Fünfter Auftritt


[154] Fräulein Amalie. Herr von Kreuzweg. Herr von Kaltenbrunn.


HERR VON KALTENBRUNN kömmt hereingesprungen. Nun wird alles gut werden! Die Oberstin läßt schon ihre Erben zusammentreiben wie die Schafe. Sieh da! Herr von Kreuzweg! wo sind Sie so lange gewesen? Ich habe Sie ja seit der Mittagsmahlzeit nicht gesehen?

HERR VON KREUZWEG. Ich muß mich fast schämen, daß ich's sagen soll.[154]

FRÄULEIN AMALIE. Nun, er hat geschlafen. Ist das eine Sünde?

HERR VON KALTENBRUNN. Nein, das sage ich nicht. Aber ich kann im Tage nicht anders schlafen, als wenn ich einen tüchtigen Rausch im Kopfe habe.

FRÄULEIN AMALIE lachend. So? Drum ist heute der erste Tag, da ich dich nachmittags nicht schlafen sehe.

HERR VON KALTENBRUNN droht ihr. Du Vogel! der Herr von Kreuzweg sollte wohl wunder denken, was ich für eine durstige Seele wäre.

HERR VON KREUZWEG. Oh! einer Schwester steht schon ein Spaß frei.

HERR VON KALTENBRUNN. Ja, das ist wahr! meine Erbschaft wird mir recht sauer.

FRÄULEIN AMALIE. Wieso?

HERR VON KALTENBRUNN. Weil ich mich solange ohne Wein behelfen muß.

FRÄULEIN AMALIE. Hast du bei Tische nicht Wein getrunken?

HERR VON KALTENBRUNN. Ei, da trinke ich nur so ehrbar aus den kleinen Weingläsern wie die Kanarienvögel. Bei meiner Gesellschaft soll es ganz anders gehen. Heisa! Er springt herum. Vivat das größte Glas!

HERR VON KREUZWEG lächelnd. Sie müssen es mit dem Herrn und Lande sehr treu meinen, weil Sie die großen Gläser so lieben.

FRÄULEIN AMALIE. Das versichere ich Sie, wenn die Treue im Gesundheittrinken besteht, so ist mein Bruder das treuste Landeskind.

HERR VON KALTENBRUNN. Höre nur, Schwester! es ist mir nicht anders, als wenn die Oberstin mir alle ihre Rittergüter vermachen wird.

FRÄULEIN AMALIE lacht sehr. So? Dir?

HERR VON KREUZWEG. Da will ich mir die Erlaubnis ausbitten, manchmal in diesem schönen Hölzchen zu jagen.

HERR VON KALTENBRUNN. Oh! es steht auf meinen Gütern alles zu Ihren Diensten!

FRÄULEIN AMALIE lachend. Ja, du bist der rechte Landwirt. Die schönen Güter werden sich unter deinem Besitze trefflich bessern!

HERR VON KALTENBRUNN. Ei, das weiß ich wohl, daß ich kein Wirt bin: drum eben will ich sie verpachten.

FRÄULEIN AMALIE erschrocken. Verpachten?

HERR VON KREUZWEG. Solange Sie den Gütern noch nicht spinnefeind[155] wären, Herr von Kaltenbrunn, so wollte ich Ihnen das wohl nicht raten.

HERR VON KALTENBRUNN. Ei, es kömmt viel darauf an, was die Pachter für Leute sind. Dieser Mensch ist die Ehrlichkeit und Redlichkeit selbst.

FRÄULEIN AMALIE verwundernd. Wer ist denn der ehrliche, redliche Engel?

HERR VON KALTENBRUNN. Mein lieber, bester Herzensfreund, der Jude Moses.

FRÄULEIN AMALIE erschrickt. Der Jude Moses? Bist du ausgelassen? Warte! das will ich der Oberstin sagen, daß du ihre schönen Güter an die Juden verpachten willst.


Quelle:
Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Aufklärung. Band 6, Leipzig 1933–1935, S. 154-156.
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