Zweiter Auftritt


[150] Die Vorigen. Herr von Kreuzweg.


HERR VON ZIEGENDORF lächelnd. Nun, guten Morgen, Herr von Kreuzweg!

FRÄULEIN AMALIE lächelnd. Hat Ihnen was Angenehmes geträumt?

HERR VON KREUZWEG. Ich dächte nicht, daß unser Geschlecht auch so geschwätzig wäre, als man es sonst dem weiblichen schuld gegeben.

HERR VON ZIEGENDORF. Wieso?

HERR VON KREUZWEG. Wie ich sehe, so haben Sie dem Fräulein alles hübsch erzählt.

HERR VON ZIEGENDORF. Ja freilich. Das ist wohl die mindeste Strafe für Ihre Trägheit.

FRÄULEIN AMALIE. Nur die Art, wie der Herr Landrat Sie geweckt hat, ist mir ein wenig zu unbarmherzig vorgekommen.

HERR VON KREUZWEG. Allerdings. Es saust mir in den Ohren, als wenn ich ein ganzes Kirchengeläute darinnen hätte.

HERR VON ZIEGENDORF lacht. Je nun! da habe ich Ihnen zu einer beständigen Musik verholfen, daß Ihnen die Zeit nicht lang werden darf.

HERR VON KREUZWEG. Wenn ich mein Schlafen im Tage nicht selbst für einen kleinen Fehler hielte: so würde ich sagen, der Herr Landrat täte mir mit seinem Spotte zuviel.

HERR VON ZIEGENDORF. Ist es aber nicht eine Schande, wenn ein junger, unverheirateter Mensch in einem Hause, wo zwo so artige Fräuleins sind, nichts anders zu tun weiß, als daß er sich hinlegt und schläft?[150]

HERR VON KREUZWEG. Ich gestehe meinen Fehler. Ich weiß aber auch, daß meine Gesellschaft den artigen Fräuleins so gar angenehm nicht sein möchte.

FRÄULEIN AMALIE. Warum, Herr von Kreuzweg? Die Gesellschaft mit Leuten, die Verstand haben, ist mir allemal angenehm. Meine Schwester redet zwar lieber von Haushaltungssachen: allein, mein bester Zeitvertreib ist ein Buch oder ein sinnreiches Gespräch.

HERR VON KREUZWEG. Eben deswegen muß ich, der ich mich weder für gelehrt noch sinnreich halte, mich vor einer so scharfsichtigen Kennerin des Verstandes scheuen.

HERR VON ZIEGENDORF. Ei! Herr von Kreuzweg! wer wird mit den Fräulein von gelehrten Sachen reden? Zu meiner Zeit nannte man das eine lautere Schulfüchserei.

FRÄULEIN AMALIE. Warum sollen die Herren nicht mit uns auch von klugen Dingen reden?

HERR VON ZIEGENDORF. Ei! kluge Dinge und gelehrte Dinge, das ist zweierlei. Wenn nun der Herr von Kreuzweg Ihnen sagte, daß Sie sehr schön und artig wären und ihn ganz bezauberten, wäre denn das nicht klug geredet?

HERR VON KREUZWEG. Ich bin gewiß, daß dieses dem gnädigen Fräulein sehr abgeschmackt vorkommen würde.

FRÄULEIN AMALIE freundlich zum Herrn von Kreuzweg. Dergleichen Reden kommen mir klug oder abgeschmackt vor, nachdem die Personen sind, die sie sagen.

HERR VON ZIEGENDORF. Ei, glauben Sie mir nur, Herr von Kreuzweg, dergleichen Sachen hört das Frauenzimmer allezeit gern; sie mögen es nun zugestehen oder nicht.

FRÄULEIN AMALIE lächelnd zum Herrn von Kreuzweg. Es kömmt alles auf die Art an, wie eine Sache vorgetragen wird.

HERR VON KREUZWEG. Und da ist bei sinnreichen Personen die rechte Art sehr schwer zu treffen.

HERR VON ZIEGENDORF. Ich weiß nicht, wie heutzutage die Welt ist. Auch dasjenige sogar, was die Leute gern haben und was ihnen gefällt, das soll man nicht mehr so geradeheraus sagen. Es soll noch überzuckert, übergüldet, und ich weiß nicht worein eingewickelt sein, daß es mehr zu erraten als zu verstehen ist.[151]

FRÄULEIN AMALIE. Ja, die heutige Welt ist nun einmal feiner geworden.

HERR VON ZIEGENDORF. Und darum seid ihr lieben Leute doch noch kein Haar besser daran als wir. Es kömmt doch endlich alles darauf hinaus, daß ihr einen Mann oder eine Frau kriegt, und das geschah zu meiner Zeit auch; aber wir kamen viel kürzer zu unserm Zwecke.

FRÄULEIN AMALIE lachend. O ja! das glaube ich.

HERR VON ZIEGENDORF. So habe ich zum Exempel meine Frau bekommen. Sie war, die Wahrheit zu sagen, zu reich, als daß ich mir es in den Sinn konnte kommen lassen, daß sie mich wohl nehmen möchte. Ich mußte mich aber im Namen eines meiner guten Freunde, der viel vornehmer und reicher als ich, aber nicht so schön und artig war, erkundigen, ob sie sich wohl gegen ihn geneigt erklären möchte. Nach meiner Meinung fädelte ich meinen Antrag fein genug ein; allein sie merkte doch gleich, was ich haben wollte, und sagte mir es gerade in die Augen: meinen guten Freund möchte sie nicht, wenn ich sie aber haben wollte, so wollte sie mich nehmen. Ich erschrak so sehr, als ich mich freuete, und wir verlobten uns den Augenblick. Sehen Sie, so hielten wir's vorzeiten und kamen ebenso weit damit!

FRÄULEIN AMALIE. Ja, ja, das ist ein Muster einer lakonischen Anwerbung!

HERR VON ZIEGENDORF. Diese Art, ein Bräutigam zu werden, hat mir so wohl gefallen, daß ich sie für das schönste Stück meines ganzen Ehestandes halte.


Quelle:
Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Aufklärung. Band 6, Leipzig 1933–1935, S. 150-152.
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