Vierter Auftritt


[95] Frau von Tiefenborn. Fräulein Amalie. Dr. Hippokras.


FRAU VON TIEFENBORN. Das ist ein kleiner Trotzkopf! aber sie meint's doch nicht böse.

FRÄULEIN AMALIE schmeichelnd. Ach, sie hat ein Herz wie ein Stein! sie macht sich aus Euer Gnaden Zufällen gar nichts. Sie ist der Gnade nicht wert, die Sie gegen sie haben.

FRAU VON TIEFENBORN spöttisch. Und das sagest du von ihr, ob sie gleich deine Schwester ist?

FRÄULEIN AMALIE verwirrt. Ei! ... Ich? ... sie macht es aber auch gar zu arg.

FRAU VON TIEFENBORN bedenklich. Sie macht es freilich arg. Indessen hat doch die Ehrlichkeit immer etwas an sich, das einem gefällt und Sie sieht Amalien starr an. zuweilen der Falschheit den Rang abläuft. Zum Doktor. Ja, was raten Sie mir nun weiterzubrauchen, Herr Doktor?[95]

DR. HIPPOKRAS. Haben Euer Gnaden heute früh die Tropfen genommen?

FRAU VON TIEFENBORN. Ja; heute um neun Uhr.

DR. HIPPOKRAS. Auch sonst etwas darauf zu sich genommen?

FRAU VON TIEFENBORN. Nein, mir ekelt vor allem Tee und Kaffee!

DR. HIPPOKRAS. Wie, wenn Euer Gnaden ein Schälchen Schokolade versuchten? Es wäre doch besser, als wenn der Magen vor der Mittagsmahlzeit so gar leer bleibt.

FRAU VON TIEFENBORN. Ich will sehen, ob ich sie genießen kann. Zu Fräulein Amalien. Amalie, geh, befiehl der Kammerfrauen, daß sie geschwinde welche machen soll.

FRÄULEIN AMALIE schmeichelnd. Ach, ich lasse sie keinen fremden Menschen machen. Ich will sie mit eignen Händen kochen. Geht ab.


Quelle:
Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Aufklärung. Band 6, Leipzig 1933–1935, S. 95-96.
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