Vierter Auftritt


[124] Herr Mag. Scheinfromm, Herr von Muckersdorff, ein Advocat.


HERR SCHEINFROMM. Wir wollen doch ein wenig unsern Contract durchsehen, ehe die Frau Glaubeleichtin kömmt.

DER ADVOCAT. Hier ist er so, wie sie ihn bestellt haben.

HERR SCHEINFROMM liest ihn durch. Gut! Sie haben es wohl ausgedruckt, daß sie von nun an alle ihre bewegliche und unbewegliche Güter, sie mögen ihr oder ihrem Manne gehören, ihrer Tochter, laut der Vollmacht, die sie von ihrem Manne erhalten hat, abtritt.

DER ADVOCAT. Ja! Herr Magister.

HERR SCHEINFROMM. Ohne alles Bedencken auf ihre ältere Tochter, welche sie hiermit enterbet.

DER ADVOCAT. Ja! Herr Magister.

HERR SCHEINFROMM. Doch mit Vorbehaltung eines jährlichen Gehalts von 2000 Gulden vor sich und ihren Mann auf Lebens-Zeit.

DER ADVOCAT. Ja! das alles habe ich deutlich ausgedruckt.

HERR SCHEINFROMM. Sie wissen, was ich ihnen versprochen habe: Sie sollen schon zufrieden seyn.[124]

DER ADVOCAT. O! daran zweifele ich nicht. Beyseits. Das ist ein Spitzbube!

HERR SCHEINFROMM. Mich dünckt, sie haben sich über die Puncte dieses Contracts gewundert.

DER ADVOCAT. Es ist wahr; aber weil sie mir sagten, daß die Frau Glaubeleichtin alles übergeben hätte, so habe ich auch nichts darwider zu sagen.

HERR SCHEINFROMM. Ach! sie werden sehen, daß sie es nicht einmahl lesen wird. Ubrigens habe ichs ihnen schon gesagt, daß ichs nicht aus Eigennutz thue.

DER ADVOCAT. Das glaube ich wohl! Sie sind zu gottsfürchtig.

HERR SCHEINFROMM. Ja! die Erfahrung hat michs gelehrt, daß auch zuweilen tugendhaffte Leute ihr Geld übel anwenden, und dadurch verdammt werden: Deßwegen bin ich auf den Entschluß gekommen.

DER ADVOCAT. Das kann wohl seyn.

HERR SCHEINFROMM. Unter dem Schein des Ranges verfallen sie in Pracht und Hoffart.

DER ADVOCAT. Zuweilen. Aber Frau Glaubeleichtin kömmt mir nicht so vor.

HERR SCHEINFROMM. Es thut nichts. Ich will ihr auch die Gelegenheit dazu beschneiden. Und denn hat man mir gesagt, daß ihr Mann bald wieder kommen wird.[125]

DER ADVOCAT. Nun! was thut das?

HERR SCHEINFROMM. O! ich traue dem Frieden nicht! Es ist am besten, daß ich meine Schrifft beyzeiten zeichnen lasse.

DER ADVOCAT. Da kommen sie.


Quelle:
Luise Adelgunde Victorie Gottsched: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Stuttgart 1979, S. 124-126.
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