Dritter Auftritt


[122] Herr Glaubeleicht, Herr Wackermann.


HERR GLAUBELEICHT. Ich kann mich von meinem Schrecken noch nicht erhohlen. Wie! meine Frau verzögert die Hochzeit zwey gantzer Jahre; da ich sie ihr doch so ernstlich anbefohlen hatte? und nun fasst sie in einem Tage den Entschluß, mein Kind des Scheinfromms Vetter, einem Pietisten, einem dummen Esel zu geben? Wahrhafftig! das ärgert mich.

HERR WACKERMANN. Ich begreiffe es wohl: Ihr habt recht; aber der Zorn ändert die Sache nicht. Wenn ihr noch solch grosses Lermen macht, was wird heraus kommen? Ihr werdet eure Frau nicht besser, sondern ihr werdet sie vielmehr noch ärger machen.

HERR GLAUBELEICHT. Was soll ich denn thun?

HERR WACKERMANN. Seyd stille, und verberget euren Zorn. Wir haben ja das[122] Zeugniß, eure Frau zu überführen, was Scheinfromm für ein Kerl ist; ich will nur den Augenblick abwarten, da sie die Schrifft wird unterschreiben wollen, da werde ich ihr schon Einhalt thun. Der Advocat ist ein ehrlicher Mann; er hat wohl gemerckt, daß ein Schelmen-Stück dabey wäre, und hat mir auch versprochen, ohne meine Einwilligung nichts zu unterschreiben; also könnt ihr die Sache gelassen abwarten. Wenn eure Frau sich bedeuten lässt, so seyd ihr des Unglücks in eurem Hause auf einmahl loß. Will sie aber nicht hören, so wird eure Gegenwart der gantzen Sache ein Ende machen.

HERR GLAUBELEICHT. Ich will eurem Rathe folgen und bis zum Ausgang der Sache in meiner Tochter ihrem Zimmer bleiben. Aber wie Hencker hat der Scheinfromm meine Frau so einnehmen können! Ihr sagt: Er hat keinen Verstand, keine Lebens-Art, keine Verdienste.

HERR WACKERMANN. Mich nimmt es nicht Wunder, daß er sie eingenommen hat. Wenn ihr wüsstet, was die verzweifelten Kerls für Streiche machen, daß man sie nur für redliche Leute halten soll! Sie haben allenthalben ihre Spionen, welche von ihrer grossen GOttes-Furcht und Frömmigkeit schwatzen müssen. Wenn man sie sieht, so dächte man, es wären lauter Heilige. Sie reden von lauter GOttes-Furcht, Liebe und Sanfftmuth; und es ist also nicht zu verwundern, daß eure Frau, die ein gutes redliches Hertze hat, durch solche Verstellung ist betrogen worden.

HERR GLAUBELEICHT. Ihr habt recht.

HERR WACKERMANN. Sie wird sich schon ändern; lasst mich nur davor sorgen. Ich habe dem Liebmann sagen lassen, daß er hieher kommen soll. Doch wir wollen hinein gehen, man möchte uns gewahr werden; mich dünckt ohnedem, es kömmt jemand.[123]


Quelle:
Luise Adelgunde Victorie Gottsched: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Stuttgart 1979, S. 122-124.
Lizenz:
Kategorien: