Widmung

[389] Sr. Excellentz


Dem Hochwohlgebohrnen Herrn,


Herrn


Johann Adolph


von Looß,


Sr. Königl. Maj. in Pohlen


und Churfl. Durchl. zu Sachsen,


Hochbetrauten wircklich geheimten Rathe und Obersten Stallmeistern etc.


Meinem gnädigen Herrn.[389]


Wie auch


Dem Hochwohlgebohrnen Herrn,


Herrn


Christian von Looß


Sr. Königl. Maj. in Pohlen


und Churfl. Durchl. zu Sachsen


Hochansehnlichen Cammerherrn, Hofrathe und geheimten REFERENDARIO etc.


Meinem gnädigen Herrn.[390]


Hochwohlgebohrne Herren,

Gnädige Herren,

Mitten unter den wichtigsten Geschäften, womit Ew. Excell. und Hochwohlgeb. Gnaden in den Diensten unsers allergnädigsten Landes-Vaters, das Beste dieser Lande befördern helfen; erkühne ich mich, Denenselben ein Buch, so von der Poesie handelt, vor die Augen zu bringen, ja gar Dero Hohe Nahmen auf die ersten Blätter desselben zu setzen.

Es ist den grössesten Leuten niemahls gleichgültig gewesen, ob ihre Leibes-Gestalt wohl oder übel abgeschildert worden; und wir finden Prinzen in den Geschichten, die sich nur von den besten Künstlern ihrer Zeiten haben gemahlt wissen wollen. Was die Mahler-Kunst im Absehen auf den Cörper bewerkstelliget, das verrichtet die Dichtkunst, als eine weit vollkommnere Mahlerey, auch im Absehen auf die Eigenschafften des Geistes und Gemüthes: Daher es denn ein Wunder ist, daß grosse Herren es nicht längst allen ungeschickten, ja mittelmäßigen Poeten untersaget haben; sich mit ihren groben Zügen, an die Abbildungen ihrer Tugenden und Thaten zu wagen, die von rechtswegen nur von lauter ungemeinen Federn entworfen werden sollten.

Dieses Buch, so Ew. Excell. und Hochwohlgeb. Gnaden zuzueignen ich die Ehre habe, enthält unter andern auch diejenigen Regeln, darnach sich alle Verfasser der Lobgedichte, und folglich auch diejenigen werden zu achten haben, die sich künftig an Dero hohes Lob machen dörften. Je trefflicher die Eigenschafften sind, dadurch Dieselben sich die Gnade eines[391] grossen Monarchen, und die Hochachtung eines so zahlreichen Hofes erworben haben; und je grösser also das Feld ist, so sich hier einem Poeten öffnen wird: desto verwerfflicher würde seine Arbeit seyn, wenn er sich in einer so würdigen Materie vergienge, und ein so prächtiges Lob aus Unwissenheit oder Mangel der Fähigkeit gleichsam entweyhete.

In Wahrheit, der durchdringende Verstand Ew. Excell. und Hochwohlgeb. Gnaden; Dero Erfahrung in den öffentlichen Staats-Angelegenheiten; die mit den vollkommensten Hofmanieren so genau verschwisterste Aufrichtigkeit des Hertzens; die aus der männlich schönen Bildung, Dero vollkommensten Leibes-Gestalt hervorleuchtende leutseelige Großmuth, dadurch sich dieselbe Hohe und Niedrige verbinden, ja gantz zu eigen machen; und was ich zu allererst hätte erwehnen sollen, der unverbrüchliche Eifer in den Diensten unsers allergnädigsten Königes, der niemahls besser, als durch das vollkommene Vertrauen Seiner Majestät, gegen Dieselben vergolten werden können: Dieses alles, sage ich, verdiente ja wohl von einem solchen Dichter beschrieben und gepriesen zu werden, dessen Gabe zu schildern so vollkommen wäre, als die Vorzüge, dadurch sich Ew. Excell. und Hochwohlgeb. Gnaden eine allgemeine Bewunderung zuwege gebracht haben.

Da nun die Absicht dieses Buches auch diese hauptsächlich ist, den Grossen dieser Welt geschickte Herolde ihrer Thaten zu verschaffen; so wird es verhoffentlich so unbillig nicht seyn, wenn sich auch diese Grundregeln der Dicht-Kunst, der Prüfung solcher erlauchten Kenner unterwerfen, denen es selbst nicht einerley seyn kan, ob Ihre Abbildungen durch diese oder jene Hand der Nachwelt überbracht werden. Finde ich mich also gleich zu schwach, die Nahmen Ew. Excell. und Hochwohlgeb. Gnaden durch meine Gedichte unvergeßlich zu machen: so werden Dieselben mich doch vielleicht darum Ihrer Gnade nicht gantz unwürdig schätzen, weil ich zum wenigsten mittelbar etwas zur Verewigung derselben beyzutragen gesucht.[392]

Erlange ich nun das sonderbare Glück, die Protection so grosser Staats-Leute zu geniessen; so werde mit der eifrigsten Devotion lebenslang verharren,


Hochwohlgebohrne Herren,

Gnädige Herren,

Ew. Excell. u. Hochwohlgeb. Gnaden


Leipzig 1729 den 6 Octobr.


unterthänigst-gehorsamster Diener

M. Joh. Christoph Gottsched.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 6,2, Berlin und New York 1968–1987, S. 389-393.
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