Zweyter Auftritt


[42] Herr Mag. Scheinfromm, Cathrine.


HERR SCHEINFROMM mit einer andächtigen Mine und Stimme. Guten Tag, mein liebes Kind! Wie befindet man sich hier?

CATHRINE. Sehr wohl. Frau Glaubeleichtin verlangt sehr nach ihnen.

HERR SCHEINFROMM. Sie hat mich in meinen Bethstunden gestöret. Wisset ihr nicht, warum sie mich hat hohlen lassen?

CATHRINE. Sie spricht: Der Herr Scheinfromm soll ihr helffen die Jungfer Luischen bekehren.

HERR SCHEINFROMM. Wie? hat sie sich worinnen vergangen?

CATHRINE. Frau Glaubeleichtin denckt es; weil dem armen Kinde endlich die Zeit lang wird, daß man ihre Hochzeit so lange aussetzet.

HERR SCHEINFROMM beyseite. Aha! ich mercke es! da habe ich was ich wollte. Laut. So will sie denn gerne bald verheyrathet seyn?

CATHRINE. Ach! je eher, je lieber. Wenn der Herr Magister die Mama bereden könnte, die Sache zu beschleunigen, so würde man ihnen ungemein verbunden seyn.

HERR SCHEINFROMM beyseite. Ha! ha! ich muß eilen. Laut. Nun ich verspreche euch, daß ichs thun will.[42]

CATHRINE. Wie? in rechtem Ernst? O wie froh bin ich! Denn sie können bey unserer Frau viel ausrichten.

HERR SCHEINFROMM. Das ist wahr. Aber Jungfer Luischen muß auch noch beredet werden; und da müsst ihr helffen.

CATHRINE. Ach nein! Herr Magister! die Jungfer Luischen darf gar nicht sehr gebethen werden, den Hn. Liebmann zu nehmen.

HERR SCHEINFROMM. Was sagt ihr von Liebmann? den begehre ich ihr nicht zuzufreyen.

CATHRINE. O! verzeihen sie mirs doch. Ich weiß auch nicht, was ich immer von dem närrischen Liebmann träume. Von wem redeten sie?

HERR SCHEINFROMM. Wen meynet ihr wohl?

CATHRINE. Ich wette, daß ichs errathe.

HERR SCHEINFROMM. Lasst sehen!

CATHRINE. Sie wollen meiner Jungfer gewiß ihren Herrn Vetter zufreyen?

HERR SCHEINFROMM. Das wars! Freylich, meinen jungen Vetter, den Herrn von Muckersdorff, will ich ihr zufreyen. Ich habe ihm ein klein Gütchen geschenckt. Aber wie habt ihr das so errathen?

CATHRINE. O! das kan ja wohl ein Kind errathen. Denn vors erste, so[43] ist meine Jungfer brav reich; und ich bin zum andern versichert, daß sich die beyden Leute ungemein wohl zusammen schicken.

HERR SCHEINFROMM. Ihr habt ja meinen Vetter noch nicht gesehen.

CATHRINE. Den jungen Herrn von Muckersdorff? Nein! aber was thut das? Ich wette, er siehet ihnen ähnlich.

HERR SCHEINFROMM. Etwas.

CATHRINE. Nun, sehen sie es? Mehr braucht er nicht. Und, unter uns gesagt: Liebmann ist ein junger Taugenichts!

HERR SCHEINFROMM. So seyd ihr also meiner Meynung?

CATHRINE. O freylich!

HERR SCHEINFROMM. Nun, so will ich euch was offenbahren: Ich habe selbst die Frau Glaubeleichtin bisher abgehalten, ihre Tochter zu verheyrathen.

CATHRINE. Ey! Ey! wer hätte das dencken sollen?

HERR SCHEINFROMM. Weil ich aber wohl wuste, daß der Obriste Wackermann sehr starck darauf drung; so habe ich mich bemüht, ihn bey der Frau Glaubeleichtin recht schwartz zu machen.

CATHRINE. Sie haben sehr wohl gethan.[44]

HERR SCHEINFROMM. Ich sahe es wohl vorher, daß eure Jungfer des Wartens überdrüßig werden würde; da sie nun einmahl sieht, daß sie ihren Liebmann nicht kriegen kan; so hoffe ich, daß sie noch lieber meinen Vetter wird nehmen, als sich entschliessen wollen, gar ohne Mann zu bleiben.

CATHRINE. Allerdings! ich glaube es auch.

HERR SCHEINFROMM. Die Mutter ist mir gewiß genung. Es wäre aber gut, wenn ihr der Tochter auch zureden möchtet, daß sie sich diese Heyrath gefallen läßt, denn bekömmt die Sache doch ein gutes Ansehen.

CATHRINE. Ach! das will ich schon machen.

HERR SCHEINFROMM. Mein Vetter ist auch so gar arm nicht. Er ist nicht der allerheßlichste; und vor einem Menschen von geringer Herkunfft hat er doch auch gantz hübsche Freunde. Ich habe das alles der Frau Glaubeleichtin erzehlt.

CATHRINE. Das ist ja eine sehr schöne Beschreibung! Der Herr von Muckersdorf; die Frau von Muckersdorffin; ein Hauffen kleine Muckersdörffgens: Das wird ja eine heilige Baum-Schule abgeben, welche recht schön seyn wird.

HERR SCHEINFROMM. Aus Eigennutz thue ich das alles nicht; von diesem Laster bin ich durch die Gnade GOttes schon lange Zeit befreyet. Nein, ich thue es aus blossem Eyfer vor Jungfer Luischens Seeligkeit.

CATHRINE. O! das sieht man wohl.[45]

HERR SCHEINFROMM. Denn, denckt nur selbst nach. Herr Liebmann ist ein junger, liebenswürdiger Mensch; er ist gantz weltlich; er hat eure Jungfer lieb, und sie ihn. Allein diese Liebe bey den beyden Leuten möchte wohl nur bloß ein natürliches Werck seyn; und nicht der Göttlichen Gnade und Barmhertzigkeit.

CATHRINE. Davor schwöre ich freylich nicht.

HERR SCHEINFROMM. Heyrathen sich nun die beyden Leute; so würden sie sich vielleicht ihre gantze Lebens-Zeit so lieb haben.

CATHRINE. Das ist allerdings zu besorgen.

HERR SCHEINFROMM. Und damit wären zwey arme Seelen auf ewig den Lüsten des verderbten Fleisches unterworffen.

CATHRINE. Ich bitte sie drum. Das ist ja noch ärger, als eine öffentliche Kirchen-Busse!

HERR SCHEINFROMM. Freylich: Heyrathet sie aber meinen Vetter: so kriegt sie einen Mann, der gar nicht angenehm ist, und denn wird sie also nicht anders, als mit Göttlichen Beystande und Mitwürckung einer übernatürlichen Gnade lieben können; so werden sie denn in einer heiligen Vereinigung leben, und keine verderbte Lüste kennen.

CATHRINE. Das gesteh ich! Wie Herr Magister? So bald sich in der Liebe zweyer Eheleute ein wenig natürliche Liebe mischet; so ists Sünde?

HERR SCHEINFROMM. Ja, meine Tochter! Alles was die Natur uns befiehlt zu thun;[46] alle Empfindungen, die von ihr kommen, als was nicht bloß die Göttliche Gnade in uns wircket, das ist Sünde.

CATHRINE. Warum denn das?

HERR SCHEINFROMM. Je darum: Weil die gantze Natur in ihrer Quelle, in ihrem Wesen, und in ihrer inneren Beschaffenheit verderbt ist. Ein Ungläubiger, der seinem Vater unzähliche Wohlthaten thut, der darf nicht dencken, daß er was Gutes thue: Sünde thut er. Eine Mutter die ihre Kinder liebt; eine Frau, die ihrem Manne treu ist, wenn sie es nicht bloß durch die Krafft einer übernatürlichen Gnade thut, so sündigt sie.

CATHRINE. Das ist ja betrübt. So werden wir auf die Art lauter Affen und Meerkatzen heyrathen müssen, die wir nur durch eine übernatürliche Beyhülffe lieben können. Wahrhafftig, ich weiß nicht, ob dieser Glaube die Leute glücklich macht. Aber es schadet nicht; gehn sie nur zur Frau Glaubeleichtin, denn sie erwartet sie.

HERR SCHEINFROMM. Ich gehe; aber vergesst nicht das eure zu thun.

CATHRINE. Sorgen sie nur nicht.

HERR SCHEINFROMM. Seht ihr hier wohl den Ring? Ich habe ihn von einer Frau bekommen, daß ich ihn zum Allmosen anwenden soll.[47]

CATHRINE. Der Ring ist aller Ehren wehrt.

HERR SCHEINFROMM. Nun, wenn ihrs hübsch macht – – – ihr seht ihn wohl – – – ich verwahre ihn vor euch. Er steckt ihn ein.

CATHRINE. Sie verwahren ihn vor mich? Gewiß, ich bin ihnen sehr verbunden.

HERR SCHEINFROMM. Nun ich will hineingehen. Noch einmahl thut euer bestes. Geht ab.

CATHRINE. Gut, gut. Ich verwahre ihn vor euch – – – ich verwahre ihn vor euch – – – Das ist ein alter Filtzhut! Aber zum Schelme bist du mir noch lange nicht listig genug.


Quelle:
Luise Adelgunde Victorie Gottsched: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Stuttgart 1979, S. 42-48.
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