Das V. Capitel.
Von poetischen Sendschreiben oder Briefen.

1. §.


So gut andere Leute in ungebundner Rede an einander schreiben können; so leicht kann ein Poet solches in gebundner Schreibart thun. Wie es aber dort eine besondre Kunst ist, ein schönes Schreiben abzufassen: so ist es auch nicht eines jeden Werk, einen guten poetischen Brief zu machen; ja in gewisser Absicht ist dieses noch schwerer. In prosaischen Briefen macht man zuweilen lauter Complimenten und unnütze Umschweife in Worten, die durch die Höflichkeit eingeführet worden. Man schreibt auch oft von nöthigen Angelegenheiten und Hausgeschäfften, die sonst niemand wissen mag oder soll, als den sie angehen. In der Poesie aber würde es lächerlich seyn, solche Briefe zu schreiben. Sie müssen allezeit gewisse Materien betreffen, die allerley Lesern nützlich und angenehm seyn können. Sie complimentiren daher nicht viel; sondern gehen gerade zu: daher es denn auch kömmt, daß man in Versen alle Titel und Ehrenworte der vornehmsten Personen zu vermeiden pflegt. Die Poeten haben auch überaus wohlgethan, daß sie, in den Anreden an die vornehmsten Leute, sich, nach alter Art, das edle Du vorbehalten haben, welches die prosaischen Scribenten gar nicht mehr brauchen dörfen.

2. §. Die alten Römer und Griechen haben uns sehr schöne Muster solcher Briefe hinterlassen. Einen guten Theil davon haben wir schon im vorigen Capitel, unter den Elegien betrachtet: es ist aber noch eine andere Art übrig, die eine besondere Abhandlung verdient. Dort herrschte, nach dem Character der Elegie, ein zärtliches und trauriges Wesen:[139] hier ist der Innhalt geruhig und ernsthaft, zuweilen scherzhaft, auch wohl moralisch und satirisch. Wie nun in jener Art Ovidius sonderlich ein Meister gewesen, so haben wir in dieser Gattung den Horaz zum Muster. Unter den Franzosen ist Boileau unvergleichlich darinnen. Wer des Französischen nicht mächtig ist, kann meine Uebersetzung von dem Schreiben desselben an den König, in meinen von Herrn M. Schwaben ans Licht gestellten Gedichten nachlesen, auch Neukirchs Arbeit dargegen halten, die in den Hofmannswaldauischen Gedichten befindlich ist, und alsdann sehen, wem es besser gelungen ist. Unter unsern Landsleuten, hat Opitz uns den Weg in poetischen Briefen gebahnet. Sonderlich haben mir allezeit die an Zinkgräfen, und Nüßlern, nebst verschiedenen andern gefallen. Flemming ist nicht minder glücklich darinn gewesen: auch Tscherning, nebst Franken haben sich mit gutem Fortgange auf diese Art gelegt. Doch Canitz, Neukirch und Günther behalten wohl vor allen den Preis. Ihre Briefe sind den besten römischen und französischen oft gleich zu schätzen, ja zuweilen gar vorzuziehen. Und nach den Exempeln dieser großen Meister, will ich die Regeln dieser Art von Gedichten abzufassen bemüht seyn.

3. §. Horaz hat in seinen Briefen durchgehends, die alexandrinischen Verse gebraucht; niemals aber fünffüßige darunter gemischet. Die Ursache mag wohl diese gewesen seyn, weil man sich in Elegien gar zu sehr binden muß. Der Verstand muß sich daselbst allezeit bey der andern Zeile schließen, damit der Wohlklang nicht gehindert werde: Horaz aber liebte die Freyheit in seinen Briefen, wie auch ihr Character solches erforderte. Er nahm daher lieber die alexandrinischen Verse dazu, wo man die Erlaubniß hat, den Verstand zuweilen in die dritte, vierte, ja fünfte Zeile hinauszuziehen. Wäre in den heutigen Sprachen dieses Sylbenmaaß auch eingeführet; so dörften wir dem Römer nur hierinn nachfolgen: nun aber müssen wir uns nach unserer Art eine Gattung von Versen nehmen, da uns eben der Vortheil zu statten kömmt.[140]

Das sind nun die sogenannten heroischen Verse, nämlich die sechsfüßigen jambischen, mit ungetrennten Reimen. Boileau hat sich derselben auch bedient, und unsre Poeten haben sie einhällig dazu angewandt. Z.E. Opitz schreibt an den Kaiser Ferdinand:


Du Zier und Trost der Zeit, du edles Haupt der Erden,

Dem Himmel, Luft und See und Land zu Dienste werden,

O großer Ferdinand, nächst allem, was dich ehrt,

Und deiner Macht Geboth mit treuem Herzen hört,

Kömmt auch der Musen Schaar, die deutschen Pierinnen,

Kniet frölich vor dir hin, und sagt mit freyen Sinnen:

Daß sie, o Lust der Welt, hinfort bestehen kann,

Der fremden Sprachen Trutz, das hast du auch gethan. etc.


4. §. Nach ihrem Inhalte kann man diese Briefe in ernsthafte, lustige und satirische abtheilen. Die erstern finden statt, wenn man an höhere, oder doch an solche Personen schreibt, denen man einige Ehrerbiethung schuldig ist. Imgleichen lassen sie sich bey Trauerfällen, als Leichengedichte, an die Leidtragenden richten; denen man gewiß in solchem Falle nichts Scherzhaftes sagen würde, wenn sie gleich unsere vertrautesten Freunde waren. Sie sind also hauptsächlich entweder Lob- oder Trauerschreiben; es wäre denn, daß sie ganz moralisch abgefaßt wären, da sie aber mehrentheils auf die Satire zu verfallen pflegen. Ein solcher lobender Brief ist der obige von Opitzen, nebst vielen andern von diesem Poeten. Einen traurigen will ich aus Flemmings III tem Buche der Poetischen Wälder anführen, der an einen Wittwer, nach dem Ableben seiner Ehegattinn abgelassen ist, und sich so anhebt:


Wenn, Edler, unser Geist auch mit dem Leibe stürbe,

Und wenn er sich verschleißt, die Seele mit verdürbe,

So wär es zweymal recht, daß ihr, und wer euch ehrt,

Als den es billig kränkt, was Leid euch widerfährt,[141]

Bey dieser bösen Post euch zweymal mehr betrübtet.

Sie, ach! sie ist dahin, die ihr so innig liebtet,

Das treue fromme Weib! Sie, ach! sie ist vorbey,

Was ist es, das man hat, das mehr zu klagen sey?


Eben dergleichen wird man in Tschernings Frühling auf der 85. S. antreffen. Ich will aber aus diesem Poeten eins von der dritten, moralischen Gattung, zur Probe geben: wiewohl dasjenige, was Flemming an den Olearius geschrieben, und auf der 93. Seite seines II. B. steht, ganz fürtrefflich ist. Es steht auf der 345. S. und ist an Röteln, ein Breßlauisches Rathsglied, abgelassen:


Ich habe niemals recht des Phöbus Brunn berühret,

Noch einen Traum dabey, dem Wunsche nach, gespüret,

Wie oft ich bis anher den Helikon bemüht,

Der Musen Vaterland, aus Eifer auf ein Lied,

Das lesenswürdig sey. Mein Sinn war, nach der Reihen,

Die Gaben, die ihr führt, Herr Rötel, auszuschreyen,

Als Herold mit der Faust. etc.


Wenn ich aber diese Exemple anführe, so thue ichs nicht deswegen, als ob sie so rar wären; sondern bloß zu zeigen, daß unsere ersten Poeten schon eben diese Begriffe davon gehabt haben. In Canitzen und Günthern stehen sehr viele von eben der Gattung, die auch ohne dieß in jedermanns Händen sind.

5. §. Die andre Art solcher Briefe, das waten die lustigen oder scherzhaften, und davon giebt es eben so viel Exempel in unsern Poeten, als von den obigen. Sie werden sonderlich unter vertrauten Freunden, bey Hochzeiten, auch in andern Glückwünschen bey frölichen Zufällen, gar häufig gebraucht. Exempel mag ich nicht anführen, theils, weil sie überall vorkommen, theils weil dem einen oft etwas scherzhaft oder lustig zu seyn bedünket, welches dem andern ganz gleichgültig[142] vorkömmt. Wie sich aber das Scherzen nur unter seines gleichen schickt; so sieht man wohl, daß diese Art von Briefen sich an Standespersonen und Leute, die uns an Jahren weit übertreffen, nicht wird brauchen lassen. Ja, weil auch Scherz und Scherz sehr unterschieden ist; so muß man sich auf lauter ehrbare und erlaubte Scherzreden befleißen. Alle Grobheit, alle Zoten, alles Niederträchtige muß hier verbannet werden: Gute Einfälle dörfen deswegen keine Unflätereyen seyn, die zwar dem Pöbel gemeiniglich ein Gelächter erwecken, bey Klugen aber Abscheu und Ekel verursachen. Wie man nun dergleichen Einfälle bekomme, das können, meines Erachtens, keine Regeln lehren. Das Naturell, der eigne Witz und Geist des Poeten bringen sie von sich selbst hervor, nachdem die Materien und Umstände es veranlassen. Wer lustige Bücher liest, und aufgeweckter Leute Gesellschaften besucht, der wird auch bey einer mäßigen natürlichen Fähigkeit, bald geschickt werden, bey gegebener Gelegenheit, einen lustigen Einfall nach dem andern anzubringen. Davon schreibt Rachel in seiner oft angezogenen Satire, der Poet genannt:


Wahr ists, daß Phöbus Volk fast lustig ist von Herzen,

Und meistentheils gescheidt, doch höflich auch im Scherzen.

Bevorab, wo sie nur in etwas sind getränkt,

Mit dem berühmten Saft, den uns Lyäus schenkt.

Da wissen sie bald eins und andres vorzubringen,

Zur angenehmen Lust, jedoch von solchen Dingen,

Die nicht verdrüßlich sind. Ist da der rechte Mann,

Sie hängen ihm wohl eins, jedoch nur höflich an.

Ihr Stich, der blutet nicht. So, hab ich wohl gelesen,

Soll aller Franken Ruhm, der Taubmann seyn gewesen;

So war auch Buchanan, Minervens liebstes Kind,

Dem weder Römer, Griech noch Deutscher abgewinnt;

So war der Venusin, den selbst Augustus ehrte,

Der nach des Pindars Kunst, die Römer spielen lehrte,[143]

Zum Lachen, wie gebohrn, im Scherzen ausgeübt,

Wie sein berühmtes Buch noch heute Zeugniß giebt. etc.


6. §. Die dritte Gattung der Briefe war endlich die satirische. Diese recht abzuhandeln und zu erklären, das gehört eigentlich ins folgende Capitel, wo davon ausführlich gehandelt werden soll. In der That sind viele Satiren der Alten und neuern Poeten nichts, als Briefe; und viele Briefe derselben nichts als Satiren. Wir wollen hier zum voraus setzen, daß man schon von der satirischen Schreibart einen klaren Begriff habe, wie er denn leicht von den obigen Gattungen zu unterscheiden ist. Sie spotten entweder über die Thorheiten der Welt; und alsdann kömmt sie der lustigen Schreibart nahe: oder sie eifert und zürnet auf die einreißenden Laster; und alsdann wird sie der ernsthaften moralischen ähnlich, nur daß sie mehr Galle und Lebhaftigkeit bey sich führet. Des Horaz Briefe sind fast alle von der Art, und Boileau ist ihm, wie allenthalben, also auch darinn gefolget. Opitz, Canitz und Günther sind ebenfalls in ihren Briefen sehr beißend und scharf; wie ein jeder selbst leicht wird wahrnehmen können. Ich bemerke nur, daß diese satirische Schreibart sich so gar an die Großen der Welt brauchen läßt. Horaz hat an den Kaiser August, Boileau an Ludewig den Großen, Neukirch an Friedrich den Weisen, und Günther an den König August die schärfsten Stellen mit einfließen lassen. Dieser letztere bedient sich einmal der Worte:


Sieh, Herr! wie wenig ich der Thoren schonen kann,

Ich greife sie so gar vor deinen Augen an etc.


Und in des Boileau Briefe an den französischen König, steht unter andern folgende Stelle:


GRAND ROI, C'EST MON DEFAUT, JE NE SAUROIS FLATTER,

JE NE SAI POINT AU CIEL PLACER UN RIDICULE;

D'UN NAIN FAIRE UN ATLAS, OU D'UN LACHE UN HERCULE.[144]


7. §. Diese Art von Briefen nun läßt sich bey allerley Gelegenheiten brauchen: denn wo findet man nicht Anlaß, über die Sitten der Menschen seine Gedanken auszuschütten? Bey Hochzeiten, Geburts- und Namenstagen; ja so gar bey Leichengedichten, lassen sich oft satirische Briefe schreiben, oder doch dergleichen Stellen einmischen. Wenn auch solches nur mit der gehörigen Behutsamkeit und Bescheidenheit gegen den, an welchen man schreibt, geschieht: so hat ein jeder solche Briefe lieber, als leere Umschweife von unendlichen Wünschen oder Wortgeprängen, die in der That nichts heißen. Einen schönen Brief von der Art hat Günther an den Herrn von Nickisch geschrieben; und von Neukirchen fällt mir das Schreiben, an einen Herrn von Stosch, bey Gelegenheit eines neuerbauten Pallasts, ein. Beyde können Anfängern zu Mustern dienen, wiewohl beyde noch mehrere von der Art verfertiget haben.

8. §. Fraget man überhaupt nach den äußerlichen Eigenschaften eines solchen Briefes: so ist erstlich dieses zu merken, daß er im Anfange denjenigen anreden muß, an der er gerichtet ist: Es sey nun, daß es gleich in der ersten Zeile geschieht, oder doch bald hernach kömmet. So fängt Neukirch z.E. einmal an:


Mein König, zürne nicht, daß mich dein Glanz bewegt etc.


Dieses ist, so zu reden, das eigentliche Merkmaal eines Briefes von dieser Art: denn was ist ein Brief überhaupt anders, als eine geschriebene Anrede an einen Abwesenden? In der Mitte kann dieselbe zuweilen wiederholt werden; doch allemal ohne große Titel, als die nur die Zeilen füllen und nichts sagen. Großmächtigster Monarch, heißt nichts mehr, als König: Und durchlauchter Fürst und Herr, bedeutet nur eben so viel, als: mein Prinz, mein Herzog, oder schlecht weg, Herr. Doch wollte ich bey diesem letztern Worte wohl rathen, es nicht auf einen jeden[145] Dorfedelmann zu verschwenden; geschweige denn, bey bürgerlichen Personen zu brauchen. Es steckt so was großes darinn, daß es billig nur regierenden Häuptern zukommen kann, die viel zu befehlen haben. Diese Anmerkung ist nöthig, da es allmählig einreißen will, einem jeden halbigten Patron, der oft keinen Diener zu beherrschen hat, ein so prächtiges Herr zuzuruffen. Am Schlusse der Briefe muß man gleichfalls nicht viel complimentiren, sondern nach Art der Alten lieber kurz abbrechen. Aber das Jahr und den Tag mit in die Verse hineinzukünsteln, das ist was kindisches, ohngeachtet es einige neuere haben aufbringen wollen. Seinen Namen in den Reim zu zwingen, ist noch abgeschmackter; denn das Muster dazu hat Hans Sachs gegeben, der kein Gedicht anders, als damit zu beschließen pflegt.

9. §. An eine besondere künstliche Disposition bindet sich ein Poet in seinen Briefen nicht; vielweniger wird er die weisischen Handgriffe PER ANTECEDENS und CONSEQUENS nöthig haben. Die Vernunft weis ihm schon, ohne solche Gängelwägen, eine natürliche Ordnung der Gedanken an die Hand zu geben. Es muß ohnedem in Briefen was freyes und ungezwungenes seyn: und die Einfälle hängen gemeiniglich so am besten zusammen, wie sie hinter einander entstanden sind. Meynt man aber Schülern, durch Regeln, die Verfertigung solcher Briefe zu erleichtern, so kann man es zwar geschehen lassen: nur glaube man nicht, daß solche schwache Geister, die noch gegängelt werden müssen, etwas besonders hervorbringen werden. Wer noch nicht einen Vorrath von Gedanken und Einfällen hat, der muß sich mit prosaischen Briefen behelfen.

10. §. Die Schreibart der Briefe ist nicht allemal gleich. In lobenden kann sie prächtig, scharfsinnig und pathetisch, aber doch nicht schwülstig seyn. Hier pflegt es Amthor leicht zu versehen; wie dieses sein Gedichte an Friedrich den III. König in Dännemark zeigen kann. Aber ein Muster von einer vernünftigen Hoheit der Schreibart giebt hier Neukirch in[146] seinen Schreiben an den König, Friedrich den I. Hier herrschen lauter gesunde Gedanken, die durch keine Schminke des Ausdrucks überfirnißt worden. Auch Heräus hat diese Schreibart wohl erreicht: ob er sie gleich mehrentheils in andern Arten der Gedichte angebracht hat. Doch kann ich nicht umhin, bey dieser Gelegenheit dieses großen Mannes eigene Worte, von der erhabenen Schreibart hier anzupreisen, die ich lieber schon im I. Theile, wo ausdrücklich davon die Rede war, angebracht hätte. Sie stehn in der Vorrede zu seinen Werken, auf der 27. Seite, und können dienen, die neuen Kunstrichter, die uns die Hoheit in Worten lehren wollen, vollends zu beschämen. Auch Pietsch ist in dieser Schreibart vortrefflich gewesen. In lustigen Briefen ist sie natürlich und gemein, doch nicht niederträchtig. Hierinn habens viel neuere Poeten versehen, die aus Begierde, natürlich zu schreiben, gar die Sprache des Pöbels in ihren Briefen gebraucht haben: und selbst Günther ist hier oftmals zu tadeln, daß er sich bis in die tiefste Niedrigkeit herab gelassen hat. In satirischen Briefen muß sie feurig und scharfsinnig, größtenteils aber natürlich seyn. Denn das ist zu merken, daß selten nur einerley Schreibart in einem Gedichte allein herrschet. Die Veränderung der Sachen und Gedanken fordert allezeit einen andern Ausdruck, wie man in den Exempeln der besten Poeten überall finden wird.

11. §. Schlüßlich erinnere ich noch, daß man nicht nur in eigenem, oder anderer lebendiger Leute Namen; sondern auch im Namen gewisser eingebildeter oder fabelhafter Personen, Briefe an jemanden schreiben könne. Dieses giebt nun einem Poeten viel schöne Erfindungen an die Hand, und ist eine Quelle vortrefflicher Gedanken. Man lasse z.E. die Wahrheit an jemanden ein Schreiben abfassen, dergleichen im I. Stücke der Belustigungen des Verstandes und Witzes eins vorkömmt; oder man schreibe im Namen der Vernunft, der Weltweisheit, der Tugend, der Freyheit, oder andrer solcher allegorischen Personen: so wird man sehen, zu was für schönen Einfällen[147] dieses Anleitung geben wird. Nur muß man freylich allemal die Wahrscheinlichkeit beobachten, und seine Personen nichts sagen lassen, als was sich für ihren Character schicket. So hat Neukirch die Aurora an den König in Preußen schreiben lassen, und ein rechtes Meisterstück daran gemacht. Ja, man kann durch die Prosopopöie auch leblosen Dingen Briefe andichten, wenn es zu gewissen Absichten dienlich seyn könnte. Nun folgen etliche Exempel von unsern alten Poeten.


Opitz, an Seine Kaiserliche Majestät.

Du Zier und Trost der Zeit, du edles Haupt der Erden,

Dem Himmel, Luft und See und Land zu Dienste werden,

O großer Ferdinand, nechst allem was dich ehrt,

Und deiner Macht Geboth mit treuem Herzen hört,

Kömmt auch der Musen Schaar, die deutschen Pierinnen,

Kniet frölich vor dir hin, und sagt mit freyen Sinnen:

Daß sie, o Lust der Welt, hinfort bestehen kann

Der fremden Sprachen Trutz, das hast du auch gethan.

Es fällt dir nicht allein in deine Gnadenarmen

Was du mit Waffen wohl, mehr beugest mit Erbarmen,

Mit Lieb' und Gütigkeit: auch selbst die Zungen gar

Empfinden solche Kraft, und werden itzt gewahr,

Daß sich zu deiner Zeit dieß alles lasse zwingen,

Was außer Zaume lief; daß dir sich muß verjüngen

Der Alten Thaten Lob; daß deiner Macht, o Held,

Zu Dienste stehen muß der Lauf der ganzen Welt.

Die Seyne scheuet dich; du hast den Stolz der Elbe,

Den Rhein und Poo geschreckt. Das heilige Gewölbe

Der Sternen sieht bestürzt die Wunderthaten an:

Du hast des Glückes Gunst dir gleichsam unterthan

Mit aller Pflicht gemacht. Eh als dein Volk ist kommen,

Hat oft dein Name schon die Oerter eingenommen.

Unüberwindlich heist ein Kaiser für und für,[148]

Du Halbgott bist es auch; der Himmel krieget dir.

Warum nun, (ach daß wir es bald erfahren können!)

Dein Deutschland seine Ruh wird wieder lieb gewinnen,

Wird treulich einig seyn; soll dein gerechtes Schwerdt

Dann werden Donau ab auf jenen zugekehrt,

Der itzt durch unsern Krieg fast sitzend hat gewonnen:

Sein Monden und Panier wird weichen deiner Sonnen;

Die Constantinerstadt, du neuer Constantin,

Wird von sich thun ihr Joch, und lernen wie vorhin

Der Christen Erbschaft seyn. Olympus, wie vor Zeiten,

Und Ossa sollen sehn, ein solches Volk bestreiten,

Das außer Tugend lebt. Ich spüre gleich vor mir

Das Wiehern und Geschrey, der hellen Waffen Zier,

Der strengen Ritter Heer, die ihre Zelte pflanzen

Hin an den Hellespont, und auf die Türkenlanzen

Mit vollen Sporen gehn. O daß der schöne Tag,

Daß doch die güldne Zeit mit Freuden kommen mag!

Wann dir dein greises Haar hernach bekränzt soll stehen,

Mit Palmen hergebracht vom heil'gen Idumeen,

Das frey gefochten ist? Dann wird man nach der Zeit

Beysammen wohnhaft seyn in stiller Einigkeit,

Wird Pflug und Friedenszeug nur schmieden aus den Waffen,

Wird sicher und getrost im Felde können schlafen,

Daß dir stets grünen soll; wird sagen: zwar wie sehr

Der Kaiser Kaiser ist, so ist er Vater mehr.


Opitz, an Herrn Carl Annibal Burggrafen zu Dohna.

Genug, o Held, genug! wie lange willst du reisen

Fast Tag und Nacht, durch Hitz' und Frost, durch Eis und Eisen?

Wann nimmst du deine Ruh? Ist denn von Wiegen an,

Vom Lenzen deiner Zeit, noch nicht genug gethan?[149]

Seit daß der Himmel dich der Erden hat gegeben

Als seiner Güte Pfand. Du fiengst kaum an zu leben,

Da ließest du alsbald mit vollen Stralen aus

Die Gaben der Natur, die euer werthes Haus

Wie Erb und eigen hat. Du bist stracks nachgegangen,

Des Vaters Löblichkeit, der nichts hat angefangen

Was zu vergessen ist. Das Palestiner Land,

Des wahren Lebens Grab, hat seinen hohen Stand,

Viel höher noch geführt. Durch so viel wilde Heiden

Hat er den Ort gesucht, wo der hat wollen leiden,

Der uns nicht leiden läßt. Er hat sich hingemacht

Auf Sina Gottes Berg, und seines Schildes Pracht

Daselbst noch mehr geziert; ist zu dem Ritterorden,

Der Rad und Degen führt mit Ruhm' erkohren worden.

Der Pohle hat in ihm den Kaiser selbst geehrt,

Und seiner Rede Macht bestürzet angehört.

Der große Moscowit hat seine prächtgen Ohren

Hin gegen ihm geneigt, und in sein Wort geschworen.

Dem bist du nun gefolgt, als wie ein junges Pferd,

Von adelicher Schlacht, das bald hinaus begehrt

In frische freye Luft; will nicht beschlossen liegen,

Springt, wiehert, schnaubt und schäumt, läßt seine Haare fliegen

Um beyde Schultern her, und zeigt schon damals an,

Wie schnell es werde seyn, wann ihm die Ritterbahn

Wird sollen nach der Zeit den Dank im Rennen geben.

Man sahe nicht um dich die faule Wollust schweben,

Die Mörderinn der Zeit, der Jugend ärgste Pest,

So guten Samen nie zur Blüte kommen läßt.

Du hast es dir für Spott und Schande nicht geschätzet,

Den Büchern hold zu seyn; hast deinen Sinn ergetzet

Mit dem worüber oft ein Aeltern-edler lacht;

Doch das den Edlen ziert, und einen edel macht,

Der sonst nicht edel ist: dann Schilde sind das mindste

Von dem was Tugend heißt. Du hast der Musen Künste[150]

Aus ihrem Grund' erlernt, so gar genau und wohl

Als mancher der den Bauch damit ernähren soll,

Und seine Lebenszeit sonst nichts als dieses treiben?

Wer ist wie du beredt? Wer kann so zierlich schreiben?

Dein Römisch kömmt der Zeit des großen Cäsars zu;

Der mindste Theil von uns versteht es so wie du.

Dieß war dein Tockenwerk, dein Kinderspiel und Scherzen,

Bis daß was anders dir in deinem großen Herzen

Und im Gesichte lag. Du wußtest daß die Welt,

Was Nereus weit und breit in seinen Armen hält,

So um das Erdreich gehn, weit von der Sonnen Wiegen,

Bis wo nach Mitternacht die finstern Länder liegen,

Der Tugend Schranken sey. Den Zweck, dieß lange Ziel

Hat die Natur gesteckt dem, der nicht faulen will,

In seiner Mutter Schooß, und hinterm Ofen alten.

So ließ der Theseus sich sein Trezen auch nicht halten,

Achilles Pelion, und Ajax Salamin:

Ein Geist, der Ehre sucht, muß etwas weiter ziehn,

Als, wo der Grenzstein liegt. Drum bist du ausgerissen

Als wie ein junger Löw, im Fall er an den Füssen

Die Klauen wachsen sieht, und um den Hals die Mähn,

Die Zähn im Maule merkt; er will nun ferner gehn

Aus seiner Hölen Loch, in der er ist erzogen:

Und wie ein Adler thut, der nicht läßt ungeflogen,

Wiewohl er kümmerlich erst itzt hat ausgekielt,

Und noch der Nordwind nicht mit seinen Federn spielt:

Er macht sich in die Luft, und schwingt mit freyem Zügel

Bis zum Gewölke hin, die wenig starken Flügel.

Alsbald er etwas dann erblickt in einer Bach,

So stürzet er herab, und setzt den Enten nach,

Die großen Schreckens voll sich vor ihm untertauchen.

Wie jener, der gewünscht, er möchte nur sehn rauchen

Die Schorstein' Ithace: so hast du manches Land,

Sein' Art und Eigenschaft, viel Stadt' und Leut erkannt;

Hast nicht nur überhin die Mauren angeschauet,[151]

Als wie am Nilusstrand' ein Hund thut, der nicht trauet,

Säuft schnell' und macht sich fort. Was Frankreich gutes hat,

Der Sitten Meisterinn; was seine schöne Stadt

Paris, der Erden Zier, die Mutter aller Tugend

Und Klugheit, weis und kann; das hast du deiner Jugend

Gemein und recht gemacht. Französisch steht dir an,

Als wie das Deutsche mir; dem ich die erste Bahn

Zur Poesie gezeigt, die nicht bald ein wird gehen.

Ein Welscher muß vor dir ungleichen schamroth stehen,

Muß weichen, kömmt er schon vom alten Sena her;

Du redest besser noch und reiner, weder er.

Rom hat dich nicht erkannt vor seinen eignen Söhnen,

Und dein Neapolis die Tochter der Sirenen.

Dich hat auch streiten sehn die schwarze Barbarey:

So daß man wissen mag wie nichts zu ferne sey,

Dem Menschen der auf Ruhm, auf Lob und Ehren gehet,

Der wie der Himmel selbst kein mal nicht stille stehet,

Und meidet Müssiggang, den alle Tugend haßt.

Daselbst hast du den Feind zu Wasser angefaßt,

Und kräftig ihm gezeigt, daß in Europens Landen

Ein Volk so deutsch redt sey, das Africa bestanden,

Von welchem Theil es will, und mit ihm fechten kann.

Nachdem dein hoher Sinn nun hatte ganz gethan

Was in der Fremde dient, und heimwärts warest kommen,

Wie hast du da gelebt? was hast du vorgenommen?

Hast du der Welt gezeigt, daß deiner Reisen Zeit

Auf nichts bestanden sey, als bloß auf Eitelkeit,

Auf Künsten ohne Kunst? bist müßig sitzen blieben,

Und hast die faule Lust dir lassen stets belieben,

Im Schatten falscher Rast? O nein! dein Heldensinn,

Der keine Mühe scheut, trug dich nach Hofe hin,

Zum Kaiser, welchem du nur einig wolltest dienen.

Hier hat dein Glanz, du Licht der Zeiten, mehr geschienen,

Als wann sich Hesperus macht an des Himmels Dach,

Und zeucht der Sternen Heer ihm sämmtlich hinten nach.[152]

Was dich bedünket hat, ist recht und wohl gerathen,

Und was du hast gemacht, das gleicht sich mit den Thaten,

Der Helden, derer Lob in unsern Büchern steht,

Und schwerlich mit der Welt auch selbsten untergeht,

Die sterblich ist, wie wir. Der Ausschlag dieser Zeiten

Sieht dich an, als weil du kanst Chur und Fürsten leiten

Auf deines Kaisers Theil, und dich zu lieben pflegt

Der so des Reiches Schwerdt, und der das Zepter trägt,

Der Fürsten edles Paar. Mit der gelehrten Zungen

Hat itzt dein Adler fast die Herzen mehr gezwungen

Als mit der Waffen Kraft; er schickt dich hin und her,

Und legt mit deiner Lust die müde Landbeschwer,

Dir, andrer Atlas, auf. Wann du im Schlafe liegest,

Und nur ein wenig Ruh von deiner Arbeit kriegest,

Die für uns alle wacht, so wird dein edler Muth

Doch nie nicht eingeschläft, der mehr im Scherze thut,

Als wann ein andrer schwitzt nach vielerley Geschäfften.

Wormit erquickst du dann die fortmehr müden Kräften?

Mit Krieg und rauer Schlacht: also machst du dich frey

Von deines Kummers Last. Der Landsknecht ihr Geschrey,

Der Küraß' heller Glanz, das Donnern der Cartaunen,

Der kühnen Fahnen Flug, die Stimme der Posaunen,

Der Pferde grimmer Schaum, dieß, dieß ist deine Lust,

Dein' Unmuthwenderinn, die itzt dich macht bewußt;

So weit sich das Geschrey von unserm Krieg erstrecket,

Der vielen Helden Ruhm, und Faulen Schmach erwecket,

Die ihnen folgen muß. Hat erstlich dich genährt

Der große Jupiter: so giebt dir Mars das Schwerdt,

Das dich noch höher hebt. Ich sollte weiter sagen

Von deiner Tugend Zier; ich müßte Sorge tragen,

Es sey mein armes Schiff, das übrig weit nicht her,

Zu gar sehr leicht und schwach, auf deiner Gaben Meer.

Ich bin kein Hofmann nicht, ich kann nicht Rauch verkaufen,

Nicht küssen fremde Knie, nicht unterthänig laufen

Nach Gunst, die gläsern ist: mein Wesen, Gut und Zier[153]

Ist Lust zur Wissenschaft, ist Feder und Papier.

Dieß sey dir ganz geschenkt, an statt der vielen Gnaden,

Mit welchen du mich hast bisher so sehr beladen:

Daß ich, ohn daß mein Herz ist treuer Dienste voll,

Undankbar leben muß, und auch so sterben soll.

Du hebst mich über mich, du willst mich ganz befreyen

Von deiner Waffen Last; willst mich den Musen leihen,

Die meine Freude sind, und mir in ihrer Schooß

Entbinden meinen Geist, der nachmals frey und los

In tausend Bücher geht: du lässest mich mir machen

Ein Nest der stillen Ruh, aus dem ich kann verlachen,

Kann werfen unter mich Neid, Hochmuth, Geld und Welt;

Kan schaffen, was nach Gott und dir mir selbst gefällt.

Nun Clio windet dir für dieß den Kranz der Ehren,

Den keines Regens Macht noch Hagel kann versehren,

Der auch im Winter grünt; sie schreibt dich dahin an,

Wo dich ein jeder Mensch von ferne lesen kann,

Und immer lesen wird. Viel große Männer haben

Die Welt mit Sieg erfüllt, doch liegen sie begraben,

Und ihre Thaten auch, in einer langen Nacht:

Weil kein Gelehrter sie nicht hat bekannt gemacht

Durch eine weise Faust. Du aber wirst bekleiben

Mit unverlöschter Zier, so lange man nur schreiben

Und Thaten merken kann; wirst stehen jederzeit

Geschrieben in das Buch der greisen Ewigkeit.

Hier wird man mit Begier und großer Wollust lesen,

O ritterlicher Held! dich, und dein ganzes Wesen,

Das nichts vom Tode weis: dieß laß die Hoffnung seyn

Von meiner Dankbarkeit, als welch ich nur allein

Anitzt versprechen kann; an statt der Gnad und Güte,

Damit du mich erhälst. Ein herrliches Gemüthe

Wird von den Sterblichen und auch von Gott geliebt,

Und thut weit mehr, als der, so viel, und fälschlich giebt.


Opitz, an Zinckgräfen.

[154] Recht also, liebster Freund; du lässest dich die Zeiten,

Die Sitten, diesen Grimm der Kriege nicht bestreiten:

Und da das Vaterland Verfolgung leiden muß,

Bringst du es wiederum durch Schreiben auf den Fuß;

Sagst was dieß edle Volk für schöne Geister trage,

Suchst nach ihr kluges Wort auf eine kluge Frage:

Daß künftig keiner nicht, wie etwa Welschland thut,

Sich überreden darf, daß gar zu kaltes Blut

Bey unsern Knochen sey, und etwa ein Gestirne

Vom neuen Zembla her uns härte das Gehirne,

Damit es weiter nicht gedenke, als es sieht.

Mars, wüte wie du kannst, die güldne Sprache blüht

Bey deinem Eisen auf. Ich weis viel edle Sinnen,

(Dich Zinckgräf, sonderlich) die besser schreiben können,

Als Länder die bisher ihr Volk hinausgesandt,

Zu fechten wider uns: dem wohl die deutsche Hand

Wo Gott will und die Zeit, den Lohn soll wieder geben.

Du hörest niemals auf beherzt zu widerstreben,

Der wilden Barbarey, und lässest ungefragt

Was dieser oder der für Vortheil von uns sagt,

Dem ein gelehrtes Buch ein Dorn ist in den Augen.

Soll mir der Harm das Blut aus allen Adern saugen,

Wann mancher Eselskopf, der nichts versteht noch kennt,

Und alle Tugend haßt, mich den Poeten nennt,

Und schimpft mich, wie er meynt? Ich wollte, daß ichs wäre;

Weil ich nun nicht seyn kann, was ich zu seyn begehre,

So kränkt mich's, daß ich nicht des Lobes würdig bin,

Das jemand mir zum Spott gedenket anzuziehn.

Es ist hier nicht genug, die arme Rede zwingen,

Die Sinnen über Hals und Kopf in Reime bringen,

Der Wörter Henker seyn: wer nicht den Himmel fühlt,

Nicht scharf und geistig ist, nicht auf die Alten zielt,[155]

Nicht ihre Schriften kennt, der Griechen und Lateiner,

Als seine Finger selbst, und schaut daß ihm kaum einer

Von ihnen außen bleibt; wer die gemeine Bahn,

Nicht zu verlassen weis, ist zwar ein guter Mann,

Doch nicht auch ein Poet. Es ist ja zu besorgen,

Weil allbereit bey uns fast alle neue Morgen

Ein neuer Dichter wächst, daß diese Schreibesucht

Der Sprache Zierlichkeit wird wieder in die Flucht,

Verjagen als zuvor. Es sagt mirs kein Prophete,

Hier seh ichs zu Paris, da Ronsard nicht Poete

Mehr heißet, wie vorhin; da Bellay betteln geht,

Da Bartas unklar ist, da Marot nicht versteht,

Was recht Französisch sey; da Jodel, da Baif

Nicht also reine sind, wie itzt der neue Griff,

Und Hofemuster will. Heißt dieses nicht, entlaufen

Dem Wasser, wo es quillt, und aus der Pfütze saufen?

Wer nie gesegelt hat, will nicht beym Ruder seyn,

Wer keinen Arzt abgiebt, der giebt auch keinem ein,

Wer nicht zu spielen weis, der läßt den Ball doch liegen,

Er nimmt den Degen nicht, wer nicht vermeynt zu siegen:

Hier schreibt, wer Hände hat. Weis einer sonst nichts mehr,

Es muß der Deutsche her, der säuft ihm gar zu sehr;

Ist nüchtern nicht ein Narr. Wird endlich doch der Menge

Der Reime schon die Pfalz, der weite Bau zu enge!

Es sind von solcher Last die beyden Brücken schwer:

Der große Heinrich selbst sieht zornig überher,

Und denkt, soll dieser Schwarm noch mehr im Schwange gehen:

So werd ich länger kaum darzwischen sicher stehen.

Du Auszug der Natur! du Stadt, der Erden Licht!

Der Weisheit Säugerinn! ich meine gänzlich nicht

Die hochberühmte Schaar, die an der Seyne Strande

Ihr die gelehrte Welt macht mit der Weisheit Pfande

Zu einer Schuldnerinn; die theils zwar selber schreibt,

Und theils auch ämsig schaut, daß nichts dahinden bleibt

Von Büchern, die vorher im Finstern mit den Schaben[156]

Und Motten Krieg geführt, und nie gesehen haben

Von tausend Jahren her, den angenehmen Tag.

Ich halte mir es hoch, daß ich mich letzen mag

Mit ihrer Gegenwart. Mein rechter Eifer brennet

Nur wider dieses Volk, das die Poeten nennet,

Bey dir, und auch bey uns, an welchen um und an

Ja nichts poetisch ist, als daß es lügen kann.

Doch läßt uns diese Pest der Sprachen unvertrieben:

Kein Vers vom Bavius und Mävius ist blieben:

Der Venusiner Schwan, der Preis von Mantua,

Und Naso und Catull, die sind noch alle da.

Laß du, o Zinckgräf, auch den guten Zweck nicht liegen,

Zu helfen, wie du thust das Finsterniß besiegen,

Das deutscher Reden Zier bisher umhüllet hat.

Kriegt gleich ein Nesselstrauch bey Rosen eine Statt,

So blühen sie gleichwohl. Wir wollen nicht bedenken,

Daß träge Hummeln sich an diesen Bienstock henken.

Ein Körper bleibet doch, obgleich des Schattens Schein

Sich größer macht, als er: die Zeit soll Richter seyn.


Opitz, an Johann Seußius, Churfürstlichen Sächßischen Secretär.

In dieser schweren Zeit, in diesem großen Brande,

Der Leut und Städte frißt, der meinem Vaterlande,

Dem armen Vaterland! itzt auch sein Theil erst giebt,

Und mich, (wie denket ihr, die ich so sehr geliebt,

Ihr Musen, meine Lust?) mich in das Lager führet,

Darein den Eurigen zu gehn, sonst nicht gebühret:

Was schaff ich, weil das Volk in fremden Häusern sitzt,

Und mit nichts Gutesthun die güldne Zeit vernützt?

Wie kann ich brünstig seyn, ein Weibesvolk zu lieben?

Da tausend Schmerzen mir den kranken Muth betrüben,

Und ädern meinen Geist. Ach Herz, ach wende mich[157]

Von dem, was andern ist, und wirf weit unter dich

Ein unglückhaftes Glück, ein Gut ohn alle Güte,

Ein Werk, durch dessen Nutz sich abnützt das Gemüthe,

Das Leib und Sinnen schwächt, das uns zu Alten macht,

Eh, als die Jugend noch recht halb ist weggebracht,

Die stinkend arge Lust, wenn ihre schnöde Früchte,

Am besten wohl uns thun, macht laß, und wird zu nichte;

Die füllt bald und verbringt mit Ekel ihren Lauf,

Und ehe sie recht kömmt, so hört sie wieder auf.

O Liebe! sey mir gram! Soll ich mich aber letzen,

Durch leichtes Kartenspiel? soll ich Ducaten setzen,

Die von dem Blute roth, und bleich von Thränen sind?

Wohl diesem! welcher nicht verspielet noch gewinnt,

Was Armer Hände Schweiß so sauer muß erwerben.

Wer also reicher wird, soll endlich Hungers sterben,

Sein Samen betteln gehn; das ungerechte Geld

Soll fressen das gerecht, und führen aus der Welt.

Wozu dient dann der Wein? der Gläserkrieg? das Saufen?

Der ungekaufte Rausch? Wie, wann der Feinde Haufen,

Von welchen uns gar kaum dieß kleine Wasser trennt,

Das so viel Pässe hat, käm auf uns zu gerennt,

Mit seiner stärkern Kraft, und hieb uns trunken nieder?

Wacht auf, ihr Augen! wacht! das Leben kömmt nicht wieder,

Ists einmal schon hinweg. Durch freche Sicherheit

Der Unsrigen gewinnt das Gegentheil die Zeit,

Und auch den Sieg dazu. Die wir mit stolzer Nasen

Verspotten, meynt ihr wohl, sind sie gehelmte Hasen,

Und kommen Fersengeld zu geben in den Krieg?

Ein Feind, den man verlacht, der hat schon halben Sieg.

Wach auf! sie schlafen nicht. Was soll denn ich nun machen:

Ich will der falschen Welt mit leichten Versen lachen,

Ein deutscher Juvenal. Ich will die Eitelkeit

Des Volkes, das nun lebt, die Sitten dieser Zeit,

So ganz verderbet sind, der künftigen vermelden.

Wir singen von der Treu beherzter werther Helden,[158]

Die mehr ihr Vaterland als ihre Haut geliebt,

Und mit Beständigkeit sich haben ausgeübt,

Die itzt höchstnöthig ist. Werd' ich gleich müssen bleiben,

Durch Mittel, die Gott weis: so wird doch das bekleiben

Was meine Feder zeigt. Ein Geist den Phöbus liebt,

Dem Jupiter die Lust und Art zu schreiben giebt,

Kann mit der grauen Welt als um die Wette leben.

Mein Opitz! sorge nicht, wie sehr sie widerstreben

Die Feinde deiner Ruh: du sollst in Ehren stehn,

Wenn ihr Gedächtniß wird mit ihnen untergehn.

Hüll in dich selbst dich ein! sey du dir dein Gewissen,

Ein Zeuge, der nicht treugt: tritt alles das mit Füssen,

Was gut heißt, und nicht ist; lauf ferner auf der Bahn,

Wie bis anher geschehn, die niemand finden kann,

Als der, so Weisheit liebt; der des Gemüthes Gaben

So oft er soll und will, kann in Bereitschaft haben.

Der schreibt ein solches Buch, das nach dem Himmel schmeckt,

Und bleibet, wenn man uns mit frischem Sande deckt.

So thut dein Seußius, der Vater der Poeten,

Der Musen liebster Sohn. Er schaut den Kriegesnöthen,

Den Zeiten, die itzt sind, mit freyen Sinnen zu,

Und findet in sich selbst des Lebens wahre Ruh,

Die am Gemüthe liegt; verhöhnt des Glückes Scherzen,

Frischt auf sein greises Haar mit einem jungen Herzen,

Das alte Weisheit trägt; hemmt seiner Jahre Flucht,

Mit der gelehrten Hand; pflanzt Bäume, derer Frucht

Ein andre Zeit nach uns ergetzen soll und speisen.

Wird solches nicht sein Buch, sein edles Buch erweisen?

Das nunmehr brechen will den Traum der finstern Nacht?

Apollo freuet sich, die schnelle Fama wacht,

Und will das schöne Werk auf ihrem lichten Wagen,

Bis in das Schlafgemach der rothen Sonnen tragen,

Vom hellen Morgen an. Ihr Helden! denen hier

Ihr Lob gepriesen wird, erkennet eure Zier!

Lacht eure Gräber aus. Ihr deutschen Pierinnen,[159]

Mein allererster Ruhm, schaut was für hohe Sinnen

Um euch bemühet sind; seyd sicher nach der Zeit,

Ihr steht wann alles fällt, ihr bleibt in Ewigkeit;

Wo Kunst und Menschenwitz nur ewig steht und bleibet.

Doch ja, was Seußius uns giebet, das bekleibet,

Und überlebt die Welt; dieweil es Gott erhebt,

Und den der Tod ist lobt, und den lehrt, der noch lebt.


Neukirchs Schreiben der Aurora, an Seine Königliche Majestät in Preußen, Friedrich I.

Ich schreibe, König, hier, was man bey Hofe klagt,

Was meinen Ruhm verletzt, was fast ein jeder sagt:

Ach zürne nicht zu früh! Denn unsers Geistes Triebe

Sind zwar voll Eifersucht, allein auch voller Liebe.

Es ist nichts Grausames womit du uns beschwerst:

Wir klagen, daß du dich für andre selbst verzehrst,

Daß du ein König bist, und doch in deinen Landen

Kein Diener je gelebt, der früher aufgestanden.

Die Hirten sind erstaunt, die Musen schämen sich:

Denn beyde finden schon, so bald sie wachen, dich.

Mein Phöbus, der dir doch so herzlich wünscht zu dienen,

Ist selber, wie du weist, stets viel zu spät erschienen;

Und fuhr mich heute noch mit rauhen Worten an,

Daß ich der Wolken Flor nicht eher abgethan.

Was Phöbus an mir straft, geb ich mit gleichem Blicke,

Der Ordnung dieser Welt, und der Natur, zurücke.

Was, sprech ich oftermals, nutzt mir der Flügelschein,

Wenn Helden flüchtiger, als Licht und Flügel, seyn?

Allein was die Natur mich läßt zur Antwort hören,

Ist dieß; ich möchte doch nicht ihr Gesetze stören.

Ach! wenn denn die Natur so stark gebunden ist,

Wenn sie ihr eignes Thun nach alten Regeln mißt:

Wie kömmt es denn, o Held, daß du sie übersteigest,[160]

Und dich, zu gleicher Zeit, als Herr und Diener zeigest?

Ist es denn nicht genug, daß du dein Haus erhöht,

Daß dein geübtes Heer schon an der Spitze steht;

Daß du bey Tage pflegst an Heil und Recht zu denken,

Mußt du dem Reiche denn auch noch die Nächte schenken?

Must du der letzte stets, der fremde Sorgen trägt,

Und auch der erste seyn, der sich im Bette regt?

Weil sich mein nasses Haupt noch in der See verweilet,

Hast du dem Hofe schon Befehl und Rath ertheilet.

Tret' ich denn in die Höh, so seh ich mit Verdruß,

Wie ich den Deinigen mit Schimpfe dienen muß.

Das Licht ist, sprechen sie, nicht in Aurorens Wangen:

Wenn unser König wacht, kömmt auch der Tag gegangen.

Jedoch, so hurtig sie dein muntres Auge macht,

So sind sie doch bisher, nicht ehr, als du, erwacht.

Sie lassen dir die Müh, und schlafen ohne Sorgen:

So lange du nicht rufst, so ist es noch nicht Morgen.

Der treue Wartenberg, der doch, nach aller Sinn,

Dir eben dieses ist, was ich der Sonne bin,

Klagt selbst, wenn er sein Amt zu thun sich vorgenommen,

Daß du ihm oftermals, o Held! zuvor gekommen.

Wo will es endlich hin? rührt Phöbus sich in dir:

Wie? oder schreibt dein Glanz mir neue Stunden für?

Doch wenn du Phöbus bist, wer hemmet mir den Zügel?

Und bist du etwas mehr, warum sind meine Flügel,

Nicht deinen Kräften gleich? Halt inne, großer Held!

Du hast genug gethan, daß du der ganzen Welt

Ein neues Reich geschenkt. Laß andre sich entkräften,

Die an ihr Wapen nichts, als leere Titel heften.

Europa brauchet dich noch länger, als du denkst.

Wenn du die Augen früh auf seine Wunden lenkst,

So weint sein Herz um dich: aus Furcht, daß du der Erden

Durch allzu große Last, bald möchtst entzogen werden.

Dein Land kann sich ja wohl, wie Spanien, erfreun,

Und hat, o Herr, an dir fast steten Sonnenschein:[161]

Allein es wollte doch ein jeder lieber sterben,

Als eine Stunde nur an deiner Ruh verderben.

Jedoch, du hörest nicht. Der Unterthanen Flor,

Europens Fried und Glück geht allem Schlafe vor:

Du liebest sie, nicht dich, und suchest dein Vergnügen,

Allein in ihrer Ruh, ihr Heil in deinen Siegen.

Wenn ein Bedrängter dir viel Bogen überreicht,

So denkst du, daß der Thron sich Rosengärten gleicht,

Die zwar voll Mühe sind, doch auch viel Blumen tragen.

Ein Centner Arbeit giebt dir zehnmal mehr Behagen,

Als andern so viel Gold. Was red ich dir denn zu?

Was man Beschwerniß heißt, das nennst du Lust und Ruh.

Dein Wachen, treuer Hirt, ist dir ein süsses Schlafen;

Dein Schlaf ein süsser Traum, von so viel tausend Schafen,

Die dir vertrauet seyn. Drum geb ich mich besiegt,

Ich sehe, daß dir mehr, als mir, zu thun obliegt.

Ich muß die Finsterniß, du Noth und Krieg zerstreuen,

Ich darf das Auge nur, du must das Herz' erfreuen.

Doch eines bitt' ich noch: weil doch kein Fürst regiert,

Der täglich, so, wie du, mich aus dem Lager führt;

So laß doch, großer Held, es einmal nur geschehen,

Daß ich, als König dich, darf in dem Bette sehen.


Neukirchs Schreiben, an Herrn Graf Stosch.

Wo jemals Phöbus mir die Feder hat geführt,

Wo jemals meinen Sinn ein rechter Trieb gerührt:

So ist es dieser Tag, da du bey deinem Bauen,

Uns endlich, großer Stosch! läßt Maaß und Ende schauen.

Die Eitelkeit der Welt ist ja genug bekannt.

Man baut oft in ein Schloß mehr, als ein halbes Land.

So oft ein Ziegel steigt, so steigen auch die Sorgen,

Mit denen wir das Geld zu unsrer Wollust borgen:[162]

Doch wenn man ausgebaut, so schreyen Kalk und Stein,

Daß sie der Bürger Blut, der Witwen Thränen seyn.

Wie glücklich ist ein Herr, der auch in solchen Dingen,

Wie du, o Tugendfreund! kann seine Regung zwingen;

Der alles, was er thut, mit guter Art beginnt,

Ehr auf der Bürger Heil, als auf Palläste sinnt,

Und seinen hohen Geist, wenn ihn das Glücke kirret,

In enge Schranken setzt. So oft ein Armer irret,

So irrt er nur für sich: allein ein großer Mann,

Ist wie ein schneller Strom, der vielen schaden kann;

Und der, wofern sein Lauf sich einmal nur verrücket,

Stadt, Dörfer, Volk und Land in das Verderben schicket.

Hochwohlgebohrner Herr! du bist hievon befreyt.

Dein süßes Herrschen weis von keiner Strengigkeit:

Die Bürger lieben dich, nicht, weil sie dir geschworen;

Nein, sondern weil du sie zu Kindern dir erkohren,

Und nicht sowohl ihr Herr, als ihr Versorger bist.

Dein Schloß ist aufgeführt: wer ist, der was vermißt?

Wo spricht ein Unterthan, daß du sein Geld verschwendet?

Wer klagt, daß du den Bau nicht eher hast vollendet?

Er fieng zu vieler Schmerz sich allzu langsam an,

Und ist zu vieler Gram zu zeitlich abgethan.

Es dachte mancher noch sein Schäfgen hier zu weiden.

Allein ein Kluger baut, und weis auch abzuschneiden.

Du hast kein Capitol, kein Louvre angezielt:

Du thust zwar, was dein Stand, doch auch Vernunft befiehlt,

Und hast der Ahnen Sitz nur herrlicher verneuet.

So denkt ein andrer nicht, den jeder Wahn erfreuet,

Der oft ein schönes Haus mit Müh in Stücken schlägt;

Warum? dieweil es noch der Vater angelegt.

Ein solcher Commodus meynt, daß ein sittlich Leben

Nur für die Schulen sey. Er will sich höher heben,

Als Gott und Tugend gehn, giebt beyden gute Nacht,

Nimmt, was man ihm versagt, mit ungezähmter Macht,

Und sucht das höchste Gut in seinem stolzen Willen.[163]

Kein Tyger ist so schwer in seiner Wuth zu stillen,

Als so ein blinder Mann, der den Verstand verpacht,

Und wirklich einen Gott aus seiner Thorheit macht.

Er baut, als wollt er hier auf Erden ewig wohnen,

Er lebt, als hofft er noch auf sieben Kaiserkronen.

Indessen klopfet man an seine Kammerthür,

Und fordert Lohn und Geld. Was? spricht er zornig, wir?

Wir! eine solche Post? hier ist noch abzuziehen.

Der arme Bürger schwert! Ihr dürft euch nicht bemühen,

Fährt jener rasend fort, und schlägt die Thüre zu.

Die Sonne leget sich, die Menschen gehn zur Ruh:

Er aber sitzt und wacht, und sinnt bey fremden Schätzen,

In was für Ordnung er will Dach und Schorstein setzen,

Wie weit das Vorgemach vom Tafelzimmer stehn,

Durch wie viel Kammern man zu der Gemahlinn gehn,

Wo man die Kinder soll, und wo die Diener finden.

Die Nacht muß endlich auch, so wie der Tag, verschwinden;

Doch unser Commodus hält schon von neuem Rath,

Und merkt nun allererst, was er vergessen hat.

Reißt ein! reißt ein! schreyt er, werft Maur und Dach zur Erden!

Toscanisch ist zu schlecht, es muß Corinthisch werden.

Geld! ruft der Zimmermann, Geld! spricht auch Commodus.

Die Bürger zittern schon. Gleich aber dringt ein Fluß

Dem Ritter durch den Kopf in die erfrohrnen Glieder,

Und legt mit ihm zugleich viel Centner Gram darnieder.

Du lachest, großer Stosch! daß meine Feder sich

So aus dem Wege lenkt. Allein indem man dich,

Indem man andre sieht, die nichts nach Tugend fragen,

So muß man auch dein Lob und ihre Schande sagen.

Das schöne Grottenwerk, der Garten, den es ziert,

Das Schloß, das dein Befehl in kurzem aufgeführt,

Sind Dinge, welche zwar viel Großes in sich fassen;

Doch würden sie vielleicht nicht so gar kostbar lassen,

Hättst du sie nicht erbaut. Ein ander wird geehrt,[164]

Weil ihm ein reiches Haus mit Dienern zugehört;

Du giebst dem Hause Glanz, und deine Diener nehmen

Ihr Ansehn bloß an dir. Wenn ihrer viel sich schämen,

Daß sie hier nicht viel mehr, als Mäurer, ausgericht:

So stiftst du einen Bau, den keine Zeit zerbricht;

Der an die Wolken steigt, und deines Namens Würde

Auf Erden ewig macht. Ich meyne, Herr! die Bürde

So vieler Seufzenden, die du gutwillig trägst.

Die Armen, die du schützt, die Waisen, die du pflegst,

Und endlich Kirch und Schul, die mehr von dir empfangen,

Als aller Bau betrifft. Mit göldnen Zimmern prangen,

Ist etwas, das man auch bey rohen Heyden sieht:

Wer aber sich für Gott nur einen Tritt bemüht,

Dem ist ein größer Licht der Ehren angezündet,

Als hätt er Babylon, als hätt er Rom gegründet.

Wie sollte nun dein Haus nicht voller Freude seyn?

Vernunft hat es gebaut, und Tugend weyht es ein.

Die Bürger sehen es, und haben nichts zu klagen,

Als daß uns die Natur, die alles beygetragen,

Was dich unsterblich macht, nicht auch dein Bild gegönnt.

Doch der hat ja dein Bild, der deine Thaten kennt.

Lebst du in Kindern nicht, so lebst du doch in Seelen,

Die, was du Gutes pflanzst, zu keiner Zeit verhölen,

Und dich im Herzen längst als Vater aufgestellt.

Wer solche Zeugen hat, der stirbt nicht in der Welt.

Laßt andre ihren Ruhm in große Bücher bringen:

Das ist das beste Lob, das auch die Kinder singen,

Das von sich selbst gefällt, und keiner Kunst bedarf.

Ach! wäre, Theurer Stosch! gleich mein Verstand so scharf,

Als dein Verdienst erheischt: wie könnt ich anders schreiben?

Wer That und Wahrheit schreibt, muß bey der Einfalt bleiben:

Denn stolze Farben sind für reine Tugend nicht.

Ich sage, was die Stadt, was jeder Bürger spricht:

Was mir das Herz gerührt, hat auch den Kiel getrieben.

Stosch sey nur so beglückt, als ich hier wahr geschrieben!


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 6,2, Berlin und New York 1968–1987, S. 137-165.
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