Sänger waren, und weder in einem noch in dem andern Stücke gar zu viel Regeln wußten, mögen wohl zuweilen aus dem Stegreife ganz neue Lieder gesungen haben, davon vorher weder die Melodie, noch der Text bekannt gewesen. Sie nahmen es weder in der Länge der Zeilen, noch in dem Sylbenmaaße so genau; und konnten auch leicht so viel Töne dazu finden, daß es einem Gesange ähnlich wurde. Ich habe selbst einen alten Meistersänger, der ein Sänger und Poet zugleich seyn wollte, in großen Gesellschaften, zur Lust, auf jeden insbesondere, ein ganz neues Lied singen hören. Er dichtete und componirte also aus dem Stegreife; wie man theils aus den Knittelversen, theils aus der Melodie leicht hören konnte. So kann und muß man sich denn auch die ältesten Poeten einbilden. Ihre Texte waren so ungebunden, als ihre Melodien; und wenn wir in Kirchen den Lobgesang Mariä, die Litaney, oder das Lied Simeons singen; so können wir uns leicht vorstellen, wie solches mag geklungen haben.

3. §. Doch von diesen ersten Liedern ist hier nicht mehr die Frage. Man hat sie allmählich regelmäßiger zu machen angefangen, und theils die Texte, theils die Melodien gebessert. Man erfand gewisse Gesangweisen, die sehr schön ins Gehör fielen, und bemühte sich, dieselben nicht wieder zu vergessen. Der Text ward darnach eingerichtet; und das war ein Lied von einer Strophe. Wollte der Poet noch mehr Einfälle und Gedanken ausdrücken, so hub er seine Melodie von vorne wieder an: und weil seine Verse sich auch darnach richten mußten, so entstund abermal eine Strophe, die der ersten ungefähr ähnlich war. Und damit fuhr man so lange fort, bis[4] das Lied lang genug schien, oder bis der Dichter nichts mehr zu sagen hatte. Anakreon scheint indessen von Strophen oder abgetheilten Versen seiner Oden nichts gewußt zu haben. Alle seine Liederchen gehen in einem fort, bis sie zum Ende sind, und man könnte sie also nach unsrer Art eher Arien, als Oden nennen. Z.E. Die IV. Anakreontische Ode. Auf sich selbst.


Auf den jungen Myrtenzweigen,

Auf den zarten Lotosblättern,

Will ich liegen und eins trinken.

Amor soll mit nackter Schulter,

Und halb aufgeschlagnem Kleide,

Mich aufs artigste bedienen.

Denn kein flüchtig Rad am Wagen

Läuft so schnell als unser Leben:

Und da bleibt von unsern Beinen

Nur ein wenig Staub im Grabe.

Drum was hilfts den Grabstein salben,

Und den schnöden Wust der Grüfte?

Salbt mich selber, weil ich lebe,

Krönet mich mit frischen Rosen;

Ruft mir her die schönste Freundinn!

Amor! eh ich von hier scheide,

Und dort bey den Todten tanze,

Will ich Gram und Leid verbannen.


4. §. Die ersten Melodien werden meines Erachtens nur auf eine Zeile gelanget haben, und in der andern hat man sie schon wiederholen müssen. Hernach hat man sie etwa auf zween Verse verlängert; und dabey werden sonderlich unsere Vorfahren, die eine gereimte Poesie liebten, geblieben seyn; weil wir sonst keine Spuren von abgetheilten Strophen bey ihnen finden. Zwo Zeilen machten also einen Vers, darauf sie eine Melodie hatten; alsdann hüben sie dieselbe von neuem wieder an. Die Griechen, ob sie gleich anfänglich auch nicht[5] künstlicher gewesen, wurden doch allmählich bessere Sänger und Spielleute, und erfunden also bessere Melodien, die sich auf vier, fünf, sechs, auch nach Gelegenheit, auf mehr Zeilen erstreckten: wie man aus ihren Poeten sieht. Dadurch wurden auch die poetischen Strophen länger, die sie denn unter sich einander gleich machten; weil man am Ende der einen, die Melodie wieder vom Anfange anheben mußte. Das Wort σροφη zeigt solches zur Gnüge, weil es von σρεφειν oder vom Umkehren seinen Ursprung hat, und also eine Wiederkehr bedeutet. Wenn man es also einen Vers heißt, so ist es eben so viel; weil VERSUS von VERTERE hergeleitet wird. Ich weis wohl, daß man andere Erklärungen von diesem lateinischen Worte giebt: Z.E. Weil man oft was ändern, verkehren oder versetzen müßte, wenn man Verse macht, oder weil man den Griffel, womit die Alten schrieben, oft umkehren müssen, um in den Wachstafeln, darauf man schrieb, etwas auszulöschen: SAEPE STILUM VERTAS ETC. Allein das sind Wortspiele. Besser ist es noch, wenn man sagt, das Umkehren im Schreiben am Ende einer Zeile, habe diesen lateinischen Namen zuwege gebracht: denn wir finden bey den Alten, daß sich auch die Zeilen prosaischer Schriften Verse genennet haben. Das läuft aber mit dem obigen auf eins hinaus. Die homerischen Zeilen sind Verse, in diesem Verstande; und sind es auch nach meinem Sinne: weil man alle Zeilen nach einer und derselben Melodie gesungen, und also dieselbe Gesangweise immer von neuem wieder angefangen hat.

5. §. Die Strophen einer Ode, oder wie unsere Alten nach Art der Griechen sagten, die Gesetze derselben, müssen also auch, bey unserer heutigen künstlichen Musik, eine gewisse Länge und Anzahl der Zeilen beybehalten; wenn sie sich auf eine gewisse Melodie sollen singen lassen. So habens die Griechen und Römer gemacht, und so machens auch heute zu Tage alle Nationen. Nur die pindarischen Oden machen hier eine Ausnahme. Die beyden ersten Verse derselben, σροφη und αντισροφη die wir den Satz und Gegensatz nennen,[6] sind zwar einander vollkommen ähnlich, aber die dritte schickt sich nicht mehr dazu. Folglich schließe ich daraus, daß man dazu zweyerley Melodien gesungen habe, eine zu anfangs zweymal, die andere zum Beschlusse nur einmal; welches gewiß so übel nicht klingen kann. Exempel solcher Oden kann man in Opitzen und andern alten Dichtern finden. Seit einiger Zeit sind sie ganz aus der Uebung gekommen, weil sie außer der Musik keinen Nutzen haben. Ich will aber ein eigenes hersetzen.


Strophe, oder Satz.


Edler Pindar! deine Lieder

Füllen noch den Helikon;

Und der kühnen Seiten Ton

Schallt noch um den Pindus wieder.

Doch wer kann in tiefen Sträuchen,

Wo nur Pan um Mitternacht,

Bey den wilden Faunen wacht,

Deinen hohen Geist erreichen!


Antistrophe, Gegensatz.


Flaccus selber muß bekennen;

Deinen Spuren nachzugehn,

Sey ein freches Unterstehn,

Ein verwegnes Stück zu nennen.

Traut der Römer seinen Schwingen,

Schon so wenig Kräfte zu:

O! wer singt denn so, wie du?

O! was wird es mir gelingen?


Epodos, Schlußsatz.


So spiel ich denn in stillen Gründen

Mein sanft und blödes Haberrohr;[7]

Und will mir in der Hirten Chor

Nur Epheu um die Schläfe winden.

Wenn ich kein Pindar werden kann;

So sing und spiel ich wie Sylvan.


6. § Wenn die Oden nicht eben zum Singen gemacht werden, oder auch von zweenen Chören gegen einander, als ein Gespräche gesungen werden sollen, dergleichen in Herrn Gräfens Sammlungen etliche anzutreffen sind: so kann man auch Strophen von zweyerley Art mit einander abwechseln, sie nach zwo verschiedenen Melodien in die Musik setzen, und von zween Chören Musikanten wechselsweise absingen lassen. Amthor hat auf der 187. und 188. Seite seiner Gedichte ein solches Exempel gegeben, und man singt auch an gewissen Orten das Lied; Nun laßt uns den Leib begraben; auf die Art, daß, nach Endigung einer jeden Strophe, ein Sänger, im Namen des Seligverstorbenen, einen Vers von dem Liede: Gehabt euch wohl, ihr meine Freund; darzwischen singt. Wie nun dieses sehr angenehm klinget, also wundert michs, daß man nicht mehr solche Wechseloden, wie man sie nennen könnte, so wohl in geistlichen, als in weltlichen Stücken eingeführet hat. Zum wenigsten habe ich meine lange Jubelode, die auf der 85. S. meiner Gedichte steht, in zweyerley Arten der Strophen verfertiget: und wenn selbige also gesunden werden sollte; so müßten zwo Melodien auf die zwo ersten Strophen gesetzt werden. Dieses ist auch bey solchen langen Liedern um desto rathsamer, weil durch die Abwechselungen zwoer Melodien eine größere Mannigfaltigkeit in den Gesang gebracht, und der Ekel also vermieden werden kann, der aus der gar zu oftmaligen Wiederholung einer und derselben Weise, leicht entstehen könnte.

7. §. Die Alten pflegten bey dem Ende jeder Strophe den völligen Verstand nicht allemal zu schließen, wie man aus Horazens Oden sehen kann. Bey uns aber hat mans mit gutem Grunde eingeführt, und es klingt gewiß noch einmal so gut, als[8] wenn man das Ende eines angefangenen Satzes erst in der folgenden Strophe suchen müßte. Ja man bemüht sich, auch den Schluß jedes Verses allezeit nachdrücklich und sinnreich zu machen. Nicht eben, als wenn allemal eine epigrammatische Spitzfündigkeit darinn stecken müßte: sondern darum, daß die letzte Zeile nicht kalt und matt abfalle, und also das vorhergehende Feuer gleichsam dämpfe. Eben deswegen klingt es am Schlusse der Strophen sehr selten gut, wenn die letzte Zeile für sich einen Satz macht, der mit der vorhergehenden, wenigen, oder gar keinen Zusammenhang hat. Es ist allezeit besser, wenn die letzten zwo oder drey Zeilen hübsch in einem hinter einander fortrollen, daß man im Lesen nicht eher stille halten oder aufhören kann, als am Ende der ganzen Strophe. Z.E. Wenn Canitz in der Ode auf seine Doris singet:


Soll ich meine Doris missen?

Hat sie mir der Tod entrissen?

Oder bringt die Phantasey

Mir vielleicht ein Schrecken bey?

Lebt sie? Nein, sie ist verschwunden!

Meine Doris deckt ein Grab.

Reiß, Verhängniß! meinen Stunden

Ungesäumt den Faden ab.


So sieht man wohl, daß der Schluß deswegen so schön klappt, weil die zwo letzten Zeilen in einem Stücke fortlaufen. Doch muß man hiervon eine Ausnahme machen: denn zuweilen erlaubet ein heftiger Affect auch einen kurzen und abgebrochenen Spruch am Ende. Als z.E.


Ein Jüngling, dessen hoher Geist

Aus Augen, Mund und Wesen lachte,

Der oft das Alter stutzig machte,

Das sonst der Jugend Lehrer heißt:

Der unsrer Welt zu Nutz gebohren,[9]

Der Seinen Zier und Freude war,

Betritt die schwarze Todtenbaar:

Gewiß, das heißt zu viel verlohren!


Amthor.


8. §. Was sonst die andern Schlußpuncte in der Mitte einer Strophe anlangt, so muß man darinn einen besondern Wohlklang beobachten. In den beyden angeführten Exempeln achtzeiligter Strophen mußte nothwendig an der vierten Zeile ein Punct stehen; und es würde sehr übel geklungen haben, wenn man den Sinn bis auf die fünfte Zeile gezogen hätte. Wäre aber die Verschränkung der Reime dergestalt gewesen, als in folgender Strophe von sechs Zeilen:


Auf! ihr klugen Pierinnen,

Lasset uns ein Lied beginnen,

Einem Helden, der euch liebt;

Der bey seinen schönen Flüssen,

Welche sich hierum ergießen,

Uns auch eine Stelle giebt.


Opitz.


So hätte nach der dritten Zeile der Verstand vollkommen seyn müssen, und so auch in andern Arten allezeit anders. Wie nun die Abtheilung in einer Strophe gewesen, so muß sie in allen andern seyn: damit sich die Gesangweise der ersten auch darauf schicke; und mit einer Hälfte der Melodie, auch der ganze, oder halbe Verstand schließe. Diese Regel ist von unsern ältesten Poeten nicht durchgehends beobachtet worden. Opitz, Flemming, Dach, Gryph u.a.m. schließen den Verstand in den Strophen ihrer Oden zwar oftmals recht; aber auch vielmals unrecht. Neukirch hat dieses fast zuerst wahrgenommen, und in diesem Stücke einen bessern Wohlklang eingeführt; welchem denn Günther glücklich gefolget ist. Man sehe in den Hoffmannsw. Gedichten die Exempel[10] des ersten nach, und nehme auch von Neuern die Oden der D.G. dazu.

9. §. Die Zeilen in den Oden dörfen nicht alle von einer Länge seyn. Man kann allerley Vermischungen von drey, vier, fünf, ja sechsfüßigen Versen in der ersten Strophe machen, und darf nur das Gehör zu Rathe ziehen, ob sie wohl klingen. Daraus entstehen nun unzählige Gattungen der Oden, die doch dem Sylbenmaaße nach, nur entweder jambisch oder trochäisch sind. Z.E. Opitz hat folgende Art:


Ihr schwarzen Augen ihr, und du, o schwarzes Haar

Der frischen Flavien, die vor mein Herze war,

Auf die ich pflag zu richten,

Mehr als ein Weiser soll,

Mein Schreiben, Thun und Dichten,

Gehabt euch ewig wohl!


Doch ich müßte etliche Schocke hersetzen, wenn ich nur die besten wählen wollte. In Weidners Uebersetzung von Horazens Oden, kann man unzählige Gattungen finden, und sich die besten davon wählen. Ja auch im hübnerischen Handbuche kann man sich zur Noth eine Menge möglicher Veränderungen von trochäischen und jambischen Strophen bekannt machen. In meinen Gedichten wird man gleichfalls an den größern Heldenoden auf den Kaiser, den hochseligen König in Pohlen, auf des itzigen Königs Maj. imgleichen auf den Prinzen Eugen, und auf das Jubelfest, eben dergleichen Arten antreffen. Doch könnten auch nach dem Muster der Griechen und Lateiner, sapphische, phaläcische, alkaische und chorijambische Oden, gemacht und gesungen werden; wie ich in dem letzten Capitel des I. Theils dieser Dichtkunst gewiesen habe.

10. §. Die Materien, die in Oden vorkommen können, sind fast unzählich, obgleich im Anfange die Lieder nur zum Ausdrucke der Affecten gebraucht worden sind. Dieser ersten[11] Erfindung zufolge, würde man also nur traurige, lustige und verliebte Lieder machen müssen. Aber nach der Zeit hat man sich daran nicht gebunden; sondern kein Bedenken getragen, alle mögliche Arten von Gedanken in Oden zu setzen. Zwar Horazens Regel nach, würden nur wenige Classen darinnen vorkommen.


MUSA DEDIT FIDIBUS DIUOS, PUEROSQUE DEORUM,

ET PUGILEM VICTOREM, ET EQUUM CERTAMINE PRIMUM,

ET IUUENUM CURAS, ET LIBERA VINA REFERRE.


Aber seine Exempel zeigen, daß er es dabey nicht hat bewenden lassen; indem er wohl so gar Briefe in Form der Oden geschrieben, ja Satiren, Gespräche und Lehrgedichte darinn abgefaßt, Fabeln erzählt, sich selbst in einen Schwan verwandelt, und unzählige andere Erfindungen darinnen angebracht hat. Bey unsern alten Poeten wird man alle diese Arten auch antreffen, wie die Exempel am Ende dieses Capitels zeigen werden. Doch wenn man die Natur der Sachen ansieht, so ist es wohl am besten, wenn man sich von der ersten Erfindung so wenig entfernt als möglich ist, und das Lob der Helden und Sieger, den Wein und die Liebe darinn herrschen läßt. Doch begreift ein jeder, daß man das Lob, sowohl bey freudigen als traurigen Begebenheiten; und die Liebe, sowohl bey eigener als fremder Leidenschaft, d.i. bey Hochzeiten besingen könne.

11. §. Daraus ist nun leicht abzunehmen, in was für einer Schreibart die Ode abgefaßt werden müsse. Nach ihren verschiedenen Gattungen muß sich dieselbe auch ändern. Die Loboden müssen in der pathetischen und feurigen, die lehrreichen in der scharfsinnigen, die lustigen und traurigen, theils in der natürlichen, theils beweglichen Schreibart gemacht werden. Die Ursache sieht man leicht. In der ersten Art beherrscht die Bewunderung und Erstaunung den Poeten, die ihm alle Vorwürfe vergrößert, lauter neue Bilder, Gedanken[12] und Ausdrückungen zeuget; lauter edle Gleichnisse, reiche Beschreibungen, lebhafte Entzückungen wirket; kurz, alle Schönheiten zusammen häufet, die eine erhitzte Einbildungskraft hervorbringen kann. Und dieses ist denn die so genannte Begeisterung, das berühmte Göttliche, so in den Oden stecken soll, weswegen Pindar so bewundert worden. Um nun von diesem so beruffenen pindarischen Wesen, unsern Deutschen einen Begriff zu machen, will ich eine obgleich prosaische Uebersetzung, aus dem Pindar hersetzen; und also vielen falschen Begriffen vorbeugen, die sich einige davon machen. Es ist die IV. olympische, die er auf den Psaumis den Camariner gemacht, als er den Sieg im Wettlaufe mit den Wagen davon getragen hatte. Sie lautet so:

Höchster Gott! der du vom obersten Himmel her, deine Donner gleich unermüdeten Rossen in den Lüften fliegen lässest; die Stunden, diese dir unterthänigen Göttinnen, deren Pflicht es ist, die Jahreszeiten nach und nach herbeyzuführen, und die heute die prächtigen pisanischen Schauspiele erneuert haben, die dir geweihet sind, schicken mich mit der Leyer in der Hand zu dir, großer Jupiter, daß ich mit Liedern, die sich in ihre Töne mischen, die Pracht dieser Spiele, und den Ruhm eines Freundes besingen soll, der im Wettlaufe mit den Rossen den Preis davon getragen hat. Es ist billig, und die Tugend selbst heischt es von uns, bey dem Glücke unsrer Freunde, unser Vergnügen zu bezeugen. Nimm also, du Sohn Saturns, der du auf dem Aetna, dem Schauplatze deiner Siege über den Stolz des hundertköpfigten Typhons triumphirest, den du mit deinem Blitze zerschmettert hast, und der unter der Last dieses berühmten Berges seufzet; nimm diesen Gesang, der dir zum Dankopfer gebracht wird, gnädig an, indem er den Verdiensten einen ewigen Glanz ertheilen soll.

Er kömmt schon, auf dem sieghaften Wagen, Psaumis kömmt, den du selbst begnadiget hast. Dieser mit pisanischen Oelzweigen gekrönte Ueberwinder, eilet schon durch seine[13] Gegenwart, seinem Vaterlande einen neuen Glanz zu verschaffen. Großer Gott, sey allen seinen übrigen Wünschen eben so geneigt: denn ich lobe ihn mit Rechte; da er zwar mit allen Tugenden geziert, doch sonderlich durch die edle Neigung berühmt ist, muthige Hengste zu erziehen, zu erhalten und abzurichten; da er freygebig und gastfrey im höchsten Grade ist, und eine aufrichtige Liebe zur Stille und Ruhe seines Vaterlandes besitzt; die ihm von den reinen und weisen Gebothen einer glücklichen Auferziehung eingeflößet worden. Ich sage nichts, als was wahr und bekannt ist. Weg! aus den Lobsprüchen des Psaumis, mit allem, was der Lügen gleicht: nur durch gewisse und wiederhohlte Thaten, nur durch die Proben selbst, muß man von den Sterblichen urtheilen.

Die Proben verwandelten vormals die Verachtung und die Spottreden der Weiber zu Lemnos, über die weißen Haare des Clymenus, in lauter Verwunderung. Als Sieger auf der Rennbahn, wo man in voller Rüstung läuft, sprach er zur Hypsipyle, indem er sich näherte, die Krone von ihrer Hand zu nehmen: du siehst wohl, wie stark ich im Laufen bin; die Kraft meines Arms und meine Herzhaftigkeit gleichen der Behendigkeit meiner Schenkel. Urtheile nicht mehr nach der Farbe weißer Haare, die oft den jüngsten und stärksten vor der Zeit wachsen.

12. §. Hier sieht man nun die pindarische Art zu denken, die von den Alten für so unnachahmlich gehalten worden. Sie beschäfftiget sich freylich mit lauter erhabenen Sachen, mit dem Jupiter und seinem Feste; mit dem Siege, den er über die Riesen erfochten; mit der Strafe Typhons, unter dem Berge Aetna; mit der Geschicklichkeit des Siegers, in Erziehung und Abrichtung der Pferde; mit den übrigen Tugenden desselben, die der Poet billiger Weise höher schätzet, als den Sieg selbst; den er mehr für eine Gabe Gottes, als für ein Werk des Siegers ausgiebt. Man sieht hier ferner die Ehrlichkeit des Dichters, da er nichts loben will, als was die Wahrheit bezeuget, und was durch Proben erweislich ist. Dieses[14] erläutert er zum Beschlusse mit einem Beyspiele aus den Geschichten. Nun bleibt er zwar die Anwendung schuldig: allein, vielleicht ist dieselbe damals leichter zu machen gewesen, als wir denken; und es kann wohl seyn, daß auch dieser Ueberwinder vor seinem Siege, nicht für voll angesehen worden. Hat der Poet nun dieses auf eine klügliche Art zu verstehen gegeben, ohne es ausdrücklich zu sagen: so sieht man auch seine Geschicklichkeit im loben, die allen Lobdichtern anzupreisen ist. Ueberhaupt könnte man aus diesem Muster viele Regeln der Lobgedichte herleiten. Ich will nur der folgenden erwähnen. I. Lobe an deinem Helden keine Dinge, dafür er selbst nichts kann: zum Exempel, sein Geschlechte, sein Vaterland, seine Leibesgestalt, seine Jugend etc. von allen diesen Stücken sagt Pindarus nichts. II. Schäme dich nicht, das Gute, das deinem Helden wiederfährt, Gott selber zuzuschreiben: dieses thut Pindarus; ohngeachtet sein Sieger auch viel Theil an dem erkämpften Preise hatte, III. Lobe an deinen Helden das, was ganz auf sie ankömmt, nämlich die Tugenden, die ein Werk des menschlichen Willens sind. IV. Halte dich bey keiner Beschreibung von Kleinigkeiten auf; z.E. von Pferden, von Wagen, und andern solchen Lapalien, darauf kleine Geister so leicht verfallen, die aber Pindar gar übergeht. V. Male deinen Helden nicht als eine Geburt deiner Einbildungskraft, sondern lobe nur das an ihm, dessen Wahrheit, durch augenscheinliche Proben bewiesen werden kann etc. Wer so lobt, den will ich einen pindarischen Dichter nennen.

13. §. Nun weis ich zwar, daß man zu den pindarischen Oden, eine sehr kühne und erhabene Schreibart zu rechnen pflegt; die einige nicht besser zu erreichen wissen, als wenn sie recht dunkel, abgebrochen, und verstümmelt deutsch schreiben. Allein, was die kühnen Bilder und Redensarten betrifft, so werden wir dieselben in folgenden Oden unsrer deutschen Poeten ziemlich pindarisch antreffen, und wer es noch höher darinn treiben wollte, der würde gewiß[15] zu weit gehen. Was aber das Verstümmeln der Sprache betrifft, so ist es leicht zu begreifen: daß Pindarus durch grammatische Schnitzer nicht zum Gegenstande der Bewunderung geworden, sondern durch edle Gedanken; die aber auch bey der Richtigkeit der Sprachregeln bestehen können. Haben wir nun noch keinen ganzen Pindar in Deutschland gehabt, so kann doch so gar viel eben nicht gefehlt haben. Wenigstens haben Flemming, Gryph, und Amthor kein übles Geschicke dazu gehabt. Unser Günther hat wohl in dieser Art von Oden ein Meisterstück auf den Prinzen Eugen gemacht: wenn er sich nur nicht so tief herunter gelassen hätte, als er vorhin hoch gestiegen war; da er auch Nachbars Hanns in einer Dorfschenke, zum Vorwurfe seiner Gedanken genommen. Im Französischen ist Rousseau glücklich darinn, wie auch aus der Ode auf die Weltbezwinger, die Amthor übersetzt hat, schon zu sehen ist. Des LA GRANGE drey philippische Oden, auf den verstorbenen Regenten in Frankreich, sind zwar in einem ganz widrigen Affecte geschrieben; aber eben so feurig, und so zu reden rasend, als eine von den obigen. Und das ist kein Wunder. Er hat es vermuthlich in seinem Schimpfen und Schelten ernstlicher gemeynet, als andere, die im Loben aus dem Schmeicheln ein Handwerk machen. In geistlichen Oden ist Simon Dach dieser Schreibart sehr mächtig gewesen, und insonderheit ist das Lied: Ich bin ja, Herr, in deiner Macht; für ein vollkommenes Meisterstück anzusehen. Auch Andreas Gryphius, hat in seiner langen Ode auf den Kirchhof, mehr als eine Probe der pathetischen Schreibart gegeben, die sehr zu loben ist. Zur Probe will ich ein paar Strophen hersetzen:


Wie wird mir? Wackelt nicht der Grund,

Auf dem ich steh? rauscht ihr, o Linden?

Wie reißt die Erd auf ihren Schlund,

Und läßt die Wurzel sich entbinden?

Hör ich das Rasseln dürrer Bein?[16]

Hör ich ein heischer menschlich Brausen?

Hör ich der Suden holes Sausen?

Wältzt ihr euch ab, ihr schweren Stein? etc.


Hilf Gott! die Särger springen auf!

Ich schau die Körper sich bewegen.

Der längst erblaßten Völker Hauf

Beginnt der Glieder Rest zu regen.

Ich finde plötzlich mich umringt

Mit durch den Tod entwehrten Heeren!

O Schauspiel! das mir heiße Zähren,

Aus den erstarrten Augen dringt!


14. §. Die lustigen Lieder, die beym Trunke oder sonst zum Scherze statt finden, müssen so wohl als die traurigen, zärtlichen und beweglichen in der natürlichen Schreibart gemacht werden, die nicht mehr so edel, feurig und verwegen klinget; sondern mit wenigern Zierrathen zufrieden ist. Doch kömmt es auch hier auf den Dichter an, ob er gleichsam in einem halben Rausche, kühne Gedanken und Ausdrücke wagen will, wie Pietsch in einem Trinkliede gethan hat, welches im VII. B. der Beyträge steht. Zum Exempel der Lustigen kann Günthers Tabakslied dienen, nebst verschiedenen, die in Flemmings und Opitzens Gedichten vorkommen. Z.E. im ersten Buche der poet. W. des letztern, steht eine an Nüßlern, und da kömmt folgende Strophe vor:


Hola! gebt mir ein Glas Wein,

Wasser hab ich nicht vonnöthen:

Nun, es gilt dir, Bruder mein!

Auf Gesundheit des Poeten,

Welcher künftig mich und dich

Weit soll lassen hinter sich.


In dieser Schreibart läßt sich auch bey Hochzeiten und andern frölichen Veranlassungen, bequem ein Gedichte verfertigen.[17] Von zärtlichen oder traurigen Liedern habe ich schon oben Canitzens Klagode gelobt, und itzo will ich noch Bessers Ode auf denselben Todesfall, und als er vierzig Jahre alt war, hinzusetzen. In geistlichen Gesängen müssen die Bußlieder und andre, wo ein trauriges Wesen herrschet, so abgefasset werden, wie Dach, Rist, Gerhard und Franke; von neuern aber Neumann und Rambach uns die Muster gewiesen haben.

15. §. Endlich die sinnreiche Schreibart kann in moralischen Oden statt finden, ja auch in allen andern Oden, wo wir anfangen, ernsthafte Betrachtungen anzustellen. Günthers Ode auf Graf Sporken, imgleichen Andr. Gryphii über den Gottesacker, und viele in Amthors Gedichten sind hierinn unvergleichlich. In Canitzens geistlichen Gedichten sind auch einige treffliche Muster davon. In dem Liede: Herr, ich denk an jene Zeit; hat Mylius ein Meisterstück einer sinnreichen Betrachtung der Sterblichkeit gewiesen; dergleichen auch Simon Dach vom Tode und von der Ewigkeit sehr viele verfertiget hat. Will man mehr neue und wohlgerathene geistliche Lieder beysammen finden: so nehme man M. Gottschaldts Universalgesangbuch zur Hand. Verlangt man aber von weltlichen moralischen, lustigen und galanten Oden, zu erlaubter Ergetzung, etwas beysammen zu haben: so schaffe man sich diejenige Sammlung an, die Herr Gräfe neulich im großen Formate, mit neugesetzten sehr schönen Melodien, in drey bis vier Theilen in Halle, ans Licht gestellet hat.

16. §. Aus allen den angeführten Oden aber wird man wahrnehmen, daß darinn durchgehends eine größere Lebhaftigkeit und Munterkeit, als in andern Gedichten, herrschet. Dieses unterscheidet denn die Ode von der gemeinen Schreibart. Sie machet nicht viel Umschweife mit Verbindungswörtern oder andern weitläuftigen Formeln. Sie fängt jede Strophe, so zu reden mit einem Sprunge an. Sie wagt neue Ausdrückungen und Redensarten; sie versetzt in ihrer Hitze zuweilen die Ordnung der Wörter: kurz, alles schmeckt nach[18] einer Begeisterung der Musen. Wer ausführlichere Regeln, und gute Exempel davon sehen will der darf nur die Oden der deutschen Gesellschaft nachschlagen, wo er von allen Gattungen einige antreffen wird. Nur ist noch zu merken, daß man in Oden keine gar zu genaue Ordnung der Zeiten und Oerter beobachten müsse. Dieses sieht einer Geschichte zu ähnlich, und macht eine Ode zu matt. Auch hüte man sich darinnen vor gar zu trocknen Vernunftschlüssen, die einem Weltweisen besser anstehen, als einem Dichter; der gleichsam Orakelsprüche vorbringt, die er nicht beweisen darf, weil sie aus einer höhern Eingebung kommen. Daher kleiden alle die Bindewörter, denn, weil, darum, daher, hernach, u.d.gl. eine Ode sehr schlecht; und man pflegt zu sagen, daß eine schöne Unordnung in der Ode die Probe der höchsten Kunst sey. Boileau schreibt:


CHEZ ELLE UN BEAU DESORDRE EST UN EFFET DE L'ART.


17. §. Anstatt der Exempel, die ich in den vorigen Ausgaben von meiner eigenen Arbeit gegeben habe, setze ich itzo lauter Meisterstücke unsrer alten Dichter, Opitzens, Flemmings, Dachs, Tschernings und Neukirchs her. Ich halte dieselben nicht nur allesammt für stärker in dem edlen Feuer, das zu einer Ode gehört, als alles, was wir heute zu Tage schreiben; sondern hoffe auch, daß ich durch die gesunde Hitze dieser Muster, unsre angehende Dichter auf die rechte Spur helfen, und sie von dem finstern Geschmacke gewisser heutigen Verführer abziehen werde, die alles, was nicht von Sprachschnitzern wimmelt, für Wiegenlieder ausgeben wollen. Nun gestehe ichs zwar, daß in der Reinigkeit der Verse, unsre Alten nicht ganz unverbesserlich sind. Allein wer die Regeln unsrer heutigen Prosodie, und die reine Wortfügung der besten Dichter kennet, der wird sich schon in acht zu nehmen wissen, daß er mit dem Guten der Alten nicht auch das Tadelhafte nachahme. Zum Beschlusse will ich noch erinnern,[19] daß derjenige, der Oden zum Singen verfertigen will, folgende Regel beobachten muß, um dem Componisten die Arbeit nicht zu verderben, und zu machen, daß alle Strophen sich gleich gut singen lassen. Diejenigen Oden klingen noch einmal so schön, die am Ende mit einem männlichen Reime schließen, als die andern, die sich weiblich endigen. Und, da ich es auch an denen, die ich in der gräfischen Sammlung finde, bemerke, daß diejenigen sich in der Musik viel besser hören lassen, die mit einer langen Sylbe schließen: so rathe ich es allen denen an, welche Oden zum Singen machen, keinen weiblichen Reim ans Ende zu bringen.


Opitz, auf die Reise des Fürsten zu Lignitz, ins hirschberger Bad.

O du Quell der Heilsamkeit!

Du berühmter Arzt der Glieder!

Wir vertrauen dir nun wieder

Trost und Hoffnung dieser Zeit.

Schau, es giebt itzt unser Land

Dir sein Haupt in deine Hand.


Kommt ihr Nymphen säumet nicht!

Kommt entgegen hergegangen,

Eilet, freudig zu empfangen,

Aller Fürsten Zier und Licht.

Ehret seine Göttlichkeit;

Weil ihr selber göttlich seyd.


Laßt den süßen West hier seyn,

Laßt den Zacken reicher fließen,

Springt auf! Lilien, Narcissen,

Füllet euren Körben ein.[20]

Streut den Weg mit Rosen voll,

Wo mein Phöbus gehen soll.


Riesenberg, erfreue dich!

Dein begrüntes Baumgewölbe,

Die Gebährerinn der Elbe,

Neige vor dem Prinzen sich.

Steht zu Diensten allzumal,

Wiesen, Felder, Wald, und Thal.


Aber du, du werther Held,

Den die Schaar der Musen liebet,

Dem sie einen Namen giebet,

Den nicht Zeit noch Sterben fällt,

Denke, was du itzund thust:

Nimm zwar Wasser, doch mehr Lust.


Hier soll gar kein Kummer seyn;

Hier verschiebt man große Sachen.

Ruhe, Gnüge, Scherzen, Lachen,

Steige frölich mit dir ein.

Fürsten sind auch Sorg und Wahn,

Wie die Menschen unterthan.


Ihr Gemüth empört sich nicht,

Wenn das Glücke sie bescheinet;

Thut nie kläglich, seufzt und weinet,

Wann der Sturm den Mast zerbricht;

Bleibet immer unbewegt,

Wird nicht anders, als es pflegt.


Fleuch zu suchen gar zu weit,

Was sich morgen zu wird tragen;

Nimm das Beste von den Tagen,

Die der Himmel dir verleiht.[21]

Unser Wesen hat sein Ziel,

Sorge wenig, oder viel.


Opitz, auf das herzogliche holsteinische Beylager.

Sonne! deren schönstes Licht

Nunmehr Eis und Schnee bethauet,

Und des Winters Härte bricht;

Hast du jemals angeschauet,

Daß was edlers vor der Zeit,

Seine Freyheit hat verfreyt?


Vaterland! bekenne mir,

Sage mir von ganzem Herzen,

Hoffest du nicht auch von hier

Eine Stillung derer Schmerzen,

Welche dich bisher gekränkt,

Und dir deinen Muth gesenkt?


Nun, der Höchste sey gelobt!

Aber ihr, ihr wilden Waffen,

Wie ergrimmt ihr habt getobt,

Dennoch sollt ihr itzt entschlafen.

Solche Heirath kann allein

Nicht nur eine Heirath seyn.


Starke Raute, grüne wohl!

Deinen süßen Bitterkeiten

Welche nichts bezwingen soll,

Weiche dieses Gift der Zeiten;

Dieses Gift, das nur zu viel,

Herz und Haupt durchdringen will.[22]


Grün auch du, du werthes Paar!

Das sich nun zusammen giebet.

Nymphe! was sonst Hoffnung war,

Wird itzt in der That geliebet.

Held, des Landes Licht und Schein,

Will dein Licht alleine seyn.


Diese neue Galathee

Wird dir Leut und Land erquicken,

Wird dir deine Cimbersse,

Mit den Stralen überblicken;

Mit den Stralen, deren Zier,

Wie Diana, glänzt herfür.


Sey getrost, o Vaterland!

O du himmlisches Gewölbe!

Seegne dieses Friedenspfand,

Lauf, und eile doch, du Elbe;

Zeig es deinem Holstein an,

Daß es auch sich freuen kann.


Singet frölich, Wild und Wald,

Singe, was sich regt auf Erden;

Kind und Aeltern. Jung und Alt,

Singet: Es wird besser werden!

Singt: Der Lenz verjüngt das Feld,

Und der Rautenstrauch die Welt.


Opitz, auf das Mettichische und Dohnaische Beylager.

Erato, mir werden itzt

Wie vor diesem, meine Sinnen[23]

Zwar nicht mehr von dir erhitzt;

Hippokrene will nicht rinnen:

Und das Fest der Schönen Braut

Wird ohn Hochzeitlied geschaut.


Doch, was nützet mein Gesang?

Weil das große Rund der Erden

Seine Stimm und Freudenklang

Läßt ein Brautgerichte werden;

Weil ihr Lied sich hören läßt,

Bis durch Nord, Süd, Ost und West.


Feld und Wiesen sind erfreut,

Echo ruffet in den Wäldern.

Die gewünschte Frühlingszeit

Läßt sich sehn auf allen Feldern,

Und der kühle Thau der Luft

Netzt der schwangern Erden Kluft.


Es erquickt sich und erwarmt,

Durch die Kraft der güldnen Sonne,

Was die reiche See bearmt.

Das Geflügel ist in Wonne;

Lobt, so gut es immer mag,

Fräulein, deinen Hochzeittag.


Die Vermehrerinn der Welt,

Venus, springt in leichten Tänzen,

Sammt den Nymphen um das Feld;

Die, geziert mit grünen Kränzen,

Stimmen, jede wie sie kann,

Ein erfreutes Brautlied an.


Komm, du schönes Abendlicht!

Das der Lieb Erfüllung giebet,[24]

Nachtstern, komm, und säume nicht!

Wer mit rechter Treue liebet,

Dem wird länger nur ein Tag,

Als ein Jahr sonst währen mag.


Edles Nachtlicht, komm! Es kömmt!

Luna läßt ihr Silber blinken,

Der Gestirne Feuer glimmt,

Hymen und Cupido winken;

Sie begehren dich herfür,

Du, noch itzt der Fräulein Zier.


Menschgöttinn! nicht säume dich,

Dein halb du, dein Trost auf Erden,

Bringt zu dir sich ganz mit sich;

Schau, ein Weinstock muß vor werden,

An dem Ulmbaum aufgeführt,

Eh man reiche Trauben spürt.


Nun sie kömmt, die edle Braut!

Castors Schwester muß ihr weichen;

Rom hat schöners nichts geschaut,

Mentors Bild hat nichts dergleichen.

Und Apelles hätt erkannt

Die Gebrechen seiner Hand.


Werthes Paar! vermengt die Brunst,

Liebt und gebet, gebt und liebet,

Was euch heißt des Himmels Gunst,

Die euch zwey zusammen giebet.

Der gezierten Braut Gestalt,

Sey bald fruchtbar, langsam alt.


Opitz, auf eine bürgerliche Hochzeit.

Und wer ist dieß Licht der Jugend?

Wer doch ist sie, die sich hier[25]

Läßt begleiten, von der Tugend

Minder nicht, als ihrer Zier?

Wie die schöne Röthe zeigt,

Die ihr in das Antlitz steigt


Ist es nicht dein neues Leben,

Die Erquickung deiner Brunst?

Welche dir wird übergeben,

Von des milden Himmels Gunst;

Dessen Spruch kein Witz noch Wahn,

Herr Flandrin, verrücken kann.


Ja! sie ist es, deine Wonne,

Die so lieblich zu dir geht;

Als Aurora, vor der Sonne,

Aus der bleichen Nacht, entsteht:

Bruder! aus der bleichen Nacht,

Die dein Kind doch schamroth macht.


Schaue, wie sie sich entfärbet!

Wie die Mahlerinn, die Zucht,

Was kein Bräutigam recht erbet,

Auf den vollen Wangen sucht;

Der nicht solche Tugend freyt,

Als das Glücke dir verleiht.


Hier nun siehest du die Schranken,

Dieses Ziel, nach welchem dir

Stehen muß Herz und Gedanken,

Unverwandt und für und für.

Hier soll einig und allein

Deine Ruh und Sorge seyn.


Solche Liebe fällt und weichet,

Die nicht angeleget ist:[26]

Eine Seele, die dir gleichet,

Hast du aber dir erkiest.

Die durch Urtheil und Verstand

Ihren Sinn auf dich gewandt.


Soll sie viel von Liebe sagen?

Nein! die Augen reden dir,

Die sie nieder hat geschlagen

Mit so angenehmer Zier;

Und verheißen eine Lust,

Die dir mehr, als ihr, bewußt.


Schönes Kind! du mußt dich geben.

Wo schon Geist und Herze wohnt,

Ists nicht Zeit, zu widerstreben;

Weiter wird da nicht geschont.

Soll nicht zartes Fleisch und Bein

Seines Geistes Meister seyn?


Diese Blüthe, diese Gaben,

Deines schönen Leibes Pracht,

Und die sich erwiesen haben,

Deines Liebsten Muth und Macht,

Die erfordern, was ich wohl

Denken mehr, als sagen soll.


Ruhet dann, jedoch erweget,

Liebes Paar, es sey die Nacht,

Eh es morgen sieben schläget,

Nicht zum Schnarchen nur gemacht.

Zwey, die müssen Wache seyn:

Schlafen kann man wohl allein.


Opitz, auf den Tod eines Kindes.

So, wie ein edler Leue

Sich mit gerechter Reue[27]

Sehnt nach der jungen Zucht;

Die man ihm aufgefangen,

Indem er ist gegangen,

Und Speise hat gesucht.


Sein' Augen stehn voll Thränen,

Der Schaum läuft von den Zähnen,

Die Mähne steigt empor.

Er sucht, er ruft, er brüllet,

Daß Lybien erschüllet,

Und sich entsetzt davor.


So rühren sich die Schmerzen,

In deinem Vater Herzen

Imgleichen, mein Flandrin!

Der Freuden Hoffnung schwindet,

Indem man nicht mehr findet,

Was nun ist ganz dahin.


Ein trauriger Willkommen!

Der Tod hat weggenommen

Ein großes Theil der Lust;

Der Lust, die solchen Sinnen,

Wie Aeltern haben können,

Nur einig ist bewußt.

Wo ist die schöne Weise?

Wann, nach des Vaters Reise

Ein armes liebes Kind,

Kömmt auf dich zugerissen,

Und will die Augen küssen,

Die seine Pfleger sind?


Wo ist das treue Lachen?

Der Will, ein Wort zu machen,[28]

Das noch gelähmet ist?

Das angenehme Zanken,

Die Kindheit der Gedanken,

Die Obst für Gold erkiest?


Der Trost, ihn zu erziehen,

So, daß er möchte fliehen,

Was Aeltern Kummer macht.

Daß seine ganze Jugend,

Erlernte Witz und Tugend,

Liegt nun in tiefer Nacht.


Der Tod hat keine Ohren.

Die Hoffnung ist verlohren;

Doch auch die Furcht, mit ihr

Noch Zeiten zu erleben,

Die der, in der wir schweben,

An Jammer gienge für.


Er wird nicht täglich hören

Ein armes Land zerstören,

Durchplündern Feld und Stadt;

Wird nimmer dörfen fliehen,

Und aus dem Hause ziehen,

Das er gebauet hat.


Er wird nicht dörfen schauen,

Der Höfe mißlich Trauen,

Den steten Wankelmuth.

Nicht sehn, wie beydes Glücke,

Dieß Angst hat, jenes Tücke,

Und nur ein falsches Gut.


Uns allen ist gegeben

Zum Lauf ein kurzes Leben;[29]

Zum Kummer gar zu lang.

Dem ist es ja zu gönnen,

Der selig kann entrinnen,

Durch einen schnellen Gang.


So hört denn auf zu klagen!

Ein Kind, das nicht darf tragen,

Ihr Aeltern, was uns kränkt,

Darf nicht derselben Zähren,

Wann Gott euch wird begehren,

Die ihr ihm itzo schenkt.


Flemming, auf das Weyhnachtsfest,

Thaue doch, o Himmel, thaue!

Brecht, ihr Wolken, regnet her!

Daß man den Gerechten schaue,

Dessen nun, nicht ohn Beschwer,

Die betrübte Welt so lange

Sich versieht, und ihr macht bange.


Ja es treufelt; ja es thauet!

Der gesunde Regen fällt,

Schauet hin, ihr Menschen, schauet!

Dort, dort liegt das Heil der Welt.

Dieß Kind ist der Thau, der Regen,

Der die Erde soll bewegen.


Deucht michs? oder ists im Wesen?

Wie das Land schon weit und breit,

Von der Unart ist genesen,

Durch die fromme Feuchtigkeit?

Wie so Thal, als Feld und Höhen

Schon in schönerm Schmucke gehen?[30]


Sey, gewünschte Nacht, gegrüsset!

Da der keuschen Jungfer Mund

Einen jungen Sohn geküsset,

Eh sie ihn recht sehen kunnt.

Einen Sohn, den sie mit Rechte

Auch wohl Vater heißen möchte.


Unser Himmel ist im Stalle;

Recht so! Hirte Sybojus,

Daß du mit der Pfeifen Schalle

Ihm verehrest einen Gruß.

Bey der Engel lauten Chören

Lässest du dich billig hören.


Fleuch, gemalter West, und streue

Aus dem Blumenhimmel, Klee;

Daß die Luft Narcissen schneye

Liljen für den weißen Schnee.

Daß das Kind, als in der Wiege,

Und in hellen Windeln liege.


Ihr, ihr eingestallten Thiere,

Haucht ihm warmen Athem zu;

Daß es keine Kälte rühre:

Stört es nicht aus seiner Ruh.

Jungfrau Mutter, denk indessen,

Daß du Amme seyst, und wessen?


O ihr hochbelobten Krippen!

Unsers Heilands Schirm und Rast.

Und, o Stall! daß du nicht Lippen

Daß du doch nicht Zungen hast!

Daß du selber könntest singen

Von den wundersamen Dingen.[31]


Kleiner Gast, doch auch zugleiche,

Großer Wirth der weiten Welt!

Gib doch künftig unserm Reiche

Daß es sich zufrieden stellt.

Daß doch mit dem alten Jahre,

Hin, auch alle Plage fahre.


Segne künftig unsre Linden,

Unsre halbgestorbne Stadt.

Daß sich möge wiederfinden,

Was der Krieg verderbet hat.

Reinige die faulen Lüfte,

Die so schwanger seyn von Gifte.


Flemmings Dankode nach der Schlacht bey Lützen, in welcher Gustav Adolph blieb.

Billig ists, daß wir uns freuen

Und mit lautem Jauchzen schreyen:

Lob sey Gott und seiner Macht!

Der die stolzen Feinde beuget,

Und mit seiner Allmacht zeiget,

Daß er immer für uns wacht.


Zweymal kamen sie gezogen;

Zweymal sind sie auch zerflogen,

Nicht ohn mächtigen Verlust.

Schreyt, ihr Jungen! ruft, ihr Alten!

Zweymal hat, das Feld behalten,

Gott, und unser Held August.


Held August, du kühner Krieger!

Du bist der beglückte Sieger,

Vor, und in, und nach dem Fall.[32]

Auf was Arten, auf was Weisen,

Soll man deine Thaten preisen

Hier und da, und überall?


Held! du kamest her von weiten,

Daß du für uns möchtest streiten;

Held, du kamest; Held, du strittst;

Held, du siegtest auch im Sterben;

Held, wie können wir verderben,

Weil du itzt noch vor uns trittst?


Deine Ruthe, deine Werke,

Deine ritterliche Stärke,

Rufft aus, was nur ruffen kann.

Die bezwungnen Ströme brausen,

Die verbundnen Lüfte sausen

Was du, Helfer! hast gethan.


Edle Fürstinn unsrer Flüsse,

Mach dich auf die nassen Füsse,

Eile, laufe Nacht und Tag!

Meld es mit beredten Wellen,

Daß die Ufer wiederschällen,

Wie der Feind vor dir erschrak.


Die erblasseten Illyrer

Wichen mit sammt ihrem Führer

Hinter sich, und fielen ihn:

Wie vor Jovens Donnerkeilen,

Wie vor Herkuls heilgen Seulen,

Die man nicht soll überziehn.


Schöne Stadt! der fromme Himmel,

Der verschuff ein solch Getümmel,

Ein solch Schrecken in den Feind[33]

Daß der schändlich mußte fliehen,

Der dich grimmig auszuziehen

Und zu plündern war gemeynt.


Seyd nun froh, ihr frommen Bürger!

Er ist todt, der wilde Würger!

Er ist todt, und ihr seyd frey!

Ihr und wir, und alle sagen,

Daß sich Gott für uns geschlagen,

Daß die Ehre seine sey.


Ist schon unser Heiland blieben:

Gott hat einen schon verschrieben,

Der ihn rächen kann und soll.

Ihn, und uns, und alle Frommen:

Kömmt er? ja; er ist schon kommen.

Gläubige, gehabt euch wohl!


Flemming, die Eitelkeit der Neigungen.

Hier ist nichts denn finstre Nacht,

Blinde Schatten, schwarze Hölen,

Wo die eingesperrten Seelen

Kaum nicht werden umgebracht.

O die dreymal armen Seelen,

Die sich also müssen quälen!


Wer ist jener den du siehst?

Ists nicht der, der nächtlich sorgend,

Täglich traurend, allzeit borgend,

Arm bey großem Reichthum ist?

Wich erbarmt der armen Seelen,

Die sich so in ihm muß quälen![34]


Dieser sucht sein höchstes Gut,

In der Kost der braunen Trauben;

Kriecht mit Rock und mit der Schauben,

Thut, was Blut nimmt und den Muth.

Es ist leichtlich zu gedenken,

Wie die Seele dieß muß kränken.


Der, der hier so hoch tritt her,

Der ists, den die Ehrendünste,

Und die leichten Hofegünste;

Machen auf den Schein so schwer.

Stünd es nur bey seiner Seelen;

Sie würd ihm was bessers wählen.


Was ist Plato? Was Porphyr?

Kleobulus, Periander,

Simonides, Aristander,

Und der Große von Stagyr?

Heiden sind sie; taub an Ohren,

Blind an Augen, große Thoren.


Giebt mir nun die Nacht den Tag?

Kein Stern kann sich selber malen;

Phöbe selbst borgt ihre Stralen,

Und verleiht sie, weil sie mag.

Sie und ihr Volk muß erblinden,

Steigt ihr Bruder von den Inden.


Eitel ists, und ohne Frucht,

Was ihr Eiteln! ohne Früchte,

Von früh an, bis unter Lichte,

In den falschen Büchern sucht.

Nur daß ihr in Redenkriegen,

Hinterlistig ob mögt siegen.[35]


Mein Gott! was verträgt man nicht,

Frieret, schwitzet, fastet, wachet,

Leidet, daß ein andrer lachet,

Dem es an Vernunft gebricht;

Bis man etwas angewohnet,

Das doch endlich wenig lohnet.


Soll mir denn ein blasses Blatt

So bezaubern Farb und Sinnen?

Soll ich Schönheit heißen können,

Was viel Runzeln macht, und hat?

Und mir durch die Pest der Schriften

Lassen Seel und Mark vergiften?


Weisheit ist nicht, wie man denkt,

Eine Kunst, die bald zu lernen:

Weisheit kömmt her aus den Sternen,

Sie ists, die der Himmel schenkt:

Und in solche Seelen senket,

Die sich erst zu ihm gelenket.


Vater! der du aller bist,

Doch, um so viel mehr der Deinen,

Laß dein hohes Licht mir scheinen,

Scheide Wahrheit von der List!

So wird aller Weisen Wissen,

Meiner Einfalt weichen müssen.


Flemming, auf eine Hochzeit.

Schöne Nacht! gewünschte Schatten!

Kommt doch! kommet doch zu statten;

Eilt doch, eilet doch anher!

Ja ihr eilet; ja ihr kommet![36]

Nun ist hier, was beyden frommet,

Nun ist hin, was war Beschwer.


Gebt uns Kräuter aus Idumen,

Gebt uns junge Safranblumen,

Himmelsschlüssel, Rosmarin;

Daß wir sie den lieben zweyen,

Den geliebten beyden Treuen,

Auf das Lager streuen hin.


Dieses, dieses sind die Stunden,

Da ihr alles habt empfunden,

Werthes Paar, was ihr begehrt.

Was in sechsmal vierzehn Tagen,

Euch gewesen süße Plagen,

Hat euch eine Nacht gewährt.


Nämlich itzund muß man freyen,

Da man alles sich verneuen,

Und wie Hochzeitmachen, sieht.

Da nun in erwärmter Erden,

Alle Sachen rege werden,

Wie bey Buhlern auch geschieht.


Die verlebte Welt wird jünger,

Und streicht mit verliebtem Finger,

Ihre Runzeln von der Haut.

Seht! seht! wie sie aus den Feldern,

Aus den Auen, aus den Wäldern,

Mit verbuhlten Augen schaut!


Sie schaut nach dem lieben Freyer,

Der uns bringt ein neues Heuer,

Der sich ihr schon anvertraut,

Und in ihre Glieder dringet.[37]

Unser Bräutgam wird verjünget,

In der Schooß der scnönen Braut.


Gleiches Paar! doch nicht an Jahren,

Ihr laßt uns auch itzt erfahren,

Daß auch ungleich gleiche sey.

Doch, wer fraget nach den Jahren?

Was sich soll, daß muß sich paaren;

Lieb ist hier, wie allzeit, frey.


Wenn sich ein Paar Liebe küssen,

Und mit halbgemachten Bissen,

Mund mit Munde lieblich klingt;

Daß die küssenden Corallen,

Etwas lassen widerschallen,

Das den Sternen ähnlich klingt.


Da verlaufen sich die Seelen,

In die unerforschten Hölen,

Und verwirren sich in sich.

In den Zimmetsüßen Kehlen,

Da geschiehet das Vermählen,

Das uns wundert ewiglich.


Zwo vermengte Lüfte machen,

Einen Geist, der große Sachen,

Doch mit kleinem Halle sagt.

Sachen, die nur ihr ersinnet,

Und doch keinem sagen könnet,

Der euch um dieselben fragt.


In demselben lieben Leben,

Werdet ihr nichts wissen eben,

Stets bey euch, stets von euch weit:

Ob ihr schlafend, oder wachend,[38]

Ob ihr weinend oder lachend,

Oder aus euch selbsten seyd?


Die gestirnten Himmelsscheiben,

Wollen gleichsam stehen bleiben,

Ueber euch und eurer Zier,

Tausend, tausend kleine Wächter,

Treiben ein sehr laut Gelächter,

Euch zu Ehren, für und für.


Geht, Verliebte! theilt die Flammen,

Der euch itzund giebt zusammen,

Fördre eurer Liebe Lauf.

Des versuchten Himmels Segen,

Wird mit euch sich niederlegen,

Schlafen, wachen, stehen auf.


Wann der weit gepriesne Garten

Keiner Blumen mehr wird warten,

Wann das Pomeranzenhaus,

Grau, von Frost und Schnee, wird stehen;

Dann soll eine Blum aufgehen,

Und mit Freuden blühen aus.


Dach, auf den Geburtstag des Churfürsten zu Brandenburg, Friedrich Wilhelms.

Itzund prangt mein Seytenwerk,

Weiße Seide hälts bezogen;

Alle Zier in Königsberg

Weichet meinem güldnen Bogen.

Reicher Schmuck und güldnes Band,

Hat umwunden meine Hand.[39]


Hört o Spree! und Oder! mich,

Hör du Elbe! mich von weiten,

Und du Rheinstrom sonderlich,

Hör die Anmuth meiner Seyten.

Was in Cleve sich eräugt,

Werde meinem Spiel geneigt.


Wo die Lieb und Zier der Welt,

Unser Churfürst und sein Leben,

Die mir Fug zu singen geben,

Sie, Luise, sich enthält.

Daß ich diesen theuren Tag

Wie gebührt, begehen mag.


Wenn der Morgenröthe Gut,

Und der Reichthum aller Erden,

Könnte durch des Preegels Fluth,

In mein Haus gespület werden;

Wär es mir so theuer nicht,

Als dieß schöne Tageslicht.


Ich bekenn es durch den Wind

Meiner Seufzer, durch die Zähren,

Welche heiß von Andacht sind,

und dem Himmel Dank gewähren:

Diesen Tagschein setz ich nach,

Dem, der mir die Mutter brach.


Schöne Sonne, laß dich aus,

Mit der besten Luft im Lenzen;

Mal uns blau des Himmels Haus,

Laß dein Feuer heiter glänzen;

Und schlag um die ganze Welt

Deiner Stralen güldnes Zelt.[40]


Und so lang du Licht und Pracht,

Führst auf deinem güldnen Wagen,

Nimm uns diesen Tag in acht;

Laß ihn Lust und Anmuth tragen:

Daß in ihm durchaus kein Weh

Sey, zu Lande, noch zur See.


Daß alsdann die Götter sich

Häufig auf die Erde finden;

Daß sich alles inniglich,

Mög in Liebe fest verbinden,

Und erwünschte Gnüg und Ruh

Sich zu allen Menschen thu.


Denn der Churfürst, unser Heil,

Ward vor zwey und dreyßig Jahren,

Uns, den Seinigen, zu Theil.

Was durch ihn uns widerfahren,

Was an Heil uns itzt behagt,

Ward uns damals zugesagt.


Wie, wenn Castors Stern entsteht,

Schiffer Herz und Leben fassen;

Wie die helle Morgenröth,

Uns das Wetter schön will lassen:

Also schlug uns diesen Stand,

Schon sein Ursprung in die Hand.


O des Guten! welches wir

Seit Gott ihn geschenkt, empfunden;

Was ein jeder kennt an Zier,

Was er zählt für gute Stunden;

Seine Lust, sein Glückesschein,

Giebt uns Gott durch ihn allein.[41]


Daß den Bauren um das Feld

Ihre Hoffnung nicht kann fehlen,

Daß ihr Vieh sich trächtig hält,

Daß sie große Heerden zählen,

Daß sie frey sind von Beschwer,

Schaffen einig Gott und Er.


Er, der Länder Schutz und Kron,

Ist uns alle Gnüg und Güte;

Er erhält den Helikon,

Und die Kunst, in ihrer Blüthe.

Ihm gebührt der Dank und Preis,

Aller Tugend, die man weis.


Ach! wer weis, an welchem Ort

Wir im Elend möchten schweben!

Zwischen Drangsal, Raub, und Mord;

Hätt uns Gott nicht ihn gegeben.

Was war vor der Zeit Athen,

Eh der Held kam von Trözen?


Um Corinth her überall,

Dorfte sich kein Mensch beweisen;

Niemand konnte dazumal,

Sicher durch den Isthmus reisen:

Theseus setzt in guten Stand,

Fast das ganze Griechenland.


Sollt ich nun nicht hoch erfreut

Diesen werthen Tag begehen?

Auf! wer seine gute Zeit

Glück und Wohlfahrt kann gestehen;

Heb itzt, als im vollen Chor,

Herz und Sinn zu Gott empor.[42]


Vater! sprech er, welches Land

Deiner Gunst soll fähig werden;

Das erhält aus deiner Hand

Fürsten, die ein Licht der Erden,

Die durch Lieb und Unschuld rein,

Und nach deinem Herzen seyn.


Du ertheilst uns einen Held,

Der von Gaben so erlesen,

Daß die alte güldne Welt,

Sein kaum wäre werth gewesen.

Und du hast ihn manches Jahr

Auch gesichert vor Gefahr.


Nimm dich sein auch ferner an,

Laß ihn stark und frölich leben.

Was ein Mensch nicht bitten kann

Noch verstehn, weist du zu geben.

Hilf durch Saamen, wie zuvor

Dieses große Haus empor.


Bild uns unsre Noth recht ein,

Die uns würde sonst betreten;

Daß wir flehen insgemein,

Dir mit Thränen und Gebethen;

Bis du wendest diese Last,

Und uns Gott, erhöret hast.


Auf die Andacht, wer nur kann

Irgends gute Lust erfinden,

Nehme sie erfreulich an,

Und laß alle Sorgen schwinden:

Die durch süssen Freudenwein

Ueberwältigt müssen seyn.[43]


Preußen wird nicht hinten stehn,

Unser Pillau wird vor allen,

Die Geschütze lassen gehn,

Daß die Nährung soll erschallen;

Und die ferne Galathee

Soll erschrecken auf der See.


Laß, o Churfürst, unsre Ruh!

Gnädigst dir, mein Herz belieben.

Was ich hier aus Andacht thu,

Was ich Gutes je geschrieben;

Wann es deine Gnad erhält,

So besitz ich alle Welt.


Sim. Dach, auf die Lesbia.

Lesbia, mein Leben,

Hat sich mir ergeben

In gewünschter Pflicht.

Ich will bey ihr stehen,

Bis ich werde gehen,

Hier aus diesem Licht.

Was für Leid

Ich jederzeit,

Um sie hab ertragen müssen,

Will ich itzt beschließen.


Die gewünschten Freuden,

Die sie für mein Leiden,

Mir ertheilen will,

Soll kein Leid beschweren,

Ja sie sollen währen,

Ohne Maaß und Ziel.

Ihre Zier[44]

Will ewig mir,

Sich in allen Liebesfällen,

Zu Gebothe stellen.


Alle Pracht und Prangen,

Ihrer süßen Wangen,

Ihr Corallenmund,

Ihre zarten Hände,

Ihrer Armen Bände,

Sind mir nun vergunnt.

Ehe muß

Ein Ueberfluß,

Als ein Mangel in den Sachen

Mich verdrossen machen.


Sind im Obst viel Kerne,

Wie am Himmel Sterne;

Wirft der Nord viel Schnee;

Sind viel rauhe Wellen,

Wann die Winde bellen,

Auf der wüsten See:

Mehr sind Küß,

Ich weis gewiß

Die sie mir, zum Liebeszeichen,

Wird mit Willen reichen.


Sollt ich solchermaßen,

Mich gereuen lassen,

Meine Sorg und Pein?

Wer auf sein Verdrießen,

Dieses kann genießen,

Kann nicht elend seyn.

Elend kann

Nicht seyn der Mann,

Den sein Kind, auf alles Leiden,

Lohnt mit solchen Freuden.


Dach, auf die tugendhafte Lydia.

[45] Auf! ihr meine güldnen Seyten!

Raffet meinen Geist von hier;

Lydia will neben mir,

Ueber Luft und Himmel schreiten,

Ist durch meiner Sinnen Macht,

Auf ein ewig Lob bedacht.


Sie erkennt, daß Pracht und Jugend,

Wie ein Dampf verrauchen muß:

Darum stellt sie ihren Fuß,

Auf die Bahn standhafter Tugend;

Will durch ihrer Gaben Schein,

Immer jung und reizend seyn.


Schau! ich reiße mich von hinnen,

Sey beseelt, du meine Hand!

Fleuch du feuriger Verstand,

Ueber des Gestirnes Zinnen!

Suche da hinauf zu gehn,

Wo dieß schöne Mensch soll stehn.


Ihre sonnenrothen Wangen,

Ihrer Augen güldnes Licht,

Und ihr himmelrund Gesicht,

Soll hier neue Pracht erlangen;

Pracht, die ewig nicht verblüht,

Und nicht Herbst noch Winter sieht.


Freue dich, du Preis der Schönen!

Hier soll deiner Gaben Schaar

Sich vor aller Zeit Gefahr,

Mit der Ewigkeit bekrönen.

Keine feindliche Gewalt,

Soll dir rauben die Gestalt.[46]


Dieses was ich von dir schreibe,

Hebt mein Phöbus selber auf;

Daß es von der Zeiten Lauf,

Ewig unbetastet bleibe;

Legt es bey, wo Glut und Wind,

Erd und See verbannet sind.


Starke Wälle, Thurm und Mauren,

Fallen mit den Jahren ein.

Erzt und Eisen, Stahl und Stein

Können vor der Zeit nicht dauren;

Aber deine Pracht und Zier,

Lydia, bleibt für und für.


Sim. Dach, auf eine Hochzeit.

Herr, den Amors strenge Macht,

Auch nun unter sich gebracht,

Wie ich es vernommen.

Und das Schreiben von der Zier

Deiner Braut, ist frölich mir,

Zu Gesichte kommen.


Gern zwar reizt ich meinen Sinn,

Wie ich dann ersuchet bin,

Dir ein Lied zu schreiben.

Schlesien das macht mich scheu,

Daß mein rauhes Gansgeschrey,

Wohl daheim mag bleiben.


Vor den Schwänen die es hegt,

Wenn sich hier ein Coler regt,

Dort ein Tscherning singet,

Auf der Warnen Helikon;[47]

Also schön, daß auch davon

Breslau widerklinget.


Werd ich nicht durch den geschweigt,

Dessen Grab uns Danzig zeigt?

Der zwar selbst von hinnen;

Aber seiner Lieder Klang

Schallet noch, und muß zu Dank

Ewigs Lob gewinnen.


Was anitzt der Deutsche spielt,

Wo es Geist und Leben fühlt,

Dankt ers ihm vor allen.

Pflag man nicht vor dieser Zeit,

Ohn Gesetz und Richtigkeit

Dießfalls blind zu wallen?


Hat vor Zeiten, Griechenland,

Deinen Sinn, Homer! erkannt,

Wegen seiner Gaben;

So, daß sieben Städte sich

Zankten, jede wollte dich

Gern gebohren haben.


Was verdient wohl Opitz nicht?

Deutschland hat durch sein Gedicht

Wahrlich viel gewonnen!

Zieh ich mich, den schlechtsten, an;

Bloß durch ihn hab ich ein Mann

Erst zu seyn begonnen.


Meinen Geist hat er gerührt,

Erst mich an das Licht geführt,

Und mir Brod gegeben.

Schrieb ich römisch als Virgil;[48]

Wüßt ich hier durch solch ein Spiel

Keinen Scherf zu heben.


Wo sind hundert andre mehr,

Die imgleichen Brod und Ehr,

Ihm nur schuldig halten?

Leut, um die sich Fama regt,

Sie auf ihren Flügeln trägt,

Daß sie nie erkalten.


Als sie Schlesien gebiehrt,

Eine Mutter, die sich ziert

Mit gelehrten Söhnen;

Welche sie auch wiederum,

So mit Ehren als mit Ruhm,

Der nicht stirbet, krönen.


Diese werden gern, Herr Schmeiß,

Deine Hochzeit, auf Geheiß

Wahrer Treu, bedienen.

Nähme mich nicht Krankheit mit,

Wär ich durch ein besser Lied

Auch vielleicht erschienen.


Sim. Dach, an den Damon.

Damon, wo hinfort dich Preußen,

Und voraus des Pregels Rand,

Wegläßt in dein Vaterland,

Will ich nicht Chasmindo heißen!

Was dich hier gefangen hält,

Ist dir mehr als alle Welt.


Seit daß du in Philosetten

So verliebt gewesen bist,[49]

Seit daß sie dir günstig ist,

Liegt dein Herz gleich an der Ketten.

An der Ketten liegt dein Herz,

Die auch weich macht Stahl und Erz.


Leute, die in Eisen liegen,

Aus verdammter Tyranney,

Werden oft noch los und frey;

Vögel hoffen zu entfliegen:

Die in Liebesbanden stehn,

Wünschen nimmer zu entgehn.


Stimm nur deine Seyten wieder.

Du bist hier und bleibst auch schon!

Und verhoffe daß dein Ton

Mag beseelen unsre Lieder;

Die ohn dich, o Phöbus Kind!

Warlich sonder Leben sind.


Ach mit was für schönen Dingen,

Ach! mit was für Frölichkeit,

Hoffen wir die liebe Zeit,

So es Gott will, zuzubringen!

Wann voraus der Frost erliegt

Und der Lenz die Herrschaft kriegt.


Wann wir auf begrünter Heyden,

Hingestreckt ins feuchte Gras,

An den Bächen, die wie Glas

Vor sich rauschen, sollen weiden,

Wann die Lerch und Nachtigall,

Wird ansingen Berg und Thal.


Celadon, vor dessen Singen

Meine Geige sich entfärbt,[50]

Der sein Spiel von dem ererbt,

Der den Acheron kann zwingen,

Geht mit seiner Kunst voran,

Dann sing ich so gut ich kann.


Mein Berintho wird mir sagen,

Wo mir etwa Fleiß gebricht,

Und durch seinen Unterricht

Eine gute Röth abjagen.

Mein Berintho, der mich trieb,

Daß ich dieses Lied auch schrieb.


Also wollen wir genießen

Unsers Lebens, weil es währt;

Und obschon der Geist entfährt,

Augen und Gehör sich schließen;

Werden wir doch, wie ich meyn,

Um ein gut Theil übrig seyn,


Unsrer Freundschaft, unsrer Seyten,

Wird, ob Gott will, noch gedacht;

Sollte man uns zu der Nacht

Auch um morgen schon begleiten.

Denn der edlen Dichter Geist,

Lebt im Tod erst allermeist.


Damon, auf! und laß uns leben!

Laß uns auf den Koth der Welt,

Der von uns ein Urtheil fällt,

Was nicht taugt, nicht so viel geben!

Muthig seyn, und recht gethan,

Bricht durch allen Neid die Bahn.


Dieß nur will ich einig bitten,

Daß mir künftig frey mag stehn,[51]

Bey dir aus und ein zu gehn,

Nach der alten Freundschaft Sitten.

Ach! wie wohl ist meinem Sinn,

Wann ich, Damon, bey dir bin!


Andre mögen von dir halten,

Von dir reden dieß und das:

Ich begehre durch dieß Glas,

So ich trinke, zu erkalten;

Wo mein Herz mit Trug und List

Gegen dich verfälschet ist.


Tscherning, auf eine Hochzeit.

Schöner Frühling! deine Macht

Hat den Feind der bunten Auen,

Wieder in die Flucht gebracht.

Daß wir itzund schwanger schauen

Aller Erdenglieder Zier,

Schöner Frühling! kömmt von dir.


O du Jahrmarkt aller Lust!

Berge, Wiesen, Thal und Felder,

Nähren sich von deiner Brust.

Die belaubten Trauerwälder

Kriegen Ohren und Gesicht,

Und der Bober eiset nicht.


Zephyrus beseelt das Land,

Das Geflügel schnäbelt wieder,

Tritt in seinen Freyerstand,

Stimmet schöne Buhlerlieder.

Und bereitet für die Ruh,

Seinen Bräuten Bette[n] zu.[52]


Flora stickt ihr Purpurkleid

Mit den Veilchen und Narcissen,

Selbst die Götter sind erfreut,

Vieh und Wild ist ausgerissen;

Vieh und Wild, das auch die Frucht

Der entzündten Liebe sucht.


Gras und Kräuter sind verliebt,

Sammt den stummen Wasserschaaren.

Schaut, wie alles sich ergiebt,

Und die Liebe weis zu paaren!

Steine fühlen Liebeskraft,

Denn sie halten Schwägerschaft.


Steckt im Menschen lauter Frost?

Mag ihn keine Lust nicht rühren?

Weil die süsse Liebeskost

Thiere, Kräuter, Steine spüren?

Wollen wir denn härter seyn,

Als ein harter Kieselstein?


Soll der Zeiten Tyranney,

Soll der Krieg euch Kummer geben?

Ob es besser freyen sey?

Oder unbeweibt zu leben?

Kümmerniß und Einsamkeit

Die verbessern keine Zeit!


Billig nehmt ihr, werthes Paar,

Das der Himmel hat verbunden,

Eurer Jahre Blüthe wahr,

Wechselt mit der Liebe Stunden.

Luft und Erde schreyt, Glück zu!

Liebet und genießt der Ruh![53]


Freundinn, du ergiebest dich

Einem, der an Kunst und Tugend

Steigt so hoch, als eben sich,

In der Frühlingszeit der Jugend,

Sein erwachter Sternengeist

Von der Eitelkeit entreißt.


Du, mein Neubart, sey gewehrt!

Nimm, womit die Braut noch pranget;

Was ein großer Theil begehrt,

Wird von deiner Gunst erlanget.

Billig kriegst du solchen Lohn,

O du treuer Musensohn!


Liebet nun, ihr Liebsten, liebt!

Pflanzet, bauet in dem Mayen,

Wie er euch die Lehre giebt:

Auf den Herbst soll euch erfreuen,

Seyd nur fleißig! solche Frucht,

Die man in der Wiege sucht.


Neukirch, auf die Krönung Friedrichs des I. des Koniges in Preußen.

Welt gepriesener Homer,

Dessen Kunst mit dir verschwunden!

Warum warst du doch so sehr

An Achillens Zeit gebunden?

Heute solltst du lebend seyn,

Da die ungestimmten Flöten,

So viel hungriger Poeten,

Fast auf allen Gassen schreyn;

Und dennoch mit ihrem Singen,

Kaum ein hartes Lied erzwingen.[54]


O wie kömmt es? (dünket mich,

Würdest du für Eifer fragen,)

Da die muntern Brennen sich

Durch die halbe Welt geschlagen;

Da der Barbar sich gescheut;

Da die Römer, da die Griechen,

Ihrer strengen Faust gewichen;

Daß doch diese tapfre Zeit,

Die sich ja noch nie verloren,

Keinen Dichter hat gebohren?


Mich empfing ein solches Land,

Wo die Helden Menschen waren;

Gleichwohl wußt ich mit Verstand,

Sie den Göttern beyzupaaren.

Hätt ich in der Mark gelebt,

Wo man mehr von einem Helden,

Als von Göttern weis zu melden;

Ach, wo hätt ich hingestrebt!

Ach was hätten unsre Zungen,

Nicht für Thaten abgesungen!


Ja, Homer, du klagest recht.

Denn da Macht und Hoheit steigen,

Ist die Poesie zu schlecht,

Und kann nichts, als Schüler zeigen.

Friedrich pflanzt ein Königreich;

Wir vergessen unser Reimen:

Oder wo wir ja was träumen,

Ists kaum seiner Jugend gleich;

Weil er längst vorbeygegangen,

Wo wir denken anzufangen.


Doch, du konntest mehr als wir;

Du schriebst tausend schöne Lügen.[55]

Deine Helden mußten dir

Wie, und wann du wolltest, siegen.

Friedrich aber glaubt es nicht.

Er geht fort und läßt uns sitzen.

Was fragt er, wie viel wir schwitzen,

Und wieviel uns Zeit gebricht?

Was wir ganze Jahre dichten,

Kann er einen Tag verrichten.


Eh man einen Vers erzwingt,

Weis er Schlösser aufzubauen.

Eh man seine Chur besingt,

Läßt er sich als König schauen.

Würde, Glück und Macht und Ruh,

Sind bey ihm vereinte Sachen.

Was sonst Kriege pflegt zu machen,

Fällt ihm von sich selber zu.

Was viel mit Geschenken heben,

Hat ihm Gott und Recht gegeben.


Andre erben ihren Thron,

Er wollt ihn vorher verdienen:

Darum hat sein Wesen schon

Längst uns königlich geschienen.

Was er nicht im Titel war,

War er doch in aller Herzen;

Denn wir wünschten es mit Schmerzen,

Und es spricht ein jeder klar:

Daß er, was itzund geschehen,

Lange schon vorher gesehen.


Pyrrhus hatte tausend Müh,

Wie er möchte Land gewinnen:

Unser Friedrich hat noch nie,

Dörfen auf Gewinnste sinnen.[56]

Ganze Völker suchen ihn,

Und man sieht viel Nationen,

Unter seinem Schutze wohnen;

Die er doch durch kein Bemühn,

Die er doch in wenig Stunden,

Bloß durch Wohlthun überwunden.


O ihr Musen! wachet auf!

Friedrich duldet kein Verweilen.

Fördert euren späten Lauf,

Um ihm schneller nachzueilen.

Nun er Preußens König heißt,

Wird er auch bald Thaten üben,

Die uns Maro schon beschrieben,

Aber auch in Fabeln schleußt.

Uns wird Mühe gnug verbleiben,

Wenn wir nur die Wahrheit schreiben.


Vormals pflegte, wie bewußt,

Kaisern dieß gewünscht zu werden:

Herrsche weiter als August,

Besser als Trajan auf Erden!

Zeit und Wunsch verändern sich,

Und man wird hinkünftig sagen:

Wer will Kron und Zepter tragen,

Herrsche so wie Friederich!

Himmel! laß es, wie wir flehen,

Unserm König wohl ergehen!


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 6,2, Berlin und New York 1968–1987, S. 3-57.
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