Achter Auftritt


[79] Jungfer Dorchen, Herr Liebmann.


HERR LIEBMANN. Was sagte sie? Jungfer Luischen geht fort? und spricht, sie will mich verlassen? O Himmel! soll ichs glauben? Ums Himmels willen erklären sie mir das Geheimniß! Unterwirfft sie sich dem Willen ihrer Mama? Will sie mir in der That abtrünnig werden?

JUNGFER DORCHEN. Sie habens gehört! Was wollen sie mehr?

HERR LIEBMANN. Die Ungetreue! Um so eines Nichtswürdigen halben mich zu verlassen! O Himmel! was werde ich machen?

JUNGFER DORCHEN. Ich wollte sie sehr beklagen; wenn nicht noch ein Mittel wäre, wie sie sich rächen könnten.

HERR LIEBMANN in Gedancken. Wenn der, den sie mir vorziehet, nur noch ihrer Liebe werth wäre.

JUNGFER DORCHEN. Das ist wahr, ich könnte so undanckbar nicht seyn.

HERR LIEBMANN. Mit mir so umzugehen?

JUNGFER DORCHEN. Glauben sie mir! rächen sie sich, und wählen sie eine würdigere Person. Das wird die beste Bestrafung seyn.

HERR LIEBMANN. O! die Grausame? Sie begehrt sich nicht einmahl zu entschuldigen. Sie fliehet, sie vermeidet meine Gegenwart.[79]

JUNGFER DORCHEN. Rächen sie sich! Bedencken sie wohl, was ich sage.

HERR LIEBMANN. Nein! Mademoiselle! Sie können eine so grosse Unerkenntlichkeit nicht entschuldigen. Ich mag nichts hören.

JUNGFER DORCHEN. Sie verstehen mich nicht. Ich will nicht – – –

HERR LIEBMANN. Nein! Mademoiselle! nein! Es kan nicht vertheidiget werden. Wie? hat sie in einem Augenblicke meine Treue und meine Liebe vergessen können?

JUNGFER DORCHEN. Hören sie mich doch nur an: Ich rathe ihnen selbst, daß sie sie vergessen, und an eine bessere Wahl gedencken sollen.

HERR LIEBMANN in Gedancken. Mit solcher Gelassenheit mein Unglücke zu beschliessen.

JUNGFER DORCHEN. Was hilffts, daß sie sich viel beklagen? Sie müssen sich zu rächen suchen. Bedencken sie nur, wer sie sind. Ach! sie dürften nicht weit suchen, um ein Hertz zu finden, das des ihrigen viel würdiger ist.

HERR LIEBMANN. Meinetwegen, ich wills thun!

JUNGFER DORCHEN. Wie? Haben sie sich entschlossen?

HERR LIEBMANN. Ja! und ich hoffe, sie werden mit mir einer Meynung seyn.

JUNGFER DORCHEN. Mein Herr! sie hätten schon seit langer Zeit die Hochachtung bemercken sollen, so ich vor ihre Person habe.[80]

HERR LIEBMANN. Ach! wenn sie mir ein wenig geneigt seyn, so können sies nicht mißbilligen, daß ich eine ungetreue verachte.

JUNGFER DORCHEN. Es ist wahr – – – aber der Wohlstand erlaubt es nicht, daß – – –

HERR LIEBMANN. Ey! der Wohlstand selbst erforderts!

JUNGFER DORCHEN. Herr Liebmann! sie sind sehr hitzig! Wissen sie, daß, wenn die Mama mich ihnen verloben will, so sollen sie von meiner Seite keine Hinderniß finden.

HERR LIEBMANN. Wie? ich soll bey der Mama um sie anhalten?

JUNGFER DORCHEN. Ja! Nimmt sie das Wunder?

HERR LIEBMANN. Verzeihen sie! Ich bin so verwirrt: Ich habe mich vielleicht nicht deutlich genung erkläret; Oder sie haben mich nicht verstanden.

JUNGFER DORCHEN. Was ist denn ihre Meinung?

HERR LIEBMANN. Ich meyne, ich will mich von der grausamen Luise entfernen: Ich will aufs Land ziehen, und allda mein Leben beschliessen. Da werde ich doch wenigstens kein sichtbares Opfer ihrer Rache seyn; Und vielleicht vergesse ich sie gar mit der Zeit.

JUNGFER DORCHEN. Wie? wollen sie nicht mehr lieben?[81]

HERR LIEBMANN. Ach! bin ich künftig hin fähig darzu? Nein! ich will nichts mehr lieben. Ich will alles hassen; Das Licht der Sonnen selbst will ich fliehen!

JUNGFER DORCHEN. Ist denn das die schöne Rache, darüber sie so lange in Gedancken stunden?

HERR LIEBMANN. Ja! und ich wills den Augenblick ausrichten.

JUNGFER DORCHEN. Gehn sie, mein Herr, gehn sie! Der Anschlag ist gar zu schön. Aber seyn sie gewiß, daß, wofern meine Schwester sie ja bedauret: Ich sie doch nicht bedauren werde.


Quelle:
Luise Adelgunde Victorie Gottsched: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Stuttgart 1979, S. 79-82.
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